No. 68
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 01. September
1891
Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1891 Nr. 68 Seite 1]

Als das deutsche Kaiserpaar am Montag abend mit dem Sonderzuge von den Festlichkeiten in Merseburg nach Potsdam zurückkehrte, geriet in der Nähe von Luckenwalde der Salonwagen 8 des kaiserlichen Hofzuges, welcher eine vollständig eingerichtete Küche enthält, durch eine glühend gelaufene Achse in Brand. Zum Glück bemerkte man dies noch rechtzeitig, so daß der Küchen=Salonwagen auf der Station Luckenwalde ausgesetzt werden konnte. Da jedoch die Verbindung mit den übrigen Wagen nicht so schnell gelöst werden konnte, so traf der kaiserliche Extrazug mit fünfviertelstündiger Verspätung auf der Wildparkstation ein.
Der Kaiser wird voraussichtlich bis zum 2. September im Neuen Palais bei Potsdam verbleiben und alsdann seine Manöverreisen antreten.
Bei der letzten Frühstückstafel wurde vom Kaiser Wilhelm persönlich das aus Weizenmehl gebackene Commißbrod einer eingehenden Prüfung unterzogen.
Die große Parade des bayrischen Armeecorps vor dem Kaiser findet am 9. September statt.
Die Herzogin Ferdinand von Schleswig=Holstein=Sonderburg=Augustenburg, die Schwester der Kaiserin, wurde in Grünholz von einem Knaben glücklich entbunden.
Der Kaiser verlieh dem Stabsarzt Bassange von der Yacht "Hohenzollern" den Rothen Adlerorden. Der genannte Arzt hatte den Kaiser während seines Knieleidens massirt und es wird zum großen Theil diesem Heilverfahren zuzuschreiben sein, daß die Genesung einen so schnellen und günstigen Verlauf genommen hat.
Der Kaiser hat durch Cabinetsordre verfügt, daß den vier in die engere Bewerbung um das Nationaldenkmal für Kaiser Wilhelm I. eingetretenen Künstlern Schilling, Schmitz, Hilgers und Begas außer dem festgesetzten Preis von je 4000 Mai k noch je 12 000 Mark aus dem Preisfonds für das Denkmal gezahlt werden. Eine Entscheidung über die Wahl des auszuführenden Denkmalentwurfes ist dagegen noch nicht erfolgt.
Der Gesetzentwurf, betreffend die Bekämpfung des Mißbrauchs geistiger Getränke, liegt jetzt im Wortlaut vor. Er macht die Ertheilung der Erlaubniß für sämmtliche Arten des Schankgewerbes und Kleinhandels mit Branntwein vom Nachweise des vorhandenen Bedürfnisses abhängig. Als Kleinhandel soll der Handel mit Branntwein oder Spiritus gelten, welcher anders als in Gefäßen mit mindestens 50 Liter Inhalt stattfindet. Den Kleinhändlern soll es verboten sein, Branntwein in Mengen von weniger als 1/2 Liter abzugeben. Verboten wird ferner die Verbindung des Branntweinhandels mit dem Kleinhandel anderer Art, damit die Kunden des letzteren nicht zum Schnapsgenuß verführt werden. Räume, die zum Betriebe eines anderen Gewerbes dienen, sollen nicht zum Gast= oder Schankwirthschaftsbetriebe benutzt werden dürfen. Die Gast= und Schankwirthschaften sollen verpflichtet sein, Vorsorge zu treffen, daß neben geistigen andere Getränke und Speisen verabreicht werden können. Für die Aufrechterhaltung guter Sitte und Ordnung ist der concessionirte Wirth verantwortlich. Personen unter 16 Jahren, die sich nicht unter Aufsicht großjähriger Personen befinden, sollen in der Regel geistige Getränke nicht erhalten, ebensowenig Betrunkene und notorische Trunkenbolde. Der Wirth soll einen Betrunkenen, dem er geistige Getränke verabreicht hat, nur dann aus seinem Local weisen dürfen, wenn in hinreichender Weise für Beförderung nach Hause oder nach der Polizei gesorgt ist. Der Entwurf enthält ferner folgende privatrechtliche Bestimmungen: Gast= und Schankwirthe dürfen geistige Getränke zum Genuß auf der Stelle nicht auf Borg verabreichen. Wer in Folge von Trunksucht seine Angelegenheiten nicht zu besorgen vermag, oder sich oder seine Familie der Gefahr des Nothstandes aussetzt, oder die Sicherheit Anderer gefährdet, kann entmündigt werden. Schließlich ist noch bestimmt, daß die Bestimmungen der Gewerbeordnung über den Betrieb der Gast= und Schankwirthschaft, sowie über den Kleinhandel mit Branntwein auf Consum= und andere Vereine auch dann Anwendung finden, wenn der Betrieb auf den Kreis der Mitglieder beschränkt ist.
Zu der Reform des deutschen Reichsmilitär=Strafprozesses sind alle bayrischen Vorschläge in Berlin abgelehnt worden. Von der in Bayern im Militärgerichtsverfahren vorgeschriebenen Mündlichkeit und Oeffentlichkeit könne bei einer allgemeinen Kodifikation keine Rede sein.
Der preußische Landwirthschaftsminister hat angeordnet, daß Berichte über die Ernte schleunigst einzureichen seien, und zwar die Berichte über die Roggenernte bis zum 1. September, diejenigen über die Ernte in Weizen und Hülsenfrüchten bis zum 8., in Kartoffeln bis zum 20. September.
Der Militär=Attache bei der K. und K. Botschaft in Berlin, Oberst=Lieutenant Steiniger überbrachte dem Kaiser Franz Josef die bestimmte Meldung, daß Kaiser Wilhelm am 3. September zu den Manövern in Schwarzenau eintreffen und dieselben zu Pferde mitmachen wird. Die Zahl der an den Kaisermanövern theilnehmenden Combattanten wird sich auf 70 000 Mann belaufen, auch sollen die Landwehr=Fußtruppen in ausgedehnter Weise zur Verwendung gelangen, und zwar mit zusammen 20 Millionen.
Eine öfficiöse Correspondenz des "Pester Lloyd" aus Berlin, von der die Redaction ausdrücklich bemerkt, daß sie die Auffassung maßgebender Kreise wiedergebe, führt aus, es lasse sich kaum verkennen, daß die öffentliche Meinung in Paris sich nach den russischen Festtagen nicht allein in den Hoffnungen auf Revanche, sondern auch in der gegenwärtigen Staatsform Frankreichs und in der Propaganda für die republikanischen Ideen ungemein gestärkt fühle; während in Rußland der Geschmack an republikanischen Dingen zugenommen zu haben scheine, sei die Achtung der Republikaner in Frankreich vor den Monarchien gesunken.
Die russische Regierung hat nun auch vom 27. August ab noch ein Verbot gegen die Ausfuhr der kleinen bisher zollfrei gewesenen Mehlmengen erlassen. Aus Podsamtsche hat die "Posener Zeitung" vom

[ => Original lesen: 1891 Nr. 68 Seite 2]

26. August nachstehende Schilderung dieses letzten Roggen=Ausfuhrtages erhalten: "Russische Gutsbesitzer, russische Handelsleute und preußische Kaufleute nehmen den ganzen Marktplatz ein, der dermaßen mit Roggen verbarrikadiert ist, daß nicht ein Apfel zur Erde fallen kann. Viele russische Besitzer senden erst heute ihren Roggen ab; jeder hat alle seine Pferde zur Ausfuhr aufgeboten, um noch bis 12 Uhr Nachts alles nach Preußen zu schaffen. Der übrige Güterverkehr ist heute fast ganz gesperrt. Gestern wurde mit der Abfuhr des Roggens bis in die späte Nacht gearbeitet, das hiesige Zollamt hat nicht weniger als 16 309 Mk. an Roggenzoll an diesem Tag vereinnahmt. Schon jetzt fehlt es den Handelsleuten an dem nöthigen Geld zur Deckung des Zolles. Im ganzen Ort borgten gestern die Handelsleute Geld, um die Steuer bezahlen zu können. Für den heutigen Tag wurde während der vergangenen Nacht erborgtes Geld aus Kempen geholt. Tausende nehmen die Arbeiter,, die Fuhrwerksbesitzer und die Eisenbahn ein. Bis in den späten Abend wurde gestern ungedroschener Roggen gefahren, der angefahrene Schober dürfte wohl jetzt schon über 1000 Fuhren enthalten. Alle preußischen Grenzbewohner eilen heute noch das letzte Mal über die Grenze, um das billige Mehl aus Wieruszow zu holen. Jede Familie schickt alles, was Beine hat, nach Roggenmehl und jeder bringt noch seine 6 Pfund ohne Hinderniß herüber. Jeder Preuße wird in Wieruszow von den ärmeren Leuten als Spitzbube verschrieen, denn bei vielen russischen Familien an der Grenze macht sich schon die Noth empfindlich bemerkbar. Die russischen Bäcker freuen sich auf den späteren starken Brotverkauf, da Roggenbrod auch während der Sperre wird ausgeführt werden können. Die Mehlhändler sagen dagegen, daß sie schon nach einer Woche zu Grunde gehen würden. Heute sollen noch auf der Eisenbahnstation ca. 35 Waggons Roggen verladen werden und gegen 20 Fuhren auf der Chaussee nach Kempen abgehen. Außerdem wird der ungedroschene Roggen stärker eingefahren und dadurch der Schober wieder vergrößert. Die Einnahme an Roggenzoll wird wohl auch heute hier 20 000 Mk. übersteigen.
Die Provinz Livland, wo 2 Millionen Pud Roggen liegen, bot der Regierung eine Million Pud als Darlehen für die nothleidenden Gouvernements an. In russischen Regierungskreisen wird lebhaft der Umstand erörtert, daß Livland die einzige Provinz ist, welche die Nothleidenden unterstützen könne.


Anzeigen.

Zur Ausloosung der Geschworenen, welche für die am 21. September 1891 bei dem hiesigen Landgerichte beginnenden ordentlichen Sitzungen des Schwurgerichts in die Spruchliste aufzunehmen sind, habe ich auf

Dienstag, den 1. September 1891,
Mittags 12 Uhr,

eine öffentliche Sitzung des Großherzoglichen Landgerichts in dem Sitzungszimmer der Civilkammer I anberaumt.
Güstrow, den 27. August 1891.

Der Präsident
des Großherzoglichen Landgerichts.
(gez.) von Amsberg.


Antragsmäßig soll über die zu Baeck sub Nr. 17 belegene Büdnerstelle c. p. des Schneidermeisters Fritz Otte daselbst ein Hypothekenbuch niedergelegt werden, und werden daher alle diejenigen, welche Realrechte an diesem Grundstück zu haben vermeinen und deren Eintragung in das niederzulegende Hypothekenbuch verlangen, zu deren Anmeldung auf

Sonnabend, den 5. September d. J.,
Vormittags 10 Uhr,

peremtorisch und unter dem Nachtheil hiermit aufgefordert, daß alle nicht angemeldeten und von der Meldungspflicht gesetzlich nicht ausgenommenen Realrechte an dem proclamirten Grundstück sowohl gegen den jetzigen als auch die zukünftigen Besitzer desselben erloschen sein sollen.
Ausgenommen von der Anmeldungspflicht sind jedoch diejenigen Gläubiger, welche ihre Forderungen auf einem mit dem Siegel des Gerichts versehenen, vor dem Liquidations=Termin ihnen vorzulegenden und von ihnen zu unterzeichnenden Postenzettel vollständig und richtig aufgeführt gefunden haben.
Schönberg, den 22. Juni 1891.

Großherzogliches Amtsgericht.
G. Horn.
                                                    A. Dufft.


Verkaufs=Anzeige.

In Curatelsachen sollen am Montag, den 14. September d. J., Vormittags 9 1/2 Uhr beginnend, im Gastwirth Boye'schen Locale in Schönberg die folgenden Gegenstände als:

1 große Partie Damenkleider wie desgl. Damenwäsche, Bettlaken, Tischlaken, Handtücher, Bettbezüge und anderes Leinenzeug, 3 aufgemachte Betten, 3 Bettstellen resp. mit und ohne Matratzen, 2 Sophas, Tische, Spiegel, Bilder, 1 Kommode, 2 Kleiderschränke, Stühle, Küchenschrank, Küchengeräth aller Art, Kessel, Porzellan= und Glassachen, Blumentisch, Gypsfiguren, Nähmaschine, Chatoulle, Wand= und Taschenuhren, (eine goldene Damenuhr), Gold= und Silbersachen, silberne Löffel, 1 Lexikon u. andere Bücher sowie viele andere Sachen
öffentlich meistbietend gegen Baarzahlung verkauft werden.
Schönberg, den 30. August 1891.


Kampf=
genossen=
     Ehrenkreuz      Verein
1870/71.
Schönberg.

Den Kameraden theilen wir hierdurch mit, daß unser Verein auch in diesem Jahre von dem Kriegerverein zur Theilnahme an der Sedanfeier eingeladen, und uns dieselben Entrée=Ermäßigungen wie den Mitgliedern des Kriegervereins gewährt sind.
Die Kameraden werden zu zahlreicher Betheiligung aufgefordert.
Angetreten wird vor dem Vereinslocal:
1) zum Fackelzug den 1. Septbr., Abends 7 Uhr,
2) zum Festzuge den 2. Septbr., Mittags 12 1/2 Uhr.

                                                    Der Vorstand.


Statt besonderer Meldung.

Gestern Vormittag 9 1/4 Uhr verschied sanft nach kurzem Krankenlager meine inniggeliebte Frau und die liebevolle Mutter meiner Kinder,

Auguste Burmeister
geb. Rebesky.

Um stille Theilnahme bittet der tief betrübte Gatte

                                                    J. H. L. Burmeister,
  Maurermeister.

Schönberg i/M., den 31. August 1891.
Die Beerdigung findet am Mittwoch, den 2. September, Nachmittags 3 Uhr, statt.


Zwei u. dreischaarige Pflüge
zum Schälen und Tiefpflügen aus der Pflugfabrik von
Ed. Schwartz & Sohn, Berlinchen
empfehle zu Fabrikpreisen.                                                    
Schönberg.                                                     Joh. Bockwoldt,
                                                                        Schmiedemeister.


Tilsiter Fettkäse
à Pfund 50 Pfennig (Mecklenburg). empfiehlt                                                    
                                                    H. Brüchmann.


Eine erste Hamburger Importfirma in Futtermitteln, besonders Kleie, Malzkeime, getr. Biertreber, Schlempe etc., wünscht noch mit größeren Händlern des Inlandes in Verbindung zu treten. Adr. gefl. u. H. o. 6666 an Haasenstein & Vogler A.-G. Hamburg.


Stadt Lübeck.
Am Sedanfeste
Tanzmusik.
à Tanz 10 Pfg.


[ => Original lesen: 1891 Nr. 68 Seite 3]

Vom 12. Mai d. J. bis heute sind nachstehende Verluste bei unserem Verein angemeldet:
  1. Vom Hauswirt Freitag in Pogez 1 Pferd 500 M.
  2. Vom Hauswirth Meier in Mahlzow 1 Kuh 135 M.
  3. Vom Hauswirth Stegmann in Sülsdorf 1 Pferd 200 M.
  4. Vom Gastwirth Kohs in Grieben 1 Starke 100 M.
  5. Vom Schulzen Kohlhase in Wahrsow 1 Pferd 200 M.
  6. Vom Forstaufseher Schmidt in Ziethen 1 Kuh 135 M.
  7. Vom Arbeitsmann Dunkelmann in Rabensdorf 1 Kuh 135 M.
  8. Vom Hauswirth Kröger in Lockwisch 1 Pferd 200 M.
  9. Vom Müller Wieschendorf in Maurienmühle 1 Kuh 135 M.
10. Vom Hauswirth Oldörp in Petersberg 1 Pferd 750 M.
11. Vom Hauswirth Ebell in Gr. Mist 1 Pferd 100 M.
12. Vom Hauswirth Oldenburg in Kl. Mist 1 Kuh 135 M.
13. ungedeckt aus vorigen Hebungen noch 650 M.
Zur Deckung dieser Schäden vernothwendigt sich ein Beitrag von 80 Pfennig (Mecklenburg). pro 100 M. Versicherungssumme und werden unsere Mitglieder ersucht, solchen Beitrag am

Freitag, den 11. September d. J. Morgens 10 Uhr,

im Boye'schen Gasthofe hieselbst einzuzahlen.
Zugleich machen wir unsere Interessenten darauf aufmerksam, daß nach unseren "revidirten Statuten" das Maximum der Versicherungssumme für Pferde auf 850 M. und für Kühe auf 180 M. festgesetzt ist und daß die Rechnungsabschlüsse des Vereins an allen Tagen der Beitragszahlung zur gefälligen Einsicht der Mitglieder ausliegen.
Schönberg, den 31. August 1891.

Direction des Viehversicherungs=Vereins.
As. Ahrendt.                           Wilh. Heincke.


Die Bestimmungen unsrer von Hoher Großherzoglicher Landesregierung bestätigten "revidirten Statuten" treten mit dem 1. September d. J. in Kraft, welches wir unseren Mitgliedern hierdurch ergebenst anzeigen.
Schönberg, den 29. August 1891.

Direktion des Viehversicherungs=Vereins für das Fürstenthum Ratzeburg.
As. Ahrendt.                           Wilh. Heincke.


Grosser
Inventur-Ausverkauf.

Mit dem heutigen Tage eröffne ich meinen diesjährigen Inventur-Ausverkauf, um sämmtliche bei der Inventur zurückgelegten Reste vor Eintreffen der neuen Herbst= und Winter=Waaren zu räumen, verkaufe ich selbige zu und unter Einkaufspreisen.
Zum Verkauf kommen nur Reste von Kleiderstoffen, Buckskin, Bettinlett, Bettbezügen u. s. w. ferner der Rest meiner Damen-Confection

Jaquetts sonst 4 Mk., jetzt 1,50 Mk.
Jaquetts sonst 8 Mk., jetzt 4,-- Mk.
Regenmäntel sonst 6 Mk., jetzt 3 Mk.
Regenmäntel sonst 12 Mk., jetzt 6 Mk.
einzelne vorjährige Wintermäntel
sonst 12 Mk., jetzt 6 Mk.
sonst 18 Mk., jetzt 10 Mk.
                                                    Heinrich Meyer.


Saatkorn.

In der Pfaffenmühle bei Ratzeburg wird jedes Quantum Roggen und Weizen zu Saatkorn gereinigt.

                                                    R. Petersen.


Gesucht

für eine adlige Herrschaft auf dem Lande eine Kinderfrau oder älteres Mädchen, welches kinderlieb ist, zum 1. Oktober.
Näheres in der Exped. dieses Blattes.


Auf dem Wege von Schönberg nach Lübsee ist am Freitag eine graue Pferdedecke verloren, der Finder wird gebeten dieselbe abzugeben bei

                                                    Wilhelm Vock.


In der Meierei zu Torisdorf sind                          
Fasel=Schweine
zu verkaufen.                                                    


113 Mk. 25 Pfg.

monatlichen Nebenverdienst leicht für Jedermann. Offerten unter F. A. 1000 Rudolf Mosse, Berlin W. 8.


Gesucht wird zum Herbst ein

Mädchen für Küche u. Hausarbeit,

welches schon gedient hat, und ein jüngeres

Stubenmädchen,

welches erfahren in Handarbeit ist, von

                                                    Frau Amtsrichter Horn.
                                                    Schönberg.


[ => Original lesen: 1891 Nr. 68 Seite 4]

Programm
zur Sedanfeier in Schönberg 1891.
1. Dienstag, den 1. September:

Abends 6 1/2 Uhr: Unterhaltungsmusik vor dem Vereinslocal.
Abends 7 1/2 Uhr: Beginn des Fackelzuges vom Siemzerthore aus.
Abends 8 Uhr: Bekränzung des Kriegerdenkmals.
Abends 8 1/2 Uhr: Freudenfeuer (Abbrennung eines Holzstoßes), Festrede u. patriotische Gesänge.
Abends 9 Uhr: Commers und Concert im Schützenhause - Eintrittsgeld 20 Pfg.

2. Mittwoch, den 2. September:

Morgens 6 Uhr: Weckruf durch die Stadt.
Morgens 9 1/2 -11 Uhr: Concert auf dem Markte.
Nachmittags 1 Uhr: Festzug durch die Stadt vom Siemzer Thore aus bis zum Schützenhause.
Nachmittags 2 Uhr: Beginn des Schießens nach Silber= und Alfenide=Gewinnen sowie der Kinderbelustigungen auf dem Baubrink
Nachmittags 2 Uhr: Concert im Schützenhause. - Eintrittsgeld 20 Pfg.
Nachmittags 7 Uhr: Einmarsch.
Nachmittags 8 Uhr: Beginn der Festbälle im Schützenhause und im neuen Boye'schen Saale.
Eintrittsgeld für Herren à 1 M. 50 Pfg., für Damen 50 Pf.

Um recht rege Betheiligung an dieser nationalen Feier bittet                          
Das Sedan=Comité
des Kriegervereins f. d. Fürstenthum Ratzeburg.


Kriegerverein für das Fürstenthum Ratzeburg.
Mittheilung an die Kameraden, betreffend die diesjährige Sedanfeier.

1. Angetreten wird vor dem Vereinslocal:
a. am 1. September zum Fackelzug Abends 7 Uhr. b. am 2. September zum Festzug um 12 1/2 Uhr Nachmittags.
2. Es finden folgende Preisermäßigungen statt:
a. zum Commers am 1. September und den Concerten um 2. September ist der Eintritt für Vereinsmitglieder und deren Familien frei. b. zu den Festbällen zahlen Mitglieder à 50 Pfg., und für 1 Dame 25 Pfg. Eintrittsgeld. Für weiter einzuführende Damen sind à 50 Pfg. zu entrichten.
Rege Betheiligung wird erwartet.

Der Vorstand.


Ratzeburger Sedanfeier

Der Festzug bewegt sich am 2. September Vormittags 10 Uhr vom Palmberge aus in die Kirche. 1 Uhr Nachmittags Festessen auf dem Schützenhofe. Am 3. September Nachmittags 4 Uhr Tombola=Verloosung daselbst. Alles Weitere aus dem Fest=Programm, welches in allen Wirthschaften und Kaufläden der Stadt und Umgegend aushängt, zu ersehen.

                                                    Das Festcomité.


Henriette Cabel
Christian Kreutzfeld
Verlobte.
Lockwisch.                                                     Oldenburg.


Magdalene Sterly
Friedrich Brünner
Assistent bei der Baudeputation
Verlobte.
Kl. Bünsdorf.                                                     Hamburg.


Abgang der Eisenbahnzüge von Schönberg
nach Lübeck:
9,49 Vorm. 12,02 Mitt. 3,10 Nachm. 7,11 Abends. 11,37 Nachts.
nach Kleinen:
7,32 Morg. 10,13 Vorm. 12,51 Nachm. 5,21 Nachm. 8,36 Abends.


Markt=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Getreide=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Viehmarkt in Hamburg.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Hierzu eine Beilage


Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.


[ => Original lesen: 1891 Nr. 68 Seite 5]

Beilage
zu Nr. 68 der Wöchentlichen Anzeigen für das Fürstenthum Ratzeburg.
(Schönberger Anzeigen.)
Schönberg, den 1. September 1891.


Wie soeben aus der russischen Hauptstadt gemeldet wird, feiert das russische Kaiserpaar seine silberne Hochzeit nicht in Kopenhagen, sondern in St. Petersburg, kehrt somit Ende September oder in den ersten Tagen des Oktober aus Kopenhagen zurück.
Mit dem schwindsüchtigen zweiten Sohn des Kaisers Alexander, dem Prinzen Georg, der mit seinen Eltern am Montag in Schloß Fredensborg bei Kopenhagen angekommen ist, steht es schlecht. Der junge Prinz kann das nordische Klima nicht mehr vertragen und soll zum Herbst sich wieder nach Algier begeben. An eine völlige Wiedergenesung des Großfürsten ist nicht mehr zu denken, dazu ist das Leiden schon zu weit vorgeschritten.
Aus St. Petersburg wird jetzt allen Ernstes gemeldet, daß die Hungersnoth im Gouvernement Kasan entsetzlich sein soll. Trotzdem wird die Meldung, der Minister v. Giers habe das Ausfuhrverbot in Berlin durch die wirthschaftliche Lage Rußlands gerechtfertigt, für falsch erklärt.
Im Schloß Fredensborg, dem alljährlichen Sammelpunkt der Mitglieder des dänischen Königshauses, herrscht augenblicklich eifrige Thätigkeit, um für die vielen fürstlichen Gäste, die theilweise schon angekommen sind, theils noch erwartet werden, Platz zu schaffen. Das Schloß enthält nur ungefähr 40 Zimmer, und die russische Kaiserfamilie muß sich mit drei nicht großen Zimmern begnügen. Dieses Jahr wird das alte Schloß auf einmal das russische Kaiserpaar, die dänische Königsfamilie, den König Georg mit seinen Söhnen, die Prinzessin von Wales, den Herzog und die Herzogin von Fise, die Herzogin von Cumberland und den König Oskar von Schweden beherbergen. Von allen diesen Gästen, die ein großes Gefolge mitführen, verursacht der Zar der Kopenhagener Polizei die größte Arbeitslast. Die ganze Umgegend von Fredensborg wird vor der Ankunft des Zaren von der Polizei in Verbindung mit den russischen Geheimpolizisten, die dort angekommen sind, genau durchsucht, außerdem halten zwei dänische Polizeiagenten schon seit mehreren Tagen Wache bei der Zollbude, um alle und alles, was in den Hafen herein= und heraussegelt, zu untersuchen. Der Chef der russischen geheimen Polizei ist von Paris in Kopenhagen angekommen, um die Untersuchungen persönlich zu leiten.
Nun haben auch die Festtage von Portsmouth ihr Ende erreicht; das französische Geschwader ist am Mittwoch Vormittag unter dem Salut des Forts und der englischen Kriegsschiffe nach Cherbourg abgefahren. Das Festprogramm hat am letzten Tag seiner Anwesenheit wegen des stürmischen Wetters nur zum Theil ausgeführt werden können. Die englischen Gäste, darunter mehrere Damen, welche an dem Diner auf dem "Marceau" theilgenommen hatten, mußten die Nacht über an Bord bleiben, da der Sturm den Verkehr mit dem Ufer unmöglich machte. Auch viele beurlaubte französische Officiere und Matrosen konnten nicht zu ihren Schiffen zurückkehren. Aus London wird gemeldet, daß der Admiral des englischen Kanal=Geschwaders die Einladung des Admirals Gervais, mit seinem Geschwader Cherbourg im October zu besuchen, angenommen habe.
Die chilenischen Kreuzer scheinen in der ganzen Welt herumzutreiben. Dieser Tage ist einer, der "Presidente Pinto" vor Kiel angelangt und soll dort, wie es heißt, Kanonen übernehmen wollen, wenn er nur welche bekommt!
Prinz Damrog, ein Bruder des Königs von Siam, ist in Paris eingetroffen. Derselbe wird sich von dort nach Petersburg begeben, um dem Zaren die große Krone des Mahachakriordens zu überreichen, als Erwiderung auf das von dem Zaren anläßlich des Empfangs des Thronfolgers in Siam dem König von Siam verliehene Großkreuz des Andreasordens. Der Prinz wird auch London, Wien und Berlin besuchen.


- Schönberg. Die am Donnerstag auf dem hiesigen Bahnhof durch einen Eisenbahnzug getödtete Schlachtkuh hatte einen Werth von 360 M.; an dem Thier ist nichts zu gebrauchen, da die einzelnen Theile derselben vollständig zerfetzt waren und der Abdeckerei übergeben werden mußten. Auch die Lokomotive ist mehrfach durch den Unfall beschädigt. Den Schaden hat die Eisenbahn zu tragen, da durch deren Bedienstete das Thier eigenmächtig entladen und auf der Rampe angebunden wurde, um den Wagen mit dem nächsten Zuge nach Lübeck zurückschicken zu können.
- Schönberg. Der Fußgensdarm Hinzelmann in Friedland, der schon während des vorigen Winters aushülflich während einiger Monate im Herrnburger Bezirk Dienst versah, wird zum 1. October d. J. nach hier versetzt, dagegen der hier stationirte Fußgendarm Fürstenau nach Friedland commandirt.
- Die Eisenbahn=Gesellschaft für Deutsch=Ostafrika (Usambora=Lana), welche sich mit einem Kapital von zwei Millionen Mark konstituiert hat, schickte bereits eine Expedition von Ingenieuren aus, welche die Linie auf vorläufig 40 km aufnehmen soll, zu deren Zweck die Gelder ausreichen dürften. An der Spitze der Expedition steht der Ingenieur Mittelstädt, welchem noch die Ingenieure Hormas und Friedrich beigegeben sind.
- Die Nachfrage nach Loosen der deutschen Kolonial=Lotterie ist, wie die "Post" erfährt, eine derartig rege, daß bereits am dritten Tage nach Beginn des Absatzes davon 40 000 Stück verkauft waren. Insbesondere sind für beide Klassen giltige Volloose begehrt.
- Am Freitag nachmittag 5 1/2 Uhr konnte das neue Telegraphenkabel Berlin=München in der Berliner Centralstation angeschlossen und damit nun die Reichshauptstadt mit der Hauptstadt Bayerns durch sieben neue Linien verbunden werden. Die Länge des Kabels beträgt von der bayerischen Landesgrenze bis München 328 000 Meter, von Berlin bis München ca. 700 000 Meter. In 110 Arbeitstagen wurde die Legung zwischen Hof und München vollendet, genau gemäß den Voranschlägen. Das Kabel besteht aus 330 einzelnen Stücken in der Länge von über 1 Kilometer, welche an den Endpunkten sorgfältig verlötet werden mußten. Da die ganze Strecke auf 2 Millionen Mark zu stehen kommt, trifft auf den Meter ein Kostensatz von etwas über 6 Mk. Für den direkten Verkehr zwischen Berlin und München sollen drei Drähte des Kabels reservirt werden, die übrigen vier Drähte für den Dienst der anderen Stationen.
- Nur eine Konfektioneuse! Vor etwa zwei Jahren war in einem der größten Damenmäntel=Konfektionsgeschäfte am Hausvoigteiplatz in Berlin eine junge bildhübsche Dame angestellt, eine Schlesierin, deren Eltern (der Vater ist ein pensionierter Lehrer) in einem kleinen Städtchen dieser Provinz leben. Fräulein St. war nach Berlin übergesiedelt, um dort eine Stellung anzunehmen und die Ihrigen so besser unterstützen zu können, was sie auch redlich that. Vor Jahresfrist verheirathet sich das junge Mädchen mit einem in der Dresdenerstraße wohnenden Rentier F.; trotzdem der Gatte, eine in Sportskreisen wohlbekannte Persönlichkeit, seine junge Frau mit geradezu fürstlicher Pracht umgab, war die Ehe doch keine glückliche, denn Herr F. quälte die junge Frau durch grundlose Eifersucht, die zu furchtbaren Scenen zwischen beiden führte. So kam es vor etwa 8 Tagen auch zu einem entsetzlichen Auftritt zwischen dem F.'schen Ehepaar; der Mann überhäufte sein junges Weib, mit dem er soeben von einer Landpartie zurückgekehrt war, mit einer Flut Schimpfworte und warf schließlich die Weinende, die kurz vor ihrer Entbindung stand, mit den Worten zur Thür hinaus: "Du bist und bleibst ja doch nur eine Konfektioneuse!" Dort blieb die junge Frau in der leichten Kleidung die Nacht hindurch auf den Treppenstufen sitzen, bis gegen Morgen Nachbarn sich

[ => Original lesen: 1891 Nr. 68 Seite 6]

der Bedauernswerthen annahmen. Am anderen Tage kehrte Frau F., ohne ihren Gatten wiedergesehen zu haben, zu ihren Eltern nach Schlesien zurück, wo sie bald darauf plötzlich verstarb, wie es heißt, an den Folgen eines Herzschlages. Kummer und Reue hatten inzwischen den eifersüchtigen Gatten erfaßt. F. der einsah, seiner Frau Unrecht gethan zu haben, reiste nach dem Wohnort seiner Schwiegereltern, um gerade zu derselben Zeit einzutreffen, als sein gestorbenes junges Weib in den Sarg gelegt wurde. Mit einem furchtbaren Aufschrei brach der rohe Mann an der Bahre nieder, um dann in Tobsucht zu verfallen. Zwei Tage darauf wurde F., dessen Geist nach dem Ausspruch der Aerzte für immer umnachtet ist, in eine bei Berlin belegene Privat=Irrenanstalt gebracht.
- Der Mörder des Kaufmanns Hirschfeld in Spandau, Wetzel, ist noch nicht ergriffen. Es ist festgestellt worden, daß er in Warnemünde gewesen ist, doch ist man nicht sicher, ob er sich von dort nach Kopenhagen oder landwärts weiter gewendet hat.
- Versuche mit Hafer=Roggenbrot werden jetzt angesichts der hohen Roggenpreise vielfach in großem Umfange gemacht. Ein Gemisch von halb Roggenmehl und halb Haferschrot soll ein sehr wohlschmeckendes Brot abgeben, das dem Brot aus einer Mischung von Weizenmehl und Roggenmehl selbst vorgezogen wird. Hafermehl ist bedeutend nahrhafter als Weizen, auch hält sich Hafer=Roggenbrot gut genießbar zehn Tage.
- Caprivi=Brot, halb Roggen, halb Weizen, gab es bereits am Montag zum Ausmarsche des Gardekorps in Berlin. Dasselbe ist halb so groß wie das frühere und wird alle 2, statt wie bisher alle 4 Tage geliefert, da es sonst zu schnell trocknet. Der Marktpreis beträgt 35 Pfennige.
- Wie die "Weser=Ztg." mittheilt, ist der von der Neu=Guinea=Compagnie aus Kaiser Wilhelms=Land in Bremen an den Markt gebrachte und sofort zu hohen Preisen verkaufte Taback (158 Ballen) vortrefflich ausgefallen. Gleichzeitig sind dort von derselben Gesellschaft 33 Ballen Neu=Guinea=Baumwolle angekommen. Diese zeichnet sich durch ein kräftiges, langes, seidenglänzendes, jedoch etwas gelblicheres Haar aus und habe deshalb den kolossalen Preis von 110 Pfg. das Pfund - das ist zwei ein halb mal so viel als middling amerikanische und dem Preise für Sea=Island=Baumwolle ähnlich - erzielt. Endlich ist vor Kurzem das Schiff "Esmeralda" mit 800 Tonnen Phosphat (Guano) von den zu Deutsch Neu=Guinea gehörigen Purdy=Inseln in Hamburg angekommen.
- Die vergessene Fahne. Am 9. d. M. wurde in Blankenburg das Verbandsfest der braunschweigischen Kriegervereine gefeiert, und es ist begreiflich, daß manche Theilnehmer abends in gehobener Stimmung nach Hause zurückkehrten. Ein Verein ist sogar von der Halberstädter Station weitergefahren und hat auf dem Bahnhof - seine Fahne stehen lassen. Nachdem die Fahne über eine Woche dort gestanden, ohne daß sich Jemand gemeldet, oder darnach gefragt hätte, ist dieselbe nunmehr vorschriftsmäßig in das Fundbureau der Kgl. Eisenbahndirection zu Magdeburg als Fundsache abgeliefert. Hoffentlich vermißt der Verein inzwischen seine Fahne und meldet sich. Für den Spott wird er dann wohl nicht zu sorgen brauchen.
- Auch aus Krefeld meldet die "K. B. Z." daß die Textilfabriken mangels Aufträge den Betrieb wesentlich einschränken, unausgesetzt Arbeiter=Entlassungen vornehmen und die Arbeitszeit auf die Hälfte oder auf zwei Drittel verkürzen müssen. In vielen Arbeiterfamilien herrscht bittere Noth. Die Zahl der subsistenzlosen Fabrikweber wird auf Tausende geschätzt. Auch in Färbereien und Appreturanstalten sind Stockungen eingetreten. Die bedeutende Schwarzfärberei von Beckerath entließ einen großen Theil ihrer Arbeiter.
- In Oldenburg entgleiste am Mittwoch bei der Einfahrt eines Güterzuges ein für die Reparatur fälliger Personenwagen. In unmittelbarer Nähe des Bahnhofs sprang ein Rad vom Geleise ab, der Wagen schwankte und sofort türmten sich sieben nachfolgende Güterwagen in= und übereinander, in wenigen Augenblicken einen wüsten Trümmerhaufen bildend. Glücklicherweise konnten die Begleitmannschaften ungefährdet abspringen.
- Die Getreidezufuhr aus Rußland war, der Danz. Ztg. zufolge, auch am letzten Tage vor Eintritt der Sperre sehr groß, so daß die Anstrengungen zur Bewältigung derselben noch erhöht werden mußten. Gleich großer Andrang herrschte an allen Grenzübergangsplätzen. Es gingen, nach der Königsb. Hart. Ztg. in Königsberg ein: 475 Waggons am Montag, 471 Waggons am Dienstag und Mittwoch 415; bei letzterer Zahl sollen noch einige vormittags eingetroffene Züge nicht mitgezählt sein. Die bis zum Schluß der Sperre über die Grenze geschafften Roggenmengen in Grajewo, Wirballen, Schmaleningken sind, soweit Menschenhände und Bahnkräfte auslangten, wohl so bedeutend, daß die Zufuhren voraussichtlich auch noch acht bis zehn Tage große Zahlen ergeben werden.
- Die Wallfahrt zum heiligen Rock. Den größten materiellen Vortheil dürfte der Rock dem heiligen Vater bringen. Für diesen sind im Dom 2 Opferkästen aufgestellt, einer, bevor man zu der Reliquie gelangt, der andere, wenn man von ihr weggeht. Kein Pilger schreitet an diesen Opferkästen vorüber, ohne "der Noth des heiligen Vaters" zu gedenken. Bis Sonntag Abend sollen bereits über 35 000 Mark gespendet worden sein, was die Verwalter des Peterspfennigs mit großer Freude vernehmen werden. Sehr gute Geschäfte machen bei unerfahrenen Pilgern die zahlreichen Taschendiebe und Gauner, welche aus aller Herren Länder zusammengeströmt sind. Bereits hat man einige Dutzend dieser Herren Langfinger hinter Schloß und Riegel gebracht, aber natürlich nur die ungeschickten, während deren gewandtere Collegen ihr Geschäft erfolgreich fortsetzen. Mit der Skrupellosigkeit, welche die Diebe aller Bekenntnisse auszeichnet, haben sie sich gerade den Dom zum Operationsfeld genommen und leeren den pilgern die Taschen, wenn die andächtigen Wallfahrer ganz und gar in die Anschauung des heiligen Rockes versunken sind.
- Bei der Trierer Wallfahrt zum heiligen Rock ist auch für Berlin etwas "abgefallen". Das Bureau des deutschen Kellnerbundes hat 800 Berliner Kellner nach Trier gestellt.
- Der Kaufmann C. F. Hochmuth in Dresden, welcher aus abgekochtem Wasser und Korinthen "Wein" fabrizirte und dieser unter der Etikette "Griechischer Tischwein" resp. "Tokayer" und "Spanischer Wein" in den Handel gebracht hatte, wurde wegen dieses Vergehens gegen das Nahrungsmittelgesetz zu 3 Monaten Gefängniß verurtheilt.
- Die Chemnitzer Handelskammer theilt mit, daß sich in ihrem Bezirk die Spindelzahl der Baumwollspinnereien im vorigen Jahre um 8000 vermindert hat. Der Rückgang im laufenden Jahre wird voraussichtlich ein viel größerer sein, da sich die Krise 1890 bei weitem nicht so stark als gegenwärtig geltend machte. Besonders die Spinnereien des Strumpfgarnfaches leiden sehr.
- Die übertriebenen Nothstandsberichte gewisser deutscher Blätter haben die Phantasie der Franzosen mächtig angeregt und in deren Köpfen wahrhafte Schreckensbilder von dem in Deutschland herrschenden Elend entstehen lassen. Jetzt kommt gar der "Paris" mit der Entdeckung, daß die deutschen Arbeiter sich, um ihr Elend zu vergessen, nicht nur in Schnaps, sondern sogar in Petroleum berauschen. Letzteres soll, und das kann man begreifen, höchst nachtheilige Folgen auf den Gemütszustand haben und seine Verehrer auf mehrere Stunden in todtähnliche Erstarrung versetzen. Am nächsten Morgen stellt sich dann allgemeine Schwäche ein mit Ohnmachtsanfällen, die oft einen tödtlichen Ausgang haben. Nächstens werden unsere Unglücklichen gar zur Schwefelsäure greifen!
- Der englische Generalpostmeister Raikes ist in der Nacht vom Sonntag zum Montag am Gehirnschlag gestorben. Henry Cecil Raikes war im Jahre 1838 geboren, ist also nur 53 Jahre alt geworden. Generalpostmeister war er seit 1886. Von 1874-1880 ist er Vice=Sprecher des Unterhauses gewesen.
- Ein Telegramm des Gouverneurs von Martinique bestätigt die Nachrichten über die durch den Cyclon angerichteten materiellen Verluste; dieselben könnten auch nicht annähernd abgeschätzt werden, ganze Ortschaften seien verschwunden und die Ernte fast vollständig zerstört.


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