No. 94
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 04. Dezember
1885
fünfundfünfzigster Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1885 Nr. 94 Seite 1]

Ein Telegramm der "Post" aus Wien meldet: "Die Conferenz gilt als gescheitert, England hat sich von der Gruppe aller übrigen Conferenzmächte losgesagt und seinen Beitritt zu den Beschlüssen der letzteren definitiv verweigert. Die Haltung Englands und die Unentschlossenheit der Pforte setzen die Rentablirung des status quo ante in Ostrumelien fast unüberwindliche Schwierigkeiten entgegen; von einer Europäischen Beherrschung der Coplication kann nicht mehr die Rede sein, es wird nunmehr die Einwirkung der einzelnen Cabinete, insbesondere der drei Kaisermächte, zur Geltung gelangen."
Das Elend unter den verwundeten Serben und Bulgaren ist so groß, daß sich der Berliner Local=Verein vom Rothen Kreuz veranlaßt gesehen hat, seine Sanitätswache in der Böderrstraße 26 zur Annahme von Liebesgaben zu eröffnen.
Zwischen den Bulgaren und Serben ist also ein Waffenstillstand abgeschlossen. Fürst Alexander unterzeichnete ihn in Pirot. Beide Heere, bleiben in ihren Stellungen, nur zwischen ihnen ist eine Demarcationslinie vereinbart, die zwischen Pirot und Alk=Palanka läuft.
Die Czechen und Polen haben die Siege der Serben in ihren Zeitungen mit Leitartikeln und in ihren Besedas mit Schmäusen und Commersen gefeiert und werden nun, seit Alexander den Knoten mit seinem Schwert siegreich durchhauen hat, mit ihrem Katzenjammer verlacht. Man soll nie vor der Hochzeit Juch! schreien und am wenigsten, wenn's eine Bluthochzeit ist.
Herzog Friedrich von Schleswig=Holstein=Sonderburg=Glücksburg, der Bruder des Königs von Dänemark ist 71 Jahre alt, in Luisenlund gestorben.
Ein Kanonenschuß verkündigte den Madridern, daß der König gestorben sei. Die Bestürzung war ungeheuer; denn bis zum letzten Augenblick war die Lebensgefahr der Bevölkerung verheimlicht worden. Als ein Todter zog Alfonso in seinem Schlosse ein. Den Trauerzug eröffnete ein Artilleriecorps, woran sich eine Militär=Musikcapelle, eine Deputation der Infanterie, die Hofdienerschaft, 300 Hof=Edelleute mit schwarzen Armbinden, die Granden von Spanien, der Clerns anschlossen. Dann folgte der Leichenwagen, bestehend aus einer Glasurne, von acht reichgeschmückten Pferden gezogen. Zu beiden Seiten des Leichenwagens schritten die Adjutanten des verstorbenen Königs. Hierauf folgte in einem Hofwagen die Königin mit ihren beiden Töchtern, mehr als 2000 Wagen in drei Reihen geordnet, beschlossen den Zug. Auf den Straßen, welche der Trauerzug passirte, waren gegen 200 000 Menschen versammelt. Die Balcons sämmtlicher Häuser waren schwarz drapirt. Als die Kanonenschüsse erdröhnten, welche das Eintreffen der Leiche in Madrid signalisirten, wurden sämmtliche Läden geschlossen. Das Volk stand entblößten Hauptes, während sich der Trauerzug vorüberbewegte, und begrüßte die verwittwete Königin mit ihren Töchtern auf das lebhafteste. Als die Leiche im königlichen Palast angekommen war, wurde, einer alten Landessitte gemäß, eine Anzahl schwarzer Tauben frei gelassen.
Die Königin=Wittwe Christine von Spanien ist, so meldet man aus Madrid, in ihrem Schmerze ruhiger geworden. Sie wollte sich am Freitag in ein Kloster zurückziehen, wurde aber von der Königlichen Familie von diesem Entschluß zurückgebracht. Am Sonnabend hat sie knieend den Eid auf die Verfassung geleistet mit den Worten: "si juro". Bemerkenswerth ist das erste von ihr vollzogene Decret, welches die Unterschrift trägt: "Namens des männlichen Kindes, oder der Prinzessin, welche den Thron besteigen wird." Der Thron selbst also bleibt bis zur Niederkunft der Königin unbesetzt.
Als Vertreter unseres Kaisers bei der Beisetzung der Leiche des Königs Alfonso von Spanien im Escurial haben sich der Statthalter von Elsaß=Lothringen, Fürst Hohenlohe, der Hofmarschall Graf Kanitz und der Kammerjunker Graf Schlippenbach auf Befehl des Kaisers nach Madrid begeben.
Derselbe Graf Vasili, der die Berliner und die Londoner Gesellschaft geschildert hat und bekanntlich eine scharfe Feder führt, hat den König von Spanien in einer Pariser Zeitung dieser Tage noch, wie folgt beschrieben: "Der König könnte daß Pulver erfunden haben, er hat Geist genug dazu, aber da er es bereits erfunden vorfand, so interessirte er sich nur für die Art, wie es gebraucht wird. Er hat eine Passion für die Kriegswissenschaft. Alles, was in Europa über die Kriegskunst erscheint, läßt Alfons XII. sich übersetzen und er hat in seinem Schreibtisch eine Abhandlung über die Reorganisation der Armee liegen, welche dem gelehrtesten General Europas zur Ehre gereichen würde. Seine Bewunderung für die deutsche Armee ist ohne Grenzen; in seinen ehrgeizigen Träumen hat er gewiß daran gedacht, daß es für ihn das größte Glück sein würde, eine deutsche Division im Feuer zu commandiren, und sein Titel als Ulanenoberst, der Gedanke, die Uniform eines preußischen Korps zu tragen, hat ihm sicherlich großes Vergnügen bereitet, nicht aber, wie man glaubt, aus Haß gegen Frankreich. Außer seinem Geschmack an allen militärischen Künsten ist der König auch in Allem, was Sport heißt, sehr geschickt. Er ist ein kühner und unermüdlicher Jäger. Elegant und sicher zu Pferd, ist er ein vorzüglicher Schütze und Fechter. Obgleich der König wohl der Sohn seiner Mutter ist, erinnert er im Aeußern doch gar nicht an die Fülle der Königin Isabella. Er ist klein, fast hager, er hat wohl die Augen seiner Mutter, aber nicht ihren Blick. Der König hat ein wunderbares Gedächtniß. In Sprachen ist er vorzüglich versirt. Außer Russisch und Türkisch vermag er sich in allen europäischen Sprachen fließend zu unterhalten". Das ist das Porträt, welches der gut unterrichtete Verfasser von dem so früh verstorbenen König entwirft. Ueber Donna Christina, die Königin, weiß Graf Vasili nur sehr wenig zu berichten. "Wenn man von einer Frau nicht sagen kann, daß sie hübsch ist, so sagt man, sie sei distinguirt. Königin Christina ist die Distinktion in Person. Sie besitzt nicht das, was man in Paris "Chic" nennt, aber sie hat ein durchaus vornehmes Wesen. Man muß indeß gestehen, die Königin ist den Spaniern etwas fremd geblie=

[ => Original lesen: 1885 Nr. 94 Seite 2]

ben. Die Königin mischt sich in keiner Weise in die Politik. Sie ist eine vollkommene Mutter, eine zärtliche und ergebene Gattin, sie ist einfach, sanft, gebildet, bestrebt, sich Freunde zu machen. Das Leben der Königin ist im Grund genommen ein sehr einförmiges und freudloses. Man sieht sie nur bei offiziellen Empfängen und den kleineren Reunions des Hofes. Bevor König Alfonso sich im Jahr 1879 mit dieser seiner zweiten Gemahlin, Erzherzogin Maria Christina von Oesterreich, vermählt hatte, war er mit der Prinzessin Mercedes von Montpensier verheirathet. Dieselbe starb schon nach kurzer Ehe am 26. Juni 1878. Graf Vasili sagt über diese Ehe: "Die erste Heirath des Königs war eine Liebesheirath. Der Effekt dieser Neigungsheirath war bei einem Volk, für das die Liebe Alles überstrahlt, ungeheuer; der frühe Tod der Königin Mercedes verbreitete Trauer über ganz Spanien, den König versenkte er in tiefsten Schmerz. Das Unglück, welches ihn niedergebeugt hatte, stählte ihn jedoch, sein Charakter befestigte sich, aus dem Träumer wurde ein Mann. Selbst seine Feinde erkennen seine trefflichen Eigenschaften an; die hervorragendste ist die Macht seines Willens." König Alfonso hinterläßt keinen männlichen Thronerben, nur 2 Töchter.


Anzeigen.

Weiden=Auction.

Am Freitag, den 11. d. M., von Vormittags 9 1/2 Uhr ab, sollen auf dem Bahnhofe Grevesmühlen

ca. 4000 Bund 1= bis 3jährige grüne Korbweiden
und
ca. 70 000 Stück Bandstöcke in verschiedenen Stärken

in öffentlicher Auktion gegen sofortige Baarzahlung verkauft werden.
Schwerin, den 2. December 1885.

Mecklenburgische Friedrich-Franz-Eisenbahn.
Der Eisenbahnbaumeister
(gez.) H. Loycke.


Danksagung.

Herzlichen Dank Allen, die unseren lieben Bruder und Onkel das Geleit zur Ruhestätte gaben.

Familie Breuel.         


Bad Kissinger
Geld-Lotterie.
Auf 10 Loose 1 Treffer.
Ziehung in München am 15. December 1885.

22 500 Geldgewinne im Betrage von M. 165 000 baar ohne jeden Abzug.

Haupttreffer Mk. 40 000, Mk. 10 000 etc.
Loose á 2 Mark,
und 30 Pf. für Porto und Ziehungsliste durch
                                                    Alb. Roesl. München,
                                                    Vertreter überall gesucht.


Hamburg - Amerika.
Jeden Mittwoch und Sonntag nach New-York
Schiff
mit Post=Dampfschiffen der
Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Actien-Gesellschaft
Auskunft und Ueberfahrts=Verträge bei           
Friedr. Frick in Röbel.


Englisches Salz
empfiehlt                                                     Johs. Kummerow.


Zu einer Weihnachtsbescheerung für arme Kinder erbitten wir freundliche Gaben aus der Gemeinde und ersuchen solche gütigst bis zum 22. d. Mts. uns zukommen zu lassen.
Schönberg, den 3. December 1885.

Kämpffer.                           Langbein.


Stellmacher und Böttcher, sowohl selbstständig arbeitende als auch diejenigen, welche schon früher aus der Zunft ausgetreten sind, welche wünschen unserer gemeinschaftlich gegründeten Innung für das Fürstenthum Ratzeburg beizutreten, mögen sich bis zum 20. d. Mts. bei den Unterzeichneten melden.

H. Maass.                        H. Vitense.
H. Möller.
Schönberg i. M. den 3. December 1885.


Hängelampe          Hängelampen und Tischlampen in großer Auswahl.
Lampencylinder

mit Stempel wodurch die richtige Höhe und Weite garantirt ist,
(ohne Preiserhöhung.)
Saugeringe u. Patentvasen=Ringe,
wodurch das Ueberschwitzen der Lampen vermieden wird,
empfiehlt                                                    
W. Wieschendorf, Klempner.


Engl. Salz
empfiehlt                                                     Aug. Spehr.


Glühweinextract
empfiehlt in feiner Qualität                                                    
                                                    Aug. Spehr.


Gute dauerhaft gearbeitete                                                    
Regenschirme
(eigenes Fabrikat)
empfiehlt in großer Auswahl zu billigsten Preisen
                                                    H. Scheer.


Schulmappen für Knaben und Mädchen, Reisekoffer und Reisetaschen, in allen Größen, dauerhaft gearbeitet (eignes Fabrikat) stets vorräthig bei

                                                    H. Bockwoldt.
                                                    Sattler.


1500 Mark à 4%

werden zu Antoni 1886 gegen sichere Hypothek in einer Vollstelle von 5 Last unmittelbar noch 10,000 M. gesucht.
Offerten an die Expedition der hies. Anzeigen.


Zugelaufen

eine kleine Affenpinscher=Hündin, grau mit weißer Brust. Dieselbe ist gegen Erstattung der Unkosten abzuholen beim

                                                    Müller Fr. Arp,
                                                    Carlow.


[ => Original lesen: 1885 Nr. 94 Seite 3]

Wilh. Oldenburg
empfiehlt zu Weihnachts-Einkäufen
Wintermäntel, Kleiderstoffe, Jupons, Leinen und Buckskin etc.
zu bedeutend herabgesetzten Preisen.                                                    


Schüsselbuden 12.      J. J. Struve's      Schüsselbuden 12.
(Drogen- u. Parfümerie-Handlung)
Weihnachtsausstellung
ist eröffnet.

Als Specialität empfehle:                          
Eau de Lubeca,
in 1/1 Fl. à 75 Pfennig (Mecklenburg). und 1/2 Fl. à 50 Pfennig (Mecklenburg).,
in Kisten à 2,-, 2,75 und 4,-.
Ferner in grösster Auswahl                          
sämmtliche Parfümerien
in- und ausländische.
Seifen in Cartons von 50 Pfennig (Mecklenburg). an bis 4 M.
Echtes Kölner Wasser
zu Originalpreisen,
in 1/1, 1/2 Fl. und in Kisten.
Blumenkörbe mit Parfüms,
Refraichisseurs.
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Als passende Geschenke empfehle:                          
Porzellan-Rosen u. Vasen etc.
gefüllt mit den feinsten Wohlgerüchen von 75 Pfennig (Mecklenburg). an.
Atrappen, Cartonagen,
Seifenfiguren, Seifenfrüchte,
Tannenbaumschmuck
in den neuesten Mustern.
Nichtträufelnde Wachslichter,
Lichthalter, Lametta.

etc. etc.
Reellste Bedienung. Prompte Effectuirung nach auswärts.


[Fehlstellen in der Originalseite]

[ => Original lesen: 1885 Nr. 94 Seite 4]

Großer
Weihnachtsverkauf

Mit heutigem Tage eröffnen wir einen großen Weihnachtsausverkauf unseres ganzen Lagers zu herabgesetzten Preisen.
Einen großen Posten Kleiderstoffe, passend für Mädchen als Weihnachtsgeschenke, das Kleid zu 3 Mk. 3,50 Mk., 4-6 Mk. in hübschen, neuen und guten Qualitäten.

Wintermäntel, Regenmäntel

für Damen und kleine Mädchen noch in sehr großer Auswahl zu Einkaufspreisen.

Gebrüder Burchard.       


Der Kalender für das Fürstenthum Ratzeburg

ist erschienen und in den bekannten Verkaufsstellen zum Preise von 25 Pf. pro Stück zu haben.


Die Eröffnung meiner
Weihnachts-Ausstellung
erlaube mir ergebenst anzuzeigen.                                                    
Lübeck,       Heinr. Pagels. Breitestrasse 93.
Magazin für Haus- und Küchengeräthe.


Engl. Syrup,

sowie sämmtliche ganze, und gemahlene Gewürze, in bester Qualität empfiehlt

                                                    A. Wigger Nachfolger.


Neue Citronen, Wall= und Hasel=Nüsse,
empfiehlt                                                            
                                                    A. Wigger Nachfolger.


Fleischhack= und Wurststopfmaschinen
empfiehlt                                                     J. Ludw. D. Petersen.


Kirchliche Nachrichten.
Sonntag, den 7. [6.] December.

Vormittagskirche: Pastor Langbein.
Abendkirche (6 Uhr): Pastor Kämpffer.
Amtswoche: Pastor Langbein.


Getreide=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Markt=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Hierzu eine Beilage.


Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.


[ => Original lesen: 1885 Nr. 94 Seite 5]

Beilage
zu Nr. 94 der Wöchentlichen Anzeigen für das Fürstenthum Ratzeburg.
(Schönberger Anzeigen.)
Schönberg, den 4. December 1885.


Eingesandt.
(Ein Wort für den seßhaften Geschäftsbetrieb.)

Aus den Kreisen der Geschäftsleute und Handwerker hört man oft Klagen darüber, daß in neuester Zeit mehr und mehr in dem großen Publikum förmlich eine Sucht besteht, nicht nur Luxusartikel, sondern auch die Gegenstände des täglichen leiblichen und geistigen Bedürfnisses, Kleidungstücke und Stoffe, Nahrungsmittel, Bücher etc. von auswärts zu beziehen. Der Crivitzer kauft in Schwerin, der Schweriner in Berlin, Hamburg, auch wohl gar in Paris, der Berliner kauft wiederum in den sogenannten En-gros-Geschäften und Fabrikniederlagen u. s. w. Es ist nicht zu leugnen, daß die Versuchung zu solchen Bezügen täglich an den Einzelnen herantritt, Preiskourante, Prospekte mit Bildern und ohne Bilder aus allen Himmelsgegenden kommen fortdauernd ins Haus, theils per Post unter voller Adresse, theils als Beilagen zu den gelesensten Zeitungen. Ist doch auch die Bestellung durch ein mitgesandtes Formular oder eine Korrespondenzkarte so einfach, der Bezug durch ein Postpacket durch das ganze Reich für 50 Pf. so billig und bequem, auch aus dem Auslande durch das Wörtchen "zollfrei" so verlockend, daß Personen mit gefülltem Portemonnaie schwer den Lockungen widerstehen können. Das billige Packetporto hat zweifellos für den Gesammtverkehr, als auch für den Einzelnen so große Annehmlichkeiten gebracht, daß es schwer wieder entbehrt werden könnte, es hat aber auch dazu beigetragen seßhaften Kleinhandel sowie den Gewerbetreibenden empfindlich zu schädigen, seine Zwischenhand beim Kaufgeschäft wesentlich zurückzudrängen.
Den Geschäftstreibenden kleinerer und mittlerer Städte ist die Existenz jetzt recht erschwert. Die Bedürfnisse haben sich zwar enorm gesteigert, aber die Konkurrenz ist größer geworden, neue Geschäfte entstehen fortwährend und die allen verbleiben. Die Anforderungen in Betreff der Reichhaltigkeit des Lagers werden gesteigert, die Geschäftsunkosten unverhältnißmäßig erhöht. Die Waare soll in gefälligerer Form angeboten werden, um die Kauflust anzuregen, allein der Aufbau der Waare im Schaufenster verschlingt einen großen Prozentsatz des Verdienstes, indem durch Staub und Einfluß des Lichtes die Waare an Ansehen verliert und minderwerthig wird.
Es sind die größeren Städte so leicht zu erreichen, und werden die Anforderungen, welche dort mir leichter Mühe und unter günstigen Verhältnissen erfüllt werden können, in die Heimath übertragen, der einheimische Geschäftsmann muß solchen Forderungen gerecht werden, glaubt nicht zurückbleiben zu können, seine Hoffnung, sein Rettungsmittel zur Entlastung des Waarenlagers ist der übliche Ausverkauf. Er soll außerdem möglichst baar zahlen und muß Kredit geben. Ist es nun im Allgemeinen für die Konsumenten richtig und vortheilhaft, die verschiedenen Bedürfnisse von auswärts zu beziehen, die Zwischenhand des seßhaften Kleinhandels zu umgehen? Wir sagen nein und sei es uns gestattet, dies etwas weiter auszuführen.
Vorerst halten uns unsere lieben und gut rechnenden Hausfrauen entgegen, wir kaufen auswärts billiger und besser. Ob eine Waare gut und billig ist, ist sehr schwer zu beurtheilen, am wenigsten vom großen Publikum, jedenfalls aber auch dann nur, wenn man die Waare in Händen hat und sie in Gebrauch nimmt. Man soll dem aus der Hansastadt bezogenen Kaffee schwer ansehen, ob er aus Mokka oder Java stammt, oder ob er in seiner Jugend auf deutschen Fluren als Futtererbse gewachsen ist.
In den aus Paris bezogenen Seidenstoffe, welcher in den meisten Fällen, weil "zollfrei" bezogen, aus den Lagern der Grenzstädte gesandt wird und Frankreich nicht gesehen hat, kann man die künstliche Belastung der Seide schwer erkennen, noch weniger wie viel alte seidene Lumpen darin verarbeitet sind.
Wer erkennt in dem aus der schlesischen Fabrik bezogenen Leinen die Baumwolle, oder kann die Güte des Gewebes beurtheilen? Wer kann der Butter ansehen, ein wie intimes Verhältniß sie mit Margarin eingegangen ist? Die aus der Fabrik direkt bezogene Seife haucht die schönsten Düfte aus, wie viel Wasser man als Seife mit bezahlt hat, ergibt sich erst aus der Schwindsucht derselben beim Gebrauch. Wer erkennt die Fehler der Fabrikartikel zweier und dritter Wahl, deren Verkauf in die 50=Pfennig=Bazare gehört.

(Schluß folgt.)


- Man geht in Leipzig mit dem Plane um, dem denkwürdigen Schlachtfelde von Leipzig ein Denkmal an die Völkerschlacht bei Leipzig zu errichten. Es soll kein kunstvolles und theures Monument werden, sondern nur ein mächtiger Granitwürfel oder großer Obelisk wird die Erinnerung an die Kämpfe im Jahre 1813 wachrufen.
- Ein Berliner Maskenverleiher fand in der Tasche eines Anzugs eine Brieftasche mit 5000 Mark in Banknoten. Der Eigenthümer wurde mit Hilfe der Bücher ermittelt.
- In Frankfurt a. M. wurde bei einer Versteigerung alter Münzen ein in Quedlinburg 1617 unter der Regierung der Aebtissin Dorothea geschlagener Thaler mit 554 Mark bezahlt.
- In Rixdorf bei Berlin wurden von 5 Gensdarmen 14 Vogelfänger festgenommen und alle von ihnen gefangenen Finken, Stieglitze, Zeisige etc. frei gelassen.
- Im Sommer spielen in München die Radi-Weiber eine große Rolle, im Winter die Italiener, die mit edeln Nüssen und Kastanien hausiren. Augenblicklich sind ihrer 275 in Häusern und Kneipen thätig.
- In Nürnberg versuchte eine Weibsperson einer Braut, die mit ihrem Bräutigam beim Standesamt vorfuhr, Victriol in's Gesicht zu gießen. Ein Mann sprang herbei und verhinderte das Attentat; das Brautpaar flüchtete in das Gebäude und ein Gensdarm verhaftete das wüthende Weib.
- Eine frevelhafte Gebißprobe machte ein Braugehilfe in Viehberg. Er faßte ein 34 Liter haltendes volles Bierfaß mit den Zähnen am Spund und hob es zweimal vom Boden auf den Tisch.
- In London ist die 17jährige Nichte des Marquis of Lorne, Miß Ellen Cosdellda, eines der schönsten Mädchen Englands und Besitzerin eines großen Vermögens, mit einem Kutscher Anderson, der verheirathet und Vater von 6 Kindern ist, entflohen. Die Polizei fand das Paar in einer armseligen Wohnung und verhaftete es. Ellen schluchzte und rief: Ich liebe ihn und will mich nicht von ihm trennen.
- In Chicago haben die Deutschen 12 000 Dollars zu einem Schillerdenkmal gesammelt und am 17. November den Grundstein gelegt.
- Eine lustige Debatte steht dem Abgeordnetenhause in Ungarn bevor, eine Debatte über einen - Handkuß. Der Abg. Clay meldete folgende Interpellation an: "Ist es wahr, daß der Handelsminister Graf Czechenyi bei dem feierlichen Schluß der Landesausstellung dem Kronprinzen Rudolf die Hand geküßt? und wenn wahr, so frage ich weiter, ob er diese Hand als Privatmann oder als verantwortlicher Minister Ungarns geküßt hat?"
- Die Frage, ob Szcechenyi als Privatmann oder Minister geküßt hat, wird schwer zu entscheiden sein, überdies gibt es in Pest Minister, die bei dem entsetzlichen Gedanken zittern, es könnte künftig jeder

[ => Original lesen: 1885 Nr. 94 Seite 6]

Kuß zum Gegenstand einer parlamentarischen Verhandlung werden.
- In einem der Kehrtunnels der Gotthardbahn hatte sich letzter Tage ein Eisenbahnwärter auf die Schienen gesetzt, um auszuruhen. Vor Ermüdung schlief er ein. Da brauste der Schnellzug heran, dessen Maschine den Schlafenden erfaßte und eine Strecke weit fortschleifte. Wie erzählt wird, kam durch einen wunderbaren Zufall die angehängte Tasche des Unglücklichen unter ein Rad der Maschine, so daß die in der Tasche befindlichen Petarden, welche bekanntlich in den Tunnels als Signalzeichen benutzt werden, platzten, worauf der Locomotivführer den Zug zum Stehen brachte. Da kein Bahnwärter im Kehrtunnel erschien, vermuthete man sogleich ein Unglück. Nach langem suchen fand man den armen Wärter unter der Maschine noch lebend. Der aus Faido herbeigerufene Arzt erklärte, es sei gar kein Glied gebrochen und außer einem Loch im Fuße und einigen starken Contusionen an der Schulter habe der Mann gar keine Verletzungen, befinde sich also außer jeder Lebensgefahr. Es muß fast als ein Wunder bezeichnet werden, daß der Bahnwärter von der Maschine nicht sofort zermalmt wurde.
- Ein Fabrikant in Barmen hatte unlängst einem Verwandten in London seinen Bernhardinerhund zum Geschenk gemacht. Nach Verlauf von 14 Tagen erschien der Hund plötzlich wieder in Barmen bei seinem früheren Herrn, wo er ganz abgemagert ankam. In einem Briefe aus London theilte später der Beschenkte mit, daß ihm der Hund nach dreitägigem Aufenthalt wieder entlaufen sei. Wie das Thier über den Kanal gekommen ist, ist bis jetzt noch ein Räthsel.
- In manchen Zeitungen werden jetzt die sog. Türkenloose (à 400 Francs nominell) angeboten. Ich möchte den Lesern Ihres Blattes, und besonders den weniger Bemittelten abrathen, auf diese Weise ihr Glück zu versuchen, denn: 1) ist die Sicherheit dieser Loose eine sehr zweifelhafte; jetzt schon werden blos 58 Procent des eventuellen Gewinns ausgezahlt und, da es bei der Türkei jeden Augenblick heißen kann: wo nichts ist, hat der Kaiser das Recht verloren," kann es leicht passiren, daß es einmal gar nichts mehr gibt. 2) ist der Preis, zu den dieselben ausgeboten werden, ein sehr hoher, nämlich bis zu 45 Mark, ja in Ratenzahlungen sogar 54 Mark, während der tägliche Börsencours blos 32-33 Mark beträgt 3) Spielen die Loose bis zum Jahre 1974!! Wer erlebts? Für den kleinen Mann ist die Sparkasse die beste Sparbüchse.
- "Gedankensplitter heißt ein Büchlein, in welchem tiefsinniger Humor, schalkhafter Ernst, schnackischer Blödsinn, allerlei verückte Weisheit und drollige Klugheit durch einander perlt. Auf gut Glück lassen wir Einiges folgen. "Die Schule des Lebens kennt keine Ferien. - Manches Elend ist so gut maskirt, daß es wie Glück aussieht. - Es giebt Celebritäten, die einem das Berühmtsein verleiden können. - Die Trägheit ist die Mutter der Langeweile und die Großmutter des Elends. - Einst fraßen zwei grimmige Sauen einander bis auf die Schwänze. Das geschieht jetzt tagtäglich von neuem. Man heißt es Concurrenz. - Wenige Menschen sehen so dumm aus, als sie sind. - Die Hände mancher Leute werden immer schmutziger, je mehr eine Hand die andere wäscht. - Aergere Dich über nichts, sonst wirst Du Dich bald über alles ärgern."
Wie der Papst Bismarck von einer neuen Seite kennen lernte, als er von ihm zum Schiedsrichter zwischen Deutschland und Spanien gemacht wurde, so hat Bismarck auch den dankbaren Papst von einer neuen Seite kennen gelernt. Leo hat ihm einen Band selbstgemachter Gedichte in lateinischer Sprache zwar nicht gewidmet, aber doch überschickt. Die Gedanken sind schön und noch schöner die Form. Bismarck hat in der N. A. Z. seinen besten Rezensenten für die Gedichte bestellt und die Hoffnung angedeutet, daß der Papst in der Prosa des Culturkampfes sich revanchiren werde.
Die Mausefalle, in der die Engländer den König Thibo von Birma zu fangen gedenken, ist nun zugeklappt. Sie haben nämlich mit dem Kaiser von China einen Vertrag geschlossen und dieser hat den Vicekönig von Yunnan, Kwei=Chow, beauftragt, an der birmanischen Grenze ein Beobachtungscorps aufzustellen, um eine Flucht des Königs Thibo unmöglich zu machen. Es scheint den Engländern viel daran gelegen zu sein, Herrn Thibo lebendig in ihre Gewalt zu bekommen.
Wenn Rußland etwas für die Kultur thut, geräth man jedesmal in Erstaunen. Und dennoch geschieht es nicht selten. Jetzt ist man damit beschäftigt, eine Dampfschifffahrt zwischen den Häfen des Armur=Gebietes und den zunächst belegenen Häfen von China, Japan und Korea einzurichten. Der Plan ist gewiß gut, wenn die Unternehmer, die von der russischen Regierung einen Zuschuß verlangen, nur nicht wieder so viel daran verdienen, daß für das andere Bisschen Menschheit nichts übrigbleibt. Das ist die Gefahr, denn Rußland ist groß und der Zar ist weit.
- Um armen Leuten wohlzuthun und reichen Leuten ein gutes Beispiel zu geben, hat der Großhändler Dickson in Gothenburg eine milde Stiftung von 700 000 Mark errichtet. Nach 100 Jahren noch wird sein Andenken gesegnet werden, wenn bis dahin das Geld nicht abgeschafft ist.
- Japan macht immer größere Fortschritte in der Aneignung europäischer Kultur; jetzt ist es bereits so weit vorgeschritten, junge Japanerinnen in Europa zu Gouvernanten und Erzieherinnen ausbilden zu lassen. Zwölf junge japanische Damen sind in diesen Tagen in Frankreich angekommen, um hier als Erzieherinnen ausgebildet zu werden; dieselben werden zu ihrer ferneren Ausbildung je ein halbes Jahr in Deutschland und England zubringen.
- Amerikanische Redaktionen haben bisweilen weniger Geduld mit den Fragebolden, als es in Deutschland üblich. "Wie erziele ich im Winter am bequemsten und leichtesten höhere Wärmegrade in meinem Hause?" fragte jüngst Jemand bei einem Briefkastenmann an. Die Antwort war: "Lassen Sie Ihr Baby mit Schwefelhölzern spielen!"
- Ein Amerikaner hat sich nach Algier auf die Löwenjagd begeben und bleibt dort im Kampfe mit einem der Könige der Wüste. Es entwickelt sich in der Folge nachstehender Depeschenverkehr zwischen dem Sohne des Verstorbenen und dem Präfekten von Oran: Aus Newyork. Papa hersenden doppelten Sarg. Aus Newyork. In eingehendem Sarg Löwe, aber nicht Papa. Aus Oran. Papa'n Löwe. Gefressen.
- Berlinerinnen auf Reisen. Zwei Damen auf dem Bahnhof Großheringen fragen den Schaffner: "Sagen Sie mal, wenn jeht denn eegentlich der Zag ab?" - In 20 Minuten. - "Jotte doch, da konnten wir doch besser noch in Berlin jeblieben sind. Sagen Sie 'mal - elektrisches Licht jiebts wohl hier nich, wir sind det so jewöhnt!" - Nee, sagte der Schaffner, der die elektrischen Berliner erkannt hatte; elektrisches Licht gibts hier nicht, aber ob Sie's nun gerade gewöhnt sind, weiß ich doch nicht. In Ihrem Fleischerladen in der Z-er Gasse in B. brennen Sie ja doch nur Oelfunzeln. - Sprach's und die Elektrischen waren verschwunden.
- Welche Frage! Berliner Handelsfrau (zu einem sich vorstellenden neuen Dienstmädchen): "Kochen können Sie doch?" - Das Mädchen: "Jnäd'je Frau unterschätzen meine Bildung. Ich wer' doch Koch'n kennen, der die Bacillen erfunden hat?!"
- Gansviertel à la mode. Der Gast sucht vergebens an dem hinteren Theil einer ihm aufgetischten höchst mageren Gans nach etwas Fleisch. Endlich ruft er den Kellner: "Sagen Sie mal, Sie haben mir wohl blos die Tournüre von der Gans gebracht?"


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