No. 52
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 06. Juli
1894
Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1894 Nr. 52 Seite 1]

Bekanntmachung,
betreffend Tanzmusiken.
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                  Die Bestimmung der Nr. 3 der Bekanntmachung vom 21. März 1885, betreffend Tanzmusiken, wird mit Genehmigung Großherzoglicher Landesregierung dahin abgeändert, daß in Zukunft Dispositionen von den Bestimmungen des Gesetzes zur besseren Heilighaltung des Sonntags pp. vom 28. August 1855, nicht mehr direct bei der Großherzoglichen Landesregierung, sondern durch Vermittelung der Großherzoglichen Landvogtei in Schönberg nachzusuchen sind. Es wird dies mit dem Anfügen zur öffentlichen Kenntniß gebracht, daß vom 1. August d. J. ab Anträge auf Erteilung solcher Dispensationen, welche direct bei Großherzoglicher Landesregierung eingehen, unberücksichtigt bleiben werden.
                  Gleichzeitig wird bekannt gemacht, daß in der Regel Erlaubniß zur Tanzlustbarkeit nur ertheilt werden kann, sofern der Antragsteller garantirt, daß Personen unter 16 Jahren der Eintritt in das Local verwehrt wird.
                  Schönberg, den 4. Juli 1894.

Großherzoglich Mecklenburgische Landvogtei des Fürstenthums Ratzeburg.
Cl. V. Oertzen.


      Unter Bezugnahme auf § 366, 10 des St. G. B. wird hiermit polizeilich verordnet,

§. 1.

                Das Treiben und Führen des Rindviehs innerhalb der Stadt Schönberg bis zum Bahnhofe hat lediglich auf der Fahrbahn zu geschehen, wofür durch Begleitung kräftiger Männer in genügender Anzahl aufzukommen ist. In der Lübecker Straße ist zur Zeit des Wagenverkehrs zu den ankommenden und abgehenden Zügen soweit zur Zeit des Schulstundenschlusses der Trieb thunlichst zu vermeiden.

§. 2.

                Stiere und irgendwie störrische Rinder sind auf den bezeichneten Strecken einzeln zu leiten, und zwar muß jedes einzelne Thier an beiden Vorderfüßen mit einem Sprungtau, welches durch ein um den Leib des Thieres geschlungenes Tau zusammen gehalten wird, und mit einem am Kopfe gut befestigten Leitseile versehen sein.

§. 3.

                Contraventionen werden mit Geldstrafe bis zu 60 Mark oder mit Haft bis zu 14 Tagen bestraft.
                     Schönberg, den 12. Juni 1894.

Großherzoglich Mecklenburgische Landvogtei des Fürstenthums Ratzeburg.
Cl. v. Oertzen.


- Das Kaiserpaar hat am 2. Juli vormittags um 10 3/4 Uhr an Bord der "Hohenzollern" die Nordlandsreise angetreten.
- Die vor Kurzem verbreitete Zeitungsnachricht, daß die Kaiserin die Nordlandreise bereits in Malmö abbrechen werde und schon von dort aus die Rückreise anzutreten gedenke, ist völlig unzutreffend. An der ursprünglichen Bestimmung, daß die Kaiserin den Kaiser bis nach Trondhjem auf der Nordlandsreise begleitet, ist bis jetzt durchaus nichts geändert und dürfte es voraussichtlich auch bei dieser Bestimmung bleiben.
- Bei der am Sonntag in der Travemünder Bucht abgehaltenen Segel=Regatta hat wiederum der Kaiser auf seiner Yacht "Meteor" den ersten Preis, der in einem kunstvoll gearbeiteten Münzbecher bestand, gewonnen.
- Der Kaiser hat dem Brandenburgischen Hauptverein der Gustav=Adolf=Stiftung gelegentlich der jetzt stattgehabten Feier des 50jährigen Bestehens die erbetenen Rechte einer juristischen Person verliehen und den Vorständen, Geh. Rath Johow, durch Uebersendung des Kronenordens 2. Kl. mit dem Stern ausgezeichnet.
- Die Commission zur Berathung des Entwurfs eines deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs hat sich bis zum 8. October d. J. vertagt. In Bearbeitung ist eben das Erbrecht.
- Etwa hundert Teilnehmer des jetzt in Hamburg tagenden Schriftstellertages fuhren am Sonntag vormittag nach Friedrichsruh. Fürst

[ => Original lesen: 1894 Nr. 52 Seite 2]

Bismarck, obgleich fußleidend, hielt eine Ansprache im Park, in der er sich der Presse gegenüber sehr anerkennend aussprach. Zu den österreichischen Journalisten, sagte er, der Krieg mit Oesterreich sei eine Nothwendigkeit gewesen. Es gab begeisterte Huldigungen.
- Der deutsche Botschafter in Paris Graf Münster, setzte am Sonntag vormittag bei der Trauerfeierlichkeit für den Präsidenten Carnot den Ministerpräsidenten Dupuy und den Minister des Auswärtigen Hanotaux davon in Kenntniß, daß Se. Majestät der deutsche Kaiser, die beiden durch das Reichsgericht verurtheilten französischen Offiziere begnadigt hat. Der Präsident der Republik ersuchte den Ministerpräsidenten Sr. Majestät dem deutschen Kaiser zu danken für das so hochherzige Gedenken eines Tages wie des heutigen, welches beiden großen Nationen zu Herzen gehen würde. Die Nachricht von der Begnadigung verbreitete sich schnell unter den Theilnehmern der Feier und rief tiefe Bewegung hervor.
- Auf Anordnung des Präsidenten Casimir Perier ist die Sperrung der Bezüge des Erzbischofs von Lyon aufgehoben. Es ist angeordnet, daß ihm der ganze Rückstand ausgezahlt werde. In einer Seitengasse in der Nähe der Wohnung des Präsidenten Casimir Perier ist am Sonntag Morgen in Paris ein Maueranschlag gefunden worden, in dem Casimir Perier die Ermordung durch die Anarchisten angedroht wird. Ein anderer Maueranschlag enthielt die fettgedruckten Worte: "Am 25. Juli wird Frankreich abermals trauern." Die Polizei hat sofort die Plakate entfernt. Auch in Provinzstädten sind mehrere Verhaftungen am Sonnabend vorgenommen worden.
- Nach Meldungen aus Fez haben die verschienen Stämme dem Sultan Abdul=Aziz bei dessen Durchreise ihre Unterwerfung erklärt, mit der einzigen Ausnahme der Riffkabylen, die sich gegen die Spanier wieder zu erheben beginnen.
- Unter feierlichem Glockengeläute sämmtlicher Kirchen von Charkow und Umgegend fand am 26. Juni in Gegenwart des Czaren die Einweihung der Votivkirche von Borki, jener Eisenbahnstation statt, wo die ganze kaiserliche Familie am 17. Oct. 1888 bei der Eisenbahnkatastrophe aus schwerster Lebensgefahr gerettet wurde. Der Einweihung wohnten die Spitzen der Militär= und Civilbehörden von Charkow, sowie die Minister Curnow, Wannowsky, Pobedonoszew bei. Der Erzbischof von Charkow, Amwrossij, hielt an den Kaiser eine Ansprache, in welcher er hervorhob, daß Rußland unter der weisen und festen Regierung des Czaren sich sicher fühle, daß Gott in seiner Barmherzigkeit dem Herrscher Rußlands noch ein langes Leben bescheiden werde, um die Friedensthaten des Czaren zum Wohle Rußlands zu krönen. Vergleicht man diese Ansprache mit der Rede, welche derselbe Erzbischof unmittelbar nach dem Unfalle von Borki in der Universitätskirche zu Charkow an den Czaren Alexander III. gerichtet hatte, so ergiebt sich bei diesem Anlasse wieder ein Beweis dafür, daß die damals in Rußland herrschenden kriegerischen und panslavistischen Strömungen entschieden viel an Intensität verloren haben. Damals sprach Amwrossij von inneren und äußeren Feinden. Die jüngste Ansprache Amwrossij's ist als ein Beitrag zur politischen Umstimmung Rußlands zu bezeichnen.


Anzeigen.

Die auf hiesigem Amtsgebiete belegene sogen. Torfscheune soll auf Abbruch öffentlich meistbietend verkauft werden und steht zu diesem Zwecke ein Termin auf

Sonnabend, den 7. Juli d. J.
Vormittags 11 Uhr

im Sitzungszimmer der Großherzoglichen Landvogtei hieselbst an, wozu Kaufliebhaber mit dem Bemerken geladen werden, daß die Bedingungen vor Eröffnung des Termins bekannt gemacht werden sollen, auch aus der hiesigen Registratur eingesehen werden können.
Schönberg, den 27. Juni 1894.

Großherzoglich Mecklenb. Domainen=Amt.
Cl. v. Oertzen.


In Sachen betr. die Zwangsversteigerung der dem Halbhufner H. Wittfoth gehörigen zu Schlagbrügge sub Nr. VII belegene Halbstelle c. p. wird das Verfahren hiermit aufgehoben und findet der auf

Dienstag, den 10. Juli 1894
Mittags 12 Uhr

angesetzte Verkaufstermin nicht statt.
Schönberg, den 3. Juli 1894.

Großherzogliches Amtsgericht.
(gz.) Dr. jur. E. Hahn.
                                                    Veröffentlicht
                                                    H. Diederich,
                                                    Amtsgerichtsactuar.


Zur öffentlich meistbietenden Verpachtung der sub Nr. I zu Schlag=Resdorf belegenen unregulirten Schulzenstelle mit sämmtlichem Zubehör, den bestellten Saaten, dem bereits geworbenen Heu und den sonstigen Vorräthen ist auf Antrag der Vormünder der minorennen Schulze Ollmann'schen Erben ein Termin auf

Sonnabend, den 7. Juli ds. Js.,
Vormittags 10 Uhr,

vor dem unterzeichneten Gerichte angesetzt, zu welchem Pachtliebhaber mit dem Bemerken hiermit geladen werden, daß bei annehmlichem Gebot sofort der Zuschlag ertheilt werden wird, daß die Bedingungen auf der Registratur II einzusehen auch gegen die Gebühr in Abschrift zu haben sind, und daß die Besichtigung des Pachtgrundstücks nach zuvoriger Meldung beim Krüger Hecht oder Hauswirth Joachim Ollmann in Schlagsdorf gestattet wird.
Schönberg, den 20. Juni 1894.

Großherzogliches Amtsgericht.
G. Horn.
                                                    E. Breuel, Akt


Auction.

Am Sonntag, d. 8. Juli, nachm. 4 Uhr sollen auf der Hofstelle des Halbhufners Wittfoth zu Schlagbrügge 2 Pferde, 2 Kühe, Schafe, Hühner, Wagen u. s. w. öffentlich meistbietend gegen Baarzahlung verkauft werden.

                                                    Hausw. Oldenburg.
                                                    Hausw. Ollrogge.    


Bund der Landwirthe.

Diejenigen Mitglieder des Fürstenth. Ratzeburg, welche ihren Beitrag pro 1894 noch nicht bezahlt haben, werden ersucht, denselben bei dem Unterzeichneten abzuliefern.
Stove, 3. Juli 1894.

                                                    Der Vors. d. Bezirk Schönberg.
                                                    Kaiser.


R. Jatzow, Augenarzt.
Lübeck, Beckergrube 41
verreist Montag, den 9. Juli auf 4 Wochen.


Erxleben,
pract. Thierarzt
zurückgekehrt.
Ratzeburg, im Juni 1894.                                                    


Habe noch eine kleine                          
Wohnung
zu Michaelis d. J. zu vermiethen.                                                    
                                                    Rud. Lange, Schneidermeister.


Gesucht wird zu Michaelis in der Siemzerstraße eine

Parterre=Wohnung

mit Zubehör. Näheres in der Exped. d. Anzeigen.


Glas= u. Crystall=
waaren

In größter Auswahl eingetroffen, darunter sehr viele Neuheiten.

                                                    Rud. Tietgen.


[ => Original lesen: 1894 Nr. 52 Seite 3]

Einem geehrten Publikum Schönberg's und Umgegend zur gefl. Nachricht, daß ich zum 15. September d. J. anderer Unternehmungen halber mein

PHOTOGRAPHIE-ATELIER

hier am Platze aufzugeben beabsichtige.
Bitte daher meine geehrten Kunden, welche die Absicht haben, sich noch photographieren zu lassen, höflichst, recht baldigst bei mir vorzukommen.
Sämmtliche Bilder werden in bekannter sauberster Ausführung unter Garantie geliefert.

Landschafts=Gruppen= und Gebäude=Aufnahmen billigst.
Schönberger Ansichten sind bei mir zu haben.                                                    
                          
Hochachtungsvoll
Th. Liebert, Photograph.


Zuckerfabrik Grevesmühlen.
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Nach Beseitigung der bisher entgegenstehenden Hindernisse wird zur endgültigen Constituierung der Gesellschaft

Zuckerfabrik Grevesmühlen
eine
Versammlung
auf Dienstag, den 10. Juli d. J., Nachmittags 3 Uhr,
im Hotel zum Großherzog in Grevesmühlen

anberaumt, zu welcher alle Interessenten des Unternehmens eingeladen werden.
Vertreter müssen durch eine gerichtlich oder notariell beglaubigte Vollmacht legitimirt sein.

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Verhandlungs= Gegenstände:

1) Berichterstattung der Committe.
2) Berathung und Beschlußfassung über die Statuten der Gesellschaft.
3) Wahl des Vorstandes und des Aufsichtsraths.
4) Abschluß eines Darlehnsvertrages mit der Großherzoglichen Verwaltung des Domanials=Capitalfonds.
Grevesmühlen, den 1. Juli 1894.

Die Committe.
A. Pelzer.       C. R. Keding-Gr. Walmstorf.       Chr. Callies.       A. Lueder-Redewisch.
Rusch-Schmachthagen.       Gans-Gr. Krankow.       Borgwardt-Gressow.       Ehlers-Stellshagen.


Draht-Fliegenglocken
in allen Größen
blaue Drahtgaze
für Fliegenschränke
empfiehlt                                                     Rud. Tietgen.


Empfehle:

ff. Thran zum Sielen schmieren.

Wird von vielen Landwirthen als sehr selten an Qualität gelobt und empfohlen. Zugleich empfehle Wagenfett, Maschinenöl, Wagen= und Steinkohlentheer billigst

                                                    Max C. Sass.


Hydraulischen Kalk
allerbester, sehr ausgiebiger Qualität, täglich frisch gebrannt, liefert in jedem Posten
die Kalkbrennerei (mit Dampfbetrieb) von
R. Burghardt.
Wickendorf bei Schwerin i. M.


Reisigbesen
empfiehlt billigstens                                                     Aug. Spehr.


Bahnhofs-Restaurant.

Während der Königschußtage empfehle:

Speisen:

Kükenbraten, Kalbsbraten, Gulasch, Aal in Gelee, Hummer, Krabben, verschiedene Butterbrote mit feinem Belag und Erdbeermehlspeise.

Getränke:

Pschorrbräu, Rostocker Lagerbier, Grätzer Bier und Erdbeerbowle,

wozu ergebenst einladet                          
                                                    F. Richter.


Dem hochverehrten Publikum von Schönberg und Umgegend zur gefälligen Nachricht, daß ich, meinem Versprechen gemäß, bestimmt mit meinem Ensemble im Monat August eintreffen und den Novitäten=Cyclus absolviren werde. Alle gegentheiligen Behauptungen sind unbegründet.

Hochachtungsvoll                          
                                                    Alex. Weymann, Theaterdirektor.


Koester's Garten.
Heute, Freitag, den 6. d. Mts.:
Grosses
Militär-Concert,
ausgeführt von der gesammten Kapelle des
Meckl. Jäger=Bataillons Nr. 14 aus Colmar.
Anfang Abends 8 Uhr.
Eintrittspreis à Person 50 Pfg.
Nach dem Conzert: Ball.
(Falls ungünstige Witterung, findet das Conzert im großen Saale statt.)


Stadt Lübeck.
Sonntag, den 8. Juli, sowie an beiden
Königschußtagen:
Grosse Tanzmusik.
Eintritt frei.


Emma Becker.
Willy Bussau.
Verlobte.
Schönberg i. M.                                                     Lauenburg a. E.


Kriegerverein f. d. Fürstenth. Ratzeburg.

Den Vereinskameraden die betrübende Mittheilung, daß unser lieber Kamerad C. Rahn sen. in Schönberg, verstorben ist.
Die Beerdigung findet am Sonnabend, den 7. d. Mts. Nachmittags 5 Uhr statt. - Antreten des Vereins zum Trauergeleit um 4 3/4 Uhr vor dem Vereinslocal.

                                                    Der Vorstand.


[ => Original lesen: 1894 Nr. 52 Seite 4]

Zu dem am Montag den 9. und Dienstag den
10. Juli d. J. hieselbst stattfindenden

Königschuß
laden wir die geehrten Bewohner von Stadt und Land
so höflich als ergebenst ein.
                                                    
Kapitain und Schaffner der Schützenzunft.
C. Schultze.           J. Greiff.           H. Soltmann.
~~~~~~~~~~
Festprogramm.

Zur Vorfeier am Sonntag Nachmittag die üblichen Ständchen. - Abends: Harmonie=Musik im Schützenhause. - Um 11 Uhr Abends: Zapfenstreich.
Montag, den 9. Juli: Morgens 5 Uhr: Reveille durch die Stadt. - Um 7 Uhr: Antreten der Schützen vor "Spehr's Hotel." Festmarsch durch die Stadt. Nach Ankunft im Schützenhause: Beginn des Schießens nach der Königsscheibe und den beiden Gewinnscheiben. - Frühstück bei Tafelmusik. - Von 4 Uhr Nachmittags bis zum Einmarsch: Großes Doppel=Concert ausgeführt von der Lübecker Militär=Kapelle (20 Mann) und der hiesigen Vereins=Kapelle (16 Mann). Entree für Nichtmitglieder à Person 50 Pfennig.
Die nicht uniformirten Mitglieder werden der Controlle wegen gebeten, ihre Festschleifen anzulegen, widrigenfalls das übliche Entree entrichtet werden muß.
Dienstag, den 10. Juli: Ausmarsch, Schießen, Nachmittags von 4 Uhr an bis zum Einmarsch: Concert der Schönberger Vereinsmusiker.

5. Uhr: Ziehung der Tombola.

Abends: Großer Ball im Schützenhause gegen Entree für Herrn M. 1,00 und für Damen 50 Pfennig.
Mittwoch, den 11. Juli: Abends 8 Uhr: Festball im Schützenhause nur für Ehren= und Zunftmitglieder.


Heute Morgen starb nach schweren Leiden mein lieber Mann und unser guter Vater der Schuhmachermeister

Carl Rahn

im 61. Lebensjahr.
Dies zeigt Freunden und Bekannten an

                                                    Frau Ww. Rahn
                                                    nebst Kindern.

Die Beerdigung ist am Sonnabend, den 7. Juli, Nachmittags 5 Uhr.


Standesamts=Nachrichten Schönberg.

Geboren.

D. 7. Juni dem Zimmermann W. Freitag zu Kl. Siemz Zwillingssöhne.
D. 6. Juni dem Arbeiter C. Hamann zu Rabensdorf eine Tochter.
D. 5. Juni dem Kutscher Oldörp zu Schönberg ein Sohn.
D. 10. Juni dem Arbeiter Giercke zu Schönberg ein Sohn.
D. 12. Juni dem Arbeiter W. Steffen zu Bauhof Schönberg ein Sohn.
D. 14. Juni dem Arbeiter Heinr. Meyer zu Schönberg ein Sohn.
D. 17. Juni dem Händler Wendlandt zu Schönberg ein Sohn.
D. 22. Juni dem Hauswirth J. Oldörp zu Boitin=Resdorf ein Sohn.
D. 26. Juni dem Schuhmacher H. Köster zu Schönberg eine Tochter.
D. 27. Juni dem Musikus J. Freitag zu Petersberg ein Sohn.

Gestorben.

D. 3. Juni Anna Elisabeth Meyer geb. Bade, Handelsmannsfrau zu Schönberg, 69 J. alt.
D. 4. Juni Ernst Heincke, Kaufmannssohn zu Schönberg, 17 Tage alt.
D. 7. Juni Johannes David Emil Wegner, Lehrer zu Schönberg, 64 J. 8 M. alt.
D. 10. Juni Knecht Joachim Peter Heinrich Hermann Jürgens zu Schönberg, 19 J. 8 Mon. alt.
D. 14 Juni Maria Louise Friederika Koepke geb. Zunder, Fuhrmannswittwe zu Schönberg, 85 J. 5 M. alt.
D. 16. Juni Wilhelm Adolf Peter Heinrich Kleinfeldt, Arbeitersohn zu Schönberg, 4 J. 2 M. alt.
D. 18. Juni Cath. Marg. Vitense geb. Callies, Arbeiterfrau zu Schönberg, 86 J 3 M. alt.
D. 20. Juni Ernst Heinr. Freitag, Zimmermannssohn zu Kl. Siemz, 13 Tage alt.
D. 20. Juni Arbeiterfrau Marianne Johannesson geb. Rzeski zu Schönberg, 36 J. 4 M. alt.
D. 25. Juni Arbeiter Matthias Heinr. Wigger zu Schönberg, 72 Jahre alt.
D. 30. Juni Wilh. Carl Theodor Ludwig Wendlandt zu Schönberg, 13 Tage alt.

Eheschließungen.

D. 15. Juni Buchbinder Paul Christlieb Louis August Carl Buchholz und Auguste Adolfine Marie Köster zu Schönberg.
D. 3. Juli Schornsteinfeger Franz Carl Wilhelm August Hintze zu Hagenow und Anna Elisabeth Marie Volkmann zu Kl. Siemz.


Kirchliche Nachrichten.
Sonntag, den 8. Juli.

Frühkirche: fällt aus.
Vormittagskirche: Consistorialrath Kaempffer.
   Amtswoche: Consistorialrath Kaempffer.


Abgang der Eisenbahnzüge von Schönberg.
nach Lübeck:
9,59 Vorm. 12,18 Mitt. 3,12 Nachm. 7,32 Abends 11,57 Nachts.
nach Kleinen:
8,1, Morg. 10,25 Vorm. 12,44 Nchm. 5,43 Nachm. 8,54 Abends.


Viehmarkt in Hamburg.

Es kosten: kleine Schweine 51-52 M., große Schweine 48-51 M., Sauen 35-42 M., Kälber 69-91 M. per 100 Pfund.


Hierzu eine Beilage
und Illustrirtes Beiblatt Nr. 26.


Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.


[ => Original lesen: 1894 Nr. 52 Seite 5]

Beilage
zu Nr. 52 der Wöchentlichen Anzeigen für das Fürstentum Ratzeburg.
(Schönberger Anzeigen.)
Schönberg, den 6. Juli 1894.


- Schönberg. Heute Freitag d. 6. Juli wird im Garten des Kösterschen Hotels die von früheren Conzerten hier noch im besten Andenken stehende Kapelle des Mecklb. Jäger=Bat. Nr. 14 aus Colmar im Elsaß ein Conzert geben, dem ein zahlreicher Besuch zu wünschen ist.
- Schönberg. Für den bisher bei der hiesigen Registratur beschäftigten Schreiber Becker, der nach Neustrelitz versetzt ist, wurde der Diätar Ackermann aus Neubrandenburg, der zuletzt in Woldegk thätig war, hierher berufen. - Am Sonntag trafen zwei Orgelbauer aus der Fabrik Grüneberg in Stettin hier ein, um mit dem morgenden Tage die Reparatur der hiesigen Kirchenorgel zu beginnen. Weil außerdem noch ein neues Register (Trompete) aufgestellt wird, währen die Arbeiten voraussichtlich mehrere Wochen, so daß einige Gottesdienste ohne Orgelspiel werden abgehalten werden müssen. Für die Reparatur und die Aufstellung des neuen Registers sind etwas über 800 Mk. aus der hiesigen Kirchenkasse bewilligt worden.
- Neustrelitz. Se. H. der Prinz Albert von Sachsen=Altenburg nebst Gemahlin sind am vergangenen Freitag von hier wieder abgereist. II. KK. HH. der Erbgroßherzog und die Erbgroßherzogin haben sich am Montag nach Berchtesgarden begeben, die fürstlichen Kinder dort zurückgelassen und ihre Reise fortgesetzt nach St. Moritz, wo die hohen Herrschaften einen längeren Aufenthalt zu nehmen gedenken. - I. K. H. die Großherzogin wird sich Mittwoch oder Donnerstag nach dem Keppschloß begeben.
- Neustrelitz. Ueber das Befinden der am Freitag durch einen Knecht so schwer verletzten Frau des Ausbau=Besitzers Puhlmann=Rudow ist zu berichten, daß eine unmittelbare Gefahr für das Leben trotz des starken Blutverlustes, den Frau P. erlitten hat, nicht vorliegt.
- Der in Rudow bedienstete Knecht G. Wirth, welcher wie gemeldet, nach einem Attentat auf die Gutsbesitzerfamilie Puhlmann sich von einem Eisenbahnzuge der Strecke Neustrelitz=Warnemünde überfahren ließ, ist noch am Abend des Vorfalls im Warener Krankenhause seinen Verletzungen erlegen.
- Grevesmühlen. Nachdem die genügende Anzahl Morgen zum Rübenbau für die hier projektirte Zuckerfabrik angemeldet ist, hat der provisorische Vorstand beschlossen, zum Dienstag, den 10. Juli, die Interessenten zur Constituirung der Genossenschaft einzuladen.
- Vom Eisenbahnunglück bei Hagenow. Mit Blitzesschnelle verbreitete sich gestern Mittag die Kunde von dem schon telegraphisch gemeldeten Eisenbahnunglück. Da die Aerzte telegraphisch beordert wurden, glaubte man an etwas Schreckliches, zumal wenn man bedenkt, mit welch' rasender Geschwindigkeit der Zug den Bahnhof passirt. Ursachen des Unglücks sind so weit bekannt, folgende: Es standen auf dem in das rechte Hauptgeleise einlaufenden Strang mehrere leere Wagen, die etwas zu weit an das Hauptgeleise gerathen waren. Das Ausfahrtssignal war nicht gegeben. Der Lokomotivführer bemerke dies und zog schon auf dem Bahnhof die Bremsen stark an, so daß der Zug nicht mit aller Gewalt auf die stehenden Wagen fuhr. Der Tender und rechte Cylinder der Maschine waren zertrümmert. Die nächsten 4 Wagen waren der Trittbretter, Griffe etc. beraubt. Durch das Entlangreißen an den stehenden Wagen wurden diese mit in Bewegung gesetzt und fuhren zwischen dem 4. und 5. Wagen des Schnellzuges. Der 5. und 6. Wagen wurden vorne eingedrückt und umgeworfen. Die stehenden Wagen fielen nach der entgegengesetzten Seite. Wie ein Wunder ist es anzusehen, daß von den Insassen niemand arg verletzt wurde. Ein sofort zusammengesetzter Zug brachte die Passagiere, unter denen sich sehr viele Ausländer befanden, nach Hamburg weiter. Das Betriebsamt schickte einen Wagen mit Arbeitern, welche die Aufräumungsarbeiten vornahmen. - Die amtliche Untersuchung ist sofort eingeleitet worden. Wahrscheinlich ist der Unfall dadurch herbeigeführt, daß dem Schnellzuge von der Station Hagenow vorzeitig das Einfahrtssignal gegeben worden ist.
Ferner wird der "M. Z." noch berichtet: Der Zug stieß mit 3 Personenwagen zusammen. Diese waren von einer Locomotive beim Rangiren fortgestoßen. Es wurde nun der letzte Wagen bei einer Weiche von dem heranbrausenden Schnellzug erfaßt, dessen Locomotive die 3 Waggons, welche im Nebengeleise rollten, mitriß und nach kurzem Schleifen umstieß. Ein Glück war es, daß dieselben fast in einer Richtung mit dem Schnellzug liefen, und dieser beim Bahnhof nur mit einer Geschwindigkeit von 85 Kilometer pro Stunde fuhr, während auf freier Strecke 90 Kilometer gestattet sind. So waren glücklicher Weise nur bei einem Herrn eine Beinverstauchung und bei einem Schaffner einige nervöse Erscheinungen zu constatiren. Auch wurden die Reisenden beim Zusammenstoß auf einander geworfen, welcher Zwischenfall ohne ernstere Folgen verlief. In den 3 umgeworfenen Wagen hatten vorher schon einige Reservisten, die nach Schwerin bestimmt waren und ihrer Beförderung am Bahnhofe warteten, ihre Plätze eingenommen. Diese mußten auf der in der Luft ragenden Waggonseite das Quartier wieder räumen. Ein 3jähriges Kind wollte absolut mit der Mutter nicht wieder in den für die Weiterfahrt bereiten Wagen steigen und folgte erst nach längerem Zureden. Der Zug befuhr dann ein anderes Geleise, welches an der Unfallstätte vorbeiführte, über welches die Verbindung nach Hamburg unterhalten wird.
- Bei der See=Regatta Kiel=Travemünde erhielt die vom Kaiser Wilhelm geführte Yacht als schnellstes Boot den Kaiserpreis. Prinz Heinrich errang mit seiner Yacht "Irene" in Abtheilung 1 b den 2. Preis. Die Regatta, an welcher sich 31 Yachten betheiligten, nahm bei sonnigem Wetter einen prächtigen Verlauf.


- Fünfzehn türkische Officiere treffen in den nächsten Tagen in Berlin ein, welche, nachdem sie einen Instructionscursus in der Militärvorbereitungsanstalt des Oberst z. D. v. Elpons absolvirt haben, Januar 1895 in die Preuß. Armee für einen Zeitraum von drei Jahren eingestellt werden, um bei verschiedenen Regimentern aller Waffengattungen Dienst zu thun.
- Die gewaltige Kuppel des Reichsgerichtsneubaues soll nicht vergoldet, sondern mit dem neu erfundenen Patina überzogen werden. Dessen Erfinder weilte mehrere Tage in Leipzig.
- Am Sonnabend nachmittag hatte im Reichsbankgebäude der bei einer Bankfirma in Berlin angestellte Kassenbote Alexander Opolka in Gemeinschaft mit einem andern Kassenboten derselben Firma 65 700 Mark zu erheben. Nachdem Opolka einen Theil des Geldes an der Hauptkasse erhoben, bemerkte er plötzlich, daß aus seiner Tasche ein Hundertmarkschein heraushing. Erschreckt revidierte er die Tasche und entdeckte, daß ihm ein Paket Hundertmarkscheine in Höhe von 20 000 Mark und drei einzelne Hundertmarkscheine fehlten. Das Geld ist Opolka, der ein bejahrter Mann ist und sich des vollen Vertrauens seines Chefs erfreut, offenbar gestohlen worden.
- Der Verein deutscher Ingenieure geht mit dem Plan um, dem verstorbenen Werner v. Siemens ein Denkmal zu errichten.
- Wegen fortgesetzter Tierquälereien, begangen an jungen Vögeln, sind in Zöblitz bei Lengefeld im Königreich Sachsen 13 Schulknaben polizeilich mit Hieben in Gegenwart des Arztes und in Anwesenheit der Mitschüler durch den Schulhausmann bestraft worden. Der Vater eines der be=

[ => Original lesen: 1894 Nr. 52 Seite 6]

strafte Knaben legte bei dem Staatsanwalt Beschwerde ein, aber ohne Erfolg. Bravo!
- In Elberfeld sind an einer Person die "schwarzen Pocken" festgestellt worden.
- Die sozialdemokratische Vereinsbäckerei in München ist, wie die in Berlin und Hamburg, verkracht. Das Geschäftsjahr hat mit einem Verlust von 1553 Mk. abgeschlossen und ein Mitgliederguthaben ist nicht mehr vorhanden.


- Ueber das Leichenbegängnis Carnots wird aus Paris gemeldet: Gegen 12 Uhr traf der Zug an der Notre=Dame=Kirche ein. Hier trat General Saussier mit seinem Generalstab auf die linke Seite des Zuges und grüßte die Leiche ehrerbietig mit dem Degen, während die Hornisten bliesen und die Tambours anschlugen. Sämmtliche Glocken in den Champs Elysees ließen Trauergeläute ertönen. Der Erzbischof von Paris, Kardinal Richard, umgeben von dem gesammten Klerus, empfing den Sarg am Portal. Vor Erteilung der Absolution gab der Erzbischof in einer Allokution dem Wunsche Ausdruck, das der Pflicht geweihte Leben Carnots möge eine große Lehre sein für eine Einigung aller Kinder des französischen Vaterlandes durch das Bündnis des Patriotismus und des Glaubens. Die kirchliche Ceremonie endete um 2 Uhr. Um 3 Uhr traf der Zug im Pantheon ein. Auf dem ganzen Wege verharrte die Menge in andachtsvoller Haltung, nur auf Augenblicke brach sie in Beifall aus, besonders beim Vorüberschreiten des Präsidenten Perier. Beim Pantheon wurde nach einer Rede des Generals Anda und nach Beendigung des Vorbeimarsches des Zuges und der Truppen der Sarg in die Gruft hinabgelassen, was ohne Störung vor sich ging. Die Menge zerstreute sich langsam.
Sämmtliche Blätter erklären einstimmig, das großartige Leichenbegängnis Carnots sei eine würdige Bezeugung nationaler Dankbarkeit. Der Zug war anderthalb Stunden lang. Ueberall standen Hunderttausende gedrängt hinter den Soldaten, die auf dem ganzen Wege Spalier bildeten. Schon in der Frühe hatten die Zuschauer ihre Plätze eingenommen.
Von der Größe der Menschenmenge und Zahl der Tribünen ist es überhaupt ganz unmöglich sich einen Begriff zu machen. Alle Seitenstraßen der langen Rue de Rivoli waren durch Handwagen, Lastkarren, Möbelwagen und Kremser blockiert. Dazwischen waren ganze Reihen Leitern und Trittleitern angebracht und durch dünne Bretter verbunden, auf denen schwarze Menschenmassen knieend und stehend hockten. Alle Laternenpfähle, Fenster, Häuservorsprünge und Dächer waren dicht besetzt. Eine große Reihe von Unfällen hat denn auch in folge der drückenden Fülle und der großen Hitze stattgefunden. Mehrere hundert Personen erkrankten während der Leichenfeier, fielen in Ohnmacht, wurden vom Sonnenstich getroffen oder sonst verletzt. Eine Panik entstand einmal durch den Ruf: "Eine Bombe, eine Bombe!" Schließlich stellte sich heraus, daß die Ursache der Panik keine Bombe, sondern das Pferd eines Offiziers war, das sich gebäumt hatte, und eine Frau, die vor Angst krank geworden war.
Nahezu sämmtliche Pariser Blätter, der Figaro eingeschlossen, besprechenden den Kaiserlichen Gnadenakt betr. die Begnadigung der beiden in Glatz inhaftierten französischen Offiziere, mit hohem Lobe. Graf Münster überbrachte die Botschaft bei Antritt des Leichenzuges an Dupuy, welcher dort dem Präsidenten Mittheilung machte. Beide gaben ihrem lebhaften Danke sofort Ausdruck. Die Kunde davon verbreitete sich blitzschnell. Schon im Notre=Dame dankten der Kriegs= und Marineminister dem Grafen namens Armee und Marine. Die Franzosen sind durchweg begeistert. Die Deutschen in Paris haben nur eine Stimme für Se. Majestät den Kaiser. - Eine Extra=Ausgabe des Journals "Le Jour" sagte: "Jedermann wird davon durchdrungen sein, daß Se. Majestät der Kaiser Wilhelm edel gehandelt hat, und selbst diejenigen, welche nichts vergessen können, werden sich vor der hochherzigen Initiative des Souveräns verneigen." - Die "Presse" schreibt: "Kaiser Wilhelm hat eine besonders ergreifende Formel gefunden, um die Gefühle seiner Werthschätzung und Bewunderung für Carnot zu bezeigen. Diese einem teuern großen Andenken gewordene Huldigung bedarf keines Kommentars. Der Akt Kaiser Wilhelms wird einen ebenso gerechtfertigten als nachhaltigen Wiederhall erwerben." - Der Bruder des begnadigten Offiziers Degony erhielt ein Telegramm aus Glatz: "Frei! Befinden uns wohl!" Einem Berichterstatter des "Temps" erklärte der Bruder des inhaftierten Degony: Er müsse konstatieren, daß beide Offiziere sehr zuvorkommend als Offiziere von Offizieren behandelt worden seien.
- Der Mörder Cesario Santo (oder Caserio) wird in Lyon Tag und Nacht von zwei Wächtern bewacht. Er ißt und trinkt mit gutem Appetit; er schläft gut während der ganzen Nacht und eines Theiles des Tages und bekümmert sich anscheinend gar nicht um sein Schicksal. Er ist ruhig und beträgt sich ordentlich. Seine Führung als Arbeiter soll ebenfalls stets gut gewesen sein. Die anfängliche Annahme, daß er kaum französisch sprechen könne, war irrig; er versteht die französische Sprache sehr gut und vermag sich in ihr auch vollkommen verständlich auszudrücken. Er wird nur heftig, wenn man das Gespräch auf die Politik bringt, dann stößt er gräßliche Verwünschungen aus, an denen die italienische Sprache so reich ist, besonders gegen König Humbert, Crispi und den Papst, mit dem Hinzufügen: wenn er nicht gefürchtet hätte, daß die "Schergen in Italien ihn erwischt hätten, so würde er jene Herren schon ermordet haben, aber es würden schon noch Andere diese Aufgabe lösen." Auf die wiederholte Frage, warum er den Präsidenten Carnot getötet habe, der ihm doch niemals etwas angethan habe und der ihn als Italiener doch auch nichts anging, sagte der Mörder einmal: "Alle Tyrannen müssen daran glauben." Ein anderes Mal äußerte er: "Es giebt keine Nationen, sondern nur Feinde und Freunde des Volkes." Schulbildung besitzt der Attentäter kaum, auch seine Intelligenz ist sehr beschränkt, sein Fanatismus dagegen ungeheuer. Persönlich zeigt er sich freundlich und weich. Ein weiteres Telegramm aus Lyon besagt, daß Caserio am Freitag dem Untersuchungsrichter Mittheilungen über eine internationale Verschwörung gemacht habe, deren Beschluß er zur Ausführung gebracht habe. Allgemein wird jetzt übrigens an eine Verschwörung geglaubt, die zu dem Zweck der Ermordung Carnots bestanden habe. Der italienische Ministerpräsident Crispi soll die französische Regierung schon vor längerer Zeit ersucht haben, die Ausweisung Ciprianis und eine schärfere Ueberwachung der italienischen Anarchisten, die in Verbindung mit den französischen Genossen den Aufstand in Sizilien angezettelt haben, zu verfügen. Crispis Verlangen sei indessen zurückgewiesen worden. Ebenso scheint die Thatsache unbeachtet geblieben zu sein, daß der Pariser Polizei Plakate mit dem "Todesurtheil" Carnot's, von London kommend, in die Hände gefallen sind. Jetzt heißt es, daß Carnot durch den Beschluß einer in London abgehaltenen. Anachistenversammlung vom 6. Februar, Vaillants Hinrichtungstag, "zum Tod verurtheilt" worden sei. Einzelne Blätter greifen die Pariser Geheimpolizei heftig an, weil sie von all dem nichts erfahren habe. Auch gegen England als "Brutstätte anarchistischer Verbrechen" fallen heftige Worte sowohl in der Presse, als auch besonders in den Gesprächen politischer Persönlichkeiten.
- Casimir Perier machte am Sonnabend nachmittag einen langen Fußspaziergang, nur von zwei Secretären begleitet. Er wurde am Opernplatz von der Menge stürmisch begrüßt. Leute aller Stände grüßten, einige drückten ihm die Hand, andere riefen: "Hoch Casimir Perier! Dies ist mutig! Bravo!" Auf dem Concordinenplatze wurde die Menge so groß, daß der Wagenverkehr gehemmt wurde. Leute erhoben sich von den Imperialen der Omnibusse und riefen ihm zu. Als eine Abtheilung Soldaten vorüberzog, ließ der Officier Front machen und präsentiren. Von der Menge begleitet, kehrte Perier heim.
- Frau Carnot hat das Anerbieten einer Staatspension dankend abgelehnt.
- Die französische Regierung hat den Vorschlag einer Amnestie abgelehnt.
- Die Feier des 14. Juli als Festes der französischen Republik fällt in diesem Jahre aus.


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