No. 36
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 07. Mai
1889
neunundfünfzigster Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1889 Nr. 36 Seite 1]

Nr. 7. des Offic. Anzeigers für das Fürstenthum Ratzeburg pro 1889 enthält in der

  I. Abtheilung:
(5.) Verordnung, betr. die Versendung von Sprengstoffen und Munitionsgegenständen der Militair= und Marineverwaltung auf Land= und Wasserwegen.
(6.) Verordnung zur Ausführung des § 66 des Reichs=Militair=Gesetzes vom 2. Mai 1874 und 6. Mai 1880.
  II. Abtheilung:
(1.) Bekanntmachung, betr. die Gefahrklassen der zum Gebrauch für die bewaffnete Macht vorbereiteten Sprengstoffe und Munitionsgegenstände.
(2.) Bekanntmachung, betr. die für Leistungen an das Militair zu vergütenden Durchschnittspreise von Naturalien pro Monat März 1889.
(3.) Bekanntmachung, betr. die Uebersichtskarte der überseeischen Postdampfschiffslinien im Weltpostverkehr.
(4.) Bekanntmachung, betr. die Postdampfschiffverbindung auf der Linie Stettin=Kopenhagen.
(5) Bekanntmachung, betr. die Versendung von Postpacketen nach der Insel Mauritius.


Zum 5. Mai 1889.

Auf diesen Tag ist in Paris die Eröffnung der hundertjährigen Jubelfeier der Revolution und auf den folgenden Tag die Eröffnung einer großen Weltausstellung festgesetzt worden. Die monarchischen Staates Europas und ihre Gesandten, auch der des für besonders frei geltenden Englands werden dem feierlichen Staatsakt fern bleiben. Und mit Fug und Recht. Denn diese Feier verherrlicht die Eröffnung der blutigsten Aera in der neueren Geschichte der Menschheit, der traurigsten Verirrung eines gebildeten, großen Volkes, welches zur Verbesserung seiner Staatsverfassung Tausende seiner Bürger, besonders Adlige, Geistliche und bürgerliche Parteiführer hingemordet und deren Familien grausam verfolgt, eines allerdings schwachen, aber durchaus wohlwollenden Königs und seine unschuldige Gemahlin für die Unthaten ihrer Vorfahren durch das Fallbeil bestraft, den Thronerben in ruchloser Weise zu Grunde gerichtet, das Christenthum abzuschaffen versucht, eine neue Religion der reinem Vernunft einzuführen sich bemüht und selbst die Zeitrechnung nicht mehr von Christi Geburt, sondern vom 21. September 1792, der Einführung der französischen Republik, hat beginnen lassen. Das monarchische Europa hat also keine Veranlassung, an der Pariser Jubelfeier sich offiziell zu betheiligen und das Verhalten der Franzosen bis in die neueste Zeit kann diese Zurückhaltung nur zur allgemeinen Pflicht der Völker Europas machen.
Am 5. Mai 1789 waren die Augen von ganz Frankreich auf Versailles gerichtet. An diesem Tag traten seit 1614 zum ersten Mal wieder die französischen Reichsstände zusammen, von deren Beschlüssen man die Abstellung aller Mißstände, das Ende von Hunger, Noth und Willkür, die gründliche Verbesserung der Staatsverfassung sehnsuchtsvoll und bestimmt erwartete. 308 Abgeordnete der Geistlichkeit, 285 des Adels und 621 des bürgerlichen Standes versammelten sich am 4. Mai 1789, dem Tag vor der Eröffnung der Reichsstände in der Notredame=Kirche zu Paris und zogen von da mit dem König in großer Prozession nach der Kirche des heiligen Ludwig, um den Segen Gottes für das beginnende Werk zu erflehen. Nach Vorschrift des Hofes erschien die Geistlichkeit in ihrer Amtstracht, der Adel in goldgestickten Kleidern und weißen Federhüten, der dritte Stand aber im einfachen schwarzen Anzug. Diese Anordnung verletzte sofort die Idee der Gleichheit, welche alle Abgeordneten als gleichstehend ansah. In der Kirche wurde die freisinnige Predigt des Erzbischofs von Paris wiederholt laut und anhaltend beklatscht, ein Zeichen, daß die Ehrfurcht vor dem geheiligten Ort des Festgottesdienstes längst geschwunden war.
Tags darauf, am 5. Mai 1789, wurden die Reichsstände von König Ludwig XVI. eröffnet. Niemals hatte Versailles bis dahin eine glänzendere Versammlung gesehen. Die drei Reichsstände hatten von einander abgesonderte Sitze. Die Eröffnungsrede des Königs, die, mit fester vernehmlicher Stimme vorgetragen, vor allzu großer Begierde nach Neuerungen warnte, verfehlte ihren Eindruck vollständig durch einen ärgerlichen Rangstreit. Als der König geendigt hatte und nunmehr dem Herkommen gemäß seinen Federhut aufsetzte, bedeckten sich sofort nach alter Sitte auch der Adel und die Geistlichkeit. Sogleich thaten dies auch viele Abgeordnete des Bürgerstandes. Der hierdurch veranlaßte Lärm und Streit wurde erst durch den König selbst beendet, als dieser den Hut wieder abnahm und ihn bis zum Schluß der Sitzung in der Hand behielt. Hierauf folgte eine Auseinandersetzung des französischen Reichskanzlers zum Ruhm des Königs und seiner neuen Einrichtungen. Den Schluß bildete die langweilige Verlesung einer 64 Quartseiten langen Rede des eiteln Ministers Necker, in welcher er hauptsächlich sich selbst und seine Maßregeln lobte.
Dies waren die Ereignisse des 5. Mai 1789, des Tages, von dem der Anfang der französischen Revolution, die Bildung einer einzigen Nationalversammlung Frankreichs und der Beginn der großen Staatsumwälzung gerechnet wird, die Europa lange Jahre hindurch in seinen Grundfesten erschüttern sollte.


Kaiser Wilhelm ist am Sonntag den 5. Mai zur Taufe in Kiel eingetroffen. Die Stadt Kiel war zum Empfange des Kaisers festlich geschmückt. Bis zum Schlosse war vom Bahnhof aus ein ununterbrochener Laubengang hergestellt, unter welchem die Gewerke und Vereine Spalier bildeten. Am Sonntag Abend fand eine Beleuchtung von ganz Kiel statt. Die schleswig=holsteinische Ritterschaft wird am Montag im Schlosse empfangen. - Am Montag besichtigt der Kaiser die Erdarbeiten zwischen Properdorf und Levensau.

[ => Original lesen: 1889 Nr. 36 Seite 2]

I. M. die Kaiserin=Köngin Augusta wird am Sonnabend Berlin verlassen, um ihre Frühjahrskur in Baden=Baden anzutreten. Von Mitte Juni an wird die Kaiserin im Schloß zu Koblenz residiren und nachher wahrscheinlich einen Aufenthalt in Schlangenbad nehmen, um dann, wie früher auch, Anfang August nach Schloß Babelsberg überzusiedeln.
Es ist das Gerücht verbreitet, der Reichstag solle sofort nach Erledigung der Altersversicherung geschlossen und die Ersatzvorlage für das Sozialistengesetz nicht mehr berathen werden.
Der preußische Landtag ist in einer gemeinsamen Sitzung des Abgeordneten= und des Herrenhauses am Mittwoch Abend geschlossen worden. Mittags haben beide Häuser noch je eine Sitzung abgehalten, in der im Abgeordnetenhaus auf eine bezügliche Anfrage des Abg. Rickert der Präsident v. Köller erklärt hat, daß ihm über das Schicksal des Einkommensteuergesetzes nichts bekannt sei.
In der Ausstellung für Unfallverhütung in Berlin sind auch 2 nichtdeutsche Staaten, nämlich Belgien und Oesterreich=Ungarn vertreten. Dies kommt daher, daß die deutschen Missionchefs den Regierungen, bei denen sie beglaubigt waren, die bezügliche Absicht Deutschlands mitgetheilt haben. In Wien und Brüssel faßte man dies als eine Aufforderung zur Betheiligung auf. Als Präsident des belgischen Ausstellungscomitees ist der belgische Abgeordnete Léon d'Andrémont in Berlin angekommen. Als technischer Leiter der Abtheilung Belgiens ist Mr. Tasson anwesend, dieselbe umfaßt etwa 100 Aussteller. Man ist in Brüssel um so lieber auf eine Beschickung der Berliner Ausstellung eingegangen, als Belgien auch offiziell an der Pariser internationalen Ausstellung betheiligt ist. Man glaubt, so eine Art Gleichgewicht herstellen und seine Neutralität bewahren zu können.


Anzeigen.

Gegen den Töpfergesellen Schnittkowski aus Stettin, zuletzt in Arbeit beim Töpfer Pauls hieselbst, ist wegen Verdachts des Diebstahls der Haftbefehl erlassen. Ich ersuche alle Behörden, den Schnittkowski im Betretungsfalle zu verhaften und mich von seiner Verhaftung zu benachrichtigen. Schönberg, den 3. Mai 1889.

Der Amtsanwalt.
U. Frhr. v. Maltzan.


Gegen den Uhrmachergehülfen Peter Andersen aus Mützfeld, zuletzt in Arbeit beim Uhrmacher Heincke hieselbst, ist wegen Verdacht des Betruges der Haftbefehl erlassen. Ich ersuche alle Behörden, den p. Andersen im Betretungsfalle zu verhaften, und mich hiervon zu benachrichtigen.
Schönberg, den 3. Mai 1889.

Der Amtsanwalt.
U. Frhr. v. Maltzan.


Holz=Auction Nr. 34.

Am Montag, den 13. Mai, Morgens 10 Uhr, sollen beim Gastwirth Reimer zu Schlagsdorf die vorkommenden Klassenbäume, Stangen und Späne bei beschränkter, das Fadenholz bei freier Concurrenz verkauft werden.

1. Aus dem Schlagbrügger Holze.

    2 Rmet. eichen Knüppel,
  16 fichten Stangen III. Cl.,
  22 Rmet. fichten Olm u. Knüppel.

2. Aus dem Bahlen.

    6 eichen Stangen I. Cl.,
  32 fichten Stangen I., II. u. III. Cl.

3. Aus dem Garnseerholze.

127 fichten Klassenbäume und Stangen,
  40 fichten Hopfenstangen,
  30 Rmet. fichten Kluft u. Knüppel,
  29 Rmet. Späne.

4. Aus dem Seebruch.

146 Rmet. kiefern und fichten Kluft u. Knüppel,
  69 Rmet. eichen u. nadelholz Späne.
Schönberg, den 1. Mai 1889.

Der Oberförster:       
C. Hottelet.            


Holz=Auction Nr. 35.

Am Donnerstag, den 23. Mai, Morg. 10 Uhr, sollen beim Gastwirth Lenschow zu Selmsdorf nachstehende Holzsortimente aus den Hohemeiler Tannen meistbietend bei freier Concurrenz verkauft werden.
          159 Rmet. kiefern Kluft,
          310 Rmet. kiefern Knüppel.
Herr Förster Polle zu Hohemeile weist auf Wunsch das Holz nach.
Schönberg, den 3. Mai 1889.

Der Oberförster:       
C. Hottelet.            


Die Kaufmannsfrau Maria Klatt, geb. Schulz von hier will ihr am kalten Damm hieselbst belegenes Wohnhaus meistbietend öffentlich verkaufen. Ich setze deshalb den Verkaufstermin auf

Mittwoch, den 22. Mai 1889,
Vormittags 10 Uhr,

im Hause des Herrn Gastwirths J. Boye hieselbst an.
Schönberg, den 6. Mai 1889.

                                                    Chr. Buschow.
                                                    Privatcopiist.


Die Schulgelderhebung

findet in den nächsten beiden Wochen, vom 13. bis 25. Mai, statt. Die einzelnen Termine werden in den Klassen bekannt gemacht.

                                                    J. Wegner, Schulgelderheber.


Marie Eckmann
Heinrich Eckmann
Verlobte.
Ollndorf i/M.                                                     Schönberg i/M.


Saat-Offerte.

Rothklee, prima kräftige holsteinische Saat, 95 % Keimfähigkeit M. 65,
Rothklee, prima kräftige holsteinische Saat, 94 % Keimfähigkeit M. 60,
Weißklee, prima kräftige oberländische Saat, 94 % Keimfähigkeit M. 70,
Alsike, schwed. Klee, extra fein fein M. 80,
Gelbklee (Steinklee), feinste diesj. Qual. M. 35,
Thymothee, deutsche Saat keine amerikan. Herkunft M. 37,
Großaal, englisch direct importirt M. 15,
Großaal, italienisch M. 20.
Alles per 100 Pfund mit 6 Monate Ziel unter Garantie der Seidefreiheit empfiehlt

Ratzeburg i. L.                                                     Ernst Rautenberg.


Stroh-Hüte!!
empfiehlt billigst                          
                                                    Hugo Heincke.


Sonnen=Schirme!
empfiehlt zu billigsten Preisen                          
                                                    Hugo Heincke.


Strümpfe, Socken und
Handschuhe
empfiehlt in großer Auswahl zu sehr billigen Preisen                          
                                                    Hugo Heincke.


Am kalten Damm Nr. 4 ist die untere

Wohnung,

bestehend aus 5 Zimmern und Wirthschaftsräumen, zu Michaelis d. J. zu vermiethen.
Schönberg, den 28. April.


[ => Original lesen: 1889 Nr. 36 Seite 3]

Achener und Münchener Feuer=Versicherungs-Gesellschaft.

Der Geschäftsstand der Gesellschaft ergiebt sich aus den nachstehenden Resultaten des Rechnungsabschlusses für das Jahr 1888:
Grundkapital M. 9,000,000. -
Prämien=Einnahme für 1888 M. 7,951,865.50
Zinsen=Einnahme für 1888 M. 600,790.30
Prämien=Ueberträge M. 5,592,258.50
Uebertrag zur Deckung außergewöhnlicher Bedürfnisse einschließlich des
gesetzlichen Reservefonds von M. 900,000 M. 4,900,000. -
                                                    ----------------------
                                                    M. 28,044,914.30
Versicherungen in Kraft am Schlusse des Jahres 1888 M. 5,209,006,921. -
Schönberg, den 1. Mai 1889.

                                                    August Spehr,
                                                    Agent der Gesellschaft.


Norddeutsche Hagel-Versicherungs-Gesellschaft.
Geschäftsumfang 1888:
57,499 Polizen mit 450,182,483 Mark Versicherungssumme.

Die Gesellschaft ist während ihres 20jährigen Bestehens 631,393 Polizen mit über 5044 Millionen Mark Versicherungssumme abgeschlossen und für 80,998 Schäden 38,475,375 Mark Entschädigung vergütet. Sie ist schon seit ihrem neunten Jahre die weitaus größte aller Hagel=Versicherungs=Gesellschaften und bietet sowohl durch die Zahl und Versicherungssumme ihrer Mitglieder, als durch ihre Ausdehnung über ganz Deutschland die größte Sicherheit, zugleich aber eine Garantie für mäßige Durchschnitts=Beiträge.

Reserven: 1,652,782 Mark 14 Pfg.

Die Größe der Gesellschaft ist der beste Beweis, daß ihre Einrichtungen mehr als die jeder anderen Gesellschaft den Beifall des versichernden Publikums gefunden haben.
Zu jeder näheren Auskunft, sowie Uebersendung von Antragsformularen sind der Unterzeichnete wie die Vertreter der Gesellschaft jederzeit gerne bereit.

                                                    Franz Heidborn,
                                                    Generalagent in Güstrow.


Geschäfts=Eröffnung.

Nachdem ich die Gastwirthschaft meiner Mutter für eigene Rechnung übernommen, erlaube ich mir, diese dem geehrten Publikum Schönbergs und Umgegend ergebenst zu empfehlen.
Ich werde stets bemüht sein, bei aufmerksamer Bedienung, ich leite das Geschäft mit Hülfe eines bewehrten Geschäftsführers, gute Speisen und Getränke zu liefern und bitte, mich durch zahlreichen Besuch beehren zu wollen.
Schönberg, den 6. Mai.

                                                    Hochachtungsvoll
                                                    Marie Köster.


Hierdurch bringe ich dem verehrten Publikum von Schönberg und Umgegend zur gefälligen Kenntniß, daß ich die

Tischlerei

des Herrn J. Holz übernommen habe, und bitte zugleich das demselben bisher geschenkte Vertrauen auch auf mich übertragen zu wollen.

                          Hochachtungsvoll
                          Heinrich Freitag, Tischlermeister.
                          J. Holz Nachfolger.


Mache hierdurch die Anzeige, daß ich von jetzt an kräftige
Blumenkohl=, Sommer= u. Winterkohlpflanzen nebst verschiedene Blumenpflanzen sowie später Sellerie, Porre, Wirsig=, Rosen=, braunen und rothen =Kohl, Oberkohlrabi, Steckrübenpflanzen, rothe Beet= und Runkelrübenpflanzen empfehle.

                                                    H. Brüchmann.


Samos
(griechischer Wein)
pro Flasche 1 Mk. incl. Flasche,
bei Abnahme von 12 Fl. pro Fl. 90 Pfg.
empfiehlt                                                           
                                                    Aug. Spehr.


Verzinktes Drathgeflecht

in größtmöglicher Auswahl und 40 verschiedenen Nummern in Maschenweite und Breite.

Verzinkter Stacheldrahtzaundrath
von F und G auf Holzhaspeln à 25 Kilo = 250 m.

Drathgeflecht und Stacheldrath in
ganzen Rollen zu Fabrikpreisen.

Flaschenzüge zur Befestigung leihweise.
Schönberg i. M., den 15. April 1889.

                                                    C. Schwedt.


G. & O. Lüders, Hamburg,
empfehlen                                                    
Hülsenfreies Reisfuttermehl

24% Protein und Fett garantirt bei 52% stickstofffreien Extractstoffen als wirksamstes, gesundestes und billigstes

Kraftfutter
für Milchkühe, Ochsen und Schweine.                          
Alleinverkauf bei
Herrn J. Borchert, Carlow.


Zahnschmerzen aller Art werden selbst wenn die Zähne angestockt sind, augenblicklich durch den berühmten Indischen Extract beseitigt. Dieses Mittel hat sich seiner Unübertrefflichkeit wegen einen Weltruf erworben und sollte daher in keiner Familie fehlen. In Fl. à 50 Pfg. im Alleindepot für

Schönberg bei                                                     Emil Jannicke, Bandagist.


Epilepsie (Fallsucht) Krampf, Nervenleiden heilt selbst in den veraltetsten Fällen. (Gewöhnlich in 3 Tagen.) Auch brieflich. Gestützt auf mehr als 20jährige Erfolge.
Ohne Rückfall bis heute.
                                                    D. Mahler, Specialist,
                                                   Nymegen bei Aachen.


[ => Original lesen: 1889 Nr. 36 Seite 4]

Vaterländische Vieh=Versicherungs=Gesellschaft zu Dresden,

(nicht zu verwechseln mit der Sächsischen Vieh=Versicherungs=Bank) feste und billige Prämien ohne Nachschußpflicht, günstigste Versicherungs=Bedingungen, Vertrag mit über 500 landwirthschaftlichen Vereinen, sucht aller Orten tüchtige und zuverlässige

Vertreter
Dresden, Schnorrstraße 14,p.                                                     Die Direction.


Regen- und Sonnenschirme, große Auswahl, billige Preise
bei                                                     H. Scheer.


Kampf=
genossen-
     Ehrenkreuz      Verein
1870/71.

1. ordentliche Versammlung im 17. Vereinsjahr am 12. Mai 1889, Nachmittags 3 Uhr,
Tagesordnung:

            1. Vorstandswahl.
            2. Geschäftsbericht.
            3. Kyffhäuserdenkmal.
            4. Beschickung des Delegirtentages in Neustrelitz.
            5. Aenderung der §§ 3, 5 und 6 der Vereinssatzungen.
            6. Vereinsangelegenheiten.

                                                    Der Vorstand.


Möbel-Versicherungsverein
im Fürstenthum Ratzeburg.
General=Versammlung
am Sonntag, den 12. Mai d. J. im Kruge zu
Schlag-Resdorf.

Um recht zahlreiches Erscheinen der Mitglieder wird dringend gebeten.
Schlag=Resdorf.

                                                    Der Vorstand.


Die Apotheke zu Schönberg
bringt ihr Lager natürlicher                          
Mineral=Wässer

frischester Füllung zu Lübecker Concurrenzpreisen in empfehlende Erinnerung; nicht vorhandene Brunnen werden schnellstens ohne Berechnung der Fracht etc. ebenfalls zu Lübecker Preisen besorgt.


B. Gartz, Kürschner

empfiehlt sein reichhaltiges Lager von
Herren=Strohhüten, Knaben=Strohhüten, Kinder=Strohhüten, neu, sehr elegant, äußerst billig.
Ganz neue schwarze Haarhüte, best Waare. Steife Herrenhüte, Wollhüte 2. Sorte, preiswürdig gearbeitet, sehr elegant. Herren=Mützen, ganz neu! Ebenfalls für Knaben.
Herren=Mützen, wasserdicht auf Garantie. Weiche Filzhüte, verschieden farbig für Herren und Knaben.


Ich habe mich in Ratzeburg als
Thierarzt

niedergelassen und wohne im Hause des Gastwirths Käther, früher Stöckmannsche Gewese.

                                                    Conrad Deupser.

NB. Sprechstunde für Hundepraxis von 8 bis 9 Uhr Morgens.


Zu einer am 8. ds. Mts., Abends 8 Uhr im Lokale des Herrn Gastwirth J. Boye hieselbst stattfindenden Besprechung zwecks event. Errichtung einer

Privat-Mädchenschule

in Schönberg, werden alle Väter von Töchtern aus Stadt und Land, die sich für die Sache interessiren, hierdurch ergebenst aufgefordert.


Am 1. d. Monats habe ich nach Ablauf meines Pachtcontractes die Köster'sche Wirthschaft (Stadt Lübeck) aufgegeben und danke bestens für das in so reichem Maaße geschenkte Vertrauen.
Meine Wohnung ist bis auf Weiteres bei Herrn Gebrüder Schweigmann und setze ich mein Getreidegeschäft unverändert fort.
Empfehle gelbe und dabersche Kartoffeln -Futtererbsen in bekannter Qualität und trifft in den nächsten Tagen eine Ladung Chilisalpeter ein.

                                                    J. H. Freitag.


Verloren.
Auf dem Wege von Schönberg nach Grieben ist ein fast neuer                          
Wagen=Rock
verloren worden. Abzugeben gegen Belohnung bei                                 
                                                    Städing, Bohnhagen i. M.


Sicherer Verdienst

Solide tüchtige Agenten eines jeden Standes werden bei hohem Verdienste für den Vertrieb von gesetzlich erlaubten leicht verkäuflichen Staats= und Prämien=Loosen angestellt.

Franco=Offerten an Bankhaus
Max Grünwald, Frankfurt a. M.


Für Lübeck.
Tüchtige Tischlergesellen
bei 10stündiger Arbeit pro Stunde 34 Pf.                          
Näheres Tischler-Innungs-Herberge,                                                     Lübeck, Marlesgrube 15.


Abgang der Eisenbahnzüge von Schönberg
nach Lübeck:
10,8 Vorm. 2,58 Nachm. 5,35 Nachm. 12,7 Nachts.
Nach Kleinen:
4,57 Morg. 10,9 Vorm. 12,46 Nachm. 8,5 Abends.


Getreide=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Markt=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Hierzu eine Beilage


Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.


[ => Original lesen: 1889 Nr. 36 Seite 5]

Beilage
zu Nr. 36 der Wöchentlichen Anzeigen für das Fürstentum Ratzeburg.
(Schönberger Anzeigen.)
Schönberg, den 7. Mai 1889.


Die Postverwaltung des Deutschen Reichs hat dem Generalpostamt in Washington den Vorschlag gemacht, auf den zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten verkehrenden Dampfern Postämter wie auf den Eisenbahnen einzurichten. Der Vorschlag wird damit begründet, daß es für die Postämter in den deutschen Hafenstädten und für die Postbeamten auf den von den letzteren abgehenden Eisenbahnzügen nicht mehr möglich sei, die mit den überseeischen Dampfern eintreffenden Postsachen innerhalb der dafür zu Gebote stehenden Zeit zu sortieren, so daß häufig unliebsame Verzögerungen vorkämen. Deshalb sei es wünschenswerth, daß die Postsachen bereits an Bord der Dampfer sortirt werden könnten, wodurch eine beträchtliche Zeitersparniß erzielt werden würde. Die deutsche Postverwaltung ist bereit, die Hälfte der durch die vorgeschlagene Neuerung erwachsenden Kosten zu tragen, wenn die Vereinigten Staaten die andere Hälfte übernehmen wollten.
In Kronstadt sind an 40 Marine= und Artillerie=Offiziere wegen Verschwörung gegen das Leben des Czaren verhaftet worden. Die Sprenggeschosse, mit welchen das Attentat ausgeführt werden sollte, sollen vorzüglich gearbeitet gewesen sein. Der Czar ist durch diese Mittheilung auf das Heftigste erschüttert.
Ueber den jetzigen Stand des Nihilismus in Rußland wird der Köln. Ztg. aus Petersburg berichtet: Nach dem, was man über die Thätigkeit der Nihilisten erfahren, ist es ohne Zweifel, daß hiesige nihilistische Gruppen mit den Verbrechern in Zürich gemeinsam arbeiten, ja, daß es sogar gelungen sein soll, einige der gefährlichen Bomben in Rußland einzuschmuggeln. Die Sicherheitsbehörden sind daher mit Besorgniß erfüllt und dringen bezüglich der Ausfahrten des Czaren auf die größte Vorsicht. So fährt er jetzt häufig, wenn er die Hauptstadt besucht, vom Bahnhofe nach dem Anitschkowpalast durch andere Straßen als sonst üblich, und neulich fand die Kirchenparade eines Garde=Regimentes, welcher der Kaiser mit seiner Familie beiwohnte, trotz des schönsten Wetters nicht im Freien statt, sondern in einem Exercierhause. Es scheint fast, als hätte der Nihilismus eine andere Organisation angenommen, was auch der bekannte nihilistische Verschwörer Tichomirow, der unlängst Frieden mit der Regierung geschlossen hat, ausgesagt haben soll. Früher war die Organisation eine mehr einheitliche, von bestimmten Führern geleitete. Jetzt scheinen einzelne von einander völlig unabhängige Gruppen zu bestehen.
König Christian von Dänemark wird auf der Rückreise von Wiesbaden in sein Land dem deutschen Kaiser in Berlin einen Besuch abstatten.
König Wilhelm von Belgien verweigerte rundweg die Ernennung des Herzogs Adolf von Nassau zum Stadthalter von Luxemburg; er sieht förmlich in dem Herzog Adolf einen Nebenbuhler und gebraucht nun seine Macht, ihn aus der Nähe des Thrones wieder zu entfernen. Sonach ist also jetzt die Regentschaft in den Niederlanden und in Luxemburg beendet. Der Herzog von Nassau ist bereits am Sonnabend von Luxemburg abgereist und die Regierungsgewalt ist thatsächlich wieder in die Hände des Königs übergegangen. - In einem Erlasse dankte derselbe der niederländischen, wie der luxemburgischen Regentschaft für die Führung der Staatsgeschäfte während seiner Krankheit und sprach seinen königlichen Dank für die vielfachen Beweise der Theilnahme, die ihm zugegangen sind, aus. Wenn auch für jetzt die Regierungsfähigkeit des Königs außer allem Zweifel ist, so wird doch befürchtet, daß die jetzige Kraft nicht lange vorhalten wird. Von einer wahren Genesung kann nicht die Rede sein, es liegt nur ein durch irgendwelche Erregung entstandenes Zusammenraffen aller Kräfte vor, das schnell wieder schwinden kann.
König Wilhelm von Holland wird am 3. Mai wieder selbst die Regierung seines Landes übernehmen. In wohlunterrichteten Kreisen überwiegt aber die Ansicht, daß allerdings der König die Wiederübernahme der Regierung durchaus verlange, sein Zustand aber nicht so gut sei, wie allgemein gesagt werde. Da jedoch die auf ihren Eid vernommenen Aerzte aussagen, der König sei regierungsfähig, kann die Aufhebung der Regentschaft nicht verhindert werden.
Prinz Ferdinand von Hohenzollern, der nunmehrige Kronprinz von Rumänien, hat am Mittwoch Vormittag seinen Einzug in Bukarest gehalten. Der König und die Königin, sämmtliche Minister, das diplomatische Korps, sowie Vertreter aller politischen Parteien waren zum Empfang am Bahnhof anwesend. Die Umgebung des Bahnhofes und alle Straßen bis zum Königlichen Palais waren von einer dicht gedrängten Menschenmenge angefüllt, welche den König und die Königin mit enthusiastischen Hurrahrufen begrüßte. Der Wagen, in welchem das Königspaar und der Kronprinz sich nach dem Schloß begaben, wurde mit Blumen vollständig überschüttet und konnte sich nur langsam weiter bewegen. Der Kronprinz trug die Uniform eines Lieutenants der rumänischen Infanterie und war von dem sympathischen Empfang sichtlich auf das Freudigste bewegt. Auf dem Hof des Palais stellte der König dem Kronprinzen sämmtliche Offiziere vor. Die Straßen prangten im festlichen Flaggenschmuck; Abends fand eine prächtige Illumination statt. Die meisten Blätter feiern die Ankunft des Kronprinzen in schwungvollen Begrüßungsartikeln.


- Schönberg. Dem Lehrer Knauff an der hiesigen Realschule ist von der Universität Marburg die Doktorwürde verliehen.
Schönberg. Der Rector Kort hieselbst ist am Sonntag in Neubrandenburg mit 112 gegen 12 Stimmen zum Pastor erwählt und verläßt zu Johannis sein hiesiges Amt an der Mädchenschule, um nach Neubrandenburg überzusiedeln. Derselbe hat sich in der kurzen Zeit seines Hierseins allseitig Liebe und Achtung erworben, so daß sein Scheiden von hier tiefes Bedauern erregt.
- Schönberg. In voriger Woche verunglückte auf der Chaussee zwischen hier und Rehna ein Fuhrmann dadurch, daß er vom Wagen fiel und von seinem mit Sprit beladenen Wagen überfahren wurde, wodurch ihm ein Bein gebrochen ist.
- Schönberg. Die frei gewordene Lehrerstelle in Lockwisch wird durch den Hülfslehrer Friedrich Lehmann aus Pragsdorf im Herzogthum Strelitz, und die Hülfslehrerstelle zu Ziethen durch den Seminaristen Warncke wieder besetzt.
- Schönberg. Wie vernichtend der letzte Winter und die anhaltend rauhe Witterung dieses Frühjahrs auf die Bienen gewirkt haben beweist folgender Fall. In Rieps sind von circa 50 auf verschiedenen Ständen eingewinterten Stöcken nur noch zwei am Leben. Dieselben Klagen hört man auch aus den Nachbardörfern.
- Schönberg. Am 28. April hielten die Mitglieder der Rieps=Cronscamper Genossenschaftsmeierei eine außerordentliche Generalversammlung ab, in der beschlossen wurde, 1.) daß Anfangs Mai d. J. mit der Käsebereitung begonnen werden solle, 2) daß auch weiter Mitglieder aufgenommen werden sollen von, denen jeder für jede Kuh 10 Mk. Eintrittsgeld zu zahlen habe; 3) daß auch Milchlieferanten unter bestimmten Bedingungen angenommen werden können, die jedoch mindestens ein volles Jahr die Lieferung fortsetzen müssen.
- In Lübeck kam am Sonnabend Abend gegen 9 Uhr ein heftiges Feuer in dem Droguengeschäft

[ => Original lesen: 1889 Nr. 36 Seite 6]

von Heickendorf am Markt dadurch zum Ausbruch, daß eine Spirituslampe im Laden umfiel. Bei der Menge brennbarer Stoffe griff das Feuer rasch um sich, so daß die Bewohner, namentlich in der oberen Etage, nur mit Mühe ihr Leben retteten. Die Nachbarhäuser waren sehr gefährdet und haben theilweise erheblich vom Feuer gelitten. Das Heickendorf'sche Haus brannte völlig nieder.
- Das überaus traurige Schicksal der Braut eines Kaufmanns in Lübeck erweckt dort allgemeines Bedauern. Bei dem am Vorabend der Hochzeit stattgehabten "Polterabend" hatte die Schwester der Braut in üblicher Weise unter Aufsagen eines Wunschgedichtes den Brautkranz und Schleier überreicht. Kaum war dies in feierlicher Form geschehen, als die Braut von einer tiefen Ohnmacht befallen wurde, aus der sie trotz aller angewendeten ärztlichen Mittel nicht mehr erwacht ist. Sie starb an ihrem Hochzeitstag wenige Stunden vor dem Augenblick, in dem sie mit dem geliebten Mann ehelich verbunden werden sollte. Statt der Freudenkrone ward ihr eine Todtenkrone.
- Von der im Bau begriffenen katholischen Kirche in Lübeck ist am Mittwoch Nachmittag ein großer, 7 Meter breiter Bogen des Kreuzgewölbes eingestürzt. Zwei Arbeiter, welche auf dem Bogen standen, sind beim Sturz in die Tiefe schwer verletzt worden.
- Der Generallieutenant v. Mischke ist unter Belassung in dem Verhältniß als Generaladjutant des Kaisers zu den Offizieren von der Armee versetzt worden. An seiner Stelle ist der Generalmajor v. Brauchitsch zum Inspecteur der Kriegsschulen ernannt worden. General v. Mischke war bekanntlich ein Jugendfreund des Kaisers Friedrich und ist von diesem zum Generaladjutanten ernannt und in den Adelstand erhoben worden.
- Einen großen öffentlichen Aufzug, zum Theil historischen Charakters, beabsichtigen die Gehilfen des Brauereigewerbes aus dem gesammten deutschen Reich in den Tagen des Juni in Berlin zu veranstalten. Die Genehmigung hierzu ist dem Komitee von maßgebender Stelle ertheilt worden.
- In Berlin sieht man die ersten blühenden Kirschbäume bereits im Garten des Zellengefängnisses in Moabit, sowie in einigen günstig gelegenen Privatgärten.
- Ein Act scheußlicher Brutalität wurde kürzlich an einem Feldwebel der Rendsburger Garnison verübt, welcher von mehreren Soldaten überfallen und derart zugerichtet wurde, daß er an den erhaltenen Verletzungen gestorben ist.
- Bei den Ausschachtungsarbeiten an der katholischen Kirche in Cosel (Schlesien) sind Bomben größeren Kalibers gefunden worden. Es waren Stücke von 115 Pfund darunter. Fast alle waren mit Sprengmasse gefüllt. Auch gegenüber der Schule, wurden mehrere 10= und 20pfündige Vollkugeln gefunden.
- Prinz Ferdinand von Bayern hat sich am Montag Abend in Nymphenburg die Rettungsmedaille verdient. Als er im Schloßgarten seinen gewohnten Spaziergang machte, bemerkte er eine alte Frau im Canal mit dem Tod des Ertrinkens ringen. Der Prinz sprang sofort hinzu, zog die schon halb erstarrte Frau aus dem Wasser und führte sie in das Schloß, wo sie mit Speise und Trank gestärkt wurde. Dann ließ der Prinz die Frau in das Josefshospital fahren.
Am Donnerstag begann die Demolierung des Jagdschlosses Meyerling; in 4 Wochen wird das Schlößchen vom Erdboden verwunden sein. Unmittelbar hernach soll der Bau des Klosters für die Karmelitterinnen in Angriff genommen werden. Das Sterbezimmer des Kronprinzen wird in eine Kapelle umgewandelt.
- Die Wiener in Paris. Im "Figaro" erscheint jetzt eine Reihe von Bildern über die fremden Gestalten in der Pariser Ausstellung. Das Boulevardblatt beginnt mit dem Wiener folgendermaßen: Wir fangen mit ihm an, weil der Wiener der Fremde ist, welcher dem Pariser noch am meisten gleicht. Schon zu Hause bei sich auf dem Ring oder im Prater hat der Wiener und insbesondere die Wienerin die Formen, Alluren, das Schauen und Lächeln des Parisers und der Pariserin. Es ist derselbe elegante Bummler, der neue Kleider ohne Verlegenheit zu tragen weiß, der, sorglos frisch in die Welt guckend, die Frauen betrachtet, ohne sich zu genieren, spricht und lacht. Die Frau, ob sie nun allein oder in Gesellschaft sei, giebt sich nach der Pariser Mode. Eine gewisse Miene des Erstaunens abgerechnet, vielleicht etwas weniger Kühnheit im Schritt, die Haare hie und da kurz geschnitten, ist die Wienerin eine andere Pariserin, welche nur den Fehler hat, nicht in Paris geboren oder erzogen worden zu sein. Wie wir es zu halten pflegen, leben die Wiener außer dem Hause, beten die Theater an, sitzen vor den beliebtsten Cafés, zeigen sich überall, wo es Mode ist, hinzugehen, naschen Leckereien in der Conditorei, wo es eine Menge hübscher Mädchen giebt, die unseren Grisetten ähneln und sich von charmanten Offizieren den Hof machen lassen. Darum fühlen sich der Wiener und die Wienerin auch so behaglich in Paris. Des Morgens bleiben sie noch ein wenig Deutsche hinsichtlich des Milchkaffees, welcher einen integrirenden Bestandtheil des österreichischen Lebens bildet; haben sie aber einmal der germanischen Tradition diese Conzession gemacht und das abscheuliche Getränk hinuntergeschluckt, stürzt sich der Wiener auf den Boulevard, die Wienerin läßt sich durch die Champs=Elisées fahren, und wenn ihr ihnen begegnet, so lächelt ihr ihnen zu wie Landsleuten, die man schon jüngst in der Premiére der Variétés oder beim letzten Grand prix im Longchamp gesehen hat. Die wahre Pariserin, welche der Wienerin begegnet, hält unmerklich inne, betrachtet sie und scheint zu sagen: "Mit dieser Dame muß man rechnen." Die Pariserin sagt das nicht von der Engländerin, welche steif, von der Russin, welche weichlich, von der Spanierin, welche kühn ist, von der Amerikanerin, welche sich nachlässig giebt. Aber die Wienerin, noch einmal gesagt, das ist eine Pariserin mit etwas weniger Chic und etwas mehr Frische.
- Boulanger ist am Sonntag 52 Jahre alt geworden. Zur Feier des Tages hatten sich in Paris etwa 150 seiner Freunde zu einem Festessen vereinigt. Die Tischkarte enthielt zahlreiche Anspielungen, es gab: "anti=Constans'sche Wurst", "anti=parlamentarische Suppe", "anti=tonkinesischen Fisch", "Regierungssalat"; das Gefrorene wurde als "Revisionsbombe" aufgetragen. Auch an "Unverfrorenem" hat es nicht gefehlt und das war ein Schreiben des Generals, welches von dem Vorsitzenden Laguerre verlesen wurde. Dasselbe beweist, daß das Londoner Klima weder den Glauben Boulangers an seinen Erfolg noch seine Neigung für derbe Ausdrücke abgeschwächt hat. Um sich in London beliebt zu machen, ist Boulanger auf das seltsame Mittel verfallen, einen engeren Anschluß an die Parnelliten zu suchen. Er hat bereits mit ihnen gespeist. Boulanger hat ja noch nie Beweise von hervorragendem politischem Verstand geliefert, aber ein bischen mehr Weltklugheit hätte man ihm doch zugetraut. Die französische Regierung hat beschlossen, Rochefort zur Bestattung seines Sohnes freies Geleit zu gewähren.
- Der Eiffelthurm, das Weltwunder der heutigen Ausstellung in Paris, erhält bekanntlich einen vollständigen Anstrich von sogenannter Goldfarbebronze. Sehr interessant ist es nun, daß diese Bronze deutsches Erzeugniß ist und daß an der sehr bedeutenden Lieferung in erster Reihe Nürnberger und Fürther Fabriken betheiligt sind. Seinen Glanz hat also das Werk Deutschland zu verdanken, wodurch hoffentlich den Franzosen der Spaß nicht verdorben wird. Ein anderes Wunder der Ausstellung wird das Riesenfaß des Champagnerhauses Merfier in Epernay bilden. Dasselbe wiegt 200 Doppelzentner und enthält 200 000 Flaschen, 36 000 weniger als das Heidelberger Faß. Der von 24 Ochsen gezogene Wagen mit dem Ungethüm ist auf dem Weg nach Paris mehrmals stecken geblieben, aber am Sonntag nach Beseitigung der verschiedensten Hindernisse endlich doch glücklich auf dem Ausstellungsplatz angekommen.
- Auf der ersten Plattform des Eiffelturmes in Paris werden Uhren angebracht, welche zu glei=

[ => Original lesen: 1889 Nr. 36 Seite 7]

cher Zeit auf einem einzigen Zifferblatt die Stunde des Tages an den verschiedenen Hauptpunkten der Erde anzeigen. Als deutsche Stadt ist nur Wien genannt; kennzeichnend für die wahren Gefühle uns gegenüber! Auch ein Leuchtturm=Apperat ist auf dem Eiffelturm eingerichtet. Derselbe ähnelt den mächtigsten Apparaten dieser Gattung, welche an den französischen Küsten errichtet sind und seine Beleuchtung erstreckt sich auf eine Entfernung von 97 Kilometer.
- Der Erbprinz Wilhelm von Nassau ist mit Leib und Seele Soldat, er wäre es auch, wie er einem Offizier in Luxemburg gegenüber geäußert hat, gern geblieben, da aber sein Vater es für angezeigt hält, daß er sich den Interessen seines zukünftigen Landes widme, so kennt er jetzt keinen anderen Lebensberuf, als diesem Wunsch gerecht zu werden. Kaiser Franz Joseph hat den wackeren Reiteroffizier, der schon früh in die österreichische Armee eingetreten war und eine Zeit lang das Weißkirchener Husarenregiment geführt hat, ungern aus seinem Heer scheiden sehen; statt der erbetenen Entlassung hat er ihm nur einen Urlaub auf unbestimmte Zeit gewährt.
- Der deutsche Luftschiffer Streif verunglückte am Sonntag in Booneville, Indiania, in gräßlicher Weise. Als er etwa 1500 Fuß hoch gestiegen, platze der Ballon und Streif stürzte herab. Er war trotz des schrecklichen Sturzes nicht auf der Stelle todt, aber so zermalmt, daß er bald seinen Geist aufgab. Von den Zeugen der entsetzlichen Scene wurden viele ohnmächtig und Streifs Frau, die ihn stürzen sah, wahnsinnig.
- Aus Petersburg kommt die Aufsehen erregende Meldung, es herrsche in dortigen Hofkreisen die größte Aufregung, weil vor einigen Tagen der Czar auf seinem Schreibtisch im Anitschkowpalast nihilistische Zeitschriften und zwei mit Todtenköpfen gezeichnete Briefe gefunden habe, in welchen Alexander Alexandrowitsch aufgefordert wird, sich zum Tode vorzubereiten. Der erste Leibkammerdiener und mehrere Palastdiener seien verhaftet worden. Das Haupt der Geheimpolizei wird durch Vinagradow ersetzt. Ebenso sind mehrere andere hochgestellte Beamten ebenfalls ihrer Posten enthoben worden. - Die Kaiserin soll den Czar nicht eine Minute verlassen.
- Prinzessin Eugenie, die kürzlich verstorbene Schwester des Königs von Schweden, hat ihr ganzes Vermögen von 1 1/2 Millionen Kronen für wohlthätige Zwecke bestimmt.
- Der neue belgische Justizminister Lejeune scheint der bisherigen Spielwirthschaft ernstlich zu Leibe gehen zu wollen. Nachdem er bereits das Spielen in Ostende und in Blankenberg verboten hat, hat nunmehr die Staatsanwaltschaft in Verviers auf ministerielle Anweisung den Stadtrath des Badeortes Spaa davon benachrichtige daß sämmtliche Spielsäle und insbesondere der "Cercle des Etrangers" im Kasino sofort geschlossen werden müssen. In Spaa herrscht begreiflicherweise große Erregung über dieses die Badesaison angeblich vernichtende Verbot, und der Stadtrath will alles aufbieten, um wenigstens den "Cercle des Etrangers" zu retten, aber es wird wohl vergebliche Mühe sein.
- Der Brief des Paters Agostino ist am Montag in den römischen Blättern erschienen. Der kühne Fastenprediger erklärt in demselben, daß er keinen Grund habe, irgend etwas zurückzunehmen, da er nichts gegen den Glauben gesagt habe und für die Berichte in den Zeitungen nicht verantwortlich sei. Damit wird die Sache wohl ihr Bewenden haben, denn man soll dem Papst zu verstehen gegeben haben, daß ein Widerruf des Segens für den König doch einen allzuschlechten Eindruck machen werde.
- Der Pacific=Dampfer "Cotopaxi" ist am Montag in der Magelhanstraße untergegangen. Die Passagiere und die Mannschaft sind von dem deutschen Schiff "Setos" gerettet worden.
- In Washington, New=York und anderen amerikanischen Städten haben am Montag die Feierlichkeiten zur Erinnerung an den vor 100 Jahren erfolgten Amtsantritt General Washingtons, des ersten Präsidenten der amerikanischen Union, begonnen. Präsident Harrison begab sich vom Weißen Haus nach Elisabeth Port, bestieg dort einen Aviso und fuhr auf diesem durch die ein Spalier bildenden Kriegsschiffe und Dampfboote, die Salutschüsse abgaben, den East=River hinauf nach New=York. Dort wurde er am Landungsplatz von dem Gouverneur und dem Bürgermeister empfangen und nach dem Gebäude der Equitable=Versicherungs=Gesellschaft geleitet, wo er, umgeben von den Ministern und Gouverneuren der einzelnen Staaten, einen Empfang abgehalten hat. Alsdann ging's zu einem allgemeinen öffentlichen Empfang nach dem Stadthaus. Ueberall auf seinem Weg wurde der Präsident von der Volksmenge freundlich begrüßt.
- Ueber das Eisenbahnunglück auf der Strecke Hamilton=Chicago werden jetzt aus New=York furchtbare Einzelheiten mitgetheilt. Der Zug in welchem sich 150 Passagiere befanden, bestand aus zwei Gepäckwagen, einem Rauchwagen und sieben Schlafwagen. Die Fahrgeschwindigkeit war eine beschleunigte, um eine Verspätung einzuholen. Da entgleiste die Lokomotive, die in Folge der großen Geschwindigkeit und des furchtbaren Stoßes nebst dem riesigen Wasserbehälter sofort in Atome zerschmettert wurde. Die Gepäckwagen schoben sich in einander und der Rauchwagen wurde mit seinen 35 Insassen auf die Lokomotive geschleudert. Der Wagen fing Feuer und in wenigen Sekunden waren 20 Personen lebendig geröstet. Die Passagiere der Schlafwagen wurden schlafend in die brennenden Trümmer geschleudert und auch diese Wagen fingen zu brennen an, doch konnten die meisten Insassen gerettet werden. Zwölf schwer verwundete Passagiere sind in ein Spital gebracht worden. Das Schauspiel war herzerschütternd, denn das Schreien der brennenden Menschen übertönte das Prasseln des Feuers und das Zischen des Dampfes, auch war es für diejenigen, welche zur Rettung herbeigeeilt waren, in Folge der großen Hitze und des Mangels an Wasser sehr schwer, an die Unglücksstätte heranzukommen und dort thätig einzugreifen.


Ehrentraut & Co.
Eine Kriminalgeschichte von A. Oskar Klaußmann.
                          (Nachdruck verboten.)
Fortsetzung.

[ => Original lesen: 1889 Nr. 36 Seite 8]

Ehrentraut & Co.
[Fortsetzung.]


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