No. 66
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 25. August
1893
Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1893 Nr. 66 Seite 1]

Die neue Heeresorganisation.

Nachdem das "Armee=Verordnungsblatt" die Ausführungs=Bestimmungen zum Militärgesetz veröffentlicht hat, ist eine Vergleichung des bisherigen Standes der Armee mit dem künftigen, der wesentliche Verstärkungen und Verbesserungen herbeiführt, von Interesse. Wir ziehen zu diesem Zweck zunächst den Stand der Infanterie heran.
Das Infanterie=Regiment soll bei einer Mobilmachung ein viertes Feld= und ein Ersatz=Bataillon aufstellen, außerdem den Rahmen für 2 Reserve=Bataillone hergeben. Zu dieser Umwandlung aus 3 Bataillonen in sieben reichen das Offizier= und Unteroffizierkorps gegenwärtig nicht aus. Erforderlich wären 7 Bataillonskommandeure und 28 Compagnie=Chefs, während nur 4 Bataillonskommandeure, 12 Hauptleute und 12 Premierlieutenants der Linie vorhanden sind, sodaß beim Ausbruch eines Krieges viele Compagnien ungenügend geübten Reserve=Offizieren oder gar Sekondelieutenants der Linie übergeben werden müßten. Die neue Formation steht nun 2 Hauptleute und 2 Premier=Lieutenants mehr für das Regiment vor, zusammen 28, wonach bei der Mobilmachung alle Compagnieen einen Führer aus der aktiven Armee erhalten können. Noch unzulänglicher ist gegenwärtig bei uns das Unteroffizierkorps, das nach dem neuen Gesetz bei jedem Infanterie=Regiment eine Vermehrung um 2 Feldwebel, 2 Vicefeldwebel, 8 Sergeanten und 24 Unteroffiziere allein bei den vierten Bataillonen erhalten soll; auch die übrigen Battaillone erhalten einige Unteroffiziere mehr, sobald solche vorhanden sind. Erst hierdurch, kann man sagen, wird die Aufstellung von vierten Feldbattaillonen möglich, ohne daß man Besorgniß wegen der durch die Abgaben entstehenden Schwäche der Unteroffizier=Cadres zu hegen braucht. Freilich steht man vor der Aufgabe, die Leute erst herbeizuschaffen, die zur Besetzung der neuen Unteroffizierstellen nöthig sind; vorläufig ist nicht einmal der bisherige Bedarf gedeckt. Was die Mannschaften betrifft, so genügten die bisherigen Aushebungen wohl, ein viertes Feldbataillon auszufüllen, für das Ersatzbataillon blieb jedoch nur ein sehr schwacher Rahmen übrig, zu dessen Ausfüllung ein Jahrgang des ersten Aufgebots der Landwehr nötig war und im übrigen die Ersatzreservisten zu Gebote standen, von welchen nur ein Theil 5= bis 20wöchentliche Ausbildung erhalten haben. Künftig wird mit jedem Jahr eine größere Zahl von Leuten zweijähriger Dienstzeit zur Reserve entlassen werden. In fünf Jahren schon werden die Ersatzbataillone in der bisher normirten Stärke von 14-1500 Mann volljährig aus Zweijährig=Gedienten gebildet werden, also in der Lage sein, jeden Verlust der im Feld stehenden Regimenter sofort vollgiltig zu ersetzen, oder auch selbständig verwandt zu werden. Nach Verlauf von fünf Jahren wird sich noch ein erheblicher Ueberschuß von ausgebildeten Leuten ergeben, über deren Verwendung heute noch nichts zu sagen ist. Immer vorausgesagt, daß wir Frieden behalten.
Die deutsche Infanterie besteht während der nächsten 5 Jahre aus 173 Infanterie=Regimentern zu 14 Compagnieen in 3 1/2 Bataillonen, und 19 Jäger=Bataillonen zu 4 Compagnieen.


- (Eingesandt.) Schönberg. Die am Mittwoch stattgefundene Aufführung des "Stabstrompeters" hat den Ruf, den sich die Weymann'sche Gesellschaft in kurzer Zeit erworben, noch mehr gerechtfertigt. Das war eine wahre Musterleistung! Sämmtliche Darsteller rangen um die Lorbeeren des für uns so genußreichen Abends. Die Charaktere traten nie aus dem vorbezeichneten Rahmen, und so lernten wir die Licht= und Schattenseiten des häuslichen Lebens besser erkennen, als wenn wir Alles selbst erlebten! Es ist doch etwas Herrliches um die Kunst! - Ein allerliebstes treu dargestelltes Bild brachte uns das junge Ehepaar Herr Mampe und dessen seit kurzem angetraute Eva. Es war ein wirkliches Seitenstück zu der paradiesischen Eva, die bekanntlich ihren Adam zum Apfelbiß verleitete. Da nun aber der reich gewordene Bäckermeister Mampe nicht Adam - sondern "August" hieß, und es mit dem Apfel auch nichts Zeitgemäßes ist, so griff sie zu einem anderen Mittel und ließ sich von ihrem "August" eine Villa kaufen, wo sie alsbald einen Schwarm von Freunden und Freundinnen einquartirt, so daß der eigene Gatte, als er ankommt, keine Schlafstelle findet. Eine junge Witwe, Valeska Fernbach, gibt der Frau Anleitung zur Koketterie, durch deren Ausübung sich denn auch bald ein "Hausfreund" in der Person des Herrn von Borowsky einfindet, den in seiner Vertrauensseeligkeit Herr Mampe auch als Freund anerkennt und dem schlechten "guten Freunde" sogar noch Geld giebt, um schulden zahlen zu können. Durch den Stabstrompeter erst werden dem Manne die Augen geöffnet und dadurch gewinnt der Träger der Titelrolle die Sympathie Aller. Die Rolle des Mampe spielte Herr Direktor Weymann so naturgetreu, daß man sich des Lobes nicht enthalten kann, ihn einen vollendeten Schauspieler zu nennen. Die Eva, dargestellt von Frl. Waldeck, war ein reizendes junges Frauchen, und besonders zum Schluß der Vorstellung, wo sie ihr verlorenes Paradies wiederfindet, war sie sehr herzlich. Der Träger der Titelrolle, Herr Fiedler, lehrte uns eine sehr schöne Liebesmethode, indem er uns bewies, daß nur der feste Charakter dem schönen Geschlecht imponirt; wozu im Gegensatz der Wuppe des Herrn Klave den ewig schmachtenden, süßholzraspelnden Anbeter mit gut angelegtem Komik spielte. Die Damen Valeska (Steinmeyer), Dorrchen (Frl. Marion) und Amalie (Frl. Lodtmann) waren in ihren Leistungen sehr brav, letztere sogar vorzüglich. Was die übrigen Darsteller betrifft, so werden wir bei der nächsten Gelegenheit auch deren Einzelleistungen besprechen. Aus der Durchführung der Nebenrollen läßt sich eben schwerlich ein zutreffendes Urtheil über die Darsteller fällen. - Wir können den Besuch der Vorstellungen nur empfehlen. Jeder wird befriedigt sein.
- Schönberg. Der Gartenbauverein des Fürstenthums Ratzeburg hielt am 21. d. Mts., im

[ => Original lesen: 1893 Nr. 66 Seite 2]

Gastwirth Krüger'schen Lokale eine Versammlung ab, in der beschlossen wurde, am Sonntag Nachmittag eine gemeinschaftliche Besichtigung seiner Kartoffelversuchsfelder vorzunehmen und den Stand und Ertrag der angebauten 10 Kartoffelsorten zu prüfen, von denen dann die besten Sorten weiter angebaut werden sollen. Ferner wurde empfohlen, bei den diesjährigen billigen Obstpreisen, viel Obst zum Dörren und auch zur Bereitung von Apfelwein zu verwenden, auch wurde eine Kommission gewählt, zur Erforschung derjenigen Obstsorten, deren Anbau sich in unserer Gegend besonders empfiehlt.
- Zum Brande des Ratzeburger Domes. Der "L. Z." entnehmen wir über die Verheerungen, die das Feuer angerichtet hat, noch das Folgende: "Die Aufräumungsarbeiten auf der vom Feuer heimgesuchten Domkirche haben unter Leitung des Maurermeisters Hiltmann bereits in der Frühe des Montags begonnen. Wir benutzten daher diese günstige Gelegenheit zu einem Besuch der Brandstätte. Zunächst begaben wir uns unter Beobachtung gehöriger Vorsicht durch die Wendeltreppe, in den Thurm hinauf. Da liegt auf dem untersten, unmittelbar über der Orgel befindlichen Kreuzgewölbe das zerknittere Blechdach der Thurmspitze und etwas von dem noch glimmenden Balkenwerk, Dazwischen ragt mit dem untersten breiten Theil die herrliche große Glocke aus dem Schutte hervor, die mit ihrer Krone das Gewölbe durchgeschlagen und dadurch das Innere der Kirche gefährdet hat. Ihr lauter Mund ist verstummt; geborsten und zum Theil angeschmolzen, gewährt sie dem Betrachter einen schmerzlichen Anblick. - Aus dem Thurmgewölbe klettern wir durch den großen Gewölbebogen, durch den leider das Feuer vom Kirchdach aus den Weg zum Thurm gefunden hat, auf die Gewölbe des Langschiffes. Ueberall verkohlte Tragbalken, und alle Vertiefungen besäet mit Schieferplatten. In der Mitte ein großer Klumpen Eisengeräth, die Ueberreste des Uhrthurmes und der Uhr. An dieser Stelle schimmern aus dem schwarzen Schutt kleinere und größere Klümpchen goldigen Metalls meist in tropfenförmiger Gestalt; sie werden sorgsam gesammelt, denn es sind Reste der beiden kleinen Glocken der Uhr, die von der Gluth Des Feuers geschmolzen sind. Weiterhin treffen wir eine große aufgeplatzte Kugel. Einst hat sie unter der stets richtig zeigenden Wetterfahne des kleinen Thurms gesessen. Die Untersuchung ihres Inhalts ergiebt, daß die Kupferrolle mit den Urkunden ebenfalls geplatzt ist und alles Brennbare dann ein Raub des verheerenden Elements geworden ist. Eine Reihe von Münzen dagegen ist erhalten. Einzelne Stücke sind zwar aneinander angeschmolzen, aber die Prägung ist noch deutlich zu erkennen. Auch sie - 24 an der Zahl - werden sorgsam geborgen. Eine andere Kugel vom Hauptthurm sitzt noch an ihrer Stange, der Inhalt ist daher noch nicht festzustellen. Die oberflächliche Betrachtung ergiebt zu allgemeiner Freude, daß die Gewölbe der Kirche wahrscheinlich wenig gelitten haben. Nachdem wir also noch einmal einen Anblick über die schöne Umgebung des Domes und unserer Insel, die wahrscheinlich auf lange den Dom, den Hauptanziehungspunkt der Fremden, als Ruine sehen wird gehalten haben, steigen wir wieder hinab, voll dankbarer Freude darüber, daß das schöne Innere der Domkirche im Wesentlichen unversehrt geblieben ist. Nur der Kronleuchter ist herabgefallen, das Gestühl aber, namentlich die kostbare Orgel ist bis jetzt unbeschädigt; nun wird es hauptsächlich darauf ankommen, die Glocke so aus der Bresche des Gewölbes herauszuheben, daß nichts mehr auf die Orgel herauffällt. Die ganze Domkirche dürfte demnächst mit einem Schutzdach versehen werden, damit nicht noch der Regen des Himmels zerstöre, was sein Feuer verschont hat.
- Eine ungeheuere Feuersbrunst hat am 23. August die Stadt Parchim in Schrecken gesetzt, wodurch im Ganzen 30 Gebäude, darunter 14 Wohnhäuser eingeäschert sind.
- Ein ziemlich intensive Nordlicht konnte man am Freitag abend beobachten. Der zuerst gelblichweiße Bogen, der die Grundlage des Polarlichts bildete, war in leise auf= und abflutender Bewegung begriffen und zeigte dann an seiner Basis ein lebhaftes Roth, weiter aufwärts helles Grün, während der obere Rand des jetzt fast schlangenförmig sich windenden Bogens ein lichtes Gelb aufwies.
- Die von verschiedenen Blättern verbreiteten Nachrichten über den Rückgang der Lübecker Schifffahrt infolge des Zollkriegs erweisen sich als stark übertrieben. Die amtliche "Lübeckischen Anzeigen" theilen mit, im Lauf der letzten Wochen seien 76 Seeschiffe angekommen, darunter 31 Dampfer und 45 Segler. Ausgegangen seien 61 Schiffe, darunter 29 Dampfer. Am Sonnabend, den 19. ds., hätten sich 61 Seeschiffe im Hafen von Lübeck befunden. Hiernach sei die Schiffahrt normal.


- Anläßlich der Feier des Geburtstages des Kaisers Franz Joseph hat im Neuen Palais in Potsdam ein Dejeuner stattgefunden, welchem der österreichisch=ungarische Botschafter mit den Mitgliedern der Botschaft, der Reichskanzler und andere Würdenträger beigewohnt haben. Der Kaiser trank auf das Wohl des Kaisers Franz Joseph, "meines nächsten Vetters und treuen Allierten." Der Kaiser trug die österreichische Uniform.
- Herzog Ernst von Sachsen Coburg=Gotha ist am 22. August Abends 11 Uhr gestorben; derselbe ist geboren am 21. Juni 1818 und seit dem 29. Januar 1844 regierender Fürst. Die Erbfolge ist dahin geregelt, daß der Herzog von Edingburg als der zunächst Erbberechtigte auf die Thronfolge zu Gunsten seines Sohnes, des Prinzen Alfred, verzichtet, aber bis zu dessen Volljährigkeit die Regierung leitet.
- Die königl. dänische Familie fährt an Bord des "Danebrog" dem russischen Kaiserpaar entgegen. Wie verlautet, treffen der König von Griechenland und die Herzogin von Cumberland gegen den 7. September in Dänemark ein.
- Aus Kopenhagen wird der "Polit. Corr." berichtet, daß angesichts der bevorstehenden Ankunft des russischen Kaiserpaares bereits mehrere Hundert russische Geheimpolizisten dort eingetroffen seien, darunter Ratkowski und Hasting, Vertreter der Pariser und Londoner russischen politischen Polizei.
- Nach einer Meldung der Grazer Tagespost wird infolge des Erfordernisses des gesammten Wagenparkes für die Kaisermanöver in Ungarn die Südbahn während dieser Zeit für fünf Tage den gesammten Frachtenverkehr einstellen.
- In letzter Zeit sind, besonders durch den sozialdemokratischen "Vorwärts", neuerliche Mißhandlungen von Soldaten durch Unteroffiziere in die Oeffentlichkeit gekommen und mit großer Schärfe gesprochen worden. Nun läuft eine Aeußerung des Prinzen Heinrich, des Bruders des Kaisers, durch die Blätter die einiges Aufsehen erreget. Prinz Heinrich soll gesagt haben: "In manchen Unteroffizieren steckt ein Gift, das verdirbt uns die Mannschaften. Doch ich werde es austreiben. Meine Macht reicht weit."
- Ueber die deutsche Herbst=Uebungsflotte wird aus Kiel geschrieben: Unter dem Oberbefehl des kommandierenden Admirals, Admirals Frhrn. von der Goltz, wurde am Sonntag auf der Kieler Rhede eine Herbst=Uebungsflotte zusammengezogen, welche aus 22 Kriegsschiffen und 28 Torpedobooten besteht. Diese Flotte ist die größte, die Deutschland jemals in Dienst gehabt, und zwar zeugt sowohl die Formation der größeren Flotten Abtheilungen, wie die innere Zusammensetzung derselben nach Klassen und Typen, wie sehr die oberste Marineleitung an dem Gedanken festhält, die Ausbildung der Wehrkraft in einer Weise zu fördern, welche allen Lagen, die der Krieg mit sich bringen kann, gerecht wird. Die Flotte zerfällt in zwei Geschwader und zwei Torpedoboot=Flottillen, und jedes Geschwader und jede Torpedoboot=Flottille besteht wiederum aus zwei Divisionen.
- Wie sich nach dem Inkrafttreten der Militärvorlage der Militärdienst der Lehrer gestalten würde, die bisher mit der jetzt in Wegfall gekommenen Ersatzreserve zu 10= bezw. 6= und 4wöchigen Uebungen einberufen wurden, ist in der letzten Zeit wiederholt gefragt worden. Den Wunsch der Mehrzahl der Lehrer würde es entsprechen, wenn ihnen die Berechtigung zum Einjährig=Freiwilligen Dienst erteilt würde, in der Weise jedoch, daß irgend jemand anders die Kosten

[ => Original lesen: 1893 Nr. 66 Seite 3]

des einjährigen Dienstes, die wohl die wenigsten selber zu tragen im Stande wären, auf seine Schultern nähme. Daran ist aber nach Einführung der zweijährigen Dienstzeit weniger als je zu decken. Es erscheint vielmehr als der zur Zeit einzig gangbare Ausweg, wenn in diesem Jahr, wie man erfährt, die militärpflichtigen Lehrer, die 10 und 6 Wochen zu üben haben, innerhalb der Armeekorps, nach Art der früheren Ersatzreserve=Kompagnien, bei jedem Regiment zu einer Kompagnie vereinigt und die vier Wochen übenden Lehrer auf mehrere Regimenter verteilt und in die Linien=Kompagnien eingestellt werden sollen.
- Das Militärlazarett in Kalgua (Rußland) ein großartiges Gebäude brannte in der Nacht zum Sonnabend bei starkem Winde total ab. Gegen 20 im oberen Stockwerk liegende Kranke sind in den Flammen umgekommen; die übrigen konnten nur mit großer Mühe gerettet werden.
- Die große Hitze der letzten Tage hat in allen Gegenden Frankreichs Veranlassung zur Klage gegeben. In den verschiedensten Gegenden wird die Lage der Landwirtschaft eine sehr kritische werden, wenn sich die Periode dieser abnormen Trockenheit nur noch um einige Tage verlängert. Nur dem Weinstock ist die bisherige Temperatur sehr wohlthätig gewesen. In Bordeaux sind seit Anfang voriger Woche 12 Fälle von Hitzschlag vorgekommen. - Die gegenwärtige Hitze hat eine weite Verbreitung; es ist nicht blos heiß in Deutschland, Oesterreich und England, sondern auch in Belgien, Frankreich und Spanien. Paris hatte am Sonnabend 32 1/2, Brüssel 34 und Madrid gar 39 Grad Celsius.
- In Rußland tritt das Verbot der Einfuhr ausländischer Silbermünzen am 13. September in Kraft, einige Getreideexport=Komtoire wollen trotz des hohen Reugeldes von den Kaufabschlüssen zurücktreten. Der Getreidehandel liegt völlig darnieder.
- Das Kapuzinerkloster in Triest brannte am Sonntag ab. Die Kirche und die werthvolle Bibliothek konnten gerettet werden.


Anzeigen.

In Sachen betr. die Zwangsversteigerung der dem Maurer Heinrich Kleinfeldt zu Lüdersdorf gehörigen, daselbst sub Nr. III belegenen Büdnerei c. p. wird hierdurch bekannt gemacht, daß in dem Termine v. 15. d. M. der Bescheid verkündet ist, daß alle diejenigen, welche dingliche Rechte u. Ansprüche an das zu versubhastirte Grundstück mit Zubehör zu haben vermeinen, solche Rechte und Ansprüche bisher nicht angemeldet haben, mit diesen ihren Rechten u. Ansprüchen, soweit sie nicht gesetzlich von der Anmeldungspflicht ausgeschlossen sind. hiermit abgewiesen und ausgeschlossen sein sollen.
Zugleich wird der auf

Dienstag den 19. September 1893
Vormittags 11 Uhr

angesetzte Ueberbotstermin in Erinnerung gebracht mit dem Bemerken, daß im ersten Verkaufstermin ein Bot nicht abgegeben worden ist.
Schönberg, den 15. August 1893.

Großherzogliches Amtsgericht.
Dr. jur. E. Hahn.
                                                    W. Wetzel.


Torf=Anweisung.

Die Anweisung des Torfes an die Armen des Schlagsdorfer Bezirks findet am Montag den 28. August Morgens 10 Uhr auf dem Kuhlrader Moore statt. Für jede Person wird ein voller Diemen = 2 Mille verabfolgt. Der Kaufpreis im Betrage von 5 M. 50 Pfg. pro Diemen ist sofort bei der Anweisung zu erlegen.
Carlow, 18. August 1893.

A. v. Linstow.


Torf=Anweisung.

Die Anweisung des Torfes zur ermäßigten Taxe an die zum Empfange berechtigten Einwohner der Stadt Schönberg findet am Montag den 28. August Morgens 9 Uhr auf dem Kulrader Moore statt.
Carlow, 18. August 1893.

A. v. Linstow.


Oeffentliche Versteigerung.
Mittwoch, den 30. August d. Js.
Vormittags 10 Uhr
sollen in Schl.=Resdorf                                                    
5 Kühe

öffentlich meistbietend, gegen baare Zahlung verkauft werden. Versammlung der Käufer im Kruge Schl.=Resdorf.
Schönberg, den 21. August 1893.

                                                    Staffeldt,
                                                          Gerichtsvollzieher.


4000 guterhaltene
Dachzungen
verkäuflich auch in kleinen Resten.                                                    
Herrnburg.                                                     W. Prüssmann.


Die Nachmaht von meiner Wiese will ich verkaufen.

                                                    L. Burmeister.
                                                              Marienstraße.


Ia. engl. Anthracitkohlen

in 8 Tagen ab Bauhof zu liefern empfiehlt zu billigsten Preisen

                                                    Aug. Spehr.


Zu verkaufen                          
5 Wochen alte Ferkel
                                                    Meierei Bauhof=Schönberg.


Jagdpatronen
mit rauchlosem Pulver geladen empfiehlt                                                    
                                                    Aug. Spehr.


Gesucht wird ein Mädchen nach Lübeck sogleich oder zum 1. November bei guten Herrschaften.
Wo? zu erfragen bei

                                                    Frau Heinrich in Schönberg.


Stadt Lübeck.
Gesucht zum 24. Oktober ds. Js. ein
ordentliches Küchenmädchen.


Klee= und Grassamen
empfiehlt                                                    
                                                    Aug. Spehr.


R. Jatzow, Augenarzt,
Lübeck, verreist am 26. August a. c.
auf ca. 4 Wochen.


Die Anweisung der Plätze für Buden findet am

Mittwoch, den 30. August
Abends 7 Uhr

auf dem Baubrink hieselbst, durch die Herren Steinmetz Busch und Sattlermeister Rindfleisch statt.

Das Sedankomitee des Kriegervereins für das Fürstenthum Ratzburg.


Am Sonntag den 27. und Montag den 28. August findet beim Gastwirth J. Michaelsen in Selmsdorf ein

Scheiben-Schiessen
nach guten Mobilien

statt, wozu freundlichst einladet

                                                    G. Berger, Tischlermeister.

NB. ff. Hinterladerbüchsen werden geliefert. Auf einen Satz von 3 Schüssen fällt nur 1 Gewinn.


Haben Sie Sommersprossen?

Wünschen Sie zarten, weissen, sammetweichen Teint? - so gebrauchen Sie:

Bermann's Lilienmilch-Seife
(Mit der Schutzmarke "Zwei Bergmänner")
von BERGMANN & Co. in Dresden. a Stück 50 Pf. bei
Apotheker Montag.


Verlobte:
Martha Benecke,
Max Becker.
Hamburg.


[ => Original lesen: 1893 Nr. 66 Seite 4]

Sedanfeier in Schönberg.

          Zu der am Sonntag den 3. September d. J. in üblicher Weise stattfindenden Sedanfeier laden wir hierdurch die Bewohner von Stadt und Land ergebenst ein.
           Schönberg, den 16. August 1893.

Das Sedan=Comité
des Kriegervereins für das Fürstentum Ratzeburg.

Programm.

Nachm. 1 Uhr:     Festzug durch die Stadt vom Siemzer=Thore aus bis zum Schützenhause. Beim Kriegerdenkmal Bekränzung desselben; Gesang der Teutonia.
Nachm. 1 1/2  Uhr:     Festrede auf dem Schützenplatze,
Nachm. 2 Uhr:     Beginn des Schießens nach Silber= und Alfenide=Gewinnen und Beginn des Concerts im Schützenhause (Entree a Person 20 Pf.)
Abends 7 1/2 Uhr:     Abbrennen des Holzstoßes auf der Landreiterkoppel. Gesang patriotischer Lieder.
Abends 8 Uhr:     Einmarsch und Abbringen der Fahnen.
Abends 8 1/2 Uhr:     Beginn der Festbälle im Boye'schen Saale und im Schützenhause (Eintrittsgeld für Herren 1 M. 50 Mark (Lübeck). für Damen 50 Mark (Lübeck). a Person.)


Kriegerverein f. d. Fürstenth. Ratzeburg.

Mit Bezug auf die diesjährige Sedanfeier wird den Kameraden das Folgende mitgetheilt:

1) für die Mitglieder des Vereins finden folgende Entree=Ermäßigungen statt:
a) zum Concert am 3. Sept. er. Nachmittags zahlen die Kameraden für sich, ihre Frauen, Töchter und nicht erwerbsfähigen Söhne (Schüler und Lehrlinge) kein Entree.
b) zu den Festbällen zahlen die Kameraden für ihre Person ein Eintrittsgeld von 50 Pfg. und für eine einzuführende Dame 25 Pfg. Für weiter einzuführende Damen ist ein Eintrittsgeld von 50 Pf. a Person zu entrichten Kameraden mit Familie zahlen indeß für die in ihrer Begleitung befindlichen Familienmitglieder, als Frau, Töchter u. nicht erwerbsfähige Söhne à Person 25 Pfg.
2) angetreten zum Festzug wird vom Verein um 1/2 1 Uhr Mittags vor dem Vereinslocal.

                                                    Der Vorstand.


Theater in Schönberg.
Im Saale des Herrn Boye.
Sonntag den 27. August
Mein Leopold.
Volksstück mit Gesang von Adolf L'Arronge.
Anfang 8 Uhr.
Nachmittags 4 Uhr für die liebe Jugend:
Lügenmäulchen und Wahrheitsmündchen.
Märchen in 3 Acten von C. A. Görner.
Hierauf
Die Zaubertrommel.
Komische Pantomine in 1 Aufzug.
I. Platz 40 Mark (Lübeck). II. Platz 25 Mark (Lübeck). Gallerie 15 Mark (Lübeck).
Montag, den 28. August
Novität!       Die Haubenlerche.       Novität!
Sensationell!                           Sensationell!
Schauspiel in 4 Acten von Ernst von Wildenbruch.
                                                    Die Direction.


Am Sonntag den 27. u. Montag 28. d. M. findet bei mir ein

Scheibenschießen

nach guten Gewinnen statt.

Am Montag Abend Ball.

wozu ergebenst einladet

Palingen.                                                     Gastwirth Oldenburg.


Am Sonntag u. Montag, den 27. u. 28. d. M. findet bei mir ein

Scheibenschiessen

nach guten Gewinnen statt, zu welchem ich hierdurch ergebenst einlade.

                          Gastwirth Frau Holst, Neue Welt.
Am Montag Tanz.


Stadt Lübeck.
Sonntag, den 27. d. M.                          
Tanzmusik
über Mitternacht hinaus.


Alle, welche meinen lieben unvergeßlichen Mann zur letzten Ruhestätte geleiteten, sowie auch denen die seinen Sarg so reich mit Kränzen schmückten, sage ich meinen innigsten Dank.

                                                    Cath. Wittfoth geb. Boye.

Kl. Siemz, den 24. August 1893.


Danksagung

Allen denen, die unsern einzig innigstgeliebten Sohn Wilhelm zu seiner letzten Ruhestätte begleiteten und seinen Sarg so reichlich mit Kränzen schmückten, sagen ihren tiefgefühlten Dank

                                                    Ernst Möller und Frau
                                                                               geb. Maaß.


Kirchliche Nachrichten.
Sonntag, 27. August.

Frühkirche fällt aus.
Vormittagskirche: Pastor Krüger.
    Amtswoche: Pastor Krüger.


Getreide=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Abgang der Eisenbahnzüge von Schönberg
nach Lübeck:
10,04 Vorm. 12,21 Mitt. 3,10 Nachm. 7,27 Abends
11,55 Nachts.
nach Kleinen:
8,1 Morg. 10,29 Vorm. 12,46 Nchm. 5,40 Nachm.
8,54 Abends.


Marktpreise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Viehmarkt in Hamburg.

Es kosten: kleine Schweine 54-55 M., große Schweine 54-56 M., Sauen 38-46 M., Kälber 75-85 M. per 100 Pfund.


Hierzu eine Beilage
und Illustrirtes Beiblatt Nr. 34.


Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.


[ => Original lesen: 1893 Nr. 66 Seite 5]

Beilage
zu Nr. 66 der Wöchentlichen Anzeigen für das Fürstenthum Ratzeburg.
(Schönberger Anzeigen.)
Schönberg, den 25. August 1893.


Der Werth einer häuslichen Frau.

Mit einem häuslichen Weib kann man nicht verderben. So lautet ein altes deutsches Sprichwort und es gehört zu denjenigen Sprichwörtern, die den Nagel auf den Kopf treffen. Nur muß keiner glauben, daß so ein Satz immer genau wörtlich genommen werden darf. Auch das allergrößte Maß von Tüchtigkeit der Hausfrau wird das Hauskreuz nicht fern halten, denn ohne solches kann und soll es auf Erden nun einmal nicht abgehen. Auch in einem Haus, in dem das tüchtigste Weib waltet, umzieht sich zu Zeiten der helle Freudenhimmel des häuslichen Lebens mit dunklen Wolken. Trotzdem bleibt das Sprichwort zu vollem Recht bestehen. Klarer und begreiflicher wird uns der Sinn des Sprichworts, wenn wir die Worte in eine andere Fassung bringen und sie etwa so stellen: Mit einem unhäuslichem Weib muß man verderben. Ja freilich! Das beweisen uns klar und deutlich eine ganze Reihe von Beispielen, die wir selbst erleben.
Da ist unser Freund Sorgenvoll. Er ist ein fleißiger, tüchtiger Mann, der das Seine zusammenhält; auch befindet er sich in einer Stellung, die wenig zu wünschen übrig läßt. Er konnte und sollte ein gutes Auskommen haben und dennoch ist sein ganzes Leben ein unaufhörliche Kampf mit der Noth und der Sorge. Wie kommt das? Es fehlt ihm an einer tüchtigen Hausfrau oder wie unser Sprichwort es ausdrückt, an einem häuslichen Weib. Damit soll nicht gesagt sein, daß die Frau unseres Freundes eine tolle Verschwenderin, etwa in hohem Grade putz= oder genußsüchtig wäre. Nicht einmal den Vorwurf der Arbeitsscheu kann man ihr machen, doch fehlt ihr die rechte Arbeitslust, die rege Thätigkeit, die Kunst des Haushaltens, die richtige Eintheilung der vorhandenen Mittel, die heilsame Sparsamkeit am rechten Ort, die strenge Ordnungs= und Reinlichkeitsliebe, die nöthige Gewandtheit bei den häuslichen Verrichtungen. Und daher kommt es, daß sich das Leben unseres Freundes Sorgenvoll zu einem recht herben gestaltet. Fortwährend befindet er sich in bitterer Verlegenheit. Vergrämt und sorgenvoll kann er die Last nicht abschütteln, die auf seinen Schultern ruht. Zur alten Sorge gesellt sich täglich eine neue. Ganz anders gestaltet sich das Dasein unseres Freundes Freudenreich. Sein Einkommen ist ein geringeres als das von Sorgenvoll; die Ansprüche, die das Leben an ihn stellt, sind dieselben; dennoch leuchtet ihm helle Freude aus den funkelnden Augen. Wohlsein, Zufriedenheit und Gedeihlichkeit wohnen in seinem Hause. Und er verdankt diese Güter nächst Gott seinem treuen Weibe. Bei ihm heißt es in der That: Mit einem häuslichen Weibe kann man nicht verderben.
Das "häusliche Weib" sorgt für Reinlichkeit und Ordnung. Es läßt keine Lumpen aufkommen. Sie und ihre Kinder erscheinen, wenn auch einfach, stets reinlich und schmuck. Es mag ja, sagt Fritz Möhrlein, ungewiß sein, ob lumpige Menschen lumpige Kleider machen, oder lumpige Kleider lumpige Menschen. Eins aber ist gewiß, daß beide stets beieinander sind. Unsere Frau Freudenreich ist beschäftigt vom frühen Morgen bis zum späten Abend. Es giebt keine Arbeit, die ihr zu gering wäre. Alles im Hause muß seine Ordnung haben. Flink und fröhlich geht ihr die Arbeit von den Händen. Man braucht ihr Wirken nur zu beobachten, um ihre Geschicklichkeit zu bewundern. Namentlich in Küche und Keller macht sich ihre Tüchtigkeit geltend. Sie versteht es, Mann und Kinder durch gute, schmackhaft zubereitete und dabei doch nicht übermäßig kostspielige Speisen und Getränke zu erquicken. In der richtigen Art der Zubereitung liegt ja so häufig das ganze Geheimniß eines guten Tisches. Wie Frau Freudenreich eine Meisterin in dem Beruf der Hausfrau ist, so stellt sie sich auch die Aufgabe, ihre Töchter von klein auf in allen häuslichen Tugenden zu erziehen. Sie versäumt es nicht, den Mädchen die nöthige Gewandtheit im Nähen, Stricken, Flicken, Stopfen, Waschen, Bügeln und Kochen beizubringen. So sichert sie sich nicht nur die Hülfe, sondern, was unendlich mehr werth ist, den Dank ihrer Töchter, sobald dieselben hinreichend herangewachsen sein werden, um zu erkennen, welch ein großes, hohe Zinsen tragendes Kapital in den haushälterischen Tugenden eines Weibes verborgen liegt, sei seine Lebensstellung, welche sie wolle. Unter solchen Umständen ist das häusliche Leben der Familie Freudenreich ein sehr gedeihliches. Behagen, Freude und Zufriedenheit machen sich allerorten geltend. Freudenreich ist im Stande, infolge der sorgfältigen, sparsamen und dabei nichts weniger als knickerigen häuslichen Verwaltung, die sein braves und geschicktes Weib ausübt, bei seinem bescheidenen Einkommen sein Leben angenehm zu genießen und noch einen Sparpfennig zu erübrigen. Noth und Sorge verbannt aus seinem Heim das treue Wirken seines häuslichen Weibes.
Niemals ist es selbst dem fleißigsten und geschicktesten Mann gelungen, sich aus ärmlichen Verhältnissen zu einem behaglichen Wohlstand emporzuarbeiten, wenn sein Weib es nicht verstand, den Haushalt mit Einsicht, Sparsamkeit und Geschick zu führen. Der tüchtigste Mann kann nicht weiter kommen, wenn ihm ein unhäusliches Weib zur Seite steht; aber manchen liederlichen Mann hat ein tüchtiges Weib vom Untergang gerettet.


Ein ernstes Wort in das Stammbuch unserer Studenten.

Mit einer sehr bedeutungsvollen Ansprache hat der Berliner Universitätsprofessor Dr. G. Schmoller im letzten Semester sein Kolleg über Nationalökonomie geschlossen. Die Ansprache lautete: "Es bleibt mir noch übrig, den zahlreichen Herren, die bis heute meine Vorlesungen mit so viel Fleiß und Aufmerksamkeit gehört haben, meinen Dank auszusprechen. Es versteht sich, daß ich diesem Dank nur auf Sie beschränke, nicht auf die ausdehne, die das Semester über geschwänzt haben und heute nur erscheinen, um sich ein Testat geben zu lassen, mit dem sie später die Examenbehörden täuschen wollen. Meine Herren! Ich bin davon weit entfernt, jeden tadeln zu wollen, der Vorlesungen schwänzte. Vor allem die älteren und fleißigen Leute, in denen ein lebendiger Wissenstrieb erwacht ist, die viel lesen, zu Hause arbeiten, sie können oft ihre Zeit besser verwenden, als zum Hören von Kollegien. Was mich schmerzt, ist nur die Thatsache, daß soviel Studierende 2 bis 3 Jahre überhaupt nichts thun, nichts lernen, als Bummeln und Faullenzen. Ich habe auch gar nichts dagegen, daß die Jugend sich mal austobe, einige Tollheiten mache. Aber zwei bis drei Jahre hindurch nichts thun, das wird sonst in der ganzen Welt keinem Erwachsenen gestattet, das kommt in keiner anderen Karriere vor; das hat in keinem Erziehungssystem der Welt sonst einen Platz. Wer 2 bis 3 Jahre nur faullenzt, Frühschoppen trinkt, Komment lernt, sich einem trägen Genußleben ergiebt, der muß körperlich und geistig zu Grunde gehen. Aus dem kann nur ausnahmsweise später noch etwas werden. Nun kann man sagen, es sind ja nur einige! Und gottlob giebt es viele bessere Elemente. Ich klage auch keineswegs, ich habe nie zu klagen gehabt über leere Auditorien von 2-300 sind fast stets über die Hälfte, oft aber zwei drittel vorhanden, und das ist lange genügend, um mit Freude und Genuß zu doziren. Aber der Prozentsatz der Faullenzer ist zu groß. Er macht mir Kummer nicht wegen meiner, sondern weil ich an die Zukunft denke, weil ich mich frage, ob unser Beamtenstand den großen schweren Aufgaben gewachsen sein wird, denen wir

[ => Original lesen: 1893 Nr. 66 Seite 6]

entgegengehen, ob er überhaupt in Charakter, Bildung und Wissen nicht zurückgeht. Und für diese Fragen ist das Entscheidende, was der Student auf der Universität getrieben und gelernt hat. Wir dürfen nicht so viele Referendare, Assessoren, Richter, Landräthe und Geheime Räthe haben, die nichts auf der Universität gelernt haben, als die Aeußerlichkeiten und Genüsse des Studentenlebens. Unsere besitzenden und gebildeten Klassen sägen den Ast ab, auf dem sie sitzen, wenn sie einem Drittel ihrer Söhne derartiges gestatten. Ich vermisse diese Art ferner nicht in meinem Kolleg, ich fühle mich in viel besserer Gesellschaft, wenn sie nicht da sind. Aber die Zukunft des Vaterlandes macht mir Sorge. Unter den Fehlern aristokratischer Gesellschaftsklassen stehen stets die frivolen Ausschreitungen der heranwachsenden Generation, die vollends in materialistischer Zeit nur genießen, patent und schneidig auftreten und nichts arbeiten will, in erster Linie. Nichts erbittert mehr, als ein solches Treiben. Oft hat es in der Geschichte den Anlaß zu Umwälzungen gegeben. Nicht also um die harmlose Frage, ob der Student einmal mehr oder weniger schwänze, handelt es sich, sondern um das geistige und sittliche Niveau unserer Beamten, unserer Lehrer, unserer führenden Kreise überhaupt, um die Zukunft des preußischen und des deutschen Staates. Und weil mir die am Herzen liegt, habe ich mir gestattet, Ihnen gegenüber zum Schlusse mein Herz auszuschütten. Die Studenten sollen wenigstens wissen, daß es unter den akademischen Lehrern, welche, wahrscheinlich sehr viele giebt, die dieser Frage nicht gleichgültig gegenüber stehen."
Auch Professor Rudolf v. Gneist hat in seinen letzten Vorlesungen über Strafrecht Veranlassung genommen, die Studenten zu regelmäßigem Besuche der Vorlesungen zu ermahnen. Er wies namentlich darauf hin, daß ein Kolleg ein einheitliches Ganze bilde und daher auch nur demjenigen Vortheil bringen könne, der regelmäßig komme. Außerdem sei das, was von den Dozenten vorgetragen werde. entsprechend dem Bildungsbedürfniß der Zuhörer mit aller Sorgfalt ausgewählt, und ein Lernen nach umfangreichen Lehrbüchern könne ein kurzgefaßtes Kolleg nicht ersetzen, weil es vieles Unnötige erst für spätere Jahre Bestimmte enthalte und weil darin die wesentlichen Punkte nicht herausgehoben seien. Juristen, die durch Lehrbücher sich herangebildet hätten, wären, wie vielfach aus der jetzigen Praxis hervorgehe, immer mehr geneigt, nach dem Wortlaut, als nach dem ganzen Inhalt und Sinn des Gesetzes zu urtheilen. Gneist betonte, wie wichtig gerade deshalb der regelmäßige Besuch der Vorlesungen wäre. - Es ist sehr bemerkenswerth, daß sich gerade in der juristischen Fakultät die warnenden Stimmen der akademischen Lehrer erheben.


- Vom Hofhalt des Kaisers. Es ist nicht allgemein bekannt, daß sich der Hofhalt des Kaisers Wilhelm II. in vieler Beziehung ganz wesentlich von der Gebahrung unter seinem Großvater, dem Kaiser Wilhelm I., unterscheidet. Zu der zwar würdigen, aber doch in engen Grenzen sich bewegenden Lebensführung des ersten Kaisers bildet die pompöse, prachtentfaltende Hofhaltung seines Enkels und Nachfolgers einen starken Gegensatz. Der jetzige Herrscher legt viel mehr Werth auch auf die äußerliche Repräsentation seiner hohen Stellung. In der wohldurchdachten Organisation dieser ersten deutschen Haushaltung herrscht gediegener Geschmack, und wo scheinbar üppige Pracht und überladener Prunk entfaltet wird, da geschieht es im Hinblick auf die symbolische Bedeutung, die jede große Ceremonie, jeder feierliche Hofakt oder Empfang erlangen soll. In dem großen Gemeinwesen dieses Hofes ist Alles bis ins kleinste einer strengen Regel unterworfen, und es werden recht hohe Anforderungen an die Sachkenntniß, Umsicht und Sorgfalt der Einzelnen gestellt. Ist der Hofdienst schon in gewöhnlichen Zeiten kein leichter, so erfordert er viele Ausdauer und Hingebung in den Wochen, in denen der Kaiser reist. Die etwa fünfzig Köpfe starke Dienerschaft hat alle Hände voll zu thun, um jene Art vornehmen Geschmacks, die sich in einem fast raffinirt gediegenen Comfort zum Ausdruck zu bringen weiß, in die Erscheinung treten zu lassen. Man muß, so wird aus Kiel geschrieben, die wunderbar ausgestatteten Räume der "Hohenzollern" gesehen haben, um eine so geräuschlose Arbeit zu verstehen. Beim Gepäck ist jedes Stück ein Modell. In den aus sechs großen Salonwagen bestehenden kaiserlichen Sonderzug, der in der Nacht zum Montag vom Kieler Bahnhof abging, wurden etwa 150 große und kleinere, meist sehr schwere Gepäckstücke verladen, die der Kaiser auf Reisen mit sich zu nehmen pflegt. Das Einladen dieser Sachen nahm eine geraume Zeit in Anspruch.
- Der Ausschuß der Bürgerschaft in Hamburg hat den Antrag gestellt, zunächst für die Regulierung des Fahrwassers in der Unterelbe von Altona bis Finkenwärder 5 980 000 M. zu verwenden.
- Ein Nestor der deutschen Kunstgärtnerei, der frühere königliche Hofgärtner, Ludwig Terschek, starb vor einigen Tagen im Alter von nahezu 83 Jahren in Dresden. Er war der letzte männliche Nachkomme einer in der Geschichte der deutschen Gartenbaukunst seit etwa 150 Jahren berühmten Familie, die in der Mitte des vorigen Jahrhunderts mit den mährischen Brüdern nach Sachsen eingewandert war.
- Bei ungeheurem Gedränge des Publikums hat am 19. d. M. vor dem Landgericht in Dresden die Verhandlung gegen die Gattin eines sehr geachteten Bürgers, des Stadtverordneten Nissen, stattgefunden. Frau Nissen hat, wie seiner Zeit gemeldet, obwohl sie in guten Verhältnissen lebte, seit zwei Jahren einem Posamentenhändler, der in Nissens Hause sein Geschäftslokal hatte, nach und nach mittels Nachschlüssel 3124 Mark gestohlen, bis sie am 10. Juni auf frischer That verhaftet wurde. Frau Nissen ist Mutter von 6 Kindern, 49 Jahre alt und nach dem Gutachten der Aerzte zwar nervenschwach, aber geistig normal. Der älteste Sohn soll, so gab die Angeklagte zur Entschuldigung an, allzu starke Ansprüche an das Portemonnaie der allzu schwachen Mutter gestellt haben, so daß sie diesen immer neuen Forderungen aus ihrer Wirtschaftskasse nicht mehr Genüge leisten konnte und nun zur Nachtzeit bei ihrem Mieter Besuche abstattete um die Ladenkasse zu leeren. Sie wurde zu einem Jahr und acht Monaten Zuchthaus und drei Jahren Ehrenrechtsverlust verurteilt.
- Die Eisenbahnverwaltung Elsaß=Lothringens hat soeben die 10tägige Giltigkeitsdauer für Rückfahrkarten eingeführt.
- In Metz wurde am Montag der 22. deutsche Forstmännertag eröffnet. Bezirkspräsident von Hammerstein begrüßte die Versammlung im Namen der Regierung.
- Zwei wegen Raubmords in Verden sitzende Gefangene haben freiwillig ein Geständnis abgelegt, nach dem sie vor wenigen Monaten einen wandernden Handwerksburschen bei Rotenburg kurz darauf ebenfalls einen armen Reisenden unfern Stade überfallen und ermordet haben.
- In dem Ostseebad Zinnowitz ist eine junge Dame aus Berlin, die sich zu weit aus dem Damenbad in die offene See hinausgewagt hatte, vor den Augen ihrer Mutter und trotz versuchter Hilfe durch einige Damen, die selbst in Lebensgefahr gerieten, ertrunken.
- In London herrscht große Hitze. Seit 9 Tagen hat der Wärmemesser des astronomischen Observatoriums in Greenwich auf 80 Gr. Fahrenheit im Schatten gestanden. Eine so anhaltende Periode ausnahmsweiser hoher Hitze im August ist seit 50 Jahren in London nicht vorgekommen. Gewiß hat es in den letzten zwanzig Jahren in London nicht heißere Tage gegeben, als in den vergangenen Woche. Am 11. August 1884 verzeichnete das Thermometer 94 Gr. Fahrenheit im Schatten und erreichte am 15. Juli 1881 sogar 97,1 Gr. in London. Nur neun Mal in den letzten dreizehn Jahren hat London eine Wärme von 90 Gr. und darüber gehabt. Im Lager von Lydd erlagen bei der Parade mehrere Soldaten dem Sonnenstich. Im Lager von Aldershot war man praktischer. Verschiedene Regimenter rückten in Hemdsärmeln aus. In einer Beziehung hat die Hitze Wunder gewirkt: in der City hat der unerläßliche Cylinderhut, das Symbol englischer Respektabilität, dem leichten Strohhut Platz gemacht. Das will viel sagen!


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