No. 60
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 03. August
1886
sechsundfünfzigster Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
<< Ausgabe vorher>> Ausgabe danach
[ => Original lesen: 1886 Nr. 60 Seite 1]

Der Kronprinz reist zur Jubiläumsfeier nach Heidelberg.
Fürst Bismark, welcher am 1. d. Kissingen verlassen hat, begiebt sich zunächst nach München und bleibt daselbst bis zum Montag. An diesem Tage setzt er die Reise nach Gastein fort, wo im Schweizerhause für ihn Wohnung gemiethet ist. Da für den 8. August die Zusammenkunft der Kaiser Wilhelm und Franz Josef in Gastein projectirt ist, so wird Fürst Bismark dieser Kaiser=Zusammenkunft beiwohnen.
Der Großherzog von Baden wird am 18. August in Straßburg erwartet, um als Generalinspektor des 15. Armeekorps den Herbstübungen des letzteren bis zum Schluß der Kaisermanöver beizuwohnen. Prinz Luitpold von Bayern aber wird an den Manövern in den Reichslanden nicht theilnehmen.
Es giebt keine neue Branntweinsteuervorlage. Von Berlin aus versichern die offiziösen Blätter jetzt nochmals, daß die norddeutschen und süddeutschen Minister einig seien in ihrem Bedauern über die Ablehnung der bisherigen Branntweinsteuervorlage, aber auch einig in der Ueberzeugung von der Nutzlosigkeit einer neuen Vorlage, so lange nicht die Wähler die Nothwendigkeit einer anderweiten Besteuerung des Branntweins erkannt und dementsprechend bei den Wahlen gestimmt hätten.
Die deutschen Hauptmanöver zur See werden bei Wilhelmshaven stattfinden, aber auch in den kleineren Häfen der Ostsee z. B. in Neustadt finden Uebungen statt. Die Indienststellung des Reserve=Panzergeschwaders in Kiel steht in den nächsten Tagen bevor und soll durch Generalmarsch angezeigt werden. Die schweren Geschütze und das Inventar befinden sich an Bord und es handelt sich namentlich darum, die Gefechtsbereitschaft der Schiffe in drei Tagen herzustellen. Bereits am zweiten Tage würde die Munition genommen werden müssen und schon am dritten soll alsdann ein Gefechtsschießen mit scharfen Geschossen stattfinden.
Am 25. Juli waren es 20 Jahre, daß der jetzige bayrische Prinzregent, der damalige Feldzeugmeister Prinz Luitpold, zum erstenmal vor dem Feind kommandierte. Der Prinz hatte an der Stelle des bei Kissingen gefallenen Generallieutenants Freiherrn v. Zoller das Kommando der 3. Division übernommen, welche am oben genannten Tage bei Helmstadt mit der preußischen Division Kummer engagiert war. Der Prinz eiferte in der vordersten Linie die Leute an und traf mit Kaltblütigkeit und Todesverachtung seine Anordnungen. Der als Ordonnanzofficier seines erlauchten Vaters fungierende damalige Oberlieutenant des 2. Infanterie=Regiments, Prinz Ludwig, wurde an der Seite des Feldzeugmeisters durch einen Schuß in den Oberschenkel schwer verwundet.
Der chinesische Besuch, den der Reichskanzler neuerdings in Kissingen empfangen hat, Herr Tseng, Gesandter China's in London, hat, wie es heißt, mit dem Fürsten Bismarck wegen weiterer Schiffsbauten für China beim "Vulkan" in Stettin verhandelt, begiebt sich dann nach Berlin, wo er vom Kronprinzen empfangen werden soll, und von dort nach St. Petersburg. In England aber ärgert man sich, daß die Chinesen bei uns Deutschen und nicht in England ihre Schiffe bauen lassen.
Die polnischen Rekruten sollen Deutsch lernen, was ihnen gewiß nicht schaden wird. Aber die deutschen Rekruten können vielleicht auch einmal das Polnische brauchen und so werden mit dem Herbst 800 Mann polnische Rekruten in holsteinische Regimenter und eben so viele Holsteiner in polnische Regimenter gesteckt werden.
Die Kommission zur Abnahme der Reichspost=Dampfer für die ostasiatische und für die australische Linie hat am 22. Juli in Bremerhafen wieder ihre Arbeit begonnen. Es handelt sich um die Prüfung der Tauglichkeit der Dampfer "Neckar", "Nürnberg", "Hohenstaufen" und "Hohenzollern". Die Kommission besteht aus dem Geh. Postrath Krätke als Vertreter des Reichspostamtes, dem Regierungsrath Besserer als Vertreter des Reichsamtes des Innern, dem Marinevertreter Geheimen Admiralitätsrath Guyot aus Wilhelmshaven, dem Reichskommissär Kapitän zur See Weickhmann aus Hamburg und dem Direktor des "Germanischen Lloyd" aus Berlin.
Die deutschen Postdampfer machen auf ihren Fahrten nach Ostasien und Australien Geschäfte. Sie sind schon bei den ersten Fahrten auch von fremden Postverwaltungen zur Versendung von Briefsäcken in erheblichem Umfang benutzt worden. Neuerdings hat auch die japanische Postverwaltung Maßnahmen getroffen, um mittels der deutschen Postdampfer Briefsäcke aus Yokohama, Kobe und Nagasaki nach verschiedenen Ländern des Weltpostvereins regelmäßig befördern zu lassen.
In Kamerun ist die Reichsmarkrechnung eingeführt worden.
Rache ist süß! Mit großer Befriedigung verzeichnen russische Blätter die Nachricht, daß die Warschauer Universität einen Preis von 900 Rubeln für ein Werk ausgeschrieben hat, in dem der Nachweis geführt wird, mit welchen Mitteln die Deutschen die an den Ufern der Elbe oder Weichsel und am Baltischen Meer ansässigen slavischen Volksstämme verdrängt und "kaltgestellt" haben.
"Kaiser Wilhelm" wird eines der fünf neuen Torpedoboote heißen, welche die türkische Admiralität jüngst in Deutschland hat bauen lassen. So hat es der Sultan mittels Kaiserlicher Irade angeordnet.
Erzherzog Karl Ludwig von Oesterreich und Gemahlin sind am Donnerstag von Wien nach Rußland zum Besuch der russischen Kaiserfamilie abgereist.
In Warschau soll wieder einmal eine weitverzweigte, revolutionäre Verschwörung, die sogar mit Paris und St. Petersburg in Verbindung stände, entdeckt worden sein. Viele polnische Studenten seien daran betheiligt, das Haupt der Verschwörung soll bereits verhaftet sein.
Der Kaiser von Rußland scheint sich eines Besseren besonnen zu haben und will mit der Türkei auf friedlichem Fuß leben. Der russische Botschafter Nelidoff in Konstantinopel hat dem Sultan ein Handschreiben des Kaisers Alexander überreicht, in welchem dieser seine freundschaftlichen Gesinnungen ausdrückt und die Hoffnung auf das fernere Be=

[ => Original lesen: 1886 Nr. 60 Seite 2]

stehen gegenseitiger freundschaftlicher Beziehungen zwischen Rußland und der Türkei ausspricht.
Fürst Alexander von Bulgarien hat mittels Dekrets die Außerkurssetzung der russischen Rubel in Bulgarien binnen 2 Monaten angeordnet.
Die Unruhen unter den Kleinbauern auf der schottischen Insel Tiree drohen sich bedenklich auszudehnen. Eine Verständigung zwischen den Grundherren und den Kleinbauern ist nicht erzielt worden. Man mußte daher zu Gewaltmaßregeln schreiten. Die dorthin gesandte Polizei wurde durch einen Beschluß der Kleinbauern ersucht, sich so schnell wie möglich von der Insel zu entfernen, wenn sie unliebsame Folgen vermeiden wolle. Die Kommissäre reisten auch am Freitag nach Glasgow ab und die Polizei kehrte nach ihren Stationen zurück. Gegenwärtig jubiliren die "Crofters", daß sie die Eindringlinge zurückgeschlagen hätten. Wie man sagt, versehen sie sich in Erwartung eines ernsteren Angriffs mit solchen Waffen, wie sie ihnen die Insel liefert. Das Truppenschiff "Assistance" ist mit 125 Mann nach Tiree abgesegelt. Jeder Soldat ist mit Zelten und u. s. w. versehen, um im Freien kampiren zu können.
Frankreich und Belgien, die wegen des Congostaates hinter einander gerathen waren, haben sich jetzt glücklich auf ein Schiedsgericht geeinigt. Zum Schiedsrichter haben Sie den Bundespräsidenten der Schweiz gewählt.
- Auch in der spanischen Deputirtenkammer achtet man die Menschenrechte! Dieselbe hat nämlich am Dienstag beschlossen, 26 000 Neger der Insel Cuba, welche noch immer in Sklaverei leben, vollständig in Freiheit zu setzen.


- Neustrelitz, 29. Juli. Se. K. H. der Großherzog hat den Consistorialrath Gustav Langbein als Nachfolger des verstorbenen Dr. thel. H. Ohl zum Superintendenten ernannt.
- Schönberg. Die in Nr. 58 d. Bl. enthaltene Localnotiz über den gegenwärtigen Stand der zwischen Preußen und Mecklenburg=Strelitz beim Bundesrath anhängigen Streitsache wegen der Stauung des Dechower (Klocksdorfer) Sees giebt den Inhalt der unter den betheiligten hohen Regierungen getroffenen provisorischen Vereinbarung ungenau, beziehungsweise unrichtig wieder. Um eine Senkung des jetzigen Wasserspiegels, wie dort irrtümlich angegeben, handelt es sich hierbei überhaupt nicht; vielmehr hat die Mecklenburg=Strelitzsche Regierung bis zur endgültigen Sachentscheidung lediglich die Verpflichtung übernommen, eine Stauung des gegenwärtig erheblich niedriger stehenden Sees nicht über einen Punkt zuzulassen, welcher 35 cm - anstatt der in dem Antrage Preußens beim Bundesrath beanspruchten 75 cm - unter dem bisher festgehaltenen höchsten Staumaß liegt.
- Die mit dem Reichspostamte vereinbarte neue Manöver=Postordnung wird bei den bevorstehenden Herbstübungen zur Ausführung kommen. Die Nachsendung von Briefen und Zeitungen etc. wird demnächst leicht erfolgen, da den Postanstalten die Orte und Aufenthaltsstätten bekannt gemacht werden, an welchen sich die einzelnen Truppentheile an jedem Tage aufhalten. So daß die Nachsendungen keine Verzögerung erleiden.
- Die traurige Thatsache, daß es noch niemals so viele Kranke gegeben hat, als seit Erlaß des Krankenkassengesetzes, wird, wie die National=Zeitung mittheilt, leider in allen großen Städten konstatirt; die Simulanten, die "Vampyre" der Kassen, wie sie in Berlin in Volksversammlungen genannt wurden, können eben nur dort ihr Unwesen treiben, wo die Arbeiter und Versicherungspflichtigen nach Tausenden zählen und deshalb eine Controlle schwer zu bewerkstelligen ist. Neuerdings schreiten die Behörden mit großer Strenge gegen die Simulanten ein; in München sind kürzlich 20 derselben mit Gefängnisstrafen bis drei Wochen bestraft worden.
- Der stat. Korr. vernehmen wir folgende vergleichende Statistik der Selbstmorde und Unglücksfälle. Auf je eine Million Einwohner kommen jährlich durchschnittlich 325 Selbstmörder in Sachsen, 251 in Dänemark, 230 in der Schweiz, 218 in Preußen, 160 in Württemberg, 149 in Frankreich, 104 in Bayern, 95 in Oesterreich, 86 in Schweden, 78 in Belgien, 74 in Norwegen, 69 in England, 57 in Ungarn, 45 in Holland, 38 in Italien. Ein ganz anderes Bild bietet die Statistik der tödlichen Unglücksfälle. Hier steht England mit 657 Verunglückten auf eine Million Einwohner obenan. Dann folgen die Schweiz mit 591, Norweger 559, Schweden mit 490, Preußen 456, Belgien 386, Holland 381, Frankreich 348, Bayern 336, Oesterreich 308, Sachsen 266, Dänemark 263, Württemberg 262, Italien 79 Personen.
- Gegen die Drucksachentaxe von 3 Pfennig (Mecklenburg). können vom 1. Oktober d. J. ab Postkarten nur dann noch zur Beförderung gelangen, wenn sie nicht mehr mit der Bezeichnung "Postkarte" versehen sind. Dasselbe gilt von allen offenen Karten, welche vorgenannte Bezeichnung tragen.
- Der verstorbene jüdische Bankier A. Reichenheim in Berlin hat u. a. 150 000 Mark zur Unterstützung von Wittwen und Waisen der Berliner Volksschullehrer, ohne Unterschied des religiösen Bekenntnis ausgesetzt.
Recht gemütliche Aufenthaltsorte waren während des letzten Gewitters in Berlin die Vermittelungsämter des Telephonnetzes. Die Blitze gingen hier aus und ein, züngelten an den Drähten entlang und donnerten in den Batterien wie schweres Geschütz. Der ganze Raum war beständig ein Feuer und die Beamten standen zusammengedrängt in der Mitte des Zimmers bis das Unwetter ausgetobt hatte.
- Ein militärisches Blatt in Frankreich bringt die Nachricht, daß im nächsten Monat dort 60 000 Magazingewehre ausgegeben sein werden. Wahrscheinlich ist es die Erfindung des Lieutenants Robin vom 21. Infanterieregiment, die man angenommen hat. Dieselbe besteht in einem Patronenmagazin, welches an der linken Seite des Bodenstückes des französischen Gras=Gewehres angefügt ist, durch eine besondere Anordnung des Knopfhebels kann man sieben Schüsse ohne Absetzen abfeuern, nämlich einen Schuß unmittelbar aus dem Gewehrlauf und 6 Schüsse aus dem Magazin. In 4 Sekunden können die sieben Patronen abgefeuert werden, bei ruhigem Zielen in 9-10 Sekunden. Die Dauer des Ladens überschreitet nicht 10 Sekunden, sodaß ein geschickter Schütze unter Ausschluß jeder Störung zwanzig Schüsse in der Minute abgeben kann. Die französische Waffe ist also nicht zu verachten. Nun die Deutschen hoffen, daß ihr Repetiergewehr, sollte es ja noch einmal Ernst werden, auch seinen Mann steht.
Der König von Portugal besuchte in Lissabon ein Irrenhaus. Als ein Kranker hörte, daß der König mit Majestät angeredet wurde, packte er ihn plötzlich und rief: "Also Du bist der falsche König von Portugal, welcher den Thron einnimmt." Mühsam befreiten die Wärter den König, welcher zu besserer Verpflegung des Kranken eine Summe aussetzte.
- Die Hungersnoth in Labrador scheint einen grausigen Umfang genommen zu haben. Der Voss. Ztg. meldet ein Telegramm: 3500 Eskimos und Indianer erlagen der Kälte. Ein zweitägiger Schneesturm schnitt 15 000 Einwohner vom Verkehr völlig ab. Man befürchtet, alle seien verhungert.
- Don Jayme, der Sohn des Don Carlos, wird nächste Woche in Begleitung des Paters Hayer, seines Präzeptors, über Frankreich nach Frohsdorf reisen. Dem Testament der Gräfin von Chambord zufolge erbt der 16jährige Prinz etwa 12 1/2 Millionen Fr.
-Ein Wilddieb im schulpflichtigen Alter dürfte trotz Ben Akiba doch wohl noch nicht dagewesen sein. Vor dem Schöffengericht zu Bocholt (Bez. Münster) hatte sich so ein Schüler aus Barlo zu verantworten, der in den Waldungen des Freiherrn von Gräs dem Hasengeschlechte mit Pulver und Blei nachgestellt hatte. Die verhängte Geldstrafe von dreißig Mark wird in die Sparbüchse des jungen Herren ein empfindliches Loch reißen und demselben für künftig eine heilsame Lehre sein.
- Gelegentlich der Arretierung einer Zigeunertruppe Schkeuditz, (die Leute sollten in Lindenau ein Kind mitgenommen haben), fand man bei derselben 8900 M. baar, mehrere Werthpapiere und ein österreichisches Sparkassenbuch über 30000 Gulden.
- Ein beklagenswerther Unglücksfall hat sich am vergangenen Sonnabend in Tutzing bei Mün=

[ => Original lesen: 1886 Nr. 60 Seite 3]

chen zugetragen. Der einzige 24jährige Sohn des dort zur Sommerfrische weilenden Kommerzienraths Bartels aus Stuttgart ist beim Baden im See ertrunken. Der Unglückliche näherte sich, durch langes Schwimmen ermüdet, dem Ufer, unter Hilferufen nach einem Kahn verlangend. Da das Rufen misverstanden wurde und ein Kahn momentan nicht verfügbar war, kehrte der junge Mann wieder um, um in sein Badehäuschen zurückzuschwimmen, konnte dasselbe jedoch nicht mehr erreichen und ertrank in der Nähe der Villa des Opernsängers Vogl. Der junge Mann hatte den See schon einmal von Ammerland bis Tutzing durchschwommen.
- Am 23. Juli haben die sogenannten Hundstage ihren Anfang genommen. Diese Zeit, welche bis zum 23. August anhält, trägt ihren Namen nach dem Aufgang des Hundssternes, also des Sirius, jenes bekannten Sternes erster Größe im Sternbilde des großen Hundes. Bei den alten Griechen wurde das Jahr in sieben Theile zerlegt: Ear, Theros, Opora, Pythinoporos, Skoretos, Cheimon und Phytalia. Die Opora entsprach der Zeit unserer Hundstage und endigte in Griechenland mit dem Aufgang des Sternes Arkturus, welcher erstere freilich viel später fällt, als das Ende unserer Hundstage. Die Zeit der Opora ist in Griechenland wegen der großen Hitze gefürchtet; nach Hypokrates traten während ihrer Dauer schwere Gallenkrankheiten auf. Auch bei uns werden die Hundstage als die heißesten Tage des ganzen Jahres angesehen. Während derselben wurde im Mittelalter hier und da sogar der Gottesdienst ausgesetzt. Im übrigen ist seit Mitte des gegenwärtigen Monats der Glanz der mitternächtigen Dämmerung verschwunden und die Tage sind merklich kürzer. Später zeigt sich die Sonne am östlichen Himmel, zeitiger geht sie zur Rüste und schwächer fallen ihre Strahlen hernieder. Nichtsdestoweniger pflegt die Tageswärme gerade jetzt eine erhebliche zu sein.
- Leb' wohl Raupenhelm, sei gegrüßt Pickelhaube! Welche von beiden Kopfbedeckungen die schönere ist, mag dahingestellt bleiben, es giebt Leute, denen gefallen sie beide nicht. Trotzdem geht eine der "berechtigten" bayrischen Eigenthümlichkeiten dahin, der Raupenhelm steht auf der Todtenliste, denn gegenwärtig tagt dort eine Kommission unter dem Vorsitz des Prinzen Arnulph, um sich über die Einführung eines neuen Helmes schlüssig zu machen. Unsere Gendarme tragen bereits den preußischen Helm, nun soll die Armee folgen. - Aus dem Besuch der herrlichen Schlösser des verstorbenen Königs scheint man eine Erwerbsquelle machen zu wollen. Vielleicht um die Schulden des Königs zu bezahlen! Jedenfalls werden die Schlösser vom 1. August ab der öffentlichen Besichtigung freigegeben. Es sind für die vier Schlösser folgende Eintrittspreise festgesetzt worden: für Chiemsee 3 Mk. per Person, Familienkarten für 5 Personen 12 Mk., für Beleuchtung der Grotte und Wasserspringen sind 50 Mk. extra zu geben; für Besichtigung der Hunding=Hütte 1 Mk. per Person, für die übrigen Schlösser beträgt an Wochentagen der Eintrittspreis 2, an Sonntagen 1 Mk., Familienkarten kosten 8 Mk.; jeden Freitag bleiben die Schlösser theilweise geschlossen. Die Eintrittskarten sind bei den Schloßverwaltern zu haben.
- Die Geraer Zeitung bringt die interessante, wenn auch unverbürgte Mittheilung, daß das edle deutsche Skatspiel, welches jetzt seinen Siegeslauf bis nach Amerika hin genommen und Boston, Whist und Pharao schon verdrängt hat, im letzten Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts erfunden worden ist von einem Studenten, dem späteren Rechtsanwalt Hempel in Altenburg, als derselbe im Haus des berühmten Pädagogen, Pfarrer Dinter, zu Kitscher bei Borna verweilte. Das alte Solo= und Schafkopfspiel war ihm zu einfach, durch das Weglegen zweier Blätter wurde der Skat mit all' seinen späteren Feinheiten, Null, Grand und Tournee, zuerst in seinem Wesen begründet und wird also bald das 100jährige Jubiläum feiern; das große Altenburgische Skatturnier im August wird also am rechten Heimathsort gefeiert. Nur vergesse man nicht dabei, daß hoher Sinn im kindischen Spiel oft enthalten, dagegen auch kindischer Sinn im hohen Spiel steckt!


Anzeigen.

Die herrschaftlichen Mühlen zu Schönberg werden zu Neujahr 1887 vacant und ist die öffentlich meistbietende Wiederverpachtung derselben von dem Großherzoglichen hohen Kammer= und Forst=Collegio zu Neustrelitz angeordnet.
Zu diesem Zwecke steht ein Termin auf

Sonnabend, d. 11. September d. J.
Vormittags 11 Uhr,

vor dem unterzeichneten Großherzoglichen Domainen=Amte an, wozu Pachtliebhaber hiedurch eingeladen werden.
Dem Großherzoglichen hohen Kammer= und Forst=Collegio bleibt die Entscheidung über die Annehmlichkeit des Gebots und die Wahl unter den drei Meistbietenden vorbehalten und haben dieselben, falls sie nicht schon Kammerpächter sind, sofort eine Caution von 3000 M. zu bestellen, sich über ihre bisherige Führung und Tüchtigkeit, sowie auch über das zur Annahme der Mühlen und zur Erfüllung der contractlichen Bedingungen erforderliche Vermögen auszuweisen.
Bemerkt wird, daß die Verpachtungsbedingungen in der hiesigen Domainenamts=Registratur zur Einsicht bereit liegen, und die Pachtstücke nach voriger Meldung bei dem Geschäftsführer der Kreutzfeld'schen Erben in Augenschein genommen werden können.
Schönberg, den 29. Juli 1886.

Großherzogl. Mecklb. Domainen=Amt.
I. V.
H. Spieckermann.


Kampf=
genossen-
     Ehrenkreuz      Verein
1870/71.

Ordentliche Versammlung: Sonntag, den 8. August cr. Nachmittags 3 1/2 Uhr im Vereinslokale.
Tagesordnung:

1. Bericht über die Verhandlungen des Delegirtentages in Malchow.
2. Parole=Angelegenheit.
3. Revision der §§ 23 bis 25 der Statuten.
4. Sedanfeier.
5. Sonstige Vereinsangelegenheiten.

                                                    Der Vorstand.


Am Mittwoch, den 4. und Donnerstag, den 5. August werden wir unsere

Dampfdreschmaschine zum Dreschen aufstellen.

Schönberg, den 3. August 1886.

Greiff & Tilse.       


Ein ordentl. Mädchen
wird zu Michaelis d. J. gesucht von                                                    
                                                    S. Petersen.


Auf hiesiger Feldmark werden am Mittwoch, den 4. August Rappschooten verbrannt.
Hof=Stove, d. 2. 8. 86.

Kaiser.       


Mitte August werde ich in Schönberg mit einer Trifft junger

Stoppel=Gänse

eintreffen, welche ich zu billigen Preisen bestens empfehle, auch nimmt Bestellungen im Voraus Herr Gastwirth Böckmann gerne entgegen.

                                                    Händler Mietz aus Suckow.


26 gute gesunde                                                    
Ferkel
hat zu verkaufen                                                    
                                                    A. Russwurm, Lockwisch.


[ => Original lesen: 1886 Nr. 60 Seite 4]

Magdeburger Feuerversicherungs-Gesellschaft.

Nachdem Herr W. H. Schacht in Schönberg die Agentur der Magdeburger Feuerversicherungs=Gesellschaft niedergelegt hat, ist dieselbe dem

Maurermeister Herrn J. H. L. Burmeister daselbst

übertragen worden, was ich hiermit zur öffentlichen Kenntniß bringe.
Rostock, im Juli 1886.

                                                    August Clauser,
                                                    Generalagent der Magdeburger Feuerversicherungs=Gesellschaft.

Auf vorstehende Annonce Bezug nehmend, empfehle ich mich zur Entgegennahme von Versicherungs=Anträgen und bin zu jeder weitern Auskunft von Versicherungsangelegenheiten stets gerne bereit.
Schönberg, im Juli 1886.

                                                              J. H. L. Burmeister.


Unter Allerhöchstem Protektorate Sr. M. des Kaisers u. Königs

und unter dem Ehrenpräsidium
Sr. K. K. Hoheit des Kronprinzen
Jubiläums-Ausstellungs-
Lotterie.

Ziehung am 15. September 1886 und folgenden Tagen
Original-Loose à 1 Mark - auf 10 Loose ein Freiloos
- (auch gegen Coupons oder Briefmarken) empfiehlt
und versendet

Carl Heintze
Alleiniges General-Debit und Haupt-Collection
HAMBURG, Grosse Johannisstrasse 4.
Zahlstelle: Berlin W., Unter den Linden 3.

   G
   e
   w
   i
   n
   n
   e
          1 à 30 000 = 30 000 M.
          1 à 20 000 = 20 000 M.
          1 à 15 000 = 15 000 M.
          1 à 10 000 = 10 000 M.
          3 à   5 000 = 15 000 M.
        10 à   2 000 = 20 000 M.
        20 à   1 000 = 20 000 M.
        20 à      600 = 12 000 M.
        30 à      400 = 12 000 M.
        35 à      300 = 10 500 M.
        50 à      200 = 10 000 M.
        90 à      150 = 13 500 M.
      100 à      120 = 12 000 M.
      100 à      100 = 10 000 M.
      200 à        40 =   8 000 M.
      800 à        20 = 16 000 M.
    1 000 à       10 = 10 000 M
    1 200 à         5 =   6 000 M.
  25 000 Gew.      = 50 000 M.
------------------------------------
28 662 Gw. i. W. v. 300 000 M.


Theater in Schönberg.
Im Saale des Herrn Boye.
Eröffnungs=Vorstellung:
Dienstag, den 3. August 1886.
Berühmteste Operette von J. Strauß.
In Berlin über 300 Mal gegeben.
Die Fledermaus.
Berühmte komische Operette in 3 Akten nach Meilhac und Halevy bearbeitet von C. Haffner und R. Genée. Musik von Johann Strauß.
Donnerstag, den 5. August 1886.
Der Bettelstudent.
Berühmte komische Operette in 3 Akten von Zell und Genée. Musik von E. Millöcker.
In Berlin 400 Mal gegeben.
Preise der Plätze.
Im Vorverkauf Nummer. Platz 1 Mk. 50 Pf.
1. Platz 80 Pf. 2. Platz 50 Pf.
Abends an der Kasse: Numm. Platz 1 Mk. 75 Pf.
1. Platz 1 Mk., 2. Platz 75 Pf.
Schüllerbillets zum 1. Platz 50 Pf.
Kasse=Oeffnung 1/2 8 Uhr.           Anfang 8 Uhr.

Den verehrlichen Abonnenten werden die Plätze am Tage einer jeden Vorstellung bis spätestens 12 Uhr Mittags reservirt.
Dutzendbillets zum Nummerirten Platz 15 Mk., zum 1. Platz 9 Mk., und zum 2. Platz à 6 Mk. sind in meiner Wohnung zu haben.

Die Direction.       


Auf hiesiger Feldmark werden am Mittwoch, den 4. August Rappsschooten verbrannt.
Hof=Lockwisch, d. 1. 8. 86.

Dierking.       


Gut abgelagerte                                                    
Dachpappen,

garantirt reine Waare, liefert per Rolle von M. 1,50 Pfennig (Mecklenburg). an die Dachpappenfabrik von

                                                    Gribbohm & Co.
                                                    1. Wallstr. 15.     Lübeck     1. Wallstr.


Gesucht   auf Hof Wahrsow zu Mich. d. J. ein verheirateter und ein unverheiratheter Pferdeknecht.


Danksagung.

Allen, die unserer einzigst geliebten Tochter Wilhelmine die Ehre erwiesen und sie zu ihrer letzten Ruhestätte begleitet, sowie Denen, die ihren Sarg so reich mit Blumen und Kränzen geschmückt, insbesondere auch Herrn Pastor Kämpffer für die trostreichen Worte am Grabe der Geschiedenen, sagen wir hiermit unsern tiefgefühlten Dank.
Schönberg, den 1. August 1886.

A. Möller und Frau.       


Statt besonderer Meldung.
Als Verlobte empfehlen sich:                                                    
Louise Gossow
Hermann Jenßen
Schönberg.                                                    Stargard i/Mecklb.


Getreide=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Markt=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Hierzu eine Beilage.


Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.


[ => Original lesen: 1886 Nr. 60 Seite 5]

Beilage
zu Nr. 60 der Wöchentlichen Anzeigen für das Fürstentum Ratzeburg.
(Schönberger Anzeigen.)
Schönberg, den 3. August 1886.


- Ein ergiebiges Geschäft in Berlin ist das Sammeln von Cigarrenstummeln, dem sich eine ganze Zahl von Personen widmen. Ein Junge durchsucht z. B. für seinen Vater, der daraus Insektenpulver macht, nur die Linden und bringt täglich 8-10 Pfd. nach Hause.
Am schwarzen Brett der Universität Berlin wird zur Gründung eines akademischen Radfahrervereins aufgefordert.
- In Bayreuth ist Franz Liszt am 31. Juli gestorben.
[ => Original lesen: 1886 Nr. 60 Seite 0]          Wer nie sein Brot mit Häring fraß,
          Wer nie auf wild durchschwärmte Nächte
          Im Heidelberger Carcer saß,
          Der kennt euch nicht, ihr Katermächte.
          Ihr führt zum Seppel uns hinein,
          Ihr laßt uns dann besoffen werden,
          Dann überlaßt ihr uns der Pein,
          Denn jeder Soff rächt sich auf Erden.
Ein Studiosus R. v. S. hat's an die Wand geschrieben.
- Zum 500jährigen Jubiläum der Universität wird das große Heidelberger Faß mit edlem Rupertsberger Wein gefüllt. Es ist das dritte Faß. Im Jahre 1591 hat Johann Kasimir für den Schloßkeller ein Faß bestellt, welches 132 Fuder, 3 Ohm und 3 Viertel enthielt, aber im 30jährigen Kriege zerfiel. Karl Ludwig ließ ein zweites bauen, auf welches Joseph Tenneberg die Verse setzte:
          Wir können viele Ding' entbehren,
          Auch dies und jenes nicht begehren,
          Doch werden wenig Männer sein,
          Die Weiber hassen und den Wein.
          Der Wein uns Fremde Sprachen lehrt,
          Dem Blöden Herz und Muth verehrt,
          Berauscht man sich, so werden gleich
          Der Knecht ein Herr, der Bettler reich.
Dieses Faß enthielt 204 Fuder, 3 Ohm und 4 Viertel und wurde später reparirt. Auch dieses Faß ging zu Grund, als das Schloß 1764 durch Blitz zerstört wurde. Karl Theodor hat mittlerweile ein drittes Faß, das heut von aller Welt besuchte und gefeierte, zimmern lassen, welches, 1751 von dem Küfermeister Engler für 80,000 Gulden verfertigt, 283,000 Flaschen faßt. Es war dreimal gefüllt und sieht jetzt der vierten Zecherschaar altersgrau entgegen.
- Ueber Geldheirathen läßt sich ein Ehemann in dem Fremdenbuch auf dem Mahlbergskopf, der jedem Emser Badegast bekannt ist, folgendermaßen vernehmen:
    Mit gift'gem Weib ist lebenslang gequält,
    Wer sich ein Weib der Mitgift wegen wählt.
    Denn Gift bleibt Gift, von welcher Art es sei,
    Und solche Heirath ist - Giftmischerei.
- Wenn der Hund mit der Wurst etc. Wie Viele haben diesen klassischen Vers schon im Munde geführt, ohne die Veranlassung zu kennen, welche der Welt dieses geflügelte Wort verdankt. Es war kein anderer als Ludwig I. von Bayern, der gekrönte Dichter. Ludwig I. hatte einen ganz eigenen Stil in seinen Dichtungen und die "Münchener Fliegenden Blätter" haben seiner Zeit das Möglichste geleistet, um ihn persiflierend populär zu machen. Eines seiner Gedichte begann mit den Worten: "Wenn der Muth in der Brust seine Spannkraft übt." Sofort nach Erscheinen dieses klassischen Ergusses bemächtigte sich der Spott desselben und entlud sich in den noch klassischeren Worten: "Wenn der Mops mit der Wurst über'n Spucknapf springt, und der Storch in der Luft den Frosch verschlingt", welche sich mit Windeseile durch Bayern und ganz Deutschland verbreiteten und seitdem noch immer im Munde des Volkes leben.
- (Ganz dasselbe.) "So also kommst Du nach Haus? Schämst Du Dich nicht? Es ist ja schon ein Uhr!" - "Aber Weiberl we - wenn ich zu Ha - Haus geblie - ben wä - wäre, so wä - wäre es je - jetzt doch a - auch ein Uhr."
- Auf der Landpartie. Frau: "Mir scheint, Peter, du hast die Gläser vergessen!" - Mann: "Ja wohl, aber wir brauchen keine." - Frau: "Mein Gott, warum denn nicht?" - Mann: "Weil - ich den Wein auch vergessen habe."


Die Liebe einer Künstlerin.
Erzählung aus dem Jahre 1813 v. Julius Keller.
(Nachdruck verboten.)
(Schluß.)

[ => Original lesen: 1886 Nr. 60 Seite 6]

Die Liebe einer Künstlerin.
Erzählung aus dem Jahre 1813 v. Julius Keller.
(Nachdruck verboten.)
[Schluß.]


<< Ausgabe vorher>> Ausgabe danach
ZVDD