No. 82
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 23. Oktober
1885
fünfundfünfzigster Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1885 Nr. 82 Seite 1]

Braunschweig 21. October. Die Landes=Versammlung wählte heute einstimmig den Prinzen Albrecht von Preußen zum Regenten. Sämmtliche Mitglieder des Regentschaftrathes, sowie sämmtliche Mitglieder der Landesversammlung wohnten der Sitzung bei. Der Landtag wählte ferner eine Commission von 3 Mitgliedern, welche sich zu dem Prinzen Albrecht nach vorheriger Anfrage begeben sollen. Am Schluß der Sitzung wurde noch ausdrücklich zu dem Protokoll konstatirt, daß sämmtliche Abgeordnete anwesend waren und an der einstimmigen Wahl theilgenommen haben.
Das Herzogliche Residenzschloß in Braunschweig ist vollkommen neu in Stand gesetzt und zur Aufnahme des neuen Regenten fertig hergerichtet.
Heute noch von großem Interesse ist ein Gespräch Bismarcks mit dem Ungar Grafen Bethlen nach der Schlacht von Königgrätz. Bismarck setzte auseinander, daß Preußen (Deutschland) und Oesterreich Verbündete werden müßten. "Ist es möglich?" rief Bethlen erstaunt, man sagt ja, Sie werden früher oder später Oesterreich in Deutschland einverleiben." - "Ich weiß, antwortet Bismarck ruhig, "daß man das sagt, aber kein Staatsmann kann das glauben; ich müßte reif für das Irrenhaus sein, um ein solches Unternehmen im Schilde zu führen. Mit dem Ausscheiden Oesterreichs aus dem deutschen Bund ist nur der erste Schritt zur Einigung Deutschlands vollbracht. Es werden Jahre vergehen, bis es Preußen als Vormacht gelingt, die Einheit Deutschlands selbst nur der äußeren Form nach zuwege zu bringen; es braucht aber ein halbes Jahrhundert dazu, bis diese Einheit auf so feste Grundlagen gestellt sein wird, welche nicht mehr umgestoßen werden können. Ich werde längst todt sein und meine Nachfolger werden noch immer vollauf zu thun haben, um die Grundlagen der Einheit Deutschlands zu befestigen. Nun muthet man uns den tollen Streich zu, daß wir uns durch die Annectirung Oesterreichs 14 Millionen Slaven, eine clericle, eine deutsch=österreichische Parthei und ultramontane, mächtige Aristokratie auf den Hals laden wollen. Wir würden ja dadurch das Werk der Einigung selbst gefährden und dem Zweck, der uns zum Krieg gegen Oesterreich zwang, entgegenarbeiten. Eine solche Zumuthung ist geradezu lächerlich. Je mächtiger Ihre Monarchie wird, um so besser für uns, denn früher oder später muß zwischen der Monarchie und Deutschland ein Schutz= und Trutzbündniß zu Stande kommen, das im Interesse beider Mächte liegt."
Im Militär=Wochenblatt lesen wir über die allgemeine Einführung der Repetirgewehre: "Wie man von Pfeil und Bogen zum Feuergewehr und schließlich vom Vorlader zum Hinterlader überging, wie man bei der Pistole schon jetzt den Uebergang von der einfachen Sattelpistole zum Revolver fast überall vollzogen hat, so wird nach der Ansicht Vieler im Lauf der Jahre der Einzellader aus der Infanterie sämmtlicher europäischen Heere verschwinden und dem Mehrlader Platz machen. Wer diese Wandlung nicht mitmacht, wird zu seinem Schaden merken, daß er sich getäuscht hat." - Es wäre nicht uninteressant, einmal auszurechnen, wie theuer diese Wandlung Europa zu stehen kommt.
Polizeipräsident in Berlin wird der Landrath Freiherr v. Richthofen in Stolpe. Aus Stolpe? ein Landrath? fragen die Berliner etwas verduzt. Sie sind im Stande, aus purem Aerger ihm das Leben schwer zu machen.
Die Berliner sind sehr geneigt, sich mit ihrem neuen Polizeipräsidenten auszusöhnen, weil er blond, die Berlinerinnen, weil er unverheiratet ist.
Oberstabsarzt Dr. H. in Mainz, der taugliche Leute gegen Geld und gute Worte vom Militairdienst frei gemacht hat, ist zu 9 Jahre Zuchthaus verurtheilt und aus dem Offizierstand ausgestoßen worden.
Wir wollen die Franzosen noch ein paar Tage zählen lassen, ob ihre Republik bei den Wahlen gerettet worden ist. Schon jetzt weiß man, daß unter den 584 Abgeordneten etwa 220 den Orleans und Napoleons und etwa 150 der äußersten Linken unter Clemenceau angehören werden. Man sieht, die Republik steigt aufs hohe Thurmseil und zwar ohne Balancirstange und die Bajazzos tragen noch dazu auf dem Rücken einen Korb und in dem Korbe kaiserliche und königliche Liebhaber. Der Himmel erhalte unseren Nachbarn die Republik; denn die großen Monarchen gehen mit Republikanern nicht gern Arm in Arm.
Mehrere Italienische Blätter ventiliren in einem augenscheinlich vom Vatican inspirirten Artikel die Frage, ob es nicht gut sei, daß der Papst auch in der Bulgarischen Frage die Vermittlerrolle übernehme.
Im Orient ziehen sich die Friedensvermittlungen der Großmächte so lange hin, daß die Türken, Bulgaren, Serbier, Griechen und Montenegriner Zeit bekommen, sich zu rüsten. An guten Vermahnungen lassen's die Großmächte nicht fehlen, sie führen den kleinen, ehrgeizigen Balkanstaaten zu Gemüthe, daß die europäischen Großmächte 300 Millionen Bürger zählen und daß diese Millionen keine Lust hätten, sich von 6 Millionen Leuten (soviel zählen die betr. Balkanstaaten zusammen) den Frieden stören zu lassen. Die Rechnung ist allerdings auffallend, aber vor der Hand nur auf dem Papier. Bulgarien unter Fürst Alexander, benimmt sich am besonnensten. Der Fürst soll 1) seine Truppen aus dem streitigen Ostrumelien zurückgezogen haben, um den Wahrspruch der Großmächte abzuwarten und eine Verständigung mit dem Sultan leichter zu machen, 2) soll er den Serben eine Grenzberichtigung und Abtretung der Festung Widdin angeboten haben, um deren Hunger zu stillen. So stehts heute: wie morgen?
Das Resultat der Verhandlungen der Drei=Kaisermächte über die Lösung der im Orient aufgetauchten Fragen, soll nach Mittheilungen in Wiener politischen Kreisen dem "N. Wr. Tgbl." zufolge in Folgendem bestehen: Eine Europäische Conferenz soll in Wien (?) zusammentreten. Ostrumelien soll mit Bulgarien durch eine Personal=Union vereinigt werden. Das Ostrumelische Statut wird einer entsprechenden Revision unterzogen. Die Serbische Grenze gegen Osten wird auf Kosten Bulga=

[ => Original lesen: 1885 Nr. 82 Seite 2]

rifus rectificirt. Fürst Alexander von Bulgarien wird abdanken. (?) England allein soll noch Einwendungen gegen dieses Programm erheben. Rußland, wird hinzugefügt, habe Oesterreich die Führung in der Angelegenheit überlassen.
Die Engländer bekommen von neuem zu thun. Der König von Birma will sich der indischen Regierung nicht fügen und deshalb wird sich der englische Oberkommissar genöthigt sehen, ein Ultimatum zu stellen. Ehe er das aber thun könne, meint er, müsse er erst noch 8000 Mann Truppen haben. Die Birmanen sind auf das Schlimmste gefaßt, sie verstärken ihre Grenztruppen.
In Glatz ist jüngst ein Kaplan (Kaphahn) auf Grund des Kanzelparagraphen verurtheilt worden. Er hatte gelegentlich der letzten Reichstagswahlen auf der Kanzel geäußert: "Der Katholik, welcher einem anderen als katholischen Kandidaten seine Stimme gibt, ist kein katholischer Christ mehr, er ist ausgestoßen aus der katholischen Kirche, wenn auch sein Name im Taufbuch steht, er auch in die Kirche geht und seinen sonstigen, kirchlichen Pflichten nachkommt; er ist kein katholischer Christ mehr." Er wurde zu einem Monat Festung verurtheilt.
Die Astronomen zerbrechen sich den Kopf über die kolossalen Fleckengruppen, welche die Sonne seit kurzer Zeit zeigt. Die größte Verfinsterung zeigt eine Beeile von 6000-7000 geograhische Meilen bei einer Länge von etwa 2000 Meilen, eine Fläche, auf welcher ungefähr 50 Erdkugeln neben einander Platz finden könnten. Der dunkelste Theil dieser Gruppe rechts an der Sonnenscheibe kann mit Hülfe eines berußten Glases wahrgenommen werden.
Gewaltige Stürme haben in voriger Woche an den Südgestaden Europas, an der nördlichen Adria, wie im Golf von Genua und Lyon als Scirocco und in den Alpen wie am Kamm derselben als stürmischer Föhn gebraust. Für die Gewalt dieser Südstürme spricht der Umstand, daß dieselben an den Südabhängen der Alpen wie in den Eisregionen derselben große Mengen von rothem, der Sahara entstammenden Sand ablagerten. In der Südschweiz, Südtirol und in Kärnten gab's viele Regengüsse und Ueberfluthungen. In Garmisch in Oberbayern hat ein orkanartiger Sturm am 16. October fast alle Dächer abgedeckt und in den Wäldern große Verwüstungen angerichtet; 50 000 Ster Holz liegen in Trümmern. Aehnlich hat der Sturm in Partenkirchen und in Tegernsee gehaust.


- Schade, der Kaiser hätte sich gewiß über diesen Besuch gefreut! Berliner Blätter schreiben: Die Besucher Gasteins dürfte es interessiren, zu erfahren, daß die in jenem Kurort sehr bekannte Kellnerin, welche gemeinhin die "schwarze Liesel" genannt zu werden pflegt, in Berlin eingetroffen ist. Mit großem Bedauern hat sie gehört, daß der Kaiser augenblicklich nicht in Berlin sei, aber es ist ihr die Zusicherung ertheilt worden, daß dem Kaiser von ihrem beabsichtigten Besuch Nachricht gegeben werden soll.
- In Potsdam ist ein Viererzug mit dem Grafen Solms durchgegangen, der Wagen wurde an der Straßenecke zertrümmert und der Graf, die Gräfin und der Kutscher herausgeschleudert. Die Gräfin ist schwer verletzt.
- In Berlin ist ein Buchbinder gestorben, der 1 1/2 Jahre in einem Wasserbett gelegen hat. Er litt an einer unheilbaren Darmkrankheit, die ein längeres Verweilen im Bett wegen der Gefahr des "Durchliegens" unmöglich machte. Der Kranke wurde daher in ein sogenanntes "permanentes Wasserbett" gelegt und blieb seit 1 1/2 Jahren Tag und Nacht unausgesetzt darin, aß, trank und schlief in dem Wasser etc. Die Vorrichtung zu diesem Wasserbett besteht in einer Zinkwanne, mit doppelten Wänden, zwischen denen die Röhren hindurchgehen, welche stets frisches warmes Wasser zuführen. Für den Abfluß des Wassers sorgt in üblicher Weise eine Oeffnung im Boden der Wanne, sodaß frisches Wasser zu und abströmt. Ueber der Wanne ist ein einfaches Laken ausgebreitet, welches lose in das Wasser hineinreicht. Auf dieses Laken wird der Patient gelagert, mit einer Gummirolle unter den Kopf und mit einer wollenen Decke zugedeckt. Das Wasser hebt den Patienten empor, sodaß derselbe über dem Laken förmlich schwebt. Solche Wasserbetten, von denen übrigens jedes gegen 1000 Mark kostet wurden zuerst im Krankenhaus am Friedrichshain, später im königlichen Klinikum und jüdischen Krankenhaus, und dann in der chirurgischen Abtheilung der Charite und anderen Heilanstalten aufgestellt. Dieselben haben sich namentlich bei tiefen, langwierigen Entzündungen und Eiterungen sehr vortheilhaft bewährt und in vielen Fällen lebensrettend gewirkt.
- Hat Johann Hoff an seinen unfehlbaren Malz=Extrakt geglaubt oder nicht? Es scheint fast, daß er nicht an ihn geglaubt hat; denn als er selber ernstlich krank wurde, ging er nach Baden=Baden und ist jetzt dort gestorben.
- Der Häuserbau für Kamerun scheint sich in Berlin zu einem besonderen Industriezweig ausbilden zu wollen, denn eine derartige Fabrik ist schon seit längerer Zeit ausschließlich mit der Herstellung von Wohngebäuden für unseren Kolonialbesitz beschäftigt. Nun hat die Firma auf einem Zimmerholzplatz mehrere Mastergebäude dieser Art, aus Eisen konstruirt aufstellen lassen. Dieselben sind sämmtlich einstöckig mit einem vorspringenden Dachstuhl hergestellt und sind sehr geräumig; nur hat man bei ihrem Anblick immer die Befürchtung, daß ein kräftiger Windstoß das ganze Gebäude in Trümmer legen müßte. Von unseren ländlichen Wohnsitzen unterscheiden sie sich vortheilhaft durch ihre Höhe und durch die Zahl ihrer Fenster; für Luft und Licht ist in diesen Wohnhäusern reichlich gesorgt.
- Ein Wettlauf fand in Nürnberg zwischen einem Bäcker und einem Spitzbuben statt, der beim Brodkaufen die Ladenkasse gestohlen hatte. Die sich immer vergrößernde Jagd ging durch drei Gassen bis zur Pegnitz, wo sich der Spitzbube ergeben mußte; vorher warf er die Kasse fort.
- In Steinbach bei Nordhausen stürzte ein Dienstmädchen beim Wasserholen in den tiefen Ziehbrunnen und wäre ertrunken, wenn sich nicht ein junger Bursche sofort an der Eimerkette in die Tiefe hinunter gelassen und das Mädchen lebend und liebend an das Tageslicht - sie durfte sich sehen lassen - gebracht hätte. Daran erkennt der rechte Menschenfreund, welch' guten und tiefen Sinn gemischte Gesellschaft am Brunnen hat.
- Die Antwerpener Polizeibehörde macht bekannt, daß sie während der Dauer der Ausstellung im Ganzen 577 Taschendiebe verhaftet hat, die nach ihrer Nationalität 211 Deutsche, 117 Belgier, 80 Holländer, 35 Engländer und 19 Franzosen waren. Patriotische Tröster wollen wissen, daß nur deshalb so wenig Franzosen und Engländer gefangen würden, weil die Französischen und Englischen Spitzbuben geriebener wären und sich nicht so leicht fangen ließen.
- Die Landwirthe werden von sachkundiger Seite vor allzuvielem Füttern von Kartoffelkraut gewarnt. Das Rindvieh soll davon starken Borkenausschlag erhalten. Auch die Milch wird schlechter.
- Das Wiener Volk hat einen gesunden und schlagfertigen Witz, sein Dialekt ist witzig und seine Redensarten sind es ebenfalls. Wer lacht nicht, wenn ein Wiener dem anderen das Bramarbasiren mit der Bemerkung abgewöhnen will: "Sö hab'n a no Kau' umbracht" oder: "Sö hab'n a no Kau' in Kraut 'gessen"; wenn er auf ein ungebührliches Verlangen entgegnet: "Hab'ns sonst keine Schmerzen?"; wenn er das Vierkreuzerstück einen "Schusterthaler", die Pferdeeisenbahn die "Volksequipagee"; eine gewöhnliche, mit Essig und Oel servirte Wurst "ungarisches Repphündel" (Rebhuhn); wenn er eine große Nase das Magazin nennt? Wenn der Wiener bei jeder Gelegenheit neue Wendungen schafft und z. B. unmittelbar nach der ersten elektrischen Ausstellung von allem Außergewöhnlichen sagt: "Dös is schon elektrisch?" Wenn er sich unerschöpflich zeigt im Erfinden von Spitznamen, ein reich gewordenes Ehepaar, Er früher Commis in einer Colonialwaarenhandlung, Sie früher Stubenmädchen, "Lord Weinberl" (Weinberl = Rosine) und "Lady Besenstange" heißt?
- Daß große Sängerinnen oft recht kratzbürstige Damen sind, beweist wiederum folgender Vorfall, der sich in London ereignet hat. Am letzten Empfangsabende von Baronin Bordet=Coutts sang Madame Patti, nachdem sie einige Bravourstücke vorgetragen hatte, die große Briefarie aus dem

[ => Original lesen: 1885 Nr. 82 Seite 3]

"Don Juan". Als sie geendet, trat eine kleine alte Dame auf sie zu und sagte: "In Koloraturstücken gleicht Ihnen Niemand, aber Mozart hat mir bei Ihrem Vortag etwas überhastet geschienen. Auf daß Sie nicht denken, ich spreche wie der Blinde von den Farben, nenne ich Ihnen meinen Namen: Jenny Lind=Goldschmidt." Madame Patti verzog ein wenig den Mund bei dem leisen Tadel, dann sagte sie schnell: Ich weiß, Sie waren eine berühmte Sängerin, mein Großvater pflegte davon zu erzählen." Nach dieser Entgegnung schritt Jenny Lind, ohne eine Silbe zu erwiedern, ihrem Platz an der Seite der Hausfrau zu.
- Die vorgenommene Sprengung des Flood=Felsens im Hell=Gate=Kanal des New=Yorker Hafens ist eine so gewaltige Operation gewesen, daß wir noch einiges darüber erzählen müssen. Die Ingenieure behaupten, daß das gewünschte Resultat vollständig erreicht sei. Augenblicklich ist von dem Felsen mehr zu sehen als vorher, weil die gesprengten Felsstücke, jedes einige Tons im Gewicht, übereinander liegen. Am 10. d. M. um 11 Uhr 13 Min. drückte die elfjährige Tochter des Generals Newton auf den Knopf des elektrischen Drahtes, durch welchen von dem Gestade von Long Island die Mienen entzündet wurden. Man sah, daß sich eine Wassermasse im Umfang von 1200 Quadratfuß wie ein 200 Fuß hoher Eisberg erhob und daß sich dann nach dem Fall des Wassers eine Menge Wirbel bildeten, während Wolken gelblicher Gase für einen Augenblick die Sonne verdunkelten. Diejenigen, welche dem Felsen am nächsten standen - bis auf 1000 Fuß durfte man sich demselben nähern - fühlten ein leises Zittern des Erdbodens, in den oberen Stockwerken der Häuser in der Nachbarschaft war der Stoß bemerkbarer. Das Geräusch war nicht sehr stark und glich entferntem Donner. Alles war in einer halben Minute vorbei. Die Wegsschaffung der abgesprengten Felsstücke wird wahrscheinlich eine 1/2 Million Dollars kosten und noch zwei Jahre Zeit beanspruchen. Dann erst wird der Kanal 1200 Fuß breit (statt 600 wie jetzt) und 26 Fuß tief sein, so daß Oceandampfer bei jedem Wasserstand einlaufen können. Man spricht schon jetzt davon, daß dann auch die europäischen Dampfer durch Hell=Gate anstatt bei Sandy Hook einfahren werden. Als Explosionsstoff wurden 315 000 Pfund verwandt, nämlich 75 000 Pfund Nr. 1 Dynamit und 240 000 Pfund Rackarock, eine Mischung von Pottasche und Nitro=Benzol. Die 23 1/2 Km. große Felsfläche, welche gesprengt werden sollte, war durch 6 Km. unterirdische Gallerien durchschnitten, mit Wänden von 10 bis 11 Fuß Dicke und getragen von 467 Felssäulen im Umfange von 15 Quadrat=Fuß. In diesen Gallerien waren 14 000 Oeffnungen von 9 Fuß Tiefe angebracht, in deren jede eine 6pfündige Rackarock=Patrone und eine 3pfündige Dynamitpatrone gesteckt waren. Diesmal war die Sprengmasse sechsmal so groß, wie diejenige, durch welche bereits im Jahr 1876 eine Sprengung in Hell=Gate vorgenommen wurde.
- Bei dem großen Brand in Clerkenwell haben 8 feuersichere Geldschränke nicht Wort gehalten; die in ihnen aufbewahrten Bücher und Werthpapiere waren vollständig vernichtet, in 4 andern stark beschädigt.
- Aus Afrika wird neuerdings eine Geschichte erzählt, die stark an eine Erzählung Marc Twains erinnert. Eine Zeitung hatte eine Gesellschaft etwas unsanft berührt. Die Redaction wird in einem anonymen Schreiben aufgefordert, davon abzustehen, wenn ihr nicht etwas Unangenehmes begegnen solle. Natürlich fährt das Blatt fort, die Gesellschaft scharf anzugreifen. Kaum war der zweite Artikel erschienen, als ein untersetzter, schneuzbärtiger Kerl mit einer Art Keule in die Redactionsstube trat und den ruhig arbeitenden Redacteur fragte: "Sind Sie der Chefredacteur ?" - Dieser ahnt, daß er den Verfasser der anonymen Aufforderung vor sich habe und antwortet ruhig: "Er ist soeben ausgegangen; wenn Sie indessen warten und die Zeit sich mit Zeitunglesen vertreiben wollen, so will ich ihn holen." - Der Mann mit der Keule setzt sich und fängt an, Zeitungen zu lesen. Der Redacteur geht hinaus und trifft auf der Straße einen gleichfalls verdächtigen, knittelbewaffneten Menschen, der ihn ebenfalls nach dem Chefredacteur fragt. - "O, den treffen Sie drin in der Stube an, er liest grade die Zeitungen." Der Mann mit dem Knittel stürzt hinein und fällt wie wüthend über den Keulenmann her; der setzt sich natürlich zur Wehre und sie schlagen einander halb todt. Schließlich werden sie ohne Widerstand auf die Polizei gebracht.


Anzeigen.

Zur Zwangsversteigerung der in Folge begründeten Antrags beschlagnahmten, dem Büdner und Weber Sommermeyer zu Cronscamp gehörigen, daselbst sub No. IV belegenen Büdnerei c. p. steht vor dem unterzeichneten Amtsgerichte an
1. der Verkaufstermin auf

Freitag, den 13. November 1885,
Vormittags 11 Uhr,

2. der Ueberbotstermin auf

Dienstag, den 8. Dezember 1885,
Vormittags 11 Uhr.

Ferner ist ein Termin zur Anmeldung aller dinglichen Ansprüche an das Grundstück und an die zur Immobiliarmasse desselben gehörenden Gegenstände (Zubehör), soweit sie nicht gesetzlich von der Meldungspflicht ausgenommen sind, zur Vorlegung der Originalien und sonstigen schriftlichen Beweismittel sowie zur etwaigen Prioritätsausführung unter dem Nachtheile der Abweisung und des Ausschlusses auf

Freitag, den 13. November 1885,
Vormittags 11 Uhr

angesetzt.
Dem Schuldner und den bei der Zwangsvollstreckung betheiligten Gläubigern wird hiermit freigelassen, zu dem Zwecke einer endlichen Regulirung der Verkaufsbedingungen, deren Entwurf 2 Wochen vor dem Verkaufstermine auf der Gerichtsschreiberei I hieselbst zur Einsicht der Betheiligten ausliegen wird, in dem letztgenannten Termine zu erscheinen, sowie innerhalb acht Tagen vor diesem Termine Vorschläge für die Verkaufsbedingungen einzureichen.
Schönberg, den 27. August 1885.

Großherzogliches Amtsgericht.
Dr. jur. E. Hahn.

H. Diederich.         


Antragsmäßig soll über die zu Carlow sub Nr. 24 belegene Büdnerei c. p. des Schustermeisters Johann Joachim Woisin daselbst ein Hypothekenbuch niedergelegt werden, und werden daher alle diejenigen, welche Realrechte an diesem Grundstücke zu haben vermeinen, und deren Eintragung in das niederzulegende Hypothekenbuch verlangen, zu deren Anmeldung auf

Sonnabend, den 19. December d. Js.,
Vormittags 10 Uhr

peremtorisch und unter dem Nachtheil hiemit aufgefordert, daß alle nicht angemeldeten und von der Anmeldungspflicht gesetzlich nicht ausgenommenen Realrechte an dem proclamirten Grundstücke sowohl gegen die jetzigen als auch die künftigen Besitzer desselben erloschen sein sollen.
Ausgenommen von der Anmeldungspflicht sind jedoch diejenigen Gläubiger, welche ihre Forderungen auf einem, mit dem Siegel des Gerichts versehenen, vor dem Liquidationstermine ihnen vorzulegenden und von ihnen zu unterzeichnenden Postenzettel vollständig und richtig aufgeführt gefunden haben.
Schönberg, den 22. September 1885.

Großherzogliches Amtsgericht.
G. Horn.

A. Dufft.         


Schneider,

die gewillt sind, der zukünftigen Innung beizutreten, wollen sich bei den Unterzeichneten bis zum

4. November cr.

melden.

A. H. Freitag.       H. Fanselow.
Aelterleute der Schneiderzunft.


[ => Original lesen: 1885 Nr. 82 Seite 4]

Vielfach prämiirt.
Pulverfabrik Rottweil-Hamburg in Hamburg

offerirt als Spezialität den Herren Interessenten ihre unter Verwendung der vorzüglichsten Materialien; sowie auf Grund eingehender Versuche selbst hergestellten

geladenen Jagdpatronen "Waidmannsheil."

Vorzüge im Gebrauch sind: Kernschuß, vorzügliche Deckung, Schonung und Reinhaltung der Waffe, absolute Zuverlässigkeit, civiler Preis.
Die Patronen sind bei unseren sämmtlichen Verkaufsstellen assortirt in System, Caliber, sowie Schrot=Nummer und überall zu Original=Fabrikpreisen erhältlich.
Dipositair für Lübeck Herren Grevsmühl & Riesland.
Dipositair für Wismar Herren Gebrüder Frahm Nachfolger.
Depositair für Schönberg Herrn C. Schwedt. Kaufmann.

Vielfach prämiirt.


Fleisch-Extract
2 goldene Medaillen
Schutzmarke Fleisch Extrakt
Das reinste und gehaltvollste von alten Sorten Fleisch-Extract.                          
                                                    General-Vertreter
                                                    Ferd. Köhler,
                                                    grosse Altefähre 35, Lübeck.


Zur Zeichnung von Gaben für die Hinterbliebenen mit Sr. Maj. Corvette "Augusta" untergegangenen Besatzung liegt an der Schalterstelle des hiesigen Postamts eine Sammelliste bis zum 31. d. M. aus; auch werden die Orts= und Landbriefträger etwaige Spenden zum Eintragen in diese Liste bereitwilligst entgegen nehmen.
Schönberg, den 21. October 1885.

Kaiserliches Postamt. Krüger.


Durch M. Schmidt's Buchhandlung in Ratzeburg ist zu beziehen:

Festpredigt
am 2. September 1884
in der St. Petrikirche zu Ratzeburg
gehalten von
Konsistorialrath Probst J. Russwurm.
Preis 25 Pfennig (Mecklenburg).


Waffen

(Prämiirt auf der Hamburg-Altonaer Internationalen Ausstellung 1869 mit der grossen silbernen Medaille.)
Revolver in allen Systemen u. Größen, in Lefaucheux, Centralfeuer u. Randfeuer, (letztere auch echt amerikanische), Büchsflinten, Pürschbüchsen, Entenflinten, Vorder- und Hinterlader-Scheibenbüchsen, Flobert-Salonbüchsen (Techins), in den neuesten Systemen Zimmerstutzen, Gartenbüchsen, Bolzenbüchsen, Luftgewehre, Luftpistolen, Stockflinten in Lefaucheux und Centralfeuer, Schiess-Spazierstöcke neuester Construction, Lefaucheux-Pistolen, Terzerole, Flobert-, Salon- und Scheibenpistolen, Revolver-Todtschläger mit Dolch; Lebensvertheidiger, Schlagringe, Dolch- und Degenstöcke, Dolchmesser, Dolche, Säbel, Degen, Hirschfänger, Jagdmesser, Fechterklingen- und Utensilien, Schiess-Scheiben, Patronen, Patronenhülsen, Patent-Jagdschrot (Hagel), Schiesspulver, Zündhütchen und Munition aller Art (auch Raketen) zu allen Schußwaffen, sowie sämmtliche Jagd-Artikel und Requisiten für Jäger, etc. etc., empfiehlt die Waffenfabrik von

F. W. Ortmann in Solingen.
Preislisten versende franco und gratis.


Am Mittwoch, den 28. October fahre ich mit meinem Omnibus nach dem

Ratzeburger Viehmarkt

Abfahrt von hier Morgens 5 1/2 Uhr,
Abfahrt von der Neuen Welt Morgens 7 Uhr.

L. Schütt.         


Das bedeutende
Bettfedern-Lager
Harry Unna in Altona
versendet zollfrei gegen Nachnahme
(nicht unter 10 Pfund) gute neue
Bettfedern für 60 Pfennig

das Pfund, vorzüglich gute Sorte für M. 1.25, prima Halbduunen nur M. 1.60.
Verpackung zum Kostenpreis. Bei Abnahme von 50 Pfund 5 pCt. Rabatt. Umtausch gestattet.


Hamburg - Amerika.
Jeden Mittwoch und Sonntag nach New-York
Schiff
mit Post=Dampfschiffen der
Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Actien-Gesellschaft
Auskunft und Ueberfahrts=Verträge bei           
Friedr. Frick in Röbel.


Louise Freitag
Heinrich Düßler
Verlobte.
Lübseerhagen.                                                    Schönberg.


Kirchliche Nachrichten.
Sonntag, den 25. October.

Vormittagskirche: Pastor Langbein.
Abendkirche (6 Uhr): Pastor Kämpffer.
Amtswoche Pastor Langbein.


Getreide=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Markt=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.


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