No. 66
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 20. August
1889
neunundfünfzigster Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1889 Nr. 66 Seite 1]

Bekanntmachung.

Alle durch die diesjährigen im hiesigen Fürstenthume stattfindenden Truppenübungen veranlaßten Flurschäden sind von den Beschädigten sofort bei den betreffenden Ortsvorständen anzumelden, von letzteren behufs Vorbereitung und Feststellung der Vergütungen zusammenzustellen und die Zusammenstellungen unverzüglich bei der Registratur der Großherzoglichen Landvogtei einzureichen.
Schönberg, den 14. August 1889.

Der Großherzogliche Civilcommissarius für die Abschätzung der Flurschäden im Fürstenthum Ratzeburg.
U. Frhr. v. Maltzan.


Nr. 12 und 13 des Offic. Anzeigers für das Fürstenthum Ratzeburg pro 1889 enthalten in der

II. Abtheilung:
(1.) Publicandum, betr. die Erhebung einer Steuer zur Deckung der Kosten des Landesfonds.
(1.) Bekanntmachung, betr. die Aufstellung von Urlisten für die Schöffen für das Jahr 1889.
(2.) Bekanntmachung, betr. die diesjährigen Truppenübungen im Fürstenthum Ratzeburg.
(3.) Bekanntmachung, betr. die für Leistungen an das Militär zu vergütenden Durchschnittspreise von Naturalien pro Monat Juni 1889.


Am 17. August, Morgen 8 Uhr langte der Kaiserliche Sonderzug in Bayreuth an. Prinzregent Luitpold von Bayern begrüßte in der Uniform seines Magdeburgischen Feld=Artillerie=Regiments Nr. 4, begleitet von den General=Adjutanten Freyschlag, den Kaiser.
Aus Bayreuth wird unterm 17. d. M. noch berichtet: Mittags 11 Uhr kehrten die Majestäten von der Eremitage ins Schloß zurück. Bei der Kurve, welche von der Richard=Wagner=Straße in die Ludwigstraße führt, stürzte der vordere Handgaul des Viergespannes, in welchem der Kaiser mit dem General=Adjutanten Freyschlag sich befand. Durch die in rascher Biegung genommene Ecke stieg der hintere Handgaul auf den vorderen, die Deichsel zerbrechend. Es war ein Moment großer Gefahr, da das Pferd wild um sich schlug. Die sofort hinzuspringenden Adjutanten und Lakaien brachten Alles wieder in Ordnung und bändigten das Pferd. Der Kaiser blieb im Wagen und bewahrte seine Ruhe vollständig. Die Equipage fuhr langsam ohne Deichsel zweispännig zum Schlosse. Die Kaiserin war mit dem Prinzregenten vorausgefahren und bereits im Schlosse.
Der Kaiser von Oesterreich hat sich am Donnerstag Morgen mit dem Erzherzog Franz Ferdinand und dem gesammten Gefolge nach der Hedwigskirche begeben, wo zur Feier des Tages der Himmelfahrt Mariä ein besonders feierlicher Gottesdienst stattgefunden hat. Als die Herrschaften vor der Kirche vorfuhren, wurden sie von der gesammten Geistlichkeit am Kirchenportal empfangen, während die vor der Kirche stehende dicht gedrängte Menschenmenge die Gäste unseres Kaiserhauses enthusiastisch begrüßte. Die Messe wurde vom Propst Dr. Jahnel gelesen. Kurz vor 10 Uhr verließen die Herrschaften die Kirche, wobei sie abermals von der Geistlichkeit zum Portal geleitet wurden, und fuhren unter den jubelnden Zurufen der Bevölkerung in's Schloß zurück. Der Erzherzog Franz Ferdinand hatte sich zuvor am frühen Morgen nach Potsdam begeben, um 1 1/2 Stunden im Wildpark zu pürschen. Mittags um 1 Uhr fuhren die beiden Kaiser in die Kaserne des Kaiser Franz=Regiments, um die Parade über dasselbe abzunehmen. Nach Beendigung derselben nahmen sie das Frühstück in dem festlich geschmückten Offizierkasino ein, wobei der Oberst des Regiments einen Trinkspruch auf den Kaiser Franz Josef ausbrachte und die Hoffnung aussprach, daß der hohe Chef dem Regiment noch oft die Ehre seines Besuches schenken werde. Am Frühstück nahmen auch die Prinzen Heinrich und Albrecht, Erzherzog Franz Ferdinand, die Grafen Moltke, Waldersee, Kalnoky, Herbert Bismarck und der Kriegsminister Theil. Der Kaiser Franz Josef hat unseren Kaiser zum General der Infanterie ernannt Dem Erzherzog Franz Ferdinand ist vom Kaiser der Schwarze Adlerorden verliehen worden. Nach den getroffenen Bestimmungen hat der Kaiser mit dem Erzherzog um 10 Uhr Abends Berlin verlassen und sich zunächst nach Ischl begeben, während die Herren des Gefolges zum größeren Theil direkt nach Wien zurückkehren werden.
Kleine Einzelheiten vom Berliner Galadiner stellen wir in folgendem noch zusammen. Kaum haben die fürstlichen Herrschaften Platz genommen und kaum hat man begonnen, die Austern zu serviren, als Fürst Bismarck erscheint. Zum Entsetzen der Höflinge ist er um einige Minuten zu spät gekommen, das hindert ihn aber nicht, langsam und stolz aufrecht zu seinem Sitze zu schreiten. An seinem Platze angelangt, der sich gegenüber dem der beiden Kaiser befindet, verbeugt er sich tief vor den Monarchen. Das Aussehen des Fürsten Bismarck fällt durch Frische auf. Er ist ganz Leben und Beweglichkeit im Gegensatz zu Moltke, der sich bald forschend in sein Menü vertieft, bald, wie es scheint, theilnamslos vor sich hinblickt. Wiewohl er sehr eifrig den herumgereichten Gerichten zuspricht, auch sofort nach der Suppe mit dem Sekt beginnt, hatte er doch Zeit, aufs Eifrigste mit dem Grafen Kalnoky zu konversiren. Der Kanzler sieht es kaum, wie sein Kaiser sich sorgsam um ihn müht, ihm bald dieses oder jenes Gericht empfehlend, bald scherzhaft mit dem Finger drohend, um ihn zu mahnen, daß

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er die Vorschriften seines Arztes während der Tafel nicht vergesse; sobald er jedoch dieser Fürsorge ansichtig wird, erhebt er sich regelmäßig dankend von seinem Sitze . . . . . Als das Festmahl zu Ende geht, erscheinen plötzlich unter den Pagen an den Plätzen der Kaiser zwei Herren im schlichten Frack; es sind die besten Stenographen des Reichstages. Einige Augenblicke später giebt Kaiser Wilhelm das Zeichen, daß er sprechen werde. Fürst Bismarck stand, während sein Souverain sprach und während Kaiser Franz Joseph im herzlichsten Tone die besten Wünsche für seinen Bundesgenossen aussprach, erschollen Hochrufe und schwang der Kanzler den Champagnerkelch und leerte ihn auf einen Zug. Kaiser Wilhelm begann seine Rede leise, dann immer stärker betonend. Zum Schlusse klang seine Stimme hell und schneidig und im Antlitze des kaiserlichen Redners malte sich eine gewisse Erregung.
[ => Original lesen: 1889 Nr. 66 Seite 0]Aus Anlaß des Kaiserbesuches sind bis jetzt folgende Ordensverleihungen zu verzeichnen. Graf Herbert Bismarck hat das Großkreuz des Leopoldordens in Brillanten erhalten. Minister v. Wedell, Oberstallmeister v. Rauch, Obertruchseß v. Radolin und Oberceremonienmeister v. Eulenberg das Großkreuz des Leopold=Ordens, Hausmarschall v. Lynker, Ceremonienmeister v. Romberg und Oberhofmeister v. Mirbach das Großkreuz des Franz=Josef=Ordens. Auch heißt es, der Kaiser habe dem österreichisch=ungarischen Botschafter Szechenyi den Schwarzen Adlerorden verliehen.
Die Berliner Kaisertoaste riefen in Wien einen gewaltigen Eindruck hervor und erweckten den freudigsten Wiederhall. Alle Blätter rühmen die Klarheit und die elementare Kraft der Worte der verbündeten Monarchen; das sei keine abgezirkelte höfische Sprache, solche Kundgebungen entspringen den Herzen. Auch wird darauf hingewiesen, daß die Trinksprüche noch inniger und zugleich noch wuchtiger lauten als jene, die im Oktober vorigen Jahres in der Wiener Hofburg ausgebracht wurden. Es herrscht dort die allgemeine Ueberzeugung, daß die Toaste in ganz Europa die mächtigste Wirkung ausüben werden.
Noch während Kaiser Franz Joseph an der Seite Kaiser Wilhelms in Berlin weilt, dringen bestimmtere Nachrichten zu uns, daß der Czar den Gegenbesuch, den er dem deutschen Monarchen schuldig ist, nun doch baldigst abstatten wird. In gut unterrichteten Kopenhagener Kreisen nimmt man mit Bestimmtheit an, daß der Czar nicht in Berlin, sondern in Potsdam seinen Gegenbesuch abstatten werde. Der Grund für diesen Entschluß soll darin zu suchen sein, daß der Czar mit seinem Besuch jede Berührung mit der großen Volksmenge vermeiden und lediglich seine persönliche Anstandspflicht in dem denkbar kleinstem Rahmen erfüllen will. Berlin mit seinen lebhaften politischen Gefühlen und seinen lebendigen Erinnerungen an den Empfang des Königs Humbert und des Kaisers Franz Joseph ist ihm aus naheliegenden Gründen höchst unbequem - von Potsdam hingegen erhofft er, daß die kleine Schloßstadt seinem Besuch von selbst den richtigen, ihm passenden Rahmen geben werde.
Der Kaiser und die Kaiserin von Rußland sind am Mittwoch mit dem Großherzog und der Großherzogin von Mecklenburg und dem Großfürsten Michael zu den Marine=Manövern bei Sweaborg abgereist. In Kopenhagen ist jetzt offiziell gemeldet worden, daß die Kaiserin am 21. August und der Kaiser einige Tage später dort eintreffen wird.
- Der Boulanger=Prozeß ist so gut wie beendet. Nachdem die Rechte des Senats sich von der Theilnahme der Verhandlungen zurückgezogen hatte, sind letztere rasch gefördert worden; der Staatsgerichtshof hat sich für alle Fragen kompetent erklärt und eine starke Zweidrittelsmajorität hat die Schuldfragen des Komplotts, des Attentates gegen die Sicherheit des Staates und der Unterschlagung bejaht und dem Angeklagten sogar die Zubilligung mildernder Umstände verweigert. Rochefort und Dillon sind der Theilnahme an dem Attentat ebenfalls schuldig gesprochen worden. Daß es so kommen würde, darüber herrschte seit einigen Tagen kein Zweifel mehr. Man nimmt an, daß Boulanger zu lebenslänglicher Deportation, Rochefort und Dillon zu einfacher Deportation nach einem festen Platz verurtheilt werden.
Ueber den Gesundheitszustand des Papstes sind in Rom widersprechende Gerüchte im Umlauf; nach dem einen hatten sich Appetit und Schlaflosigkeit, sowie Kräfteerschöpfung eingestellt, während es andererseits heißt, daß das Befinden des Papstes nichts zu wünschen übrig lasse und derselbe trotz seiner 80 Jahre noch immer rüstig sei. Bei diesem Alter wäre es nicht zu verwundern, wenn diese Gerüchte sich bestätigten.
Aus Belgrad meldet man: Königin Natalie habe an Frau Bogitschewic telegraphiert, daß sie bereit sei, am 17. August nach Belgrad zu kommen. Diese Depesche kreuzt sich mit einem Schreiben Ristics, worin derselbe der Königin mittheilte, daß ihre Begegnung mit König Alexander in Serbien, wo immer sie es wünschen sollte, stattfinden könne.


- Neustrelitz. Sr. Königlichen Hoheit dem Erbgroßherzog ist vom Kaiser das Patent als General=Major vom 23. Mai cr. ertheilt.
- Eine Veröffentlichung des "Reichsanzeigers" vom Dezember 1873 verdient bei dein jetzt wieder auflebenden Gründungstreiben in Erinnerung gebracht zu werden. Nach dieser Veröffentlichung waren damals vom Jahr 1871 an Aktien in dem riesigen Betrag von 701 990 005 Mk. werthlos geworden. In dieser Summe waren die Kursverluste an nicht verkrachten Gesellschaften nicht einbegriffen. Von dieser Riesensumme treffen rund 100 Millionen auf Banken und rund 100 Millionen auf Bergwerke, welche in Gewerkschaften umgewandelt worden waren, während in Industriepapieren, ohne Bergwerke und Berücksichtigung der gewaltigen Kursrückgänge, mithin lediglich durch werthlos gewordene Industrie=Aktien, etwa 500 Millionen Mark verloren gegangen sind.
- Die Eingabe holsteinischer Interessenten um Aufhebung des Einfuhrverbots von Schweinen aus Dänemark ist vom Minister v. Bötticher abgelehnt worden.
- Das Städtchen Sachsenberg im Waldeckschen ist in der Nacht vom Sonnabend zum Sonntag von einem großen Brandunglück betroffen werden. Es sind im Ganzen 90 Gebäude niedergebrannt und fast die ganze Ernte ist ein Raub der Flammen geworden. Die vom Unglück Betroffenen sind meist arme Familien, die fast nichts versichert hatten. Die Noth ist daher groß.
- Am 15. August wurde in Hannover ein Kriegs=Verpflegungsversuch gemacht, welchem der kommandirende General des zehnten Armeekorps v. Caprivi beiwohnte. In einer Feldküche waren 8 Kessel und eine Fleischzerkleinerungsmaschine aufgestellt. Die Knochen wurden zerschlagen und in Sieben dem Gemüse (Reis) und Fleisch beigesetzt, um die Knochen mit auszukochen, die Speise aber doch von Knochensplittern frei zu halten. In einer Stunde war die Speise fertig, dann traten 1100 Mann feldmarschmäßig ausgerüstet mit Kochgeschirr an. In einer halben Stunde war die Speisung beendet, dann marschirten wieder 1100 Mann ein, welche abermals in einem Zelt und einem Schuppen während einer halben Stunde abgespeist wurden.
- Commerzienrath Krupp in Essen hat von der Regierung Venezuelas die Erlaubniß zum Bau verschiedener Eisenbahnen erhalten. Die Hauptlinie soll von Cgraecas nach San Carlos über Victoria, Antimans und Valencia gehen.
- Seitens kleinerer Geschäftsleute, Handwerker u. s. w. werden häufig zur Vollziehung einer Quittung Kautschukstempel benutzt. Eine solche Quittung braucht aber niemand anzunehmen, da sie vor dem Gericht nicht beweiskräftig ist. Eine Quittung ist rechtsgültig, wenn die Namensunterschrift geschrieben ist.
- Der Schah von Persien ist nicht bloß mit seinem ordentlichen Gefolge in Baden=Baden angekommen, sondern auch mit einem außerordentlichen, nämlich einem Rudel Taschendieben, die in dem Gedränge, das um den Schah entsteht, ihr Geschäft betreiben. Einer derselben ist dieser Tage abgefaßt worden, als er eben im begriff war, einem Herrn

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eine kostbare Busennadel zu stehlen. Bei dem Verhafteten fand man drei Pässe auf drei verschiedene Namen, als Deutscher, Franzose und Amerikaner, sowie eine Brieftasche mit 12 Hundertmarkscheinen, deren Verlust schon am Morgen bei der Polizei angezeigt worden war. Allem Anschein nach hat man es mit einem sehr gefährlichen, internationalen Gauner zu thun, wie sie in Weltbädern ziemlich häufig auftauchen, aber gewöhnlich sehr schwer zu fassen sind.
- Ein Telegramm aus Pleß (Schlesien) berichtet, daß seit mehreren Tagen die 80 000 Zentner umfassende Halle der Grube Emanuelssegen brennt; alle Löschversuche erwiesen sich als vergeblich, jetzt werden Sandberge aufgeführt; unter diesen Sandmassen wüthen die Feuermassen aber weiter und es ist das Ende des Brandes noch gar nicht abzusehen. Während die Rettungsarbeiten, die das Resultat hatten daß ca. 30 000 Zentner Kohlen ausgesondert und fortgeschafft werden konnten, explodierten große Kohlenstücke und flogen wie Granaten durch die Luft. Die bisherigen Rettungsarbeiten kosten bereits 8000 Mk.
- Die Festhalle des VII. deutschen Turnbundes in München wird in eine Kirche umgewandelt. Das Comitee des Kirchenbauvereins in Neubauten hat nämlich das Gebäude für 36 000 Mark gekauft und wird es als Nothkirche verwenden.
- Nach dem "N. A." hatte kürzlich in einem Nürnberger Café=Restaurant zu vorgerückter Nachtstunde ein junger Kaufmann sich die Zeit damit zu vertreiben gesucht, daß er hypnotische Experimente machte und sich hierzu die dort servirende holde Hebe als "Medium" erkor. Das Ende vom Liede war, daß er das Mädchen trotz alles Blasens, Anschreiens und Puffens nicht wieder zum Erwachen bringen konnte, sich vielmehr alsbald aus dem Staube machte und das Weitere einfach den bestürzten Wirthsleuten überließ, welche letztere nach vielen Belebungsversuchen genöthigt waren, einen Arzt zu holen; erst diesem gelang es nicht ohne Mühe, das Mädchen wieder zu erwecken. Der Arzt soll Strafantrag gegen den "Hynositeur" gestellt haben.
- Ein großer Postdiebstahl wurde, wie jetzt bekannt wird, in der Nacht vom 9. auf 10. d. M. in Neustadt (Pfalz) verübt. Der Dieb nahm 18 000 Mk. an sich, bestehend in einem an die dortige Firma E. Löb & Cie. gerichteten Werthstücke von 6000 Mk. und in 12 000 Mk. grünen Noten der Bank für Süddeutschland. Dem Verbrecher ist man noch nicht auf der Spur.
- Ein warnendes Beispiel. Ein Küster liebte es, die Polizeistunden seiner Stammkneipe oft bis zum Grauen des anderen Morgens hinauszuschieben und hatte das Unglück, bei einer solchen verspäteten Heimreise in den auf dem Marktplatz eines kleinen Städtchen, hoch aufgestapelten Schnee zu gerathen, sodaß er nach längerem Liegen in demselben nur mit Hilfe eines "barmherzigen Samariter" wieder auf die schwanken Beine und nach Hause gelangen kannte. Am andern Morgen fand er die nächtliche Entgleisungsszene mit wenigen Strichen an der Schulwand conterfeit und die beherzigenswerthen Worte dabei geschrieben: "Unschädlich ist des Bieres Macht, wenn man es trinkt vor Mitternacht; wenn man es trinkt mit Maß und Ziel und thut des Guten nicht zu viel. Doch schrecklich fühlt den giftigen Stoff, wer sich ergiebt dem stillen Soff, und säuft es so wie dieser hier, von Vesper bis zur Messe Schier."
- Das bereits kürzlich aufgetauchte Gerücht, es herrsche in Sansibar die Absicht, am Sonntag, dem muhamedanischen Neujahrstage, alle Fremden niederzumetzeln, taucht wiederum auf. Möglicherweise, ja wahrscheinlich ist dieses Gerücht nur aus der offenbaren Feindseligkeit der Eingeborenen gegenüber den Europäern entsprungen.


Anzeigen.

Bekanntmachung.

Während der diesjähriger Herbstübungen der Königlichen 18. Division wird in der Zeit vom 3. bis einschl. 10. September cr. in Schönberg ein Manöver=Magazin errichtet. Der für dasselbe erforderliche Bedarf an
          ungefähr 8-9 Stück Rindvieh,
          ungefähr 6 Centner Speck,
          ungefähr 7 Centner Reis,
          ungefähr 191 Centner Kartoffeln,
          ungefähr 5 Centner Salz,
          ungefähr 179 Centner Hafer,
          ungefähr 52 Centner Heu,
          ungefähr 61 Centner Roggenrichtstroh,
          ungefähr 380 Centner Bivaksstroh,
          ungefähr 71 Cbm. Bivaksholz,
soll an Ort und Stelle, soweit möglich direct vom Producenten (aus erster Hand) angekauft werden.
Personen, welche gewillt sind, irgend einen der vorbezeichneten Artikel auch in geringeren als den angegebenen Mengen an das Magazin zu verkaufen, wollen sich mit ihren Anerbietungen vom 20. August cr. ab an den in Schönberg befindlichen Verwalter des qu. Magazins wenden.
Flensburg, den 3. August 1889.

Königliche Intendantur der 18. Division.


Steckbrief.

Gegen den unten beschriebenen Schlosser Emil Paul Max Liebezeit, geb. am 16. October 1870 zu Köttwitzsch, Kreis Kochlitz, zuletzt in Schlag=Sülsdorf, welcher flüchtig ist, ist die Untersuchungshaft wegen Diebstahls verhängt.
Es wird ersucht, denselben zu verhaften und in das Amtsgerichts=Gefängniß zu Schönberg i. Meckl. abzuliefern.
Neustrelitz, den 15. August 1889.

Großherzogliche Staatsanwaltschaft.
H. Götze.

                           Beschreibung.
                  Alter: 18 Jahre.
                Statur: mittel, breitschulterig.
                Haare: dunkelblond.
               Augen: blaugrau.
              Gesicht: oval.
     Gesichtsfarbe: gelblich.
            Kleidung: schwarzer, roth= und weißkarrirter Tuchanzug, schwarzer Filzhut und Stiefeletten.
Besondere Kennzeichen: auf dem linken Arm die Tätowirung: "Glück auf" mit einem Lorberkranz und 2 Hämmern.


Steckbrief.

Gegen den Sattler Friedrich Gabriel aus Posen welcher flüchtig ist, ist die Untersuchungshaft wegen Verbrechens gegen § 176,3 des St.=G.=B. verhängt.
Es wird ersucht, denselben zu verhaften und in das Amtsgerichts=Gefängniß zu Schönberg i/Meckl. abzuliefern.
Neustrelitz, den 16. August 1889.

Großherzogliche Staatsanwaltschaft.
H. Götze.

                           Beschreibung.
                Alter: 48 Jahre.
               Statur: breitschulterig.
              Größe: 1,70 m.
              Haare: blond.
                 Bart: dunkelblond und voll.
            Gesicht: voll.
   Gesichtsfarbe: gesund.
           Sprache: hochdeutsch.
           Kleidung: ein dunkelgrauer Rock, auf dessen rechter Schulter ein schwarzer Flicken eingenäht ist, eine schwarze Hose, eine ausgeschnittene Weste, ein weißes Vorderhemd, ein brauner Strohhut und Stiefeln.


Die Großherzogliche Hauptkasse hieselbst ist bis zum 15. September cr., also vierzehn Tage vor dem Michaelis=Termin geschlossen.

Schönberg, den 18. August 1889.

                                                    G. Grapow.


Den Mitgliedern der Selmsdorfer Todtenlade wird hierdurch zur Kenntniß gebracht, daß wir nach Durchsicht der Bücher, dieselben als vollständig richtig befunden haben, und daß daher die Muthmaßungen welche in der Versammlung am 21. Juli ausgesprochen wurden, völlig auf Irrthum beruhen.

                                                    Die Revisoren.


[ => Original lesen: 1889 Nr. 66 Seite 4]

Sedan-Feier, Schönberg.

Zu der am 1. und 2. September hier stattfindenden nationalen Erinnerungsfeier ladet das unterzeichnete Festcomité alle Vaterlandsfreunde mit dem Anfügen ergebenst ein, daß das Programm in der nächsten Nummer dieser Zeitung bekannt gemacht werden wird.

Das Sedan-Comité
des Kriegervereins für das Fürstenthum Ratzburg.


Gr. Rennen
zu
Ratzeburg
am 1. September cr.,
Nachmittags 4 Uhr.


Am Sonntag, den 25. und Montag, den 26. August findet bei mir ein

Scheibenschiessen

nach guten Gewinnen statt, wozu ich meine Freunde und Gönner ergebenst einlade.

Am Montag, den 26.: Tanzmusik.
                                                    Frau Gastwirth Holtz.
                                                    Neue Welt.


Zu dem am 25. und 26. August bei mir stattfindenden

Scheiben=Schießen

nach guten Gewinnen lade ich hiedurch freundlichst ein.

                                                    Gastwirth Oldenburg
                                                    in Lockwisch.
1. Preis:
Ein dreischaariger Pflug.


Am Donnerstag den 22. und Freitag den 23. d. Mts. findet bei mir ein

Scheibenschiessen

nach guten Gewinnen statt, wozu ich ergebenst einlade.

Menzendorf.                                                     J. P. Kohs.
Der Ball findet am 22. d. M. statt.


Eimer=Bier
heute Dienstag von 1 bis 6 Uhr Abends.                          
                                                    C. Schwedt.


Zum bevorstehenden Herbstmanöver empfehle:

Messer und Gabel, Eßlöffel in Neusilber, sowie gewöhnliche mit und ohne Stahleinlage. Porzellan und Steingutgeschirr in großer Auswahl.
                                                    C. Schwedt.


30 Mark Belohnung

zahle ich demjenigen, der mir den Thäter, der mir aus meinen Kleemieten im Felde Klee gestohlen hat, so nachweist, daß ich denselben gerichtlich belangen kann. Zugleich verbiete ich hierdurch allen Unbefugten das Betreten meines Ackers.

                                                    J. Breuel, Selmsdorf.


Gesucht zu Michaelis ein gewandter

Laufbursche

dem Gelegenheit geboten wird sich zum Kellner auszubilden.
Ratzeburg.                                                     E. Dohrs,
                                                                        Schützenhof.


Torf=Auction.

Am Feitag, den 23. d. Mts., Morgens 9 Uhr, werde ich

circa 120 Mille Formtorf

öffentlich meistbietend verkaufen.
Kaufliebhaber wollen sich zur genannten Zeit bei mir einfinden.
Roduchelstorf, den 15. August 1889.

                                                    P. Bockholdt.


Alle Diejenigen, welche noch Forderungen an den Nachlaß des verstorbenen Hauswirths A. Timm zu Blüßen zu haben vermeinen, werden hiermit aufgefordert, sich innerhalb 14 Tagen bei mir zu melden. Zugleich ersuche ich auch Diejenigen, welche noch Zahlungen an denselben zu leisten haben, dieselben innerhalb der gedachten Frist ebenfalls an mich zu entrichten.
Blüßen, den 19. August 1889.

                                                    H. Oldenburg, Hauswirth.


Gesucht zu Michaelis ein mit guten Zeugnissen versehener, kräftiger

Pferde=Knecht.

Pfaffenmühle bei Ratzeburg.

                                                    R. Petersen.


Der gesuchte Arbeitsmann ist gefunden.                          
                                                    C. Schwedt.


Marienstraße Nr. 40, 2 Treppen hoch, ist eine freundliche

Wohnung,

bestehend aus 2 Zimmern, 2 Kammern und Küche an ruhige Leute zu vermiethen.


Eine Etagenwohnung von 2 bis 3 Stuben, Küche, Kellerraum und Stall hat noch zu Ostern zu vermiethen

                                                    J. Voss, Tuchmacher.


Bekanntmachung.

Das diesjährige Missionsfest in unserem Fürstenthum wird in der Kirche zu Schlagsdorf, am Mittwoch, den 21. August gefeiert werden.
Der Gottesdienst wird um 10 Uhr, Vormittags beginnen, die Festpredigt Herr Pastor Dr. Bestmann halten, den Bericht Herr Pastor Langmann erstatten.
Gemeinsames Mittagessen 1 Uhr.
Nachmittagsfeier 3 Uhr.
Alle Freunde der Missionssache von Nah und und Fern ladet freundlichst ein

                                                    Der Vorstand des Missionsverein.


Abgang der Eisenbahnzüge von Schönberg.
nach Lübeck.
9,30 Vorm. 2,58 Nachm. 5,35 Nachm. 10,56 Nachts.
Nach Kleinen:
7,27 Morg. 10,13 Vorm. 12,46 Nachm. 8,30 Abends.


Getreide=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Markt=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Hierzu eine Beilage


Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.


[ => Original lesen: 1889 Nr. 66 Seite 5]

Beilage
zu Nr. 66 der Wöchentlichen Anzeigen für das Fürstentum Ratzeburg.
(Schönberger Anzeigen.)
Schönberg, den 20. August 1889.


- Auf den bayerischen Bahnen nehmen die falschen Weichenstellungen kein Ende. Schon wieder wird ein derartiges Vorkommniß gemeldet, wo es ganz knapp an dem Tode vieler Passagiere vorüberging. Von einem Münchener Theilnehmer an der Extrafahrt nach Wörth zur Einweihung des Kriegerdenkmals wird folgendes mitgetheilt: "Der Extrazug am 5. August hatte von Ulm ab ungefähr 32 Wagen. Gegen 2 Uhr Nachts fuhren wir in der Station Bietigheim (Württemberg) ein. Plötzlich ertönte ein greller Pfiff, ein von der Station herzulaufender Bediensteter winkte mit der Laterne und der Zug blieb stehen. Der Zug war auf ein falsches Geleise gekommen, da die Weiche, welche ohne Licht war, nicht gestellt und auch kein Wärter zur Stelle war. Wir mußten ungefähr 20 bis 25 Wagenlängen zurückkehren und der Bedienstete mit der Laterne stieg über den Wagen und stellte die Weiche. In demselben Augenblick fuhr der Schnellzug, welcher Früh 8 Uhr 50 Minuten in München eintrifft, vorbei. Wäre unser Zug nur 1 Minute zu spät daran gewesen oder der Schnellzug etwas früher eingefahren, so wäre ein gräßliches Unglück entstanden. Das Unglück wäre bei der enormen Betheiligung an der Fahrt geradezu unberechenbar gewesen.
- Die durch das Spielen von Kindern mit Streichzündhölzern verursachten Brände fangen allmählich an, eine Art Landeskalamität zu werden. Nach der Statistik der öffentlichen Landesversicherungsanstalten in Deutschland haben diese allein in den acht Jahren 1879 bis 1886 rund 6000 durch Kinder verursachte Brände zu verzeichnen gehabt, welche, abgesehen von dem Verlust an Mobiliar, eine Schadenvergütung von 13,000 Gebäuden in Höhe von etwa zehn Millionen Mark erfordert haben. Würden noch die von Privat=Feuerversicherungsgesellschaften geleisteten Entschädigungen für durch Kinder verursachte Brände, sowie die an Mobiliar und an nicht versicherten Gegenständen durch derartige Brände herbeigeführten Schäden mit in Rechnung gezogen, so wäre jene Schadensumme auf rund 24 Millionen Mark für 1879-1886 zubeziffern, so daß hiernach im Deutschen Reich für jedes der vorerwähnten Jahre ein Vermögensverlust von 3 Millionen Mark erwachsen sein dürfte. In ähnlicher Weise hat sich im Deutschen Reich der gesammte durch Kinderbrandstiftung während der Jahre 1862-1878 verursachte Feuerschaden auf rund 42 Millionen Mark feststellen lassen. Während des ganzen Zeitraums von 1862 bis 1886 ist somit nach dem oben Erwähnten das deutsche Nationalvermögen durch Kinderbrandstiftung um 66 Mill. Mark geschädigt worden. Zu dieser für den Einzelnen mit Hilfe der Versicherung gegen Feuerschaden allerdings theilweise ersetzbaren Einbuße tritt aber noch der unersetzbare Verlust an Menschenleben, der gleichfalls ein recht erheblicher ist.
- Die Hinrichtungen mittels Elektrizität im Staat New York scheinen nur einen kurzen Bestand gehabt zu haben. Als der zum Tod verurtheilte Mörder Klemmer nämlich gegen seine Hinrichtung auf diese Methode protestirte, wurden Sachverständige vorgeladen, deren Aussagen freilich durchaus nicht durchgängig zu Gunsten der elektrischen Methode lauteten. Ein Elektriker bezeugte, daß es allerdings möglich sei, dem Deliquenten einen so starken elektrischen Schlag zu versetzen, daß der Tod augenblicklich eintrete, aber auf die Gefahr hin, daß der Apparat zertrümmert und die Gehilfen des Henkers getödtet würden. Andere zweifelten überhaupt, ob die Elektrizität in allen Fällen den Tod herbeiführen würde. Das Temperament spiele hier noch eine größere Rolle, als bei dem Genusse des Alkohols. Es ist deshalb wahrscheinlich, daß das Appellgericht weitere Hinrichtungen mittels Elektrizität untersagen wird.


Angela.
Roman aus den vergangenen Tagen.
                          (Nachdruck verboten.)
[ => Original lesen: 1889 Nr. 66 Seite 6]

Angela.
[Fortsetzung.]


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