No. 46
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 15. Juni
1888
achtundfünfzigster Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1888 Nr. 46 Seite 1]

Das Befinden des deutschen Kaisers ist augenblicklich wieder ein sehr Besorgniß erregendes, indem sich eine Verbindung der Speiseröhre mit der Luftröhre gebildet hat, in Folge dessen die Ernährung mittelst einer Ernährungssonde erfolgt. Die Aerzte haben erklärt, daß auf diese Weise das Leben des also ernährten Patienten oft wochenlang möglich ist. Die Ernährung erfolgt durch Mackenzie mehrmals im Laufe des Tages und zwar mit concentrirter Milch, Sahne, Whisky u. s. w.
Kriegsminister Bronsart von Schellendorf hat Kaiser Friedrich die Modelle eines neuen deutschen Infanteriesäbels unterbreitet.
Zur Umänderung des Exerzier=Reglements ist am Montag in Berlin eine Kommission unter dem Versitz des Generals der Infanterie v. Meerscheidt=Hüllessem zusammengetreten.
Die Schweizer trauen dem Wetter auch nicht mehr. Obwohl sie für ihr Militär nicht gern tief in die Tasche greifen, so wollen sie doch jetzt für Vermehrung und bessere Ausrüstung ihres Heeres, für Befestigung ihrer Grenzen und Plätze ein paar Millionen mehr als seither anlegen. Sie haben erkannt, daß im Fall eines großen Krieges sie weder durch die Neutralität, noch durch ihre Berge und Pässe ausreichend geschützt werden, daß die Zeiten von Sempach und Moorgarten vorüber sind und die Schlachten unserer Zeit nicht mehr mit Hellebarden und Morgensternen geschlagen werden.
In der Pester Burg empfing Kaiser Franz Josef die Mitglieder der Delegationen. In seiner Ansprache betonte er, daß Oesterreich=Ungarn mit allen Staaten gute Beziehungen unterhalte und sich bemühe einen Ausgleich über schwebende Meinungsverschiedenheiten herbeizuführen. Die Regierung wünsche aufrichtig den Frieden und hoffe, er werde erhalten bleiben. Wenn von den Abgeordneten neue Gelder für militärische Maßnahmen gefordert würden, so bedeute das nichts Beunruhigendes. Diese Maßnahmen seien seit langem geplant und entsprächen nur der militärischen Thätigkeit anderer Staaten. - Man glaubt an einen glatten Verlauf der Session; die Bewilligung der geforderten Gelder ist zweifellos.
Das gemeinsame Budget in Oesterreich weist ein Mehrerforderniß von nahezu 5 Millionen auf, wovon 4,2 Mill. auf das Kriegsbudget entfallen. Für die Anschaffung von Repetiergewehren sind 13 Mill., für organisatorische Maßnahmen im Ordinarium wie im Extraordinarium etwa 3,8 Mill. in Aussicht genommen. Der außerordentliche Specialkredit der Kriegsverwaltung beträgt 47,3 Mill., wovon 16 Mill. unter Verantwortlichkeit der Regierungen bereits verausgabt sind; 13,7 Mill. werden zur künftigen Verwendung und 17,6 Mill. für den Fall dringender Notwendigkeit gefordert.
Die bei der Eröffnung der ungarischen Delegation gehaltenen Reden werden in der gesamten europäischen Presse als friedliche Kundgebungen begrüßt, die einen günstigen Eindruck auf die allgemeine Stimmung nicht verfehlen können. Besonders ist die von sämtlichen Rednern erfolgte Hochhaltung des Friedensbündnisses angenehm aufgefallen, welches Präsident Smolka ebenso wie Bismarck in seinem bekannten Brief an Kalnoky nach dem Tod Kaiser Wilhelms als ein unzerreißbares bezeichnet hat. Bei dem Empfang in der Ofener Hofburg äußerte sich der Kaiser gegen den Delegierten Chlumetzky von Neuem in der zuversichtlichsten Weise über die auswärtige Lage, doch fügte er hinzu, daß es dringende Pflicht sei, die Rüstungsmaßregeln fortzusetzen, um für alle Fälle bereit zu sein. Dasselbe hatte auch Graf Ludwig Tisza der Präsident der ungarischen Delegation, in seiner Eröffnungsrede hervorgehoben, indem er sagte, daß Ungarn vor keinem Opfer für die Festigung seiner Wehrkraft zurückschrecken werde.
Den deutschen Studenten, welche sich zur Theilnahme an der Jubelfeier der Universität nach Bologna begeben haben, ist ein überaus herzlicher Empfang bereitet worden. Bei der offiziellen Begrüßung sprachen ein Leipziger und ein Berliner in stürmisch begrüßten Anreden von Deutschlands Liebe zu Italien, worin der Leipziger besonders hervorhob, daß die Deutschen auch in unglücklichen Tagen treu zu den Italienern stehen würden. In allen Lokalen, wo sich abends deutsche Studenten zeigten, wurden seitens der Italiener deutschfreundliche Kundgebungen veranstaltet. Anläßlich des Jubiläums sollen u. A. Windscheid, Gneist, Goldschmied, Jehring, v. Holtzendorf, Roscher und Lorenz v. Stein zu Ehrendoktoren der juristischen Fakultät ernannt werden.
Der König von Italien hat sich am Montag in Begleitung der Königin und des Kronprinzen nach Bologna begeben, um der Feier des 800jährigen Bestehens der dortigen Universität beizuwohnen. Sie wurden am Bahnhof von der Studentenschaft sowie den Spitzen der Behörden und einer ungeheuren Menschenmenge unter enthusiastischen Kundgebungen empfangen, welche sich bis zum Palais fortsetzten.
Dérouléde, der Patriotenapostel, sagte bei einer Wahlrede in Montmoreou wörtlich! "Seitdem Deutschland von einem großherzigen Kaiser regiert wird, beweine ich noch immer das trauernde Elsaß=Lothringen, aber ich sage mir auch, daß es unter deutscher Herrschaft nicht unglücklicher ist, als es unter Reinach, Ranc und Clèmenceau wäre.
Aus Sofia wird gerüchtweise gemeldet, daß Ministerpräsident Stambulow finanzieller Schwierigkeiten wegen zurücktreten wolle.
Der in Queenstown von Newyork eingetroffene Dampfer "Adriatic" brachte Einzelheiten über die furchtbare Gewalt des Orkans, welcher vor einigen Wochen den Staat Pennsylvanien heimsuchte. Unweit Clarion wurde ein ganzer Eisenbahnzug auf der Fahrt umgeweht. 30 Personen wurden verletzt, davon drei lebensgefährlich. In Neno wurde eine große Fabrik in Trümmer gelegt und in Cadly Juoktion wurden zwei Kirchen und das Versammlungslokal der Old Fellows zertrümmert.

[ => Original lesen: 1888 Nr. 46 Seite 2]

- In den Tagen vom 17.-19. Juni findet in Lübeck das 23. Norddeutsche Schützenfest statt. Es treffen hierzu die Schützen aus ganz Schleswig=Holstein, Mecklenburg, Hamburg und dem nördlichen Hannover ein.
- Mehrere Gutsbesitzer bei Schwerin beabsichtigen in Schwerin eine Genossenschafts=Schlachterei zu errichten, was von den Einwohnern mit Freude begrüßt wird, weil sie hoffen, daß die erheblichen Preisrückgänge für das Schlachtvieh auch auf die Fleischpreise von einigem Einfluß sein würden.
- In Parchim hat am 9. Juni, Abends 10 Uhr der Blitz in die Kaserne geschlagen und gezündet. Es brannte die Montirungskammer und sämmtliche, gerade zur Ablieferung neuen Monturstücke, Uniformen, Sattel, Schabracken, Decken etc. etc. wurden ein Raub der Flammen. Das Feuer griff immer weiter um sich, weil bei der Höhe des Gebäudes die Spritzen das Wasser nicht so hoch trieben und so brannten die ganzen oberen Räume total nieder und die unteren wurden größtentheils unbewohnbar, der Seitenflügel mußte ganz geräumt werden. Man hielt das mächtige Gebäude für völlig feuerfest und deshalb war nichts versichert; das Feuer hat namentlich die in der Kaserne wohnenden verheiratheten Chargierten hart betroffen.
- In Hamburg ist in der Nacht zum 13. Juni ein Mord verübt an der Wittwe Henrici, 84 Jahre alt, wohnhaft große Allee 46. Die alte Frau wurde erschlagen und beraubt.
- Am 9. Juni, Abends 9 Uhr ist auf der Travemünder Eisenbahn ein größeres Unglück dadurch entstanden, daß der Dampfkessel der Locomotive des Zuges dicht bei dem Gehöfte Bornteich explodirte. Locomotivführer und Heizer wurden fortgeschleudert, letzterer schwer, ersterer leicht verletzt. Der Obertheil der Locomotive war vollständig abgerissen, der Kessel lag 20 Meter weit im Felde, andere Theile lagen zertrümmert in kleine Stücke im Felde. Das Untergestell der Locomotive stand neben dem Geleise, der Packwagen war ebenfalls entgleist, die schwachbesetzten Personenwagen standen im Geleise. Die verletzten Beamten wurden ins Krankenhaus transportiert, wo der Heizer am folgenden Morgen starb. Ueber die Ursache dieses Unglücksfalles läßt sich noch nichts feststellen. Die Explosion des Dampfkessels einer in Fahrt befindlichen Locomotive ist eine große Seltenheit.
- Gerade 25 Minister wurden bis jetzt unter dem Fürsten Bismark aufgebracht. Es sind dies: Lippe, Leonhardt, Wühler, Falk, Puttkammer (Unterricht,) Holzrinck, Selchow, Friedenthal, Itzenplitz Maybach (Handel), Eulenburg I., Eulenburg II., von der Heyt, Camphausen, Hobrecht, Bitten, Roon, Kameke, Stosch, Achenbach, Delbrück, Hoffmann, Schleinitz, Stolberg=Wernigerode und von Puttkammer (Inneres).
- Den Generalarzt Dr. v. Lauer, den hochbetagten Leibarzt des hochseligen Kaisers Wilhelm, hat ein schwerer Schlag getroffen. Am Sonnabend ist in Potsdam nach langen, schweren Leiden sein Sohn, der Hauptmann im ersten Garde=Regiment Arnold v. Lauer im 34. Lebensjahre gestorben.
- Die Tochter des bekannten Millionärs v. Bleichröder ist von ihrem Gemahl, einem Herrn v. Uechtritz, geschieden worden; letzterer mußte in einer Nervenheilanstalt untergebracht werden, da er nach und nach die von seiner Frau in die Ehe eingebrachten Güter vermöbelte. Man sieht, das Geld allein macht nicht glücklich.
- Der Reichspostdampfer Habsburg, nach Australien unterwegs, strandete nach einer Bremer Meldung bei der Insel Perim, kam aber unbeschädigt wieder flott und setzte am Sonntag seine Reise von Aden aus weiter fort. Die Insel Perim, die im britischen Besitz ist, liegt an der arabischen Küste in der Straße Babel Mandeb.
- Heimliche Liebe. Der Hausdiener Friedrich Paetsch wird vor dem Berliner Schöffengericht beschuldigt, im September v. J. der Waschfrau Martha Schmidt, als sie sich auf einige Augenblicke allein in ihrem Zimmer befand, eine goldene Remontoiruhr entwendet zu haben. Er gesteht ein, die Uhr mitgenommen zu haben, aber mit dem bestimmten Vorsatz, sie wieder an Ort und Stelle zu bringen. Ueber die Beweggründe seiner That giebt er folgenden Aufschluß. "Hoher Herr Jerichtshof! Wat hier die Zeijin is, die Frau Schmitten, eene Wittwe in die besten Jahre, die wollte immer gar helle sind und meente: "Mir kann keener, ooch nicht eener, nämlich was wegstibitzen." I, dacht ick, det möcht' ick doch mal sehen. Jck muß nämlich befürworten, det ick wegen hier (Angeklagter zeigt nach der Stirn) den Weebsleiten nich ville zutraue; se sind alle een Bisken dumm, nu nu sollte die, wat de Frau Schmitten is, de eenzige Ausnahme machen? Also jut, wie ick eenes schönen Dages meine Wäsche abholen dhu, denk ick, Du stichts Dir mal den Chronometer in, wat ick denn och that, aber bloß aus Ulk." Vorsitzender: "Sie standen aber mit Frau Schmidt nicht in einem derartigen intimen Verhältniß, um sich einen solchen "Ulk" erlauben zu können." Angeklagter: "Na ob und wie! indem et doch meine Wäscherin war." Vorsitzender: "Das ist noch lange kein intimes Verhältniß" Angeklagte: "Herr Jerichtshof, ick bin nämlich, wenn ick mir so ausdrücken darf, een janz verfluchter Kerl, indem ick mir meine Wäsche nur immer von solche Weibsleite hab' waschen lassen, zu die ick eene jewisse Zuneijung fühlte. Wie ick nu die Frau Schnittten kennen lernte, fühlte ick mir jleich mächtig zu ihr hinjezogen. Jut, sage ich mir, bei Frau Schmitten läßt de waschen. Und je öfter ick sie sah, desto hinjezogener fühlte ick mir zu ihr." Vorsitzender: "Noch mehr scheinen Sie sich zu ihrer Uhr hingezogen gefühlt zu haben. Hatte denn übrigens die Zeugin eine Ahnung von angeblicher Zuneigung zu ihr, und glaubten Sie ferner Ihre Zuneigung zu ihr in dem Maße von ihr erwidert, daß Sie annehmen konnten, es würde Ihnen Ihr Scherz nicht übel genommen werden?" Angeklagter: "Janz jewiß, Herr Jerichtshof! Direkt jesagt hatte ick ihr freilich noch nischt von meine Jefühle; aber aus meinem janzen Benehmen muß se' doch entnehmen und sie hat's ooch entnommen, indem ick ihr immer die freindlichsten Blicke zuschmiß, was sie denn ooch jedetmal wieder that, so det ick Jrund hatte zu jlooben, det zwischen uns beede een stilllet intimes Verhältniß obwaltete." Vorsitzender: "Die Zeugin stellt es aber entschieden in Abrede und behauptet, gar nicht einmal ihren Namen zu wissen." Angeklagter: "Det Letzere stimmt allerdings, indem ick mir überhaupt een volles Jeständniß für den Moment vorbesalten hatte, wo ick mir als Budiker etablieren würde, wo ich ihr dann sagen wollte: "Frau Schmidt! Sie kenn' ick, kenn Ihnen, ick bin jetzt Budiker, möchten Sie vielleicht Budikern werden? Sie sind een tüchtiges Weib und was mir besonders freut: Ick sehe, Ihnen kann nischt jestohlen werden, wat bei eener Budikern von jroßer Wichtigkeit is."
Nach der Aussage der Waschfrau vermochte der Gerichtshof den Angaben des Angeklagten keinen Glauben beimessen und verurtheilte den stillen Verehrer seiner Wäscherin zu einem Monat Gefängniß.
- Eine riesenhafte Schildkröte wurde kürzlich von Fischern in der Bay von Portland, Viktoria, gefangen. Das Thier maß 8 Fuß der Länge nach und wog 8 Zentner.


Anzeigen.

Gegen den Arbeiter August Sandell aus Carlskrona, zuletzt im Dienst beim Schulzen Bollow zu Campow, ist wegen Verdachts des Diebstahls, nachdem er sich von seinem Dienstorte heimlich entfernt hat, der Haftbefehl erlassen. Ich bitte alle Behörden, auf den p. Sandell zu vigiliren, ihn im Betretungsfalle zu verhaften und mich von der Verhaftung in Kenntniß zu setzen.

Signalement:

Sandell trägt einen Schnurrbart, hat ein schiefes Kinn, eine große Nase, dunkle Haare, blaue Augen, ist mittlerer Größe, etwa 25 Jahre alt, der Zeigefinger seiner rechten Hand ist verstümmelt. Bekleidet war er mit dunklem Sackrock, englischlederner Hose und blauer Mütze.
Schönberg, den 10. Juni 1888.

Der Amtsanwalt.
U. Fr. v. Maltzan.


[ => Original lesen: 1888 Nr. 46 Seite 3]

Die nachfolgende                                                    
Bekanntmachung
den Ankauf von Remonten pro 1888 betr.

        Zum Ankaufe von Remonten im Alter von drei und ausnahmsweise vier Jahren sind im Bereiche des Großherzogthums Mecklenburg=Strelitz für dieses Jahr nachstehende, Morgens 8 Uhr resp. 9 Uhr beginnende Märkte anberaumt worden und zwar am

25. Juni in Schönberg,

        - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -

        Die von der Remonte=Ankaufs=Commission erkauften Pferde werden zur Stelle abgenommen und sofort gegen Quittung baar bezahlt.
        Pferde mit solchen Fehlern, welche nach den Landesgesetzen den Kauf rückgängig machen, sind vom Verkäufer gegen Erstattung des Kaufpreises und der Unkosten zurückzunehmen, ebenso Krippensetzer, welche sich in den ersten acht und zwanzig Tagen nach Einlieferung in den Depots als solche erweisen. Pferde, welche den Verkäufern nicht eigenthümlich gehören, oder durch einen nicht legitimirten Bevollmächtigten der Kommission vorgestellt werden, sind vom Kauf ausgeschlossen.
        Die Verkäufer sind verpflichtet, jedem verkauften Pferde eine neue, starke rindlederne Trense mit starkem Gebiß und eine neue Kopfhalter von Leder oder Hanf mit 2 mindestens zwei Meter langen Stricken ohne besondere Vergütung mitzugeben.
        Um die Abstammung der vorgeführten Pferde feststellen zu können, ist es erwünscht, daß die Deckscheine möglichst mitgebracht werden, auch werden die Verkäufer ersucht, die Schweife der Pferde nicht zu coupiren oder übermäßig zu verkürzen.
        Ferner ist es dringend wünschenswerth, daß der immer mehr überhand nehmende zu massige oder weiche Futterzustand bei den zum Verkauf zu stellenden Remonten aufhört, weil dadurch die in den Remonte=Depots vorkommenden Krankheiten sehr viel schwerer zu überstehen sind, als dies bei rationell und nicht übermäßig gefütterten Remonten der Fall ist.
        In Zukunft wird beim Ankauf von Remonten das Stockmaß in Anwendung kommen.         Berlin, den 1. März 1888.

Königl. Preußisches Kriegsministerium,
Remontirungs=Abtheilung.
(gez.) Frhr. von Troschke.

wird hierdurch zur allgemeinen Kenntniß gebracht.
        Schönberg den 25. April 1888.

Der Magistrat.


Holz=Auction.

Am Sonnabend, den 16. Juni, Morgens 10 Uhr, sollen beim Gastwirth Scharenberg zu Demern nachstehende Holzsortimente bei freier Concurrenz meistbietend verkauft werden:

a. Vom Gr. Rüntzer Felde:

  2 Rmtr. buchen Kluftholz I. Cl.,
15 Rmtr. eichen Olm,
57 Rmtr. eichen Knüppel I. u. II. Cl.

b. Aus dem Röggeliner Holze (Brandkuhle).

  7 Rmtr. eichen Kluft II Cl.,
55 Rmtr. eichen Knüppel I. u. II. Cl.
Schönberg, den 10. Juni 1888.

                                                             Der Oberförster:
                                                    I. V.    F. von Wenckstern.


Ersuche, meine Rechnungen mir bis zum 17. Juni nach Carlow einzusenden.

F. von Wenkstern.        


Allen Geschenkgebern und Gratulanten zu unserer silbernen Hochzeit herzlichen Dank.

                                                    Die Silberjubilare
                                                    F. Otto und Frau.


Ersparniß- u. Vorschuß-Anstalt.
Die Anstalt ist zur                                                    
Zinszahlung
vom
Dienstag, den 12. Juni d. J.
bis
Sonnabend, den 16. Juni d. J.
von 8 bis 12 Uhr Vormittags geöffnet.                                                    
                                                    Das Directorium.


Verkaufsanzeige.

Ich beabsichtige meine Büdnerei in Bechelsdorf sofort mit voller Saat unter der Hand zu verkaufen. Die Büdnerei ist 802 []R. groß. Das Wohnhaus, bestehend aus 2 Wohnungen nebst Scheune und Stallgebäude, ist im guten Zustand. Käufer können sich jeder Zeit bei mir melden.

Büdner Voss in Sabow.        


All diejenigen, welche noch Forderungen an den verstorbenen Maurermeister Joh. Spolert, Domhof bei Ratzeburg haben, werden hierdurch aufgefordert, sich bis zum 1. Juli bei dem Unterzeichneten zu melden, widrigenfalls ihre Ansprüche später nicht berücksichtigt werden. Ferner werden auch diejenigen, welche noch Zahlungen zu leisten haben, hiermit aufgefordert, bis dahin ebendaselbst zu berichtigen.
         Domhof=Ratzeburg, den 5. Juni 1888.

E. Classen, Zimmermeister.        


Eine bedeutende Cigarrenfabrik wünscht für Schönberg und Umgegend, event. Ratzeburg einem Herrn den Alleinverkauf ihrer Fabrikate zu übertragen. In erster Linie wird auf einen Kaufmann reflectirt, doch würde sich auch jeder andere Geschäftsmann zur Uebernahme eignen. Nur solvente Herren belieben Offerten unter O. S. 22 Postlagernd Schwerin i. M. einzusenden.


Schlutuper Fischkisten
hat abzugeben                                                    
                                                    J. H. Freitag.


Ein neuer Roman v. Karl Emil Franzos

gehört stets zu jenen Erscheinungen unserer modernen Literatur, welche von vornherein die größte Aufmerksamkeit weiter Kreise gesichert ist. Zuerst auf dem Gebiete des Kulturbildes und der Novelle berühmt geworden, hat sich Franzos durch seine Romane "Ein Kampf um's Recht", "Der Präsident" und "Die Reise nach dem Schicksal" auch unter den deutschen Romandichtern der Gegenwart eine Stelle in der vordersten Reihe erkämpft. Sein neuestes Werk "Die Schatten", welches vom Juli ab im Feuilleton des "Berliner Tageblatt" erscheinen wird, dürfte schon insofern die größte Aufmerksamkeit erwecken, als K. E. Franzos zum ersten Male durchweg nur deutsches Leben geschildert hat. Diesmal sind die österreichischen Alpen der Boden, auf welchem der Verfasser eine tieferschütternde, durch psychologische Vertiefung und spannende Handlung gleich bedeutsame Familiengeschichte sich abspielen läßt. Das durchaus originelle und schwerwiegende Problem findet eine ebenso ergreifende als befriedigende Lösung. Abonnements auf das "Berliner Tageblatt" und Handelszeitung nebst seinen 4 werthvollen Separat=Beiblättern "ULK", "Lesehalle", "Zeitgeist" und Mittheilungen über Landwirthschaft, Gartenbau und Hauswirthschaft, nehmen alle Reichspostanstalten für 5 Mk 25 Pf. vierteljährlich entgegen. Möglichst frühzeitige Abonnements=Anmeldung ist im eigenen Interesse geboten.


Suche zu Michaelis eine                          
Köchin
und mehrere gutempfohlene Tagelöhner=Familien in Wohnung.                                                    
Mechow b. Ratzeburg.                                                    
                                                    Stamer.


[ => Original lesen: 1888 Nr. 46 Seite 4]
Logo der Hagelassekuranz

Die Hagel-Versicherungs-Gesellschaft
im Fürstenthum Ratzeburg,

gegründet auf Gegenseitigkeit und Allerhöchst bestätigt 1847,

22,600 Mark.

ansammeln können, welcher bei der hiesigen Ersparniß= und Vorschußkasse belegt ist und an welchem neu eintretende Mitglieder sofort participieren. Wir laden zum Beitritt ein.

           Schönberg im Mai 1888.
Die Direction.
J. Kröger-Lockwisch.       Wilh. Heincke.


Hotel Lübeck.
Am Sonntag, den 1. Juli cr.
Gr. Garten-Concert
mit nachf. Ball.
Ausgeführt von der gesammten Kapelle des Schweriner Jägerbataillons unter Leitung des Großherz. Musikdirektors Herrn A. Reckling.
Anfang Nachmittags 4 1/2 Uhr.
Billette im Vorverkauf à 50 Pfg., an der Casse à 75 Pfg.
Es ladet ergebenst ein                                                    
                                                    J. H. Freitag.


Stadt Lübeck.
Am Sonntag, den 17. ds. Mts.:
Tanz=Musik
wozu ergebenst einladet                                                    
                                                    J. H. Freitag.


Am Sonntag, den 17. und Montag, den 18. Juni findet bei mir ein

Scheiben-Schiessen

nach guten Gewinnen statt, wozu ich meine Freunde und Gönner ergebenst einlade.

Am Montag, den 18. Juni: Ball.

                                                                         Frau Lohse.
Herrnburg.                                                     Gastwirthin.


Dem geehrte Publikum von Schönberg und Umgegend die ergebene Anzeige, daß ich mit dem heutigen Tage Herrn Handelsmann Heinr. Jabs in Schönberg eine

Bier=Niederlage

übertragen habe. Ich braue reines Malz-Bier und verwendte nur Wasser aus einem artesischen Brunnen dazu, welcher 225 Fuß tief aus der Erde kommt, also das Wasser gewiß rein sein muß.
Rehna, den 11. Juni 1888.

                                                    Hochachtungsvoll
                                                    Heinr. Jacobs,
                                                    Brauereibesitzer.


Bezugnehmend auf vorstehende Annonce wird es mein Bestreben sein, nur gutes Bier aus der Brauerei von Herrn H. Jacobs in Rehna unter folgenden Preisen zu liefern:
Doppelt=Malzbier 1/2 Flasche 8 Pfg.
Ganz=Bier 1/8 Hektl. 90 Pfg.
Halb=Bier 1/8 Hektl. 75 Pfg.
Um geneigten Zuspruch bittet

                                                    Heinr. Jabs, Handelsmann,
                                                    Siemzerstraße 162.


Berühmte ächte Meyer's Lebens Essenz ist das beste und bewährteste Hausmittel gegen alle Magenleiden und Verdauungsstörungen. Vorzüglichstes Blutreinigungsmittel, Preis 1 Mark per Glas. Vorräthig in den Apotheken.

Friedrich Ernst Meyer u. Co. Bielefeld.


Diedr. Teschau, Messerfabrikant,
Lübeck, Breitestraße 24.
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Reparatur-Werkst. Hohlschleiferei.
Neue Klingen, Korkzieher, Hefter werden eingesetzt, Kaffemühlen geschärft, Siebe eingebunden.
Neu - Anfertigungen
rasch und sauber.


Neue Matjes=Heringe
empfiehlt                                                    Aug. Spehr.


Zu Michaelis d. J. habe ich eine                                                    
Wohnung
bestehend aus 4 Zimmern, Küche und Bodenraum zu vermiethen.                          
                                                    H. Mette, Fischräucherei.


Agenten gesucht

für einen leicht gegen gute Provision. - Offerten an Ad, Mehlhase in Bremen erbeten.


Verlobungs=Anzeige.
Statt besonderer Meldung:
Elise Fanselow
Wilhelm Bracht, Postassistent.
Schönberg i. M.                                                     Hamburg.


Kirchliche Nachrichten.
Sonntag, den 17. Juni.

        Frühkirche: Pastor Kaempffer.
        Vormittagskirche: Pastor Langbein.
        Amtswoche: Pastor Langbein.


Vom 1. Juni 1888: Abgang der Eisenbahnzüge von Schönberg
nach Lübeck:
10,8 Vorm. 2,58 Nachm. 5,35 Nachm. 12,3 Nachts.
Nach Kleinen:
4,57 Morg. 10,9 Vorm. 12,46 Nachm. 8,3 Abends.


Getreide=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Markt=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Hierzu eine Beilage
und Illustrirtes Beiblatt Nr. 11.


Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.


[ => Original lesen: 1888 Nr. 46 Seite 5]

Beilage
zu Nr. 46 der Wöchentlichen Anzeigen für das Fürstentum Ratzeburg.
(Schönberger Anzeigen.)
Schönberg, den 15. Juni 1888.


- Die Stadt Berlin hat eine große Erbschaft von 780 000 Mk. gemacht. Der vor einigen Jahren verstorbene Generalkonsul Behrend hat ihr diese Summe vermacht und bestimmt, daß aus deren Zinsen unversorgte und unbescholtene Töchter gebildeten Standes eine jährliche Rente von etwa 900 Mk. erhalten. Womöglich soll auch ein Asyl für sie gebaut werden.
- Dem Berliner Verein für Veloziped=Wettfahren verlieh der Monarch eine prachtvolle Porzellan=Vase mit der Bestimmung, daß dieselbe bei dem nächstjährigen Wettfahren von dem Sieger zu verteidigen ist, diesem als Eigenthum aber erst dann zufällt, wenn es ihm gelungen ist, sie als Sieger viermal hintereinander zu erringen.
- In der Kriegsschule zu Potsdam schaukelte sich am Mittwoch ein Fähnrich auf einem Stuhl, den er indessen zu weit nach hinten überbeugte, wodurch derselbe den Schwerpunkt verlor und umfiel. Der Fähnrich fiel dabei gerade mit seinem Halswirbel auf die Lehne eines hinter ihm stehenden Stuhles, wodurch ein Wirbelbruch und dadurch der Tod des jungen Mannes herbeigeführt wurde.
- Oelbilder sind zwar schön, aber die Eisenbahn darf den Malern nicht ins Handwerk pfuschen. Einem auswärtigen Maler, der ein Oelbild zur Ausstellung nach München schickte, hatte man auf der Eisenbahn das Bild neben einem rinnenden Oelfaß verpackt und es gänzlich verdorben. Er verlangt 18 000 Mk. Schadenersatz.
- In Dänemark war eine Sammlung im Gang, um dem König zu seinem Regierungsjubiläum ein Landgut in Jütland zu schenken. Der König aber sagte, das Volk hat ohnehin keine fetten Jahre, es soll nicht noch größere Opfer bringen, und lehnte dankend ab.
- Die österreichische Staatsschuld hat im Jahre 1887 nach dem jetzt veröffentlichten Ausweis der Staatsschulden=Kontrol=Kommision die Höhe von 4 Milliarden Gulden erreicht, ja sogar um einige Millionen überschritten. Dreiviertel der gesamten Schuld entfallen auf die verschiedenen Renten, während der Rest von einer Milliarde sich auf die Lotterieanleihen, die Salinenscheine, die Eisenbahnschuld, die Staatsnoten und verschiedene andere Verbindlichkeiten vertheilt. Das jährliche Zinsen=Erforderniß der gesamten Staatsschuld beläuft sich jetzt nach Abzug des Beitrages von 31 Millionen Gulden, welchen Ungarn leistet, auf 122 Millionen Gulden.
- In Paris hat bei dem Rennen um den "großen Preis" von 100 000 Franken am vorigen Sonntag der französische Renner über den englischen gesiegt. Darüber entstand ein solcher Jubel unter den Zuschauern, daß sie dem Präsidenten Carnot große Freudendemonstrationen brachten, als wäre er selbst mitgelaufen. Folgerichtig wäre, daß sie ihm eine Katzenmusik gebracht hätten, wenn der Engländer gesiegt hätte. Der Sieger trägt den Namen "Stuart" und gehört einem Herrn Donon.
- Die englische Presse hat fast täglich von neuem Veranlassung, sich mit den in der englischen Armee und Marine herrschenden Mißständen zu beschäftigen. Vor einigen Wochen wurden neue Kanonen nach Aden geschickt. Als die Geschütze dort ankamen, stellte es sich heraus, daß sie ohne Visiere und Klappen waren. Infolge dessen ist Aden gegenwärtig wehrlos. Der "Inflexible" konnte vor Kurzem nicht zum Mittelmeer=Geschwader stoßen, weil seine Türme sich nicht gehörig bewegten. Statt seiner sollte der "Benbow" abfahren, allein dieses ging auch nicht. Der Schließlich abgesandte "Téméraire" mußte mit Kanonen ausgerüstet werden, welche einer Strandbatterie entnommen wurden. Der "Benbow" konnte allerdings nicht in Dienst gestellt werden, da keine Munition für seine beiden 110=Tonnengeschütze vorhanden war. Wenn alles wahr ist, dann hatten die heftigen Debatten, welche vor einigen Wochen im englischen Parlament über die Wehrfähigkeit des Inselreiches geführt wurden, allerdings ihre Berechtigung. Einen kleinen Anlauf zur Beschwichtigung der öffentlichen Meinung hat das Kriegsministerium neuerdings genommen, indem es durch einen Befehl die "freiwilligen Brigaden" eingetheilt und deren Kommandeure ernannt hat. In dem Befehl heißt es, daß die Maßregel bezwecke, mittels vorheriger Organisation des freiwilligen Dienstes die Erfolge eines feindlichen Einbruchs so unwahrscheinlich zu machen, daß ein derartiger Versuch überhaupt nicht gemacht werde.
- Einen 45 Pfund schweren gediegenen Goldklumpen, haben, wie über London berichtet wird, kürzlich ein spanischer und kanadischer Goldsucher an dem Kaskaden Bergrücken in Brittsch=Columbien gefunden. Es ist dieses mit einer einzigen Ausnahme der größte Klumpen, welcher jemals gefunden worden ist.
- Steppenhuhn und Haubenlerche. Einer unserer bekanntesten einheimischen Vögel, die Haubenlerche (Alauda cristata), ist gleich dem jetzt wieder in Deutschland aufgetauchten Steppenhuhn erst aus Zentralasien zu uns gekommen. Noch bis zu Anfang dieses Jahrhunderts war die Haubenlerche in Deutschland ein seltener Gast, in Spanien und Nordamerika hatte sie sich damals schon mehr eingebürgert. Ihr Auftreten bei uns in größerer Zahl läßt sich erst seit 1805 nachweisen, wo sie von Nordosten her eingewandert ist. In Deutschland folgte sie den Hochstraßen und hat sich seitdem immer mehr da eingebürgert, wo sie vordem fehlte, immer in der Nähe der Landstraßen und der bewohnten Orte, so daß sie wohl scherzweise als "Wegelagerer" bezeichnet wird. Ueber ihre Einwanderung heißt es im Volksmund (man vergl. Homeyer, die Wanderungen der Vögel), die Russen hatten sie 1813 mit nach Deutschland gebracht. Seit jener Zeit hat die Haubenlerche ihren Wohnsitz, indem Sie den Landstraßen folgte, immer weiter nach Süden ausgedehnt; in den 40er Jahren langte sie am mittleren Lauf der Saale an und geht sie über den Franken und Thüringerwald bereits nach Süddeutschland. Die Ursache, ist durch den in der Provinz Sachsen immermehr zunehmenden Rübenbau und der damit bedingten intensiveren Vertilgung des Unkrauts, alle seinen Sämereien, die der Feldlerche zur Nahrung dienen, fehlen, wie auch, weil durch das fortwährende Behacken der Felder die Nester zerstört werden. Die Feldlerche hat sich darum verzogen und die dadurch leer gewordene Stelle hat die Haubenlerche eingenommen. Bisher hat die Haubenlerche, wie man sieht, allen Nachstellungen, unter denen die Lerche besonders zu leiden hatte, siegreich überstanden; sie verbreitet sich immer mehr und sie ist auch ein gern gesehener Gast bei uns geworden. Hoffentlich erfreut sich auch das Steppenhuhn, unser neuester asiatischer Einwohner, der gleichen Beachtung und vor allem der Schonung!
- Was ein Landbriefträger zu leisten hat, ergiebt sich aus einer im Postarchiv enthaltenen Statistik. Danach betrug die Gesammtzahl aller für Landbewohner eingegangenen Postsendungen im Jahr 1886 rund 323 Millionen. Davon wurden 34 Millionen aus dem Postort abgeholt und 289 Millionen den Empfängern durch Postboten ins Haus gebracht. Davon gehen noch rund 17 Millionen ausgehändigte Postsendungen ab. Durch die Landbriefträger zu bestellen waren mithin 272 Millionen Stück, zu welchem Zwecke 23,500 Landbriefträger zusammen eine Wegstrecke von 176,294,624 Km. zurückzulegen hatten, das ist täglich 482,999 Km., gleich 65,094 geographische Meilen oder täglich das mehr als Zwölffache, jährlich aber das 4400fache des Erdumkreises. Dabei ist das durchschnittliche Leistungsmaß des einzelnen Briefträgers nicht erhöht, sondern im Gegentheil, innerhalb der

[ => Original lesen: 1888 Nr. 46 Seite 6]

letzten sechs Jahre von 30,3 Km. auf 20,6 Km. täglich herabgesetzt worden. - Dieser Statistik gegenüber wirkt eine Anekdote recht drastisch, welche aus der Klinik eines berühmten Professors erzählt wird. Zu diesem Spezialisten war ein Mann gekommen, um sich wegen eines Leidens, das ihn schon seit längerer Zeit quälte, Rath zu holen. Der Herr Professor untersuchte den Patienten angesichts einer Korona von lernbegierigen Studenten recht eingehend und erklärte nach einigen belehrenden Bemerkungen schließlich dem Patienten: "Lieber Mann, Sie müssen sich vor Allem tüchtig Bewegung machen." - "Mein Gott, Herr Professor," entgegnen kleinlaut der Kranke, "ich bin ja Landbriefträger." . . . Das übliche Tableau werden sich unsere Leser wohl selbst ausmalen können.
- Das Tränken der Arbeitspferde. Jedem thierischen Körper ist das Wasser zur Selbsterhaltung ebenso nothwendig, als gesunde Luft, Licht und Nahrung. Das Wasser wirkt auf die Blutbereitung, auf die Säftebildung, es erweicht das Futter, befördert die Absonderung, mit einem Wort, es unterstützt den Körper in hohem Grad bei seiner ganzen Dienstverrichtung. Das Wasser, welches den Pferden gereicht wird, muß frisch und rein sein, keine Beimischungen enthalten, die ihnen nicht zusagen, und eine Temperatur von 8-9° R. haben. Je kälter das Wasser ist, je gieriger und schneller es verschluckt wird, je gefährlicher ist es für den Gesundheitszustand des Thieres; je langsamer es eingesogen wird und je mehr es dadurch der Körperwärme sich nähert, bevor es den Magen erreicht, desto zuträglicher erweist es sich. Je mehr ein sonst gesundes Pferd arbeitet, desto mehr ist die Lunge in Thätigkeit, und einem solchen Pferd, dessen Lungen erhitzt sind, den Magen mit kaltem Wasser anfüllen, das heißt durch die Kälte, die es ausströmt, den Kreislauf des Blutes binden, und je mehr Blut ein Pferd hat, um so gefährlicher. Rassepferde oder solche, die im Reit= und Kutschdienst Verwendung finden, deren Arbeit also eine schnellere Gangart, eine größere Respirationsthätigkeit erfordert, sind unbedingt, wenn sie erhitzt in den Stall kommen, mit ganz besonderer Sorgfalt zu tränken. Etwas ganz anderes ist es mit unseren Arbeitspferden, deren Bewegungsart in der Hauptsache der Schritt ist. Zeigt das Haar Schweißabsonderung, so ist damit nicht immer eine erhitzte Lunge verbunden. Eine besonders erhöhte Hautthätigkeit, ein starkes Haar setzt den Schweiß ab, ohne daß eine Erhitzung der Lungen stattzufinden braucht. Wann nun die rechte Zeit zum Tränken ist, während oder nach der Fütterung, in kleineren oder größeren Quantitäten, darüber ist schon viel verhandelt worden und wird heutzutage noch viel gestritten. Im Süden unseres Reichs, in Belgien, Frankreich und der Schweiz tränkt man die kalten Arbeitsschläge satt, sobald sie von der Arbeit kommen, und reicht ihnen dann erst Futter. Die Pferde gehen von selbst an den Wassertrog, bevor sie in ihren Stand treten, sie sind dabei entweder abgetrenst oder ganz abgezäumt. Wir brauchen übrigens nicht einmal so weit zu reisen, um eine solche Tränkweise zu finden, wir finden annähernd diese Tränkweise schon in unseren Gegenden, und man würde unbedingt davon zurückkommen, hätte man dabei schlechte und nachtheilige Erfahrungen gemacht. Die Wassertröge befinden sich aber bei uns in der Regel in den Ställen, sie werden nach Bedürfniß vollgepumpt, die Pferde saufen also gestandenes, der wärmeren Temperatur ausgesetztes Wasser, und das ist ein ganz besonderer Vortheil. Will man nun erhitzte, in schnellerer Gangart bewegte Pferde nach ihrer Aufstallung tränken, so ist immer ein Zeitraum von einer halben bis dreiviertel Stunden nothwendig, um das verdurstete, ausgetrocknete, nach Labung schmachtende Thier wieder aufzufrischen, und diese Erfrischung reicht man ihm der Sicherheit wegen durch eine dünne Heuschicht, auf die Wasserfläche des Eimers gelegt, wodurch ein zu schnelles Einziehen des Wassers sehr gehindert wird. Bei vollständig ruhiger Lungenthätigkeit ist das Tränken, wenn auch nicht bis zur Sättigung, gleich nach der Arbeit und vor dem Futter ganz angezeigt (wir brauchen ja nur an uns selbst zu denken, wir vermögen auch bei brennendem Durst nicht zu essen), nur muß das Tränkwasser, wie erwähnt, die richtige Temperatur besitzen. Ein mehrmaliges Tränken in kleinen Quantitäten erweist sich durchaus nicht als günstig und zwar deshalb nicht, weil die Verdauung einen erhöhten Wärmegrad beansprucht, aber dieser Wärmegrad durch zufließendes kaltes Wasser immer wieder herabgesetzt und gestört wird. Wollte man bei unseren Arbeitspferden das Tränken, vorzugsweise während der Mittagsruhe, zu weit hinausschieben, so würde die Zeit zur Stärkung des Thieres, zu der es auch Wasser braucht, kaum ausreichend sein, es würde daher gezwungen sein, ungestärkt seine Arbeit wieder aufzunehmen.
- Große Kartoffeln, die man zumeist auch zur Aufbewahrung in das Frühjahr hineinbenutzt, kochen sich gewöhnlich nicht ganz weich, insbesondere gegen das Ende des Winters und im Frühjahr. Zumeist ist der äußere Umfang der gekochten Kartoffel mehlig und oft aufgesprungen, während das Innere noch ganz fest und seifig erscheint. Diesem Uebelstand können unsere Hausfrauen nach dem "Oesterreichischen, landwirtschaftlichen Wochenblatt" ganz einfach dadurch abhelfen, wenn sie die größeren Kartoffeln, bevor sie sie ins Wasser geben, ein= oder zweimal mit der Stricknadel durch und durch stechen. Sie werden sich dann ganz gleichmäßig kochen.
- Menschenfresser. Im Gouvernements=Gericht von Krassnojarks wurde am 16. März das Urteil über die Gebrüder Prokopi und Nikita Kalin gefällt, welche unter Anklage standen, ihre 11 jährige Schwester Marja getötet und aufgegessen zu haben. Die genannten Geschwister lebten im Oktober und November 1884 mit noch einem Bruder David Kalin am Ufer des Flüßchens Pigeljas und ernährten sich durch Fischfang. Dieser war sehr unergiebig und David trennte sich daher von seinen Geschwistern um sein Glück an einem andern Platz zu versuchen. Die Entfernung zwischen den Zurückgebliebenen und dem Angehörigen betrug etwa drei Tagemärsche. Der Fang wurde immer schlechter und innerhalb zehn Tagen fingen Nikita und Prokopi nur zwei Hechte, so daß sie Hunger litten. In der Verzweiflung reifte im Kopf des vom Hunger gefolterten Prokopi der schreckliche Plan, die Schwester hinzuschlachten, um mit ihrem Fleisch sein und seines Bruders Lebens zu fristen. Zwei Tage trug er sich mit dem Gedanken und am dritten führte er ihn auch wirklich aus. Nikita war am Mord gar nicht beteiligt, aß aber auch von dem Fleisch der Marja. Die Brüder verzehrten alles Fleisch von der Leiche und spalteten auch die Knochen, um zum Mark zu gelangen. Prokopi Kalin legte ein reumüthiges Geständniß ab und erklärte, daß sein Bruder keinem Antheil an seiner That habe. Obwohl er sich bewußt war, welche schwere Strafe ihn treffen müsse, habe er doch nicht anders handeln können, und glaubt, daß er auch seinen Bruder hätte hinschlachten müssen, wenn nicht David mit Lebensmitteln zu ihnen gestoßen wäre. Das Gericht verurteilte Prokopi zu 13 1/2 Jahren Zwangsarbeit, beschloß, jedoch, das Urtheil dem Senat zuzusenden und eine Strafmilderung zu empfehlen. Nikita wurde freigesprochen.
- Rezept für eine gute Ehe. Wenn eine arabische Mutter ihre Tochter verheiratet, gibt sie dieser im Augenblick der Abreise folgende Ratschläge mit auf den Weg: Du verläßt jetzt Diejenigen, von denen Du ausgegangen bist; Du entfernst Dich aus dem Nest, das Dich so lange beschützt hat, von welchem Du Dich aufgeschwungen hast, um gehen zu lernen und du thust es, um Dich zu einem Mann zu verfügen, den Du nicht kennst, an dessen Gesellschaft Du nicht gewöhnt bist. Ich rathe Dir, ihm eine Sklavin zu sein, wenn du willst, daß er Dir gut sei. Begnüge Dich mit Wenigem. Achte beständig auf Das, was Deine Augen sehen könnten und sorge, daß seine Augen niemals schlimme Handlungen sehen. Wache über seine Nahrung, wache über seinen Schlaf; der Hunger verursacht Aufwallung, die Schlaflosigkeit erzeugt böse Laune. Trage Sorge für sein Eigenthum, behandle seine Angehörigen mit Güte. Sei stumm für seine Geheimnisse; wenn er fröhlich ist, zeige Dich nicht verdrießlich; wenn er verdrießlich ist, zeige Dich nicht fröhlich, dann wird Allah Dich segnen.


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