No. 88
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 11. November
1887
siebenundfünfzigster Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1887 Nr. 88 Seite 1]

Aus San Remo, 9. November, 10 Uhr 35 Minuten Abends. In dem mittlerweile wahrscheinlich gewordenen Falle, daß die hier versammelten Aerzte sich morgen dahin entscheiden, daß ein ernster Schritt zu unternehmen sei, wird der Kronprinz nach Berlin zurückkehren, wo Professor v. Bergmann alsdann die nothwendige Operation vornehmen würde. Dr. Mackenzie ist nur im Stande, eine Operation durch den Mund auszuführen, während zur Operation von außen ein hervorragender Chirurg nothwendig ist. Die Situation ist sehr ernst geworden.
Ueber das Befinden des Kronprinzen wird aus San Remo gemeldet, daß dasselbe im Allgemeinen andauernd ein vortreffliches sei. (?) Der Kronprinz macht sich viel Bewegung in freier Luft, Schlaf und Appetit sind gut. Dagegen hat das örtliche Leiden in den letzten Tagen einen ungünstigen Charakter angenommen. Obgleich keine Symptome von augenblicklicher Gefahr vorhanden sind, so hat Dr. Mackenzie doch darum gebeten, daß andere Spezialisten hinzugezogen werden; in Folge dessen sind Professor Schroeter=Wien und Privatdozent Dr. H. Krause=Berlin aufgefordert worden, nach San Remo zu kommen.
Bei dem Besuche des Kaisers von Rußland in Berlin, wird, wie nunmehr feststeht, auch Fürst Bismarck, dessen Befinden sich gebessert hat, zugegen sein.
Daß der Zar in der That daran denkt, nach Berlin zu kommen, das unterliegt keinem Zweifel mehr, hat er doch jetzt sogar seine preußischen Uniformen von St. Petersburg aus sich nach Kopenhagen schicken lassen; daß er in Berlin mit allen ihm zukommenden Ehren und Auszeichnungen empfangen werden wird, versteht sich von selbst, die große Frage, die sich jedem aufdrängt, aber ist die: was will er? was bezweckt sein Besuch? Man weiß, in wie hohem Grad der Zar allen öffentlichen Festlichkeiten abhold ist, man kennt seine Abneigung gegen alle Reisen im Ausland man weiß auch, daß die schlimmsten Hetzereien gegen Deutschland unmittelbar unter den Augen des Zaren geschehen, und doch kommt er nach Berlin! Man wird nicht fehlen, meint die "Post", wenn man annimmt, daß die wirklichen Urheber der Zarenreise ein politisches Geschäft im Auge haben, und wenn es auch nur aus einer Ermunterung gegenüber den russischen Werthen bestehen sollte. Ob diese Leute ihre Wünsche erfüllt sehen werden, bleibt abzuwarten, es scheint fast, als ob sie sich nicht verrechnen sollten, da die Börse immer fröhlicher wird, je näher der Zarenbesuch heranrückt. Erwähnt mag noch werden, daß dem Zaren die Absicht zugeschrieben wird, sich selbst und seine Politik beim deutschen Kaiser rein zu waschen. Allerdings ein schweres Stück Arbeit nach all' dem, was in letzter Zeit geschehen ist.
Krupp in Essen bot dem Erfinder des neuen russischen Sprengstoffes zwei Millionen Mark für das Geheimniß seiner Erfindung an, erhielt aber eine abschlägige Antwort, weil das Geheimniß schon einer Regierung gehöre.
Die National=Versammlung in Bulgarien hat den Gesetzentwurf, betreffend die Prägung von drei Millionen Nickel=Scheidemünzen, definitiv angenommen.


- Schönberg. Von dem am 8. November zusammengetretenen Ausschusse zur Wahl der Schöffen und Geschworenen aus dem Fürstenthum Ratzeburg für das Geschäftsjahr 1888 wurden gewählt:

a. in die Vorschlagsliste der Geschworenen:

  1. Postmeister Georg Krüger=Schönberg.
  2. Hofschmied Fritz Dräger=Schönberg.
  3. Kaufmann Franz Lundwall=Schönberg.
  4. Ackerbürger Jochen Boye=Schönberg.
  5. Hauswirth Joachim Siebenmark=Blüssen.
  6. Schulze Heinrich Lenschow=Gr. Bünsdorf.
  7. Hauswirth Heinrich Wigger=Grieben.
  8. Hauswirth Heinrich Koch=Rüschenbeck.
  9. Hauswirth Heinrich Oldenburg=Kl. Mist.
10. Hauswirth Johannes Nevermann=Dorf Wahrsow.
11. Hauswirth Wilhelm Oldörp=Ollndorf.
12. Domainenpächter Georg Dierking=Hof Lockwisch.
13. Domainenpächter Heinrich Rusch=Kl. Rünz.
14. Hauswirth Joachim Stein=Cronscamp.
15. Mühlenpächter Theodor Wieschendorf=Maurinmühle.
16. Kaufmann Wilhelm Siebenmark=Schlagsdorf.
17. Hauswirth Joachin Oldörp=Schl. Sülsdorf.
18. Schulze Heinrich Ollmann=Schlagsdorf.
19. Schulze Heinrich Hauschild=Ziethen.
20. Schulze Hans Meier=Schl. Sülsdorf.
21. Vice=Schulze Franz Ehlers=Panten.

b. zu Hauptschöffen:

  1. Restaurateur Ernst Kieselbach=Schönberg.
  2. Ackerbürger Wilhelm Böckmann=Schönberg.
  3. Lohgerber Ludwig Burmeister=Schönberg.
  4. Kaufmann Carl Burmeister=Schönberg.
  5. Gastwirth Heinrich Voß=Dorf Rabensdorf.
  6. Hauswirthanerbe Heinrich Burmeister=Retelsdorf.
  7. Schulze Joachim Busch=Rodenberg.
  8. Hauswirth Peter Grevsmühl=Sabow.
  9. Domainenpächter Johannes Breuel=Hof Selmsdorf.
10. Hauswirth Peter Maaß=Dorf Wahrsow.
11. Hauswirth Heinrich Lenschow=Petersberg.
12. Hauswirth Fritz Oldörp=Palingen.
13. Hauswirth Wilhelm Bade=Ollndorf.
14. Domainenpächter Alexander Kaiser=Stove.
15. Klempner Heinrich Lühr=Carlow.
16. Hauswirth Johann Holst=Schaddingsdorf.
17. Müllermeister Friedrich Koch=Bäck.
18. Käthner Hans Böttcher=Campow.
19. Schulze Heinrich Kähler=Lankow.
20. Hauswirth Joachim Planthaber=Gr. Mist.
21. Hauswirth Heinrich Hamann=Raddingsdorf.
22. Schulze Heinrich Stein=Rieps.
23. Müller Ernst Stübe=Mannhagen.
24. Landmann Fritz Thorn=Mannhagen.

c. zu Hülfsschöffen:

  1. Kaufmann Wilhelm Schrep=Schönberg.
  2. Bäckermeister Peter Hagen=Schönberg.
  3. Agent Joachim Böckmann=Schönberg.
  4. Realschullehrer Johannes Pleines=Schönberg.
  5. Landvogtei=Registrator Carl Köppen=Schönberg.
  6. Kaufmann Carl Schwedt=Schönberg.

Schönberg. Am 7. November d. Js. erlitt in Lockwisch der seinem Vater beim Schlachten behülfliche Böttchergeselle Br. einen Beinbruch dadurch, daß ihm die betäubte Kuh auf das Bein fiel.


Anzeigen.

Der Lederhändler Carl Rahn hieselbst hat beantragt, daß seine auf der Schönberger Stadtfeldmark belegenen Grundstücke, als:

[ => Original lesen: 1887 Nr. 88 Seite 2]

1. das im Rübencamp zwischen den Ländereien des Uhrmachers Vogel und des Kaufmanns Brüchmann belegene Ackerstück in Größe von angeblich 120 []Ruthen mit darauf erbauter Scheune
und
2. das im Lüttenmoor zwischen den Mooren des Webers Kloth, des Schuhmachers Kleinfeld, des Kaufmanns Maaß und des Böttchers Maaß belegene Moor in Größe von circa sechs Scheffeln Aussaat
zur Unterabtheilung A der ersten Hauptabtheilung des Hypothekenbuchs über sein zu Schönberg an der Siemzer=Straße sub Nr. 178 belegenes Wohnhaus c. p. mit aufgenommen werden.
Demzufolge werden hiermit alle Diejenigen, welche Realrechte an dem vorstehend sub 1 u. 2 bezeichneten Grundstücken zu haben vermeinen und deren Eintragung zu Hypothekenbuch verlangen, zu deren Anmeldung auf

Sonnabend, den 19. November d. J.,
Vormittags 10 Uhr

peremtorisch und unter dem Nachtheil hiermit aufgefordert, daß alle nicht angemeldeten und von der Meldungspflicht gesetzlich nicht ausgenommenen Realrechte an den proclamirten beiden Grundstücken sowohl gegen den jetzigen als auch die zukünftigen Besitzer derselben erloschen sein sollen.
Schönberg, den 1. September 1887.

Großherzogl. Amtsgericht.
G. Horn.

A. Dufft.         


Holz=Auction Nr. 3.

Am Sonnabend, den 19. November d. J., Vormittags 11 Uhr sollen beim Gastwirth Thies zu Ziethen, unter den im Termin bekannt zu machenden Bedingungen, nachstehende Hölzer öffentlich meistbietend bei freier Concurrenz verkauft werden.

1. Im Garnseerholze, Abth. f=3,36 ha Fichten mit einzelnen Kiefern bis zu 45 cm Stammdurchmesser, 85-90 jähr., ca. 1300 Festmet. Taxe pro Festmet. 10 Mk.
2. daselbst, Abth. i=2,06 ha Fichten mit Kiefern bis zu 45 cm Stammdurchmesser, 85-95 jähr., ca. 850 Festmet. Taxe pro Festmet. 10 Mk.
3. Im Forstorte Bahlen Abth. h=3,16 ha Kiefern mit einzelnen Fichten bis zu 40 cm Stammdurchmesser, 90jähr. ca. 950 Festmet. Taxe pro Festm. 10 Mk.

Der Zuschlag erfolgt im Termin, wenn das Gebot pro Maßeinheit die Taxe erreicht oder übersteigt. Sobald der Zuschlag erfolgt, hat der Käufer 20% des Kaufpreises des von ihm erstandenen Schlages an den Unterzeichneten zu entrichten. Die sonstigen Verkaufsbedingungen können bei den Herrn Förster Blanck-Schlagbrügge, Forstaufseher Behrens-Ziethen eingesehen werden und Letztere sind angewiesen den Reflectanten die Schläge vorzuzeigen.
Schönberg, den 23. October 1887.

                                                    Der Oberförster
                                                    C. Hottelet.


Armengeldhebung in Duvenest.

Zur Entgegennahme des Armengeldes für die 2. diesjährige Hebung von den Pflichtigen der Dorfschaft Duvenest wird der dortige Armenvorsteher Büdner J. Wittfoht in seiner Wohnung

am Montag, den 14. November d. J.,
Morgens von 10 Uhr ab

bereit sein.

                                                    Die Herrnberger Armenbehörde.


Auction.

Am Montag, den 14. November, sollen im Küsterhause zu Schlagsdorf gegen Baarzahlung viele Mobilien, darunter

ein großer alterthümlicher eichener Kleiderschrank und auch andere wirthschaftliche Sachen, darunter eine Decimalwaage, ein Drehbutterfaß pp.
meistbietend verkauft werden von Morgens 9 Uhr und Nachmittags 2 Uhr an, wenn nöthig auch noch am Dienstage.

                                                    J. Carlau,
                                                    Org., Küster und Lehrer.


Bekanntmachung.

Die nochmalige Hebung einer Armensteuer zum halben Beitrag ist erforderlich, es werden demnach alle Zahlungspflichtigen des Schönberger Armendistrikts hiermit aufgefordert ihre Beiträge fordersamst einzuzahlen.
Schönberg, den 7. November 1887.

Die Armenbehörde.


 Stadt Lübeck. 
Gr. Bauernball

am Donnerstag, d. 17. November cr.,, wozu ich mir erlaube die geehrten Hauswirthe ergebenst einzuladen.

                                                    J. H. Freitag.


Stadt Lübeck.

Am Sonnabend, den 12. und Sonntag, den 13. d. Mts. Anstich von Ansbacher Hürnerbrau, wozu ergebenst einladet

                                                    J. H. Freitag.
NB. Am Sonntag: Tanzmusik.


Zu sofort wird für einen einzelnen Herrn
eine Wohnung v. etwa 3 Zimmern

gesucht, möbliert oder nicht möbliert. Wohnungen in der Nähe des Marktes oder in der oberen Siemzerstraße werden bevorzugt. Meldungen erbittet

                                                    Pastor Langbein.


Gute Kocherbsen,
leicht brechend empfiehlt                                                    
                                                    W. Wieschendorf.


Ein Hebezeug
wird zu kaufen gesucht                                                    
                                                    F. Lundwall.


Zu dem am Donnerstag, den 24. November bei mir stattfindenden

Bauernball

erlaube mir die Herren Hauswirthe hierdurch ergebenst einzuladen.

Schönberg.                                                     J. Boye.


[ => Original lesen: 1887 Nr. 88 Seite 3]
Logo der Hagelassekuranz     

Da wir in diesem Jahre keinen Hagelschaden zu vergüten haben, soll nach Beschluß in der heutigen General=Versammlung auch nur ein Beitrag von 20 Pfg. pro 100 Mark Versicherungssumme zur ferneren Vergrößerung unseres Reservefonds - der jetzt bereits 20,200 Mark beträgt - erhoben werden.
Unsere Mitglieder werden ersucht, solchen Beitrag am

Mittwoch, den 30. November, Vormittags 10 Uhr,
im Boye'schen Gasthof hierselbst einzuzahlen.

Schönberg, den 2. November 1887.

Direction der Hagelversich. im Fürst. Ratzeburg.
J. Kröger.                                                     Wilh. Heincke.


50 000 Mark
ist der Haupttreffer, welcher schon in der ersten Ziehung der Grossen 293. Hamburger Geldverloosung sicher gewonnen wird.
Wir versenden hierzu unter Nachnahme:

1/1 Original-Loose à 6 Mk.
1/2 do. à 3 Mk.
1/4 do. à 1 Mk. 50 Pf.
fügen auch amtlichen Verloosungsplan bei und geben nach Ziehung prompt Nachricht, unter Beilegung der Gewinnliste. Jeder Auftrag wird prompt ausgeführt.
Man wende sich also baldigst an

die Hauptkollecte von
Mindus & Marienthal
in
Hamburg.


Die Apotheke zu Schönberg
empfiehlt:
Viehwasch=Pulver
in anerkannt sicherer Wirkung.
Scillitin-Latwerge
gegen Ratten, für Hausthiere unschädlich.
Phosphor-Pillen
bestes Mittel gegen Feldmäuse.


Fleischküben
empfiehlt                                                     Aug. Spehr.


Beste
neue türkische Pflaumen
empfiehlt                                                    Aug. Spehr.


Flinten
in großer Auswahl bei                                                    
Ludw. Warncke-Mölln.


Schwarz'sche Pflüge,
(jede Art) sowie sämtl. dazugehörige Stahlschaare, Stahl=Streichbretter, Sohlen und Schrauben bei
                                                    Ludw. Warncke
                                                    in Mölln.


Zu Weihnachten ds. Js. suche ich einen jungen Mann und ein junges Mädchen zur Erlernung der Holländerei, gegen Lohn.

                                                    L. Dermmann, Holländereipächter,
                                                    Torrisdorf bei Schönberg.


Vorläufige Anzeige!

Im Laufe ds. Mts. gedenke ich mich in Schönberg als Rechtsanwalt niederzulassen.

                                                    H. Fölsch, Referendar.


Soeben erhielt eine Ladung                                                    
Kiepen=Tannen
und empfehle dieselben billigst ab Bahnhof.                                                    
                                                    A. Wigger Nachf.


Diedrich Teschau, Lübeck,
Messerfabrikant,
Reparatur-, Schleif- u. Polir-Werk,
- 24 - Breitestrasse - 24 -
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Messer und Scheeren,
Löffeln und Forken. Gärtner- und Schlachter-Artikel
sowie alle andern
Handwerker-Messer u. - Scheeren
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Ganzer Aussteuern
in meinen Artikeln bewillige ich
10% Rabatt.
Anfertigung künstlicher Glieder
und Bandagen
in eigner Werkstatt, genau nach Mass, schnell und zu sehr mässigen Preisen.
Waffen und Munition.
Barometer und Thermometer.
Zirkelbestecke.


Ascheimer & Kohleneimer
empfiehlt zu billigen Preisen                                                    
                                                    J. Ludw. D. Petersen.
                                                    Schönberg.


Zahle bis 20 Mark
für alte Briefmarken und Freicouverts von 1848-1870. A. Wunsch Pr. Crt.
                                                    H. Steinecke,
                                                    Hannover, Lemförderstraße 12.


Särge!

aus Eichen= und Tannen=Holz, hält in großer Auswahl stets vorräthig und empfiehlt solche zu den billigsten Preisen.

                                                    Kiel & Rindfleisch.


Kornrummeln u. Rübenschneider
in sehr vielen verschiedenen Größen vorräthig auf Lager bei                                                    
                          Ludw. Warncke-Mölln.


[ => Original lesen: 1887 Nr. 88 Seite 4]

Rechnungs=Abschluß
für das Geschäfts=Jahr 1886/87.
--------------

[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]

Rostock, 30. September 1887.

Ritterschaftliche Brand=Versicherungs=Gesellschaft.
      Das Direktorium.                                                    Die Revisions=Commission.
von Oertzen.     von Lützow.     Hillmann.                           Staunau.     Rettich.     Eckermann.


Auf dem Baubrink zu Schönberg.
Grosser Londoner
Circus Pinder.
Nur 1 Tag:
Dienstag den 15. November.
Das größte und älteste Etablissement in seinem Genre.
110 Pferde und Ponies,
Elephanten, Kameele, Dromedare etc.
Nur 2 Vorstellungen:
Um 3 Uhr Nachmittags und 7 1/2 Uhr Abends.
Grosser
Gala-Umzug um 2 Uhr
In der Nachmittags-Vorstellung zahlen Kinder die Hälfte.
Es ladet freundlichst ein für die Direction                                                                              
                                                                              Julius Block.


Kirchliche Nachrichten.
Sonntag, den 13. November.

Vormittagskirche: Pastor Kaempffer.
Abendkirche (6 Uhr): Pastor Langbein.
Amtswoche: Pastor Kaempffer.


Getreide=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Markt=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Hierzu eine Beilage.


Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.


[ => Original lesen: 1887 Nr. 88 Seite 5]

Beilage
zu Nr. 88 der Wöchentlichen Anzeigen für das Fürstentum Ratzeburg.
(Schönberger Anzeigen.)
Schönberg, den 11. November 1887.


Ein neues Infanterie=Gewehr.

Deutschland wird abermals ein neues Infanteriegewehr einführen - das ist, wie aus verschiedenen Anzeichen hervorgeht, in unseren leitenden militärischen Kreisen beschlossene Sache. Diese Nachricht kommt nicht ganz unerwartet; schon seit mehreren Wochen waren Gerüchte im Umlauf, welche andeuteten, daß auch wir vom großen Kaliber zum kleinen werden übergehen müssen. Bekanntlich ist Deutschland der erste Staat gewesen, welcher mit der Einführung des Repetiergewehrs vorging; im vorigen Sommer wurde uns plötzlich die überraschende Kunde, daß bereits seit zwei Jahren in verschiedenen Fabriken an der Herstellung der neuen Schußwaffe gearbeitet werde, daß bereits 100 000 Stück davon fertig gestellt seien, und daß diese Waffe uns für eine Reihe von Jahren vor allen übrigen Völkern eine ungeheure Ueberlegenheit sichern müsse. Dem war in der That so. Aber als die deutsche Armee fast vollzählig mit dem Repetiergewehr ausgerüstet war, da hatten inzwischen auch die Nachbarstaaten Anstalten getroffen, das Versäumte nachzuholen. Das ist ihnen, wie sich jetzt zeigt, mit leider zu gutem Erfolge gelungen.
Die Kardinalfrage bei der Einführung des Magazingewehres betrifft die Größe des Kalibers. Die ungeheure Vervollkommnung, welche die Schußwaffen im Laufe der letzten Jahrzehnte erfahren haben, läßt die eine Thatsache feststehend erscheinen, daß die Wirkung des Schusses bis zu einem gewissen Grade zunimmt, je kleineres Kaliber der Lauf hat, aus dem das Geschoß geschleudert wird. Diese Erfahrung war maßgebend, als in den sechziger Jahren das frühere große Kaliber durch das 11 mm System verdrängt wurde.
Auch bezüglich des Repetiergewehres hat sich Deutschland bekanntlich für 11 mm Kaliber entschieden. Frankreich wählte dagegen das 8 mm Kaliber. Oesterreich=Ungarn folgte anfänglich dem deutschen Beispiel, stellte jedoch plötzlich, vor einigen Wochen, als bereits über 200 000 Gewehre fertig waren, die Fabrikation ein und entschloß sich zur Einführung des 8 mm Kalibers. Nunmehr ist auch die deutsche Militärleitung zur Einsicht gelangt, daß das 8 mm Magazingewehr einen großen Vorsprung vor allen anderen Schußwaffen besitzt, und die Einführung desselben auch in der deutschen Armee scheint unmittelbar bevorzustehen. Die "Post" bereitet darauf vor, daß der Reichstag in der bevorstehenden Session um Bewilligung der finanziellen Mittel angegangen werden wird, welche erforderlich sind, an Stelle des kaum noch in der gesamten Armee eingeführten adaptierten Infanterie=Gewehrs M./71.84 einen neuen Mehrlader herzustellen. Die "Post" schreibt u. a.: "Das (französische) 8, mm oder sagen wir, das kleinste Kaliber ist dem 11 mm oder kleinen Kaliber in ähnlicher Weise ballistisch überlegen, wie letzteres dem längst aus dem Waffenmaterial verschwundenen großen Kaliber. Nun ist aber das 8 mm Kaliber noch gar nicht das kleinstdenkbare; es soll auch ein 7 1/2 mm Kaliber für ein Kriegsgewehr noch im Bereiche der Möglichkeit liegen. Es giebt also für uns noch immer ein Mittel, die Franzosen in diesem Punkte zu überflügeln." Das jetzige Infanteriegewehr M./71 soll vorläufig zur Bewaffnung der Besatzungstruppen verwendet werden.


- Die Moltke's sind ein altes, weitverbreitetes Geschlecht. Auch in Schweden giebt es eine gräfliche Linie Moltke. Bei dieser machte der alte Feldmarschall auf Bitten seines Neffen und Adjutanten den Freiwerber. Der alte Herr hatte seinen Besuch der ihm bis dahin persönlich nicht bekannten Familie in Schweden angekündigt, ließ in seine Reisetasche die nothwendigsten Kleidungsstücke packen und begab sich auf die Fahrt dorthin. Im schwedischen Schloß war zur Zeit der Ankunft des Generalfeldmarschalls alles vorbereitet und die gesammte Familie versammelt, um den berühmten Namensvetter auf würdige Weise zu empfangen. Doch wie erstaunte man, als ohne jede Begleitung, mit einer Reisetasche in der Hand, ein alter preußischer Offizier durch das Schloßportal schritt. Hatte man doch erwartet, daß ein preußischer Graf von solcher Stellung und ein solch berühmter Feldmarschall, noch dazu in Anbetracht des Zweckes seiner Reise, mit allem Pomp und in großer Begleitung auftreten würde. Aber nichts von alledem! Die junge schwedische Gräfin erregte derartig seinen Beifall, daß er zu der geplanten Familienverbindung seine Zustimmung gab und seine neue Nichte zur Adjutantin seines eigenen Haushalts ernannte. Und für alle Betheiligten hat sich bis zum heutigen Tag an diesem Bund der reichste Segen erfüllt. Das Moltke'sche Heim wird noch heute gern von den Mitgliedern der preußischen und auswärtigen Königsfamilien aufgesucht und nicht selten ereignete es sich in früheren Jahren, daß der Kaiser, Kronprinz und Prinz Wilhelm nebst ihren Gemahlinnen sich beim Grafen Moltke zum Frühstück ansagen ließen.
- Aus Neapel wird über ein einzig dastehendes Vorkommniß berichtet: Im Hospital Santa Maria ist ein Aufstand der kranken Frauen ausgebrochen, deren Zahl sich auf mehrere Hundert beläuft: Die hauptsächlichste Ursache des Aufstandes war das Verbot, fernerhin Besuche zu empfangen, da sich herausgestellt hatte, daß die kranken Frauen auch männlichen Besuch erhalten hatten. Die rasenden Weiber trieben zuerst die pflegenden Schwestern aus dem Hause; die übrigen Nonnen flüchteten sich nach der Polizeistation. Dann wurde im Hospital alles buchstäblich zertrümmert. Mit Tischmessern bewaffnet stürmten die Aufsässigen auf die Polizei ein, die sich den Eingang mit Gewalt erzwungen hatte. Nun erschienen zwei Abtheilungen Soldaten, welche anfänglich zögerten, die Weiber anzugreifen, schließlich aber, da sie mit Stühlen, Schüsseln, Flaschen, eisernen Bettstangen u. s. w. beworfen wurden, mit gefälltem Bajonett vorgingen. Der Aufstand dauerte acht Stunden, zahlreiche Verwundungen kamen dabei vor.
- Ein russisches Blatt veröffentlicht das Statut eines Clubs in einer kleinen Stadt im Gouvernement Tschernizow. Das Aktenstück verdient wenigstens im Auszuge wiedergegeben zu werden: 1. Es ist verboten, den Club mit Transtiefeln zu betreten. 2. Den Krämern ist untersagt, in den Club mit ihren Alltagskleidern zu kommen, welche mit unangenehmen Gerüchen behaftet sind, wie Fisch=, Juchten=, Thrangeruch. 5. Bei allen Oster= und Neujahrsbällen ist der Frack unerläßlich. Wer sich in einer Sammetweste oder mit grünem Halstuch einstellt, zahlt einen Rubel Strafe. Die Strafgelder werden zur Bezahlung der Musiker verwendet. 6. Den Herren Clubmitgliedern ist ausdrücklich untersagt, an den Tanzabenden in die Fenstervorhänge zu schneuzen. Zuwiderhandlungen werden mit Ausstoßung aus dem Club bestraft. 7. An den Tanzabenden darf im Damensalon nicht geraucht werden, bei Strafe von 25 Kopeken. Die Bußgelder werden zur Anschaffung von Poudre und Kölnischem Wasser für die Damen verwendet. 9. Bei den Quadrillen ist das Cancaniren verboten. Ueberhaupt darf Niemand die Grenzen der Schicklichkeit überschreiten. 10. Es ist streng untersagt, sich über das Maß des Wohlanständigen hinaus zu betrinken, wie dies bisher vorgekommen. 11. Es ist verboten, beim Kartenspiel dem Partner in's Gesicht zu schlagen. 12. Im Falle von Streitigkeiten beim Billardspiel ist es streng untersagt, den Partner mit dem Billardstock zu schlagen.
- In Darmstadt sind in diesem Jahre die Masern heftiger denn je aufgetreten. Man zählte im Laufe des Jahres 4000 Erkrankungen und 51 Todesfälle.

[ => Original lesen: 1887 Nr. 88 Seite 6]

- Die "Cohn=Prozesse" - so wird der "Frankf. Ztg." von Kassel geschrieben - haben nun ihr Ende erreicht. Bekanntlich hatte der Kaufmann Emil Cohn in Hamburg eine große Zahl deutscher Blätter verklagt, weil diese eine beleidigende Notiz über ihn gebracht hatten. Er erstritt auch eine Reihe obsiegender Urtheile, zog aber die übrigen Klagen zurück, als es sich herausstellte, daß die betreffende Nachricht zuerst in dem antisemitischen "Reichsgeldmonopol" zu Kassel gestanden hatte. Gegen das genannte Blatt klagte Cohn nun. Am 21. Septbr. wurde dessen Redakteur L. Werner vom Schöffengericht wegen öffentlicher Beleidigung mit einer Geldbuße von 30 Mark bestraft. Gegen das Urtheil hatten sowohl der Privatkläger, dem die Strafe zu gering war, als der Verurtheilte Berufung eingelegt, welche vom Landgericht verhandelt wurde. Das Ergebniß der Verhandlung war, daß der Berufung des Privatklägers stattgegeben und der Verklagte zu 100 Mark verurtheilt wurde.
- Durch Kaiserliche Verordnung ist nunmehr bestimmt, daß bei denjenigen Militair=Musikcapellen, deren Instrumente noch nicht die Pariser Stimmung besitzen, letztere bis zum 1. August 1891 einzuführen ist. Der Normal=Stimmton ist nach den Hauptbeschlüssen der zu Wien im November 1885 abgehaltenen Stimmtonconferenz dasjenige A. dessen Höhe durch 870 einfache Schwingungen in der Secunde bestimmt wird. Da einzelne der im Handel vorkommenden Stimmgabeln den Normalton nicht genau angeben, so sind die Truppentheile angewiesen, sich durch den Armee=Musikinspicienten Voigt in Berlin eine Stimmgabel mit dem Normalton beschaffen zu lassen oder demselben eine Stimmgabel zur Prüfung und zum Vergleich mit der bei der Königlichen academischen Hochschule für Musik aufbewahrten Normal=Stimmgabel einzusenden. (A. d. Armee=V.=Bl.)
- Das neue leichtere Gepäck soll, wie man hört, am nächsten 1. April in der Armee eingeführt werden. Die diesjährigen Rekruten sollen daher die sogenannten kleinen Montirungsstücke schon nach den neuen Modellen erhalten.
- In Sofia herrscht Jubel; am Sonnabend Vormittag ist dort auf dem Bahnhof die erste Lokomotive eingetroffen. Ihr Erscheinen wurde mit einem großen Festmahl gefeiert, dem auch der Fürst von Bulgarien beigewohnt hat.
- Für die Schießgewehre sorgt die Mutter des Fürsten Ferdinand. Sie soll für die Ausrüstung der bulgarischen Armee mit Gewehren eine Garantie bis zu 5 Millionen Franks übernommen haben.
- Der bayerische Prinzregent hat dem Papst zu seinem Jubiläum ein in haarfeiner Seide gesticktes Christusbild geschickt, an welchem 6 Damen 2 1/2 Jahre gearbeitet haben. König Ludwig II. hatte es bestellt, es sollte als Schmuck über dem Kopfende seines Bettes dienen.
- Dem Reichsgericht in Leipzig gehören zur Zeit an 1 Präsident, 9 Senatspräsidenten und 69 Räthe, wozu 1 Oberreichsanwalt und 4 Reichsanwälte kommen. Die Gesammtzahl der Richter im deutschen Reich beträgt jetzt 7087, die Gesammtzahl der Rechtsanwälte betrug am 1. Januar d. J. 4787 und ist seit 7 Jahren um 696 gestiegen. Der Durchschnitt von ganz Deutschland ergiebt, daß auf 9741 Einwohner ein Anwalt kommt.
- Die Beschlüsse des deutschen Landwirthschaftsrathes bezüglich der Zollerhebungen sind folgende: Weizen und Roggen pro 100 kg 6, Hafer 3, Buchweizen 2, Hülsenfrüchte 2, andere Getreidearten 2, Gerste 3, Raps, Rübesaat, Mohn, Erdnüsse und anderweitige Oelfrüchte 5, Leinsaat, Baumwollsamen, Rizinussamen 5, Mais und Syrischen Darf 3, Malz 6, Cichorien, getrocknete Rüben 2, Fleischextrakt und Tafel=Bouillon 40, Mühlenfabrikate aus Getreide= und Hülsenfrüchten 15, Schmalz aller Art, schmalzartige Fette mit Ausnahme von Gänse= und Schweinefett, Oelmargarin, Rindsmark etc. 20, Talg von Rindern und Schafen 10, Pferde pro Stück 50, Fohlen bis zu 1 Jahr und Ponys von 1,30 m Höhe 20 (säugende Fohlen frei), Schweine pro Stück 10 Mk. Auf Kleie wurde 50 Pfennige gelegt und beschlossen, daß bei Einbringung von Getreide in gemischte Transitlager der Zoll baar bezahlt werden muß. Opposition zu machen, war sehr gefährlich, wie der Breslauer Professor der Nationalökonomie v. Miaskowski zu seinem Schrecken erfahren hat. Er soll aus dem Landwirthschaftsrath ausgetreten sein.
- In der Verteuerung des Geldes hat Prof. Conrad in Halle nunmehr die eigentliche Ursache der Bewohlfeilerung der Lebenmittel und des Getreides gefunden. Er regt im Anschluß daran wiederum die Beseitigung der Goldwährung an.
- Bei der Branntweinsteuer ist der hinkende Bote etwas theuer. Die Nachsteuer beträgt 18 Millionen Mark.
- Aus dem Rheingau wird gemeldet, daß der heurige Wein herzlich schlecht geraten ist. Chemische Untersuchungen von Proben, aus den verschiedensten Lagen entnommen, haben dargethan, daß der Most nur 10 bis 14 Prozent Zucker enthält und der Säuregehalt zwischen 12 und 16 pro Mille schwankt, ein Ergebniß, das zu keinen großen Hoffnungen berechtigt, wenn man erwägt, daß ein ziemlich guter Wein an Säuren nur 6 bis 8 pro Mille enthält. Der 1887 wird jedenfalls ein Wein werden, welcher ohne Wasser= und Zuckerzusatz ungenießbar bleibt; er wird sich ungefähr dem 1882er gleichstellen.
- Die Station Augsburg passiert seit 1. Okt. fast täglich ein Extra=Güterzug mit 50 und mehr Wagen, die größtentheils mit Getreide und Obst beladen sind. Dieselben bringen enorme Quantitäten von Gerste und Weizen aus Ungarn und große Mengen von Obst aus Tyrol und Italien, welche vorwiegend nach Württemberg, Baden und dem Elsaß eingeführt werden.
- Im bayerischen Allgäu hatte man in der vorigen Woche die achtenswerthe Kälte von 10-12° Celsius.
- Ein in München dienender Einjährig=Freiwilliger, der Sohn eines gefeierten Hofopernsängers, ohrfeigte vor der Front seinen Unteroffizier und wurde in Folge dessen sofort in die Untersuchungshaft abgeführt. Der junge Mann, den eine langjährige Festungsstrafe treffen dürfte, erregt allgemeines Bedauern.
- Für Turnerkreise ist von Interesse, daß ein Herr Heimgärtner in Frankfurt a. M. ein Springpferd konstruirt hat, das durch bloße Drehung einer Kurbel nach Belieben höher und niederer gestellt werden kann, ohne daß die Anwendung von Pflöcken nöthig ist. Sachverständige sprechen sich sehr anerkennend über die Neuerung aus.
- In Leipzig begeht die älteste studentische Verbindung an der Universität, das Korps Lusatia, im November d. J. ihr 80jähriges Jubiläum.
- Der Stettiner Kriminalpolizei ist es nach langem Suchen endlich gelungen, in den Nachbarorten Grabe und Bredow eine aus drei Männern bestehende Falschmünzerbande, die seit Ostern die dortige Gegend mit falschen Zweimarkstücken überschüttet hatte, auszuheben. In der Werkstätte der Falschmünzer, die sich in einem einsam gelegenen Hause in Bredow befand, wurden Gipsformen, Metall, zahlreiche falsche Stücke und eine beträchtliche Summe echten Geldes vorgefunden.
- In Bromberg ist ein Bäcker, welcher verdorbene Backwaare aufweichte und wieder verbuck, zu einem Monat Gefängniß verurtheilt worden.
- Auf dem Kreuzberge bei Bonn hat man jetzt Gelegenheit die Leichname der Ordensmänner zu sehen, da 8 mit einem Glasdeckel versehene Särge kürzlich in dem dortigen Todtenkeller aufgestellt wurden.
- Seit einiger Zeit liest man wieder viel mehr von Erkrankungen und Todesfällen an Trichinosis. In mehreren Dörfern des sächsischen Vogtlandes sind mehrere Hundert Leute erkrankt und 14 gestorben.
Im Hainsdorfer Grund im sächsischen Voigtlande sind über achtzig Personen mehr oder minder schwer an der Trichinosis erkrankt, von denen bereits 8 gestorben sind. In manchen Häusern liegen Familien in der Stärke bis zu 6 Personen darnieder,

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die sämmtlich von einem kranken Schweine gegessen haben. Die Sektion der ersten Leiche zeigte, daß die Magenwände von den Trichinen wie ein feines Sieb durchlöchert waren.
- In Wildemann, dem allen Harztouristen wohlbekannten kleinen Bergstädtchen, ist eine Trichinosisepidemie ausgebrochen, an der bis jetzt 100 Personen erkrankt sind. Das Fleisch, welches die Erkrankung verursacht hat, ist in einem dortigen Fleischergeschäft gekauft worden, in dem sich bei der Untersuchung noch trichinenhaltige Wurst vorfand.
- Vor der Prüfungscommission beim Landgericht zu Rostock hat der Rechtscandidat Felix Loeper aus Neubrandenburg die erste juriste Prüfung
abgelegt.
- Der Kastellan des abgebrannten Cirkus Renz in Hamburg, wurde wegen Verdachts der Brandstiftung verhaftet.
- In Oels ist der Fleischbeschauer Kummer wegen fahrlässiger Tödtung zu 6 Monaten Gefängniß verurtheilt worden. Er hatte ein Schwein für trichinenfrei erklärt, das sich sehr stark trichinös erwies. 20 Personen waren nach dem Genuß des Fleisches schwer erkrankt, eine gestorben.
- Beim jetzt bedingungslos beendeten Osnabrücker Strike haben die Arbeiter einen Lohnausfall von rund 25 000 Mark erlitten.
- Der kommandirende General des württembergischen Armee=Korps von Alvensleben, 60 Jahre alt, feierte am Montag seine Vermählung mit der 18jährigen Baronesse Gabriele von Berlichingen.
- Ein russischer Genie=Offizier hat einen kleinen tragbaren Apparat erfunden, mit dem man im Krieg die telegraphischen Depeschen des Feindes abfangen, sowie durch Antwort denselben täuschen kann. Der Apparat befindet sich in einem länglichen Kasten und wiegt nicht ganz 3 Pfund. So berichten französische Blätter und die müssen es ja wissen, auch freut man sich in Frankreich darüber.
- Die Behörden in Chicago treffen bereits alle Vorbereitungen für die Hinrichtung der Anarchisten, die am 11. November stattfinden soll. Die Anarchisten sollen in zwei Partien, zuerst 4, dann 3, gehängt werden, da der Galgen nicht breit genug für 7 ist. Im Zeughaus stehen 1500 Soldaten mit einer Batterie Artillerie bereit.
- Bei dem Magistrat in Berlin haben sich 6000 Leute aller Klassen und Berufsarten als Hülfsarbeiter gemeldet. So groß ist die Arbeitsnoth auch unter den Gebildeten. Zu Inspektoren und Aufsehern in den Markthallen haben sich 3000 Personen gemeldet.
- Der Name des Staatssekretärs v. Stephan wird in allernächster Zeit dadurch verewigt werden, daß nach ihm die im Stadttheil Moabit bei Berlin belegene Straße 176 "Stephanstraße" und der in der Nähe befindliche große Platz "Stephanplatz" benannt werden wird.
- Cleveland, der amerikanische Präsident, hat eine Reise in den Westen angetreten, um sich seinen Wählern persönlich zu zeigen und wo nöthig zu ihnen zu sprechen. Da er sich keiner festen Anstellung erfreut, wie seine Kollegen in der alten Welt und seine Zeit im nächsten Jahr abläuft, so sagen die Leute, er mache eine Wahlreise. Er ist überall gut aufgenommen worden, am besten in Chicago, wo er fast erdrückt worden wäre, weil die Leute dort am wärmsten oder neugierigsten waren.
- Im Norden Berlins bietet ein Bäcker mittels großer Plakate 5 Pfund schwere Brote für 45 Pfennig. an und giebt das zehnte Brot noch gratis dazu.
- In Karlsruhe ist ein Hypnotiseur zu 14 Tagen Gefängniß verurtheilt worden, weil er einen 19 Jahre alten Burschen durch einschläfernde Handbewegungen, während dieser langsam ein Glas Wein austrank, in einen Schlaf versetzte, welcher todähnlich war und 18 Stunden anhielt.
- In Tübingen wurde eine Kindesmörderin Franziska Langheinz, ein Scheusal von Weib, welche aus Habsucht ihre achtjährige Stieftocher mit Spiritus und Erdöl begossen und dann verbrannt hatte, durch den Scharfrichter Schwarz mittelst Fallbeils hingerichtet. Die Delinquentin starb reumütig.
- Die Stürme auf dem Meer machen keinen Unterschied unter den Völkern. In dem einzigen Monat September sind an Segelschiffen verloren d. h. untergegangen 18 amerikanische, 3 österreichische, 35 englische, 10 chilenische, 4 dänische, 5 holländische, 4 deutsche, 7 italienische, 12 norwegische, 3 schwedische etc., im Ganzen 110. Dampfschiffe gingen verloren: 5 englische und ein spanisches.
- In Balan (Ain=Departement, Frankreich) stürzte während des Gottesdienstes die Kirche ein. Eine große Anzahl von Personen ist mehr oder minder verletzt, jedoch niemand getödtet worden.
- Ein Bauer in Sievershagen, Dom.=Amts Doberan, dessen Tochter sich verlobt hatte, untersagte dem Brautpaar, sich der standesamtlichen Eheschließung zu unterziehen, weil er der Meinung ist, daß durch diese die kirchliche Trauung entheiligt werde. Da nun die kirchliche Trauung ohne vorgängige standesamtliche Eheschließung in Deutschland nicht zu erlangen steht, so sandte er das Brautpaar nach Schweden, um dort, wo es noch keine bürgerliche Eheschließung giebt, die kirchliche Trauung nachzusuchen.
- Ein ganz seltenes Exemplar von einem Fuchs ist kürzlich unweit von Elberfeld auf einer Jagd bei Eisenschmitt geschossen worden. Der Pelz dieses Fuchses ist mit thalergroßen weißen Flecken geziert, so daß das Thier das Ansehen eines scheckigen Hundes hatte.
- In München bestand bei zwei Regimentern der Befehl, daß Ehrenposten zwei Stunden unausgesetzt neben ihren Schilderhäusern stehen mußten, ohne bei Hitze oder Kälte einen Schritt rechts oder links machen zu dürfen. Dieser Befehl ist jetzt für den Winter aufgehoben. Nicht auch für den Sommer, wenn sich überhaupt die Sache bestätigt? In Frankreich bestand im Militär noch vielfach das Herkommen, daß Rekruten "geprellt", d. h. auf eine Decke gelegt und in die Höhe geschleudert wurden. In dem neuesten Fall wurde der Unteroffizier, der es gestattet hatte, zu 60 Tagen Haft verurtheilt. Es ist jetzt streng verboten worden.
- In New=York üben nicht weniger als 150 weibliche Aerzte die Praxis aus, in Brooklyn und anderen Städten eine doppelte Anzahl. Einige dieser Doktorinnen in New=York versteuern ein gesetzliche Einkommen von 2000 Pfd. Sterling, zwei sogar die doppelte Summe und eine, die gesuchteste von allen, sogar 5000 Pfd Sterling. Sie beschränken sich übrigens zumeist, wenigstens im Anfang, auf die Behandlung von Kranken ihres eigenen Geschlechts.
- In Craig=y=Nos Castle, dem wallisischen der Adelina Patti in England, ist dieser Tage ein größerer Einbruch verübt worden. Die Diebe stiegen durch eines der Fenster ein und entwendeten werthvolles Geschmeide, welches Herrn Nicolini, dem Gemahl der Primadonna, gehört.
- Die musikalische Landplage "Fischerin du Kleine", hat in Magdeburg jäh ein Ende gefunden. Die dortige Polizei hat nämlich auf Antrag des Dichterkomponisten Ludolf Waldmann den Musikanten mit mechanischen Instrumenten, insbesondere, den Leierkastenmännern, verboten, "die kleine Fischerin" zum Vortrag zu bringen.
- Will man ein Licht die ganze Nacht hin durch matt brennend erhalten, so lege man dicht um den Docht herum fein gepulvertes Kochsalz. Das Licht brennt nur mit Schwacher, aber gleichmäßiger Flamme so langsam ab, daß ein kleines Licht für die ganze Nacht hinreicht.
- Zum Reinigen von Flaschen und sonstigen Glasgefäßen bedient man sich neuerdings der Sägespäne, die man in das bezügliche Gefäß, mit Wasser vermengt, schüttet und tüchtig durchschüttelt. Nach mehrmaliger Behandlung mit diesem Reinigungsmittel sollen selbst Flaschen, in denen stark riechende Flüssigkeiten enthalten waren, zu jedem Gebrauche wieder tauglich werden.
- Großvater Gounod, der berühmte Komponist, wußte sich zu helfen. Die gassenhaurischen Wiegenlieder, mit welchen Amme und Wärterin seines ersten Enkels diesen einlullten, waren seinem

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Ohr ein Greuel; da sie aber keine anderen kannten, ging er in ein Nebenzimmer, componirte in einem Zuge drei reizende Wiegenlieder und studirte sie den Hüterinnen des Enkels persönlich ein. Ganz Paris (Halb=Paris hat bekanntlich keine Kinder) singt sie nun nach.
- Zur Frage "Mir oder Mich" bemerkt ein Berliner Blatt: Der alte Wrangel hatte diese Frage seinerzeit schon entschieden und zwar dahin, daß das "janz ejal" sei. Von seinem Kriegsherrn dereinst wegen ständigen Verwechselns von mir und mich geneckt, behauptete Wrangel kühn: "Das ist janz ejal, mir oder mich," und zum Beweis schrieb er 50 Einladungen zu einer solennen Gasterei. Auf 25 Einladungen war zu lesen: Ich gebe mir die Ehre u. s. w. und auf 25: Ich gebe mich die Ehre u. s. w. Zu Papa Wrangels glänzender Rechtfertigung erschienen alle Gäste.


Der Kampf mit dem Todten.

Unter dieser auffallenden Ueberschrift erzählt in der Wiener "Neuen Freien Presse" eine deutsche Frau aus Mexiko einen Vorfall, dessen Wahrscheinlichkeit uns einigermaßen zweifelhaft erscheint. Doch ist die Begebenheit dem genannten Blatt selbst derartig interessant erschienen, daß es dieselbe zum Abdruck gebracht hat, Fachleuten die Entscheidung darüber anheimstellend, ob die Sache überhaupt denkbar sei oder nicht. Die Frau schreibt aus Chihuahua in Mexiko, was folgt:
Wir befinden uns in Chihuahua, einer Stadt von 20 000 Einwohnern im Norden Mexikos. Es leben und wirken Deutsche dort. Eines Morgens stirbt ein junger Deutscher, plötzlich hinweggerafft von einer namenlosen Krankheit, welcher unvorsichtige Fremde, die sich der heimathlichen Lebensweise, des Bieres zumal und aller geistigen Getränke nicht entwöhnen können, so leicht zum Opfer fallen. Der verstorbene Landsmann wurde so würdevoll wie möglich zur Ruhe gebettet. Der Todtengräber Juan Gonzalez gräbt nur die Gräber, die man ihm bezahlt, und diesmal ist das Trinkgeld sehr gut ausgefallen. Gleichwohl hat er schlechte Arbeit dafür gethan, denn als der Sarg in die Erde gesenkt werden soll, stellt es sich heraus, daß das Grab zu kurz für ihn ist. Man will ihn hineinzwängen, allein es geht nicht. Die Träger setzen sich auf den Deckel, treten darauf, um den Sarg hineinzudrücken; der Deckel zerbricht, löst sich los, der Sarg neigt sich schief und ein allgemeiner Schrei des Entsetzens gellt plötzlich durch die Luft. Der Todte, ein breitschultriger Mann, ist herausgefallen, mit Frack und weißer Halsbinde festlich geschmückt, die Arme über die Brust gekreuzt, bereits schrecklich anzusehen. Alles wendet sich ab, indeß Juan Gonzalez das Grab verlängert, erweitert und dabei das Innere der benachbarten Ruhestätte mit der Hacke aufwühlt. Endlich ist das schauerliche Werk vollendet und der fremde, stille Mann, dem ein Freund in der Sprache der Heimath ein letztes Lebewohl zuruft, kann jetzt der ewigen Ruhe genießen. Bis ins Innerste erschüttert verläßt alles den Kirchhof. Juan Gonzalez schaufelt gleichgiltig ein neues Grab. Noch ist es bei ihm nicht bestellt worden, er will es eben im Vorrath haben. In der folgenden Nacht glaubt ein in der Nähe des Friedhofs wohnender alter Mexikaner einen herzzerreißenden Hilferuf zu vernehmen. Ein furchtbares Gewitter ist losgebrochen. Der Regen gießt in Strömen nieder, der Sturm heult, als ob die Thore der Hölle aufgesprungen wären. Blitze zucken durch die schwarze Nacht. Und mitten in dem schauderhaften Getöse der markdurchdringende Ruf einer Menschenstimme! Was soll das heißen? Der alte Mexikaner weckt seine Söhne, und wohlbewaffnet suchen sie die ganze Gegend ab. Sie finden nichts Verdächtiges. Es muß ein Irrthum gewesen sein, eine bei solchem Unwetter leicht begreifliche Sinnestäuschung. . . . . Doch am nächsten Morgen stürzen zwei Bekannte des Mexikaners todtenbleich in seine Hütte. Sie hatten sich frühzeitig auf das Campa Santo begeben, da sie für einen in der Nacht verstorbenen Freund ein Grab graben wollten, aber sie waren alsbald von einem unnennbaren Schreckensgesicht in die Flucht gejagt worden; Juan Gonzalez, den Todtengräber, erzählen sie, sich vielfach bekreuzend, habe ein Todter gepackt, und der Todte habe den Lebenden fest umklammert und in der Umklammerung erwürgt. Die Polizei wurde gerufen, Aerzte herbeigeholt. Zagend betrat man den Friedhof, und alle blieben wie gelähmt am Eingang stehen, so grauenhaft war das Bild, das sich Ihnen darbot. "Sie riefen Juan Gonzalez," erzählte die Schreiberin des Briefes, "ja, er war es, sein Gesicht konnten sie freilich nicht sehen, denn der große Todte, der dort an der Mauer stand, hatte seine Arme fest um Juan Gonzalez geschlungen und Juan Gonzalez' Gesicht lag an des Todten Brust und Juan Gonzalez gab keine Antwort. Die Sonne schien hell, sie sahen ein offenes Grab, die Schaufel lag daneben, dicht daneben ein zweites offenes Grab, auch ein leerer Sarg. Wie aber kam das? Wie gerieth Juan Gonzalez in diese Stellung? Die Antwort ergab sich von selbst. Der Todtengräber war schon einmal wegen Leichenraubes bestraft worden. Offenbar hatte es ihm der neue schwarze Anzug des todten Deutschen angethan. Der Mann faßt den Entschluß, den schönen schwarzen Frack zu rauben. Ein Gewitter droht am Himmel, als er sich nächtens auf den Kirchhof schleicht. Rasch will er vor Ausbruch desselben seinen Entschluß ausführen. Das locker zugeschüttete Grab ist bald geöffnet; die unheimliche Arbeit schreckt ihn nicht, der Tod ist Ja sein Geschäft, er lebt vom Tod; schon liegt auch der Leichnam blosgelegt vor seinen Augen, seine Fingerspitzen tasten über die sonntägliche Gewandung, wie glatt, wie fein das Tuch! Aber die Arme sind über die Brust fest geschlossen, als ob sie krampfhaft das schöne Kleid halten wollten; auf welche Weise kann er den Widerstand brechen? Richtig, so geht es wohl am schnellsten, wenn er den Todten dorthin in die Mauer=Ecke stellt, da kann er nicht fallen, da kann er bequem entkleidet werden. Gedacht, gethan. Juan Gonzalez ist riesenstark, mit beiden Händen biegt er die Arme des Leichnams weit auseinander, um dann, dicht an dem Todten stehend, schnell den Rock ihm auszuziehen. Aber, o Graus, noch schneller klappen die Arme wieder herunter, kreuzen sich über seinen Rücken, pressen ihn wie mit eisernen Klammern Brust all Brust. Vergebens sucht er sich frei zu machen, der Todte hält den Lebendigen fest und läßt ihn nicht los. Ein entseelter Körper ist ja deshalb noch kein kraftloser Körper, und mit dem letzten Athemzuge entschwindet nicht plötzlich alle Muskelstärke. Die Todesstarre gleicht vielmehr einer letzten Lebensthätigkeit, bei welcher alle im Körper angesammelte Kraft noch einmal wirkt und in einer äußersten Anstrengung sich auflöst. In einem solchen Augenblick wurde der Leichenräuber von der Leiche erfaßt. Umsonst ringt er mitten in der Nacht mit einem todten Menschen. Wie stark er auch ist, der Todte ist stärker als er. Er windet und krümmt sich in der schrecklichen Umarmung, der Angstschweiß strömt ihm von der Stirn, er stöhnt und keucht, er stößt einen Hilferuf aus und als einzige Antwort fährt ein fahler Blitz mit Donnergekrach durch die Finsterniß. Er sieht den Todten, der ihn mit weit aufgerissenen Augen angrinst; die Sinne schwinden ihm, er verliert das Bewußtsein, der Todte hat den frechen Schänder seines Grabes umgebracht. Als Juan Gonzalez am andern Morgen nicht ohne Mühe aus der fürchterlichen Klemme befreit wurde, athmete er noch. Man brachte ihn ins Spital, wo er nach einigen Stunden zu sich kam und sofort nach einem Beichtiger verlangte. Er hatte noch die Kraft, seine unmenschliche That zu bekennen, aber die Erinnerung an den ausgestandenen Schreck gab ihm den Gnadenstoß. "Jesus, Marie und Joseph!" stammelte er, "ich sah es im Blitz, der die höllische Nacht erleuchtete, wie der große Mann, der mich festhielt, so zornig und furchtbar mich anstarrte, so . . . so . . ." Der Mann konnte nicht weiter sprechen; ein Beben schüttelte den Körper, er sank zurück und war todt, gestorben an der Umarmung eines Leichnams. Am selbigen Abend legte man ihn in das Grab, das er kurz zuvor selber gegraben hatte, um eines vorräthig zu haben, hart an der Schlummerstätte des in der Fremde verstorbenen Deutschen. Im schwarzen Buch, wo der Tod seine Triumpfe verzeichnet, hat dieses Blatt bisher gefehlt.


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ZVDD