No. 60
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 04. August
1893
Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
<< Ausgabe vorher>> Ausgabe danach
[ => Original lesen: 1893 Nr. 60 Seite 1]

Zur Wehrsteuer=Frage.

Fortschrittliche Blätter bekämpfen den in den "Grenzboten" neuerdings besprochenen Gedanken einer Wehrsteuer, indem sie einen hochmoralischen Standpunkt herauskehren, von dem aus die Ableistung der Wehrpflicht nur von der vortheilhaften Seite, der Dienstuntaugliche aber nur als bedauernswerth darstellt.
Eine sachliche Betrachtung führt natürlich zu andern Ergebnissen und es mehren sich bereits die Stimmen in der Presse, die die triftigsten Gründe für die Einführung einer Wehrsteuer hervorheben. Die Ungleichheit, die zwischen zwei Deutschen besteht, von denen der eine seiner Wehrpflicht genügt, während der andere aus irgend einem Grunde von der Erfüllung dieser Pflicht dispensirt wird, ist, wie die "Hamburgs Nachrichten" treffend betonen, wesentlich wirthschaftlicher Natur und ihre Ausgleichung durch eine Steuer möglich und berechtigt. Vor allem ist festzuhalten, daß militärdienstuntauglich keineswegs gleichbedeutend mit erwerbsunfähig ist. Davon hat jeder Gelegenheit, sich in seiner eigenen Umgebung zu überzeugen; in den kaufmännischen und staatlichen, sowie städtischen Bureaux allein sitzen viele Tausende von Leuten, die nicht diensttauglich befunden worden sind, aber ein erhebliches Einkommen haben und, wie der Artikel der "Grenzb." nachweist, in Folge ihrer Dienstuntüchtigkeit noch ein besseres Fortkommen haben als die gedienten Leute. Der Einwand, daß der Staat mit der Wehrsteuer diejenigen in Strafe nehme, die vermöge ihrer ungeeigneten Körperbeschaffenheit, also unverschuldet, außer Stande seien, einer Ehrenpflicht zu genügen, die sie sonst gern erfüllt haben würden, büßt dieser Thatsache gegenüber sehr viel von seinem Nimbus ein; andererseits ist selbstverständlich, daß die Wehrsteuer nicht auf diejenigen auszudehnen wäre, die wegen körperlicher und geistiger Fehler nicht nur militärdienstunfähig, sondern auch erwerbsunfähig sind. Ein weiterer Einwand gegen die Wehrsteuer ist idealer Natur. Er geht davon aus, daß der Dienst in der Armee eine Leistung schwierigster Art sei, die Leben und Gesundheit in Anspruch nehme; durch ihre Erfüllung werde ein so großes Opfer gebracht, daß es aus moralischen Gründen gar nicht "tarifirt" werden dürfe. Das klingt recht schön, ist aber bedeutungslos, weil es sich bei der Wehrsteuer nicht darum handelt, die Leistung eines braven Soldaten für das Vaterland "einzutaxieren", sondern, wie gesagt, lediglich darum, eine Ungleichheit wirthschaftlicher Natur aus der Welt zu schaffen. Ueberdies stellt sich die Erfüllung der Wehrpflicht zunächst auch nicht als ideale That für das Vaterland dar, weil sie auf einem Zwang, auf einem Befehl des Staates beruht. Was das finanzielle Erträgniß der Steuer anbetrifft, so kann man darüber allerdings verschiedener Meinung sein.


- Neustrelitz. S. K. H. der Erbgroßherzog begab sich am Dienstag Abend auf mehrere Tage nach Serrahn zur Jagd. Der hohe Herr hat sich dort zwei Zimmer im Schweizerhause, das seit dem Ableben des Großherzogs Georg unbewohnt geblieben ist, einrichten lassen; auch die Küche ist in Stand gesetzt worden.
- In Neubrandenburg hat ein Gendarm in einem Anfall von Schwermut seinen Sohn erschossen, seine Frau durch zwei Schüsse schwer verletzt und schließlich sich selbst durch einen Schuß getötet.
- In Metz wurden Einleitungen getroffen, um an der Stelle, an der Kaiser Wilhelm I. am 18. August 1870 in Granatfeuer gerieth, einen Gedenkstein zu errichten. Die betreffende Stelle liegt zwischen Gravelotte und Malmaison in der Nähe der Ferme Mogador. Die Einweihung wird anfangs September während des Kaiserbesuchs stattfinden.
- Die bei der Segelwettfahrt um 1. d. M. bei Cowes stattgefundene Segel=Wettfahrt um den "Queen's Cup" wurde die als erste Yacht durch das Ziel gegangene "Valkyrie", Lord Dunraven's, wegen unregelmäßigen Fahrens disqualificirt und der Preis der kaiserlichen Yacht "Meteor" zugesprochen.
- Die demnächst zu einer Berathung über die zukünftigen Grundsätze der Finanzgebahrung im Reich und den Einzelstaaten zusammentretenden deutschen Finanzminister werden sich über die Einführung einer festen Schuldentilgungspflicht zu verständigen haben. Die "Nordd. Allg. Ztg." kann bestätigen, daß beabsichtigt wird, eine Tilgungsquote von einem Prozent in Aussicht zu nehmen: es würde das jährlich eine Summe von 20 Mill. erfordern.
- Zum deutsch=russischen Zollkrieg äußert sich die "Vossische Zeitung" folgendermaßen: Rußland gefällt sich in der Rolle eines Prahlhanses. Der Finanzminister Witte möchte die deutsche Einfuhr die schon durch den Maximaltarif erschlagen ist, noch einmal töten. Daß sich Rußland damit ins eigene Fleisch schneidet, daß die russische Landwirthschaft insbesondere, deren bester und unentbehrlichster Abnehmer bisher Deutschland war, arg geschädigt wird, wird von den leitenden Männern in Rußland geflissentlich übersehen. Für Deutschland ist in dieser kritischen Lage vor allem von nöthen, daß es kaltes Blut bewahrt. Deutschland hat die tarifmäßig zulässige Erhöhung der Zölle gegen Rußland eintreten lassen, es wird weiter durch genauere Kontrolle an der Grenze dafür sorgen, daß die russischen Erzeugnisse nicht zu dem billigeren Tarif der Vertragsstaaten über die Grenze geschmuggelt werden.
- Während Rußland sich auf einen regelrechten Zollkrieg gegen Deutschland einrichtet, zeigt es andererseits große Eile, eine handelspolitische Einigung mit Oesterreich=Ungarn herbeizuführen. Das Auswärtige Amt in Wien hat am Sonnabend die offizielle Verständigung erhalten, daß der russische Maximaltarif gegen Oesterreich=Ungarn keine Anwendung findet und daß Rußland in die Eröffnung von Vertragsverhandlungen auf Grund des von Oesterreich=Ungarn gemachten Meistbegünstigungsangebots einwilligt. Die Zoll= und Handelskonferenz wird voraussichtlich in 10 Tagen zusammentreten, um die Antwort Oesterreichs festzustellen.
- Zulagen, die Offizier auf Grund der von

[ => Original lesen: 1893 Nr. 60 Seite 2]

ihren Vätern (Müttern) gegenüber der Militärbehörde übernommenen Verpflichtungen beziehen, sind in Preußen bei Veranlagung zur, Einkommensteuer von dem Einkommen der Väter in Abzug zu bringen, weil sie auf besonderen Rechtstitel beruhende dauernde Lasten darstellen. Der Umstand, daß die schriftliche Abfassung der von dem Pflichtigen dem Regimentskommandeur erteilten Zusage unterblieben ist, steht, nach einem Erkenntnis des Oberverwaltungsgerichts, der Wirksamkeit derselben nicht entgegen, weil der betreffende Vater dem Regimentskommandeur gegenüber, nachdem der Letztere den Sohn in sein Regiment aufgenommen hat, seinerseits verpflichtet ist, den versprochenen Zuschuß zu leisten. Hiernach muß die Abzugsfähigkeit der Zulage an den Sohn auch in diesem Fall anerkannt werden.
- Als geplante Aenderungen der Reichsstempelsteuer nennen Berliner Finanzkreise eine Quittungssteuer für den gesammten Verkehr und eine Emissionssteuer.
- Die vierten Bataillone (Halb=Bataillone der Infanterie=Regimenter) sollen in erster Linie dazu dienen, die drei Stammbataillone von Allem zu entlasten, was der militärischen Ausbildung hinderlich sein kann. Es obliegt diesen Bataillonen vor Allem die Abstellung aller Ordonnanzen, Fatiguemannschaften, Garnisonswachen, Pferdewärtern, Offiziersdienern an Nichtregimentirte, ferner werden diesen Bataillonen die Einjährig=Freiwilligen und Ersatzreservisten zur Ausbildung überwiesen, ebenso die Oekonomiehandwerker und Musik=Kommandirten. Im Mobilmachungsfall bildet das vierte Bataillon vorerst den Stamm des Ersatzbataillons.
- Für die Ermordung Emin Paschas bringt die "Times" ein neues Zeugniß bei, einen Brief des englischen Missionars Stokes, der eine frühere Meldung wiederholt, daß Emin Pascha unweit Kilonga=Longa im Oktober von Said=bin=Abed, dem Sohn eines alten am Tanganyika ansässigen Sklavenhändlers, getötet und gegessen wurde.
- Zur Erinnerung an den Aufenthalt des berühmten Komponisten Karl Maria v. Weber in Breslau, der s. Z. als Kapellmeister des dortigen Theaters fungirte, sind an dem neuen Volksschulgebäude "Kanonenhof" in der neuen Taschenstraße zwei steinerne Gedenktafeln angebracht worden.
- Man schreibt aus Hannover, daß in dem stehen gebliebenen Turme der Garnisonkirche jetzt ebenfalls Erschütterungen des Mauerwerks wahrgenommen wurden. Es mußte daher der Eingangsbogen zugemauert und der Absperrungskreis noch weiter als bisher ausgedehnt werden.
- In den Waldungen von Brußtur (Arader Komitat) richten Wölfe seit geraumer Zeit große Verheerungen unter den Rinder=, Schaf= und Schweineheerden an. Die Bestien fallen sogar die am Saume des Waldes weidenden Heerden am hellichten Tage an. Die Bevölkerung veranstaltet große Treibjagden, um die Raubthiere unschädlich zu machen.
- In Worms hatten zwei Diebe bei Ausübung ihres Gewerbes so stark den Weinvorräten zugesprochen, daß sie eingeschlafen waren. Einer der Verhafteten hatte eine ganze Düte voll Schlüssel zum Einschieben in einen verstellbaren Schlüsselgriff für Stuben=, Keller= und Kassenschlösser bei sich. Auch Feilen, Zangen und dergl. führten die Leute bei sich.
- Die Skelette von drei im Jahre 1866 bei Tratenau gefallenen österreichischen Infanteristen, die in geringen Entfernungen von einander eingegraben waren, sind bei einer Weganlage in einer Tiefe von kaum 30 Zentimetern aufgedeckt worden. Einer der Gefallenen hatte in seiner Tasche nebst einer gestopften kurzen ungarischen Pfeife, in welcher der Tabak noch nicht verwest war, und etwa 66 scharfen Patronen, ein Fläschchen Tinte, die heute nach 27 Jahren noch vollständig brauchbar aus dem Glasfläschchen fließt. Die Ueberreste der drei Kämpfer sind nun in einem Grabe zur ewigen Ruhe gebettet worden.
- Am Zackenfall im Riesengebirge ist ein Tertianer aus Laubau von einem angeblichen Touristen überfallen worden. Der Verwundete ist von Touristen aufgefunden worden. Vom Thäter fehlt jede Spur.
- Die Tage der lateinische Münzunion, jenes Vertrages, der im Jahr 1865 zwischen Frankreich, Italien, Belgien und der Schweiz über Ausprägung ihrer Gold= und Silbermünzen unter Zugrundelegung des Systems der Doppelwährung geschlossen worden ist, scheinen gezählt zu sein. Die Kündigung des Vertrages von Seiten Frankreichs wird kaum ausbleiben können, da der Bank von Frankreich neuerdings so große Posten Silber zugeführt werden, daß sie es ablehnen muß, alle Beträge aufzunehmen. Die Bank von Frankreich nimmt gegenwärtig als Höchstbetrag nur noch 50 000 Franken von einem einzelnen Einzahler pro Tag an.
- Am Jakobustag, den 25. Juli, hat die Küferzunft in Trier, deren Schutzpatron der heilige Jakobus ist, die Statue des Heiligen, die sonst mit reifen Trauten aus Treibhäusern geschmückt zu werden pflegt, in diesem Jahr schon mit Trauben aus Gärten und Weinbergen zu schmücken vermocht. Aber mehr noch, was seit dem Jahre 1811 nicht mehr der Fall war, ist in diesem weingesegneten Jahr zur Thatsache geworden: bei dem Festessen der Küfer ist neuer Wein verabreicht worden!
- Mit einem Segelboot nach ganz neuem System hat neulich ein englischer Lieutnant Sayce in vierzehn Stunden die Meerenge von Calais zwischen Dover und Boulogne durchkreuzt. Das von ihm konstruierte originelle Fahrzeug wiegt nur 15 Kilogramm und ist gänzlich aus wasser= und luftdichtem Segelzeug gefertigt, wird mit Luft aufgeblasen und hat in diesem Zustand die Form er sogenannten Grönländer, nach deren Art es auch den Reisenden in der Mitte aufnimmt. Das Schiffchen besitzt zwei kleine Segel, kann nach Oeffnen des Luftventils zusammengewickelt und bequem in einer Reisetasche eingepackt werden. Wer die Gefahren des Kanals kennt, weiß, daß die Reise in einem solchen kleinen Fahrzeug (dasselbe ist 2,5 m lang und 80 cm breit) ein kühnes Unternehmen ist, obgleich das Fahrzeug seiner Konstruktion nach allerdings ein Untergehen nicht zu fürchten hat. Zwei Seeleute, welche den verwegenen Reisenden in einem Kutter folgten, hatten glücklicherweise keine Gelegenheit, ihm Hülfe angedeihen zu lassen. Die Konstruktion verdient groß Beachtung, da sie zur Rettung bei Schiffbruch gut verwendbar sein möchte.
- Eine neue praktische Scheere ist in Solingen, dem Mittelpunkt der Klingen=, Messer= und Scheerenfabrikation, hergestellt worden. Während die gewöhnliche Scheere aus zwei Schneiden besteht, die durch einen Stift gebunden werden und dadurch wirken, daß sie den zu zerschneidenden Gegenstand zwischen sich abquetschen, sind die Schneiden der neuen Scheere durch eine Kapsel gebunden, in welcher eine einfache Hebelübersetzung bewirkt, daß die eine Schneide während des Zumachens an der andern heruntergezogen wird. Somit wirkt die untere Backe als eine Unterlage und die obere als Messer, das den Gegenstand auf der Unterlage zerschneidet. Damit wird eine viel größere Wirkung erzielt. So schneidet zum Beispiel eine kleine Gartenscheere der neuen Bauart einen dicken Zweig glatt durch, und mit einer andern kleinen Scheere des neuen Systems kann eine fünffache Lage Filz und selbst das stärkste Sohlenleder mit Leichtigkeit zerschnitten werden.
- Der größte Diamant der Welt. Aus dem Orangefreistaat ist nach Birmingham ein aus gebranntem Gyps hergestelltes Modell des großen Diamanten geschickt worden, welcher in dem Jagersfontein=Bergwerke gefunden worden ist. Der Stein führt den Namen "Jagersfontein Excelsior" und soll der größte bisher gefundene sein. Er ist ungefähr 3 Zoll lang und 2 Zoll breit. Er wurde am 30. Juni d. J. von einem Kaffern gefunden und ist 971 Karat schwer. Sein Wert wird auf eine halbe Mill. Lstr. geschätzt. Der Finder erhielt als Belohnung 150 Lstr., ein Pferd, einen Sattel und einen Zaum. - Ein merkwürdiger Umstand ist, daß einige Diamantenhändler mit den Bergwerksbesitzern die Uebereinkunft getroffen hatten, alle Steine, gleichviel ob gut oder schlecht, zu einem bestimmten Preise pro Karat zu kaufen. Dieser Kontrakt endete am 30. Juni und der große Diamant war, wenn nicht der letzte, so doch einer der letzten, die an jenem Tage entdeckt worden.
Theater in Schönberg. Auf das am Sonntag, den 6. August im Theatersaal des Herrn J. Boye stattfindenden Gastspiel des allerorts mit dem größten Beifall aufgenommenen Hamburger plattdeut=

[ => Original lesen: 1893 Nr. 60 Seite 3]

schen Künstler=Ensembles verfehlen wir nicht, an dieser Stelle noch ganz besonders hinzuweisen. Am Sonntag gelangt das unverwüstliche, in Hainburg über 200 Mal zur Aufführung gelangte echt Hamburger Volksstück: "Hamburg bei Nacht oder Schabernack über Schabernack" zur Darstellung. Ueber die ganz vorzügliche Darstellung sprechen sich die "Itzehoer Nachr." gelegentlich eines kürzlich dort stattgefundenen Gastspiels der Hamburger Künstler in äußerst günstiger Weise aus. Es steht zu erwarten, daß das hier in Schönberg leider nur auf einen Tag berechnete Gastspiel der Hamburger Künstler einen recht starken Besuch finden wird. Den zahlreichen Freunden unverfälschten, gesunden, plattdeutschen Humors kann diese Vorstellung nur angelegentlichst empfohlen worden.


Anzeigen.

In Sachen betreffend die Zwangsversteigerung der dem Maurer Heinrich Kleinfeldt zu Lüdersdorf gehörigen und daselbst sub Nr. 3 belegenen Büdnerei c. p. stehen vor dem unterzeichneten Amtsgerichte an,
1. der Verkaufstermin auf

Dienstag, den 15. August 1893,
Vormittags 11 Uhr,

2. der Ueberbotstermin auf

Dienstag, den 19. Septbr. 1893
Vormittags 11 Uhr.

Ferner ist Termin zur Anmeldung aller dinglichen Rechte und Ansprüche an das Grundstück c. p. und an die zur Immobiliarmasse desselben gehörenden Gegenstände (Zubehör), soweit sie nicht gesetzlich von der Anmeldungspflicht ausgenommen, zur Vorlegung der Originalien und sonstigen schriftlichen Beweismittel, sowie zur etwaigen Prioritätsausführung unter dem Nachtheile der Abweisung und des Ausschlusses auf

Dienstag, den 15. August 1893,
Vormittags 11 Uhr,

angesetzt.
Die Verkaufsbedingungen liegen 14 Tage vor dem ersten Verkaufstermine auf der Gerichtsschreiberei I zur Einsicht der Betheiligten aus.
Dem Schuldner und den bei der Zwangsversteigerung betheiligten Gläubigern wird hiermit freigelassen zu dem Zwecke einer endlichen Regulirung der Verkaufsbedingungen in dem zur Anmeldung der dinglichen Ansprüche an das Grundstück c. p. bestimmten Termine und in dem Verkaufstermine zu erscheinen, sowie innerhalb 8 Tagen vor diesem Termine Vorschläge für die Verkaufsbedingungen einzureichen.
Schönberg, den 15. Mai 1893.

Großherzogliches Amtsgericht.
Dr. jur. E. Hahn.
                                                    H. Diederich.


Antragsmäßig soll über die zu Mannhagen sub Nr. 6 belegene Büdnerstelle der Wittwe Elisabeth Bruhns geb. Meins aus Panten ein Hypothekenbuch niedergelegt werden, und werden daher alle diejenigen, welche Realrechte an diesem Grundstück zu haben vermeinen und deren Eintragung in das niederzulegende Hypothekenbuch verlangen, zu deren Anmeldung auf

Montag, den 7. August d. Js.,
Vormittags 10 Uhr,

peremtorisch und unter dem Nachtheil hiermit aufgefordert, daß alle nicht angemeldeten und von der Meldungspflicht gesetzlich nicht ausgenommenen Realrechte an dem proclamirten Grundstück sowohl gegen den jetzigen als auch die zukünftigen Besitzer desselben erloschen sein sollen.
Ausgenommen von der Anmeldungspflicht sind jedoch diejenigen Gläubiger, welche ihre Forderungen auf einem mit dem Siegel des Gerichts versehenen, vor dem Liquidations=Termin ihnen vorzulegenden und von ihnen zu unterzeichnenden Postenzettel vollständig und richtig aufgeführt gefunden haben.
Schönberg den 19. Mai 1893.

Großherzogliches Amtsgericht.
G. Horn.
                                                    A. Dufft.


In Sachen betreffend die Niederlegung eines Hypothekenbuchs über die zu Schlag=Resdorf sub Nr. VII belegene Vollstelle c. p. des Hauswirths Hans Jochen Teut wird hiermit zur öffentlichen Kenntniß gebracht, daß auf das am heutigen Tage abgehaltene Liquidations=Protokoll sofort im Termin der Präclusiv=Abschied erlassen und verkündet ist.
Schönberg, den 31. Juli 1893.

Großherzogliches Amtsgericht.
G. Horn.
                                                    A. Dufft.


Avis für Damen!

Beabsichtige, Anf. August einen 4 wöchentl. Lehrkursus in Damenschneiderei zu geben, enthaltend: Maßnehmen, Musterzeichnen, Zuschneiden und Anfertigen eigener Garderoben. Preis 30 M.
Erkundigungen können bei meinen gewesenen Schülerinnen a. d. Gegend: Frau Maaß Ollndorf, Frl. Haagen=Ollndorf, Frl. Wendland=Selmsdorf Frl. Oldenburg=Selmsdorf, Frl. Lehmkuhl=Rüschenbeck u. s. w. eingezogen werden. Rechtzeitige Anmeldungen erbeten.

Hochachtungsvoll
                                                    Fanny Hornickel,
                                                    Modistin, Lübeck,
                                                    Holstenstraße 21.


Gesucht zu Hof Stove zum 24. October:
1 Hausmädchen u. 1 Küchenmädchen und 1 Arbeiterfamilie.
Stove, 30. Juli 93.                                                    Kaiser.


Habe noch zum 24. Oktober d. J.                          
2 Wohnungen
zu vermiethen.                                                    
Lauen im August 1893.                                                     H. Dräger.


Ges. f. Hamburg z. 1. September e. erstes,

tüchtiges Mädchen,

mit guten Zeugnissen versehen, bei gutem Lohn.

Zu melden b. Gastw. Wiencke, Sülsdorf.


Zum Lohndrusch empfiehlt
Dampfdreschmaschine
"Wettin"
durch Patenteinriemensystem:

Unübertroffen leichter Gang garantirt bei größten Leistungen. Marktfertig sortirte Körner. Vorzügl. Glattstroh. Leicht und bequem. Transport und Aufstellung.
Nähere Auskunft ertheilt

                                                    F. Becker.

Schönberg i./M.


Ratzeburger Actien-Brauerei
empfiehlt
ihre vorzüglichen Biere
auf Gebinden und Flaschen.


ff. Berger Sommerfang=Heringe
empfiehlt                                                    
                                                    Aug. Spehr.
Schönberg, den 3. Aug.                           


Neu !!!
Carl Wasmuth's
Hamburger
Caffee-Mischung

besitzt doppelte Ausgiebigkeit und dadurch unerreichte Billigkeit.

1 Loth = 7 Tassen !!! à Pfd. 60 Mark (Lübeck). und 90 Mark (Lübeck).

käuflich in allen Colonialwaarengeschäften.

Carl Wasmuth, Hamburg,
Uhlenh.


[ => Original lesen: 1893 Nr. 60 Seite 4]

Mecklenbg. Vieh-Versicherungs-Gesellschaft a. G.
zu Güstrow.

Am 1. Januar a. c. waren in Kraft 11 817 Pol. m. M. 7 385 590 versich. Kapit.
hinzugetreten sind bis heute 2193 Pol. m. M. 1 808 830 versich. Kapit.
mithin sind 14 010 Pol. m. M. 9 194 420 versich. Kapit.
                                                    am heutigen Tage in Kraft.
In diesem Jahre bereits regulirte resp. Berechnete Schäden: Mark 214482.
Der Reservefonds. d. i. das Vermögen der Gesellschaft, hat sich um circa die Hälfte vergrößert, ist nämlich von Mk. 33 020,18 auf Mk. 50 076,15 angewachsen.
Die Verwaltungs=Unkosten an Löhnen und Gehalten haben sich seit April um circa die Hälfte verkleinert, sind nämlich von Mk. 2740,- auf Mark 1340,- per Monat gewichen.
Güstrow, den 31. Juli 1893.

Die Direction:
Rudel.


Travemünder Rennen
den 4. und 6. August 1893.
Anfang 3 1/2 Uhr Nachmittags.


Kampf=
genossen=
     Ehrenkreuz      Verein
1870/71.
Schönberg.

Am Sonntag, den 6. August ds. Js., Nachmittags 4 Uhr,
ordentliche Versammlung
im Vereinslocale.

Tagesordnung:
1) Bericht über den Delegirtentag zu Malchin;
2) Berathung über den bevorstehenden Geburtstag Sr. Königl. Hoheit des Großherzogs;
3) Verschiedene Vereinsangelegenheiten.

                                                    Der Vorstand.


Theater in Schönberg.
(Im J. Boye'schen Theatersaal.)
Sonntag, den 6. August 1893.
Einmaliges Gastspiel
des mit dem größten Beifall überall aufgenommenen Hamburger Plattdeutschen
Künstler Ensembles
Mitglieder der Hamburger Bühnen.
Zur Aufführung gelangt
Hamburg bei Nacht
oder
Schabernack über Schabernack.
Große Hamburger plattdeutsche Lokalposse mit Gesang und Tanz.
Preise der Plätze:
1. Platz reservirt 1 M. 2. Platz 60 Mark (Lübeck).
Galerie 40 Mark (Lübeck). Kinder die Hälfte.
Kasseneröffnung 7 Uhr.           -nbsp;              Anfang 8 Uhr.
Alles Nähere die Zettel.


Am 20. ds. Mts. mußte eine meiner Kühe wegen Beinbruches getötet werden und bereits heute ist mein Schaden von der Norddeutschen Vieh=Versicherung zu Schwerin, wo ich mein Vieh versichert habe, prompt und coulant regulirt worden. Ich empfehle daher diese Gesellschaft allen Viehbesitzern aufs Beste.
Lankau b. Mölln, den 26. Juli 1893.

                                                    F. Basau.



Dr. Roth
Specialarzt für Chirurgie & Orthopädie
Lübeck, Königstraße 7.
von der Reise zurück.


Statt jeder besonderen Meldung.

    Heute Morgen 2 Uhr starb nach kurzer Krankheit mein lieber Mann und unser lieber guter Vater, der Hauswirth

Heinrich Wigger zu Rüschenbeck

                                                    Frau S. Wigger und Kinder.

        Rüschenbeck, den 2. August 1893.
        Die Beerdigung findet am Sonnabend Nachmittag 2 Uhr vom Trauerhause aus statt.


Kirchliche Nachrichten.
Sonntag, 30. Juli.

Frühkirche fällt aus.
Vormittagskirche: Pastor Krüger.
    Amtswoche: Consistorialrath Kaempffer.


Abgang der Eisenbahnzüge von Schönberg
nach Lübeck:
10,04 Vorm. 12,21 Mitt. 3,10 Nachm. 7,27 Abends
11,55 Nachts.
nach Kleinen:
8,1 Morg. 10,29 Vorm. 12,46 Nchm. 5,40 Nachm.
8,54 Abends.


Marktpreise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Getreide=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Viehmarkt in Hamburg.

Es kosten: kleine Schweine 52-54 M., große Schweine 51-53 M., Sauen 38-46 M., Kälber 75-85 M. per 100 Pfund.


Hierzu eine Beilage
und Illustrirtes Beiblatt Nr. 31.


Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.


[ => Original lesen: 1893 Nr. 60 Seite 5]

Beilage
zu Nr. 60 der Wöchentlichen Anzeigen für das Fürstenthum Ratzeburg.
(Schönberger Anzeigen.)
Schönberg, den 4. August 1893.


Vogtländische Rundas.
Von Martin Beck.

Das Vogtland ist eines der originellsten Gegenden Sachsens. In Sprache, Sitten, Gebräuchen, Aberglauben findet sich dort eine Unmasse kulturhistorischen Materials aufgespeichert, ein seltsames Gemisch germanischen und slavischen Geistes. Vieles davon kommt in den sog. "Rundas", eine Art Schnadahüpfel, zum Ausdruck, die weiteren Kreisen etwas völlig Unbekanntes sind. Ihr Name sagt, daß sie Rundgesänge sind. In der "Hutzenstumm" (große Abendbesuche), auf dem "Sommerhaufen" (haufenweises Umherziehen der Jugend im Sommer auf den Gassen), auch im Tanzsaal werden sie frisch gesungen. Gewöhnlich stellt man sich in einen Kreis, hängt die Arme ein, eines beginnt das Runda und alle singen es mit, sich nach der einfachen, gefälligen Tanzmelodie bewegend. Behördlicherseits hat man die ziemlich unschuldigen "Hutzenstum" verboten, auch gegen die "Sommerhaufen" schreitet man ein, die kernige, urwüchsige Poesie der Rundas blüht jedoch fröhlich fort. Man ist überrascht von dem Humor, der Schlagfertigkeit und der Kraft und Innigkeit dieser Sänge. Es spiegelt sich eben in ihnen die ganze urwüchsige, derbe, gemütswarme vogtländische Volksseele wieder, die fortwährend von einer Fülle kecken Humors erzittert.
Unzählige Rundas könnte man zusammentragen. Dr. Dunger in Dresden bringt in seinen "Rundas und Reimsprüche aus dem Vogtlande" (Plauen i. V. F. E. Neupert) allein über 2000 und diese Sammlung ließe sich noch ins Riesige vermehren, denn in den verschiedenen Gegenden des Vogtlandes hört man zu den alten immer wieder andere, und immer tauchen wieder neue auf. Es ist erfreulich, zu sehen, wie die Volkspoesie sich nicht ausrotten läßt, wie sie lustig weiterschafft. Die Rundas zeigen das Volksleben in allen Lagen und Verhältnissen. Ganz köstlich sind besonders die gegenseitigen Neckereien der Burschen und Mädchen. In der Tanzpause z. B., nach dem Absingen einiger Rundas, erklingt es wohl plötzlich, wenn Alles verschnauft:
            ,s is wieder emol aus
            Und wird wieder aa gieh -
            De Gumpfern sei garschtig,
            De Börschle sei schie.
Natürlich zahlen die "Gumpfern" (Jungfern) den "Börschlen" diese Galanterie neckisch singend heim. Auf die Liebe mit Allem, was damit zusammenhängt, beziehen sich die meisten Rundas.
            Schmätzle gem, Schmätzle gem,
            Is ja ka Sünd,
            Hot mer'sch mei Mutter g'larnt,
            'ch war noch a klans Kind.
Aber das süße, heimliche Glück der Seele will das Mädchen nicht preisgegeben wissen:
            Ich bi scha dei Schatzl,
            Adder (aber) sogn darffst des nei,
            Wenn's alle Leut wissen,
            Nach mag ich dich net
Oft sind die Nebenbuhler aus dem Feld zu schlagen:
            Der König streit't um's Ländel
            Und d'r Bauer um's Geld
            Und d'r Bub um sei Dirndl
            So geht's in d'r Welt.
Der werbende Bauernsohn kann seine Verlegenheit nicht verbergen:
            Waaß net, wie 'r sei Mützel soll setze,
            Waaß net, wie 'r sei Peitschel soll halte;
            Ach Vater, ach Mutter,
            Dan Fuhrma bi ich gut.
Wird er abgewiesen, tröstet er sich:
            Frisch 'rüber frisch 'nüber
            In Bauerhof 'nei,
            D'r Hof is'n Bauer
            Unn's Madel is mei!
            Ein Mädchen singt wohl;
            Mei Schatz ist a Schlosser
            Unn a Schlosser muß sei,
            Er macht mir a Schlössel
            V'rsch Herzele mei.
Und wenn er in der Fremde weilt, heißt es:
            Eisenbah, Eisenbah,
            Lokomotiv,
            Wenn de mei Schatzel siehst,
            Gieb 'ne dan Brief.
Bei der Rückkehr wird er Soldat:
            Schö bi ich gewachsen,
            Dös hat mich gefreut, Der König von Sachsen
            Braucht aa schöne Leut.
Von unglücklicher Liebe weiß das folgende Runda zu reden.
            Es is nix so trarrig
            Und nix so betrübt,
            Wie wenn sich a Krauthaat (Krautkopf)
            In a Ruesen (Rose) verliebt.
Der ahnungsvolle Pantoffelheld droht:
            Wenn ich einmal heiraten thu,
            Dös mach ich gleich aus:
            Wenn mei Fraa net d'rham is,
            Bin ich Herr im Haus.
Ein guter Liebhaber nimmt bekanntlich jede Gestalt an, mit mehr oder weniger Geschick:
            Madel, wenn de beichten wisst (willst),
            Ich bi der Supertend,
            Ich will dir all' dei Sünd vergeb'n,
            Du Himmelsakerment.
Welchen Liebesgram schließt folgendes Runda in sich! Es atmet förmlich dramatisches Leben in seiner Tragik:
            Mei Schatz is a Schneider,
            Is schö, adder klei,
            Der fiel uns ba'n Essen
            In die Suppenschüssel nei.
            Da lag er in d'r Suppen,
            M'r hat'n net derguckt,
            Da hat'n mei Vater
            Mit hintergeschluckt.
            Mich dauert mei Schneider,
            Mei Gram is net z' trag'n,
            Ich ha' 'ne im Herzen
            Und mei Vater im Mag'n.
Reichtum bringt selten, was dem Herzen angenehm ist:
            Da drüb'n af'n Bergel,
            Da steht a neu's Haus,
            Da gucken drei Madle
            Zum Fensterle 'raus.
            Die erste is bucklig,
            Die anner is lahm
            Die dritt' hat gu (hol mich
            Der Teixel) kan Zahn.
Der Ausdruck "gu" bedeutet ja. Das Lob einer Schönen wird gerühmt in folgenden Versen:
            Schiener Engel, gold'ger Engel,
            Host en schen'n Gang,
            Ba' (Beine) host de wie en Butterstengel
            Füß' wie ä Elephant.
Böse Erfahrungen hat auch schon mancher Freier machen müssen:
            Auf die Freiet bi ich gange
            Do 'nei in den Grund,
            Und en Floh ho ich gefange
            Wie en Sautreiberschhund.
Auch andere Klagen schleichen sich dazwischen:
            Lustig und ledig,
            Macht'n Geldbeutel leer,
            Ach, wenn doch mei Beutel
            A Kälberkopf wär!
Aber warum verzagen?
            Es ist halt mein' Vater
            Sei aanziger Trost,
            Döß, su lang ich leb,
            Ihm sei Geld net verrost't.

[ => Original lesen: 1893 Nr. 60 Seite 6]

Und ferner:
            Mei Schatz is in Himmel
            Und ich af der Welt,
            Der könnt mir was schicken
            Ich brauchet was Geld.
Auch der Vater giebt wohl einen guten Rat:
            Mei Vater hat g'sagt,
            Ich soll mich net so plag'n,
            Soll's Häusel verkaaf'n,
            Soll Rußbutten trag'n.
Zur Zeit seiner Entstehung hatte dieses Runda den humoristischen Beigeschmack nicht, den es jetzt trägt. Ein Häusler mußte harten Frohndienst thun, während ein umherziehender Rußbuttenhändler, der oft weit in der Welt herumkommt, davon frei war und darum besseren Verdienst erwerben konnte. Es heißt deshalb auch in einem anderen Runda tröstend:
            Traute, liebe Lene,
            's Häusel is verkaaft,
            Nu derf' mer nimmer fröhne,
            Nu ham mer freien Laaft (Lauf).
Doch es ist jetzt des Guten genug:
            Ich ka nimmer singe,
            Mei Hals thut m'r weh,
            Ich muß erst amal trink'n,
            's werd gleich besser geh'.


- In der neuesten Nummer der bekannten, von Frau Baronin von Suttner unter dem Titel "Die Waffen nieder" herausgegebenen Monatsschrift zur Förderung der Friedensbewegung nimmt Wereschagin das Wort. Gerade dieser Schlachtenmaler, der dem Tode so oft in's Antlitz gesehen hat, der die ganze Grauenhaftigkeit des männermordenden Kampfes kennt und seine Schrecken oft genug auf die Leinewand bannte, ist ein glühender Apostel des Friedens und man entsinnt sich wohl noch des Aufsehens, den seine schonungslosen Vorträge über das Wüthen der russischen Soldateska vor einigen Monaten in Petersburg hervorriefen.
"Aus den Erinnerungen eines Schlachtenmalers", erzählt nun Wereschagin in der genannten Zeitschrift Folgendes:
Vor fünfundzwanzig Jahren reiste ich an der chinesischen Grenze durch Ortschaften, welche sich vordem in einem blühenden Zustande befanden und jetzt eine unfruchtbare Wüste darstellen. Noch stehen mir die Bilder vor meinem Gedächtniß: Ich nähere mich der Stadt Tschugutschock, welche noch vor Kurzem bei 10 000 Einwohner zählte. - Von außen könnte man denken, daß diese Stadt wie jede andere beschaffen sei: die Mauern, Thürme, Hausdächer mit den unvermeidlichen Drachen sind vollkommen unversehrt und glänzen in der Sonne; nur eine Menge großer, verzweigter, vollkommen ausgedörrter Bäume bringt mich auf den Gedanken, daß in der Stadt etwas nicht geheuer sei . . . Ich fahre hinein - alles leer! Auf den Gassen liegen im Schmutz die Hausgeräthe und die verschiedensten Dinge durcheinander: winzige Schuhe der chinesischen Weiber, Männerzöpfe, Kupfermünzen u. s. w. Diese letzteren sind nach chinesischer Sitte an Schnüren aufgereiht und finden sich in solch' ungeheurer Menge vor, daß man ganze Wagen damit beladen könnte. Nun komme ich vor die Festung. Das Hauptthor derselben ist arg mitgenommen. Da die Belagerer durch einen offenen Angriff gar nichts zu erreichen vermochten, obzwar sie mehrere primitive Thürme errichtet hatten, untergruben sie die Mauer und drangen in den Durchbruch ein. Sie hatten hierzu eine finstere Nacht gewählt, während die Einwohner schliefen und die Garnison den Wachtdienst nur nachlässig versah. Unter den Mauern - ganze Haufen von Köpfen und verschiedenen menschlichen Knochen; an manchen Stellen, wo ein heißer Kampf stattgefunden oder wo von den Mauern die abgeschlachtete Garnison herabgeworfen worden, gab es buchstäblich Pyramiden von Köpfen! Die ganze Umgegend der Stadt ebenfalls mit Schädeln besät. - In den benachbarten Dörfern, welche gleichzeitig von einer 15 000 Mann starken Garnison, die zum Entsatze der Belagerten herankam, besetzt waren, - die Gassen und Haushöfe mit Skeletten und Schädeln verbarrikadirt. Ringsum, auf den Feldern, wie weit nur das Auge reicht, überall Schädel, Schädel und Schädel. Ich erinnere mich ganz gut, daß ich bei meinen täglichen Wanderungen mit dem Farbenkästchen unterm Arm fast bei jedem Schritte mit dem eisernen Ende meines Sonnenschirms an einen Schädel schlug; vielleicht wird man mir keinen Glauben schenken, aber ich übertreibe nicht! Die Arm= und Beinknochen waren zum Theil noch mit Kleidern bedeckt und behielten ihre Form, aber weder Fleisch noch Haut war daran. Diese hatten die Wölfe und Schakale aufgefressen und die Vögel aufgepickt; alle Knochen waren blank, vom Regen gewaschen, von der Sonne gebleicht. Einige Zeit vor meiner Ankunft war es gefährlich, sich in dieser Gegend zu zeigen wegen der Menge von verwilderten Hunden, welche die Menschen überfielen; sogar die Hausschweine, denen es gelang, aus den Dörfern in das Schilfrohr zu entkommen und welche dort verwilderten, zeigten sich bei Begegnung mit einsamen Wanderern über die Maße dreist.
Ich besuchte längs der chinesischen Grenze einige solche Städtchen, in welchen wir - ich mit zwei Kosaken - die einzigen lebenden Wesen waren. Nur in Tschugutschock fand ich in der Höhlung einer der zahlreichen kolossalen gußeisernen Figuren eines mythischen Löwen zwei junge Dohlen; die Mutter verließ sie, vielleicht darum, weil wir uns zu nahe angesiedelt hatten; ich fütterte sie während der ganzen Zeit meines drei= oder vierwöchentlichen Aufenthaltes in der Stadt und wurde hierfür bei der Abreise von ihrem, wahrscheinlich anerkennenden Geschrei weit über die Stadtgrenze begleitet. Bis zu welchem Grade sowohl die Stadt als auch die Umgegend verödet waren, kann man daraus beurtheilen, daß ein Reh, welches einmal während meiner Arbeit hinter einem Gebäude hervortrat, überrascht durch die unerwartete Begegnung, vor mir stehen blieb und hierauf wie ein Blitz in der Steppe verschwand. Einer meiner Bekannten, welcher einige Jahre später Gelegenheit hatte, weiter als ich in dieser Gegend zu reisen, versicherte mich, daß das ganze Land, von der russischen Grenze fast bis zur großen Mauer sich in demselben trostlosen Zustande befand, und daß in den Städten, welche früher 200 000 Einwohner zählten, deren Zahl auf 15 bis 10 000 herabgesunken war. Dies alles waren die Ergebnisse der letzten, zahlreich wiederkehrenden Aufstände der Muselmänner in jenen Ländern; Aufstände, von welchen man in Europa garnichts oder beinahe garnichts wußte, in welchen aber an 15 bis 20 Millionen Chinesen, Mandschuren, Solonen, Sibo und Kalmücken, welche von Dunganen und Tarantschen erschlagen wurden, zu Grunde gingen. Der Aufstand der Taipingen, welcher annähernd um dieselbe Zeit im Süden China entbrannte, vernichtete noch mehr Volk - etwa 20 bis 25 Millionen - und man kann ohne Uebertreibung sagen, daß in einem Zeitraume von ca. 20 Jahren in China 40 bis 50 Millionen Menschen aus den verschiedenen mongolischen Stämmen, welche die Bevölkerung dieses Reichs bilden, vernichtet worden sind.


- Das Zweirad genügt den Amerikanern nicht mehr zum schnellen Fortkommen, sodaß sie jetzt ein Einrad von mächtiger Größe konstruirt haben. Der Durchmesser der Räder bei gleicher Tourenzahl ist maßgebend für die Geschwindigkeit der Fortbewegung. Das neue Einrad besteht nur aus zwei ineinander liegenden Rädern, von denen das innere frei in dem äußeren ruht, wobei zwischen den beiden Radreihen angeordnete Kugeln die rollende Verbindung beider Räder herstellen. Im Inneren des Innenrades ist ein Rahmen angebracht, der den Sitz für den Fahrer und das Antriebsräderwerk trägt. Der Fahrer sitzt aufrecht in dem Innenrande, setzt die Räder durch Treten in Bewegung, wobei ein Zahnrad oder Reibungsrad mit dem inneren Reifen des äußeren Rades zusammen arbeiten. Das Innenrad dreht sich hierbei nicht mit, sodaß der Fahrer nur das Gleichgewicht zu halten hat.
- Die Hitze war in New=York am Freitag auf 96 Grad Fahrenheit (28 1/2 Grad Reaumur) gestiegen und die Todesfälle durch Sonnenstiche mehren sich sehr.
- In der vergangenen Woche sind unter dem Vieh der englischen Grafschaft Northamtonshire mehrere Pestfälle vorgekommen. Das erkrankte Vieh ist sofort getötet und eingegraben und verbrannt worden.


<< Ausgabe vorher>> Ausgabe danach
ZVDD