No. 72
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 18. September
1885
fünfundfünfzigster Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1885 Nr. 72 Seite 1]

            Auf Wunsch des Reichsamts des Innern hat Großherzogliche hohe Landesregierung zu Neustrelitz Erhebungen darüber angeordnet, in welchem Umfange thatsächlich die Beschäftigung gewerblicher Arbeiter an Sonn= und Festtagen vorkommt.
          Demgemäß werden alle Gewerbetreibende der Stadt Schönberg, welche ihr Geschäft mit Hülfe auch nur eines Gesellen oder eines Lehrlings oder eines Arbeiters betreiben, hiedurch aufgefordert, binnen 8 Tagen der unterzeichneten Landvogtei anzuzeigen, ob sie an Sonntagen oder Festtagen Arbeiter beschäftigen, wie viele Arbeiter sie beschäftigen, und wie lange solches geschieht. Bemerkt wird, daß zu den Gewerbetreibenden nicht allein Schuhmacher, Schneider, Schlosser, Schmiede, Dachdecker, Maurer= und Zimmermeister u. s. w. zu rechnen sind, sondern auch alle Krämer, Kaufleute, Manufacturisten und solche Unternehmer, welche gewerbsmäßig Fuhren leisten.
          Zur Anmeldung ist das nachstehende Formular zu benutzen:

Formular
zur Anmeldung, betr. Ermittelung der Sonntags=Arbeit.

1. 2. 3. 4. 5.

Name des Unternehmers (Firma). |
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Anzahl der sämmtlichen Arbeiter. |
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Findet eine Sonntagsbeschäftigung statt oder nicht. (Ja oder nein.) |
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Anzahl der
Sonntags
beschäftigten Arbeiter.
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Angabe: 1. Wie lange Sonntags die Arbeit dauert.

2. Wie viel Zeit während des Jahres Sonntags gearbeitet wird.

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         Schönberg, den          September 1885.
                                                    (Unterschrift.)

Schönberg, den 10. September 1885.

Großherzoglich Meckl. Landvogtei des Fürstenthums Ratzeburg.
I.V.
H. Fölsch.

H. Spieckermann.


[ => Original lesen: 1885 Nr. 72 Seite 2]

Im letzten Ministerrath in Berlin soll bestimmt worden sein, man wolle den Reichstag in der zweiten Hälfte des November wieder zusammenrufen.
Die Parade der Truppen des XIV. Armeecorps ist vor dem Kaiser am Freitag glänzend verlaufen. Der Kaiser ließ den Vorbeimarsch, im Wagen stehend an sich vorübergehen, der Kronprinz, Prinz Wilhelm, der Großherzog und der Erbgroßherzog von Baden führten ihre Regimenter vor. Die Kaiserin und die Großherzogin von Baden waren ebenfalls zu Wagen erschienen. Die Bevölkerung begrüßte den Kaiser überall in stürmischer Weise. Am Donnerstag Abend hatte in Karlsruhe ein großer Zapfenstreich die gesammte Bevölkerung vor das Schloß geführt, auf dessen Balkon der Kaiser wieder und wieder erscheinen mußte.
Die diesjährigen Manöver dienen u. a. zu Versuchen mit den neuen Ausrüstungsgegenständen. Zu diesem Zwecke sind einzelne Compagnien mit dem neuen Seitengewehr versehen worden. Vor allem aber sollen umfassende Versuche mit neuem Schuhwerk angestellt werden. Die Herbstübungen mit Märschen auf durchweichten und grundlosen Wegen sind allerdings die beste Probezeit für die Fußbekleidung der Infanterie.
Das diesjährige Uebungsgeschwader, auf dem auch Prinz Heinrich von Preußen mit in See gehen wird, soll aus den beiden Kreuzerfregatten "Stein" und "Moltke" und den beiden Kreuzer=Korvetten "Sophie" und "Ariadne" bestehen. Als Kommandant des Geschwaders wird Kapitain zur See Stenzel genannt, der bisher Oberwerftdirektor in Wilhelmshaven war. In Berlin meint man, das Geschwader werde bereit gehalten werden, um, wenn es nothwendig werden sollte, sofort nach den Karolinen abzugehen.
Die Sitzungen der Telegraphen=Conferenz nahen ihrem Ende. In der nächsten Woche hofft man mit den großen Kabelgesellschaften über die Herabsetzung der Tarife einig zu werden, dann ist die Hauptarbeit gethan. Die fremden Delegirten beabsichtigen, alle diejenigen deutschen Herren, deren Gäste sie waren, noch zu einer großen Festlichkeit zu vereinigen.
Täglich finden in Berlin jetzt nach dem Polizeibureau große Völkerwanderungen statt. Da sieht man Schneider, Schuhmacher, Seiler, Weißgerber, da kommen Wäschezuschneider, Weißnäherinnen, Kürschner und Plätterinnen und alle werden von einer in den Räumen des Polizeibureaus tagenden Konferenz über ihre Meinung befragt, was sie über die Sonntagsarbeit und über die Sonntagsruhe denken. Sind der Köpfe viele, so sind selbstverständlich auch der Ansichten nicht wenige; die Weißgerber und Seiler sagen: wir brauchen die Sonntagsarbeit nicht, andere aber wie die Hutmacher und Handschuhmacher erklären, wir müssen wenigstens am Sonntag die Läden offen haben dürfen, denn gerade die Sonntage sind unsere besten Verkaufstage. Der Verein für die Wahrung der miethschaftlichen Interessen in Rheinland und Westfalen hat sich gegen ein striktes Verbot aller Sonntagsarbeiten ausgesprochen.
Eine neue Erscheinung in unserm öffentlichen Leben ist das Eintreten der Frauen in die soziale und wirthschaftliche Bewegung. In Berlin gehören öffentliche Frauenversammlungen zu den alltäglichen Vorkommnissen. Es hängt diesen Versammlungen sehr viel Unreifes, Kindisches und Lächerliches an, sie sind reich an Komik und werden daher meist von der spaßhaften Seite genommen, man sollte aber auch den Ernst derselben nicht übersehen. Wie die Verhältnisse sich entwickelt haben, ist gegenwärtig ein großer Theil der Frauenwelt dem natürlichen Berufe, Mutter und Hausfrau zu sein, entzogen und darauf hingewiesen, sich den Lebensunterhalt durch der eigenen Hände Arbeit zu verdienen; es sind ferner bei der Dürftigkeit der Einnahmen breiten Schichten des Volks, nicht nur der eigentlichen Arbeiter, sondern auch der Handwerker und untersten Beamten, viele weibliche Familienangehörige genöthigt, zum Unterhalte des Haushaltes beizutragen. Daß nur mit wenigen Ausnahmen die Bezahlung der weiblichen Arbeit eine schlechte, zum Lebensunterhalt nicht ausreichende ist, wird jeder Kenner der Verhältnisse zugeben und in den Berliner Frauenversammlungen sind viele Beweise dafür erbracht worden. Die traurigen sittlichen und gesellschaftlichen Folgen liegen nahe. Die Bewegung höherer Löhne hat vieles für sich, aber die rechten Wege dazu sind noch nicht eingeschlagen. Das sozialdemokratische Gepräge vieler Versammlungen ist nicht förderlich, ebensowenig wie die Aufreizungen gegen einzelne Personen und die vielfachen Uebertreibungen und Maßlosigkeiten.
In Stuttgart tagen die deutschen Aerzte. Es ist die 13. Versammlung, welche sie abhalten. Irgend ein Uebereifriger hatte die Schweninger=Affaire zur Sprache gebracht, mit Recht aber erwiederte Sanitätsrath Dr. Graf=Elberfeld, daß die Ernennung eines Professors an der Universität in Berlin den deutschen Aerzte=Verein nichts angehe. Er erhielt mit 64 gegen 14 Stimmen ein Vertrauensvotum.
Der edle Spaniole, welcher in Madrid das Gebäude der deutschen Gesandschaft erklettert und die Fahne und das Wappen herabgerissen hat, heißt Antonin Alvaran Garicia, ist 31 Jahre alt und aus Altora gebürtig. Außer ihm sind noch 40 Männer und Jünglinge verhaftet worden, die aber sämmtlich eines nicht allzu guten Rufes genießen. Also zumeist Gesindel.
Der tapfere spanische General Salamanca, der unseren Kronprinzen durch die Rücksendung seines preußischen Ordens erheiterte und in Deutschland deshalb weitlich ausgelacht wurde, bekommt jetzt vielfach Bilderbogen mit deutschen Soldaten zugesandt. Auch mehrere Schachteln Bleisoldaten haben ihn einige Spaßvögel übermittelt, damit er einstweilen an diesen sein Müthchen kühle. Einer soll ihm sogar einen "Ehrensäbel" zugesandt haben und dieser so bemerkt ein anderer Spaßvogel in einem Berliner Blatt, wird hoffentlich aus dem geeignetsten Metall, aus Blech nämlich, angefertigt gewesen sein.
Es fällt auf, daß die Franzosen immer mehr Reiter=Regimenter an die deutsch=französische Grenze verlegen. Es sind jetzt bereits 14 französische Cavallerieregimenter im deutsch=französischen Grenzgebiet versammelt, denen nur 8 deutsche Reiterregimenter gegenüberstehen. In Chalons hält General Gallifet große Reitermanöver, er gilt für den Neuschöpfer der französischen Reiterei.
Die Franzosen setzen in Annam augenblicklich Könige ab und an der Stelle der abgesetzten andere ein. Das ist eine lustige Beschäftigung, aber man weiß dabei zuweilen nicht, ob der neue nicht noch schlimmer als der alte ist. Das neueste Telegramm aus Hue lautet: Der bisherige Gouverneur Channong wurde als König von Annam eingesetzt. Derselbe zog unter einem Salut von 21 Kanonenschüssen in das königliche Palais, auf dem die annamitische Fahne aufgehißt wurde. Die Krönung findet am 19. d. Mts. statt. Unter der annamitischen Bevölkerung fordert die Cholera zahlreiche Opfer.


Neustrelitz, den 9. September. Die Abordnungen der Behörden und des Landes, welche am 7. im weißen Saale zur Gratulation erschienen, waren nach den "M. A." folgende: Landgericht; Medizinalkollegium; Generallieutenant von Gotsch, Exc., nebst Offizieren des 2. Pommerschen Ulanenregiments und der Garnison Neustrelitz; Ober=Postdirektor Ritzler=Schwerin für die Post= und Telegraphenverwaltung; Ober=Zollrath Kühne=Schwerin für die Steuer= und Zollverwaltung; Archivar Dr. v. Buchwald für das Haupt=Archiv; die Bürgermeister Rath Buttel mit Begleitung für die Residenzstadt Neustrelitz; Voß mit Begleitung für die Stadt Friedland; Hofrath Bahr für die Stadt Fürstenberg; Müller mit Begleitung für die Stadt Strelitz; Verg für die Stadt Wesenberg; Wohlfahrt und Viertelsmann Bartel für die Stadt Stargard; Stadtsprecher Krüger nebst Begleitung für die Stadt Woldegk, Bürgermeister Bicker und Hofschmied Draeger für die Stadt Schönberg; Thierarzt Plümecke für den Flecken Feldberg; Kaufmann Rehberg für den Flecken Mirow; die Amtsrichter Runge=Feldberg und Saur=Neubrandenburg für die Amtsgerichte; Präpositus Becker Mirow, Pastor Schönbeck= Feldberg und Präpositus Dr. Uhden=Kotelow für die Präpositen des Herzogthums; Probst Konsistorialrath Rußwurm für die ratzeburgische Geistlichkeit; Pächter Amtmann Drewes=Krickow, Kirchstein=Küssow, Amtmann

[ => Original lesen: 1885 Nr. 72 Seite 3]

Zarneckow=Wanzka, Rhades=Buchholz, Wendland=Ollendorf, Wiebelitz=Cantnitz, Kaumann=Canow, Bergemann=Zirtow, Amtmann Cordua=Zippelow, Oberamtmann Wicke=Demern und Staeding=Neuhof; Bauer Ahrendt=Nemerow, Schulze Paselk=Wulkenzin, Bauer Stegemann=Zachow, Bauer Benthin=Thurow, Schulze Benzin Triepkendorf, Schulze Radloff=Plath, Bauer Müther=Peetsch, Bauer Maaß=Schillersdorf, Hauswirth Schulze Kaehler Klein=Siemz, Hauswirth Schulze Lenschow=Groß=Bünsdorf, Freischulze Bade=Strasen; Oberförster Grapow=Lüttenhagen, Förster Blank=Schlagbrügge, Unterförster Schulz=Dabelow, Unterförster Dessau=Dianenhof für die Großherzoglichen Forstbeamten; Lehrer Mann=Zierke, Lehrer Bährens=Neustrelitz und Lehrer Oldenburg=Neustrelitz für die Volksschullehrer; Baumeister Hustädt, Eichamtsdirigent Rönbeck, Apotheker Beckström für den Gewerbeverein in Neustrelitz; Kaufmann O. Giese, Hofapotheker Zander und Kaufmann Röwer für den Lokal=Handelsverein in Neustrelitz; Dr. Marung=Schönberg, Kassirer Noebe, Copiist Meincke für das Präsidium des Kriegerveieins; Kriegerverein zu Neustrelitz, Friedland; Schützenzünfte zu Fürstenberg, Woldegk; Freimaurerlogen zu Neustrelitz, Neubrandenburg und Friedland; Amtszimmermeister Becker=Stargad und Hofmaurermeister Herzberg=Neustrelitz für den Innungsverband der Maurer= und Zimmermeister; Landesrabbiner Dr. Hamburger=Strelitz mit den Vorständen der jüdischen Gemeinden. Hof=Lithograph Hacker=Berlin und Kaufmann Rust daselbst für die ehemaligen Schüler der Realschule in Neustrelitz.
- Am Sonntag wird im Boye'schen Saale zu Schönberg der Antispiritist Jacoby auftreten. Von auswärts werden seine Vorstellungen sehr gelobt und als eigenartig dargestellt; sie zeigen etwas Originelles und Unerklärliches. Seine Geistererscheinungen werden nicht nach Art der Basch'schen Sotréen durch Spiegel und laterna magica, sondern ganz eigenartig in überraschender Täuschung dargestellt, so daß sie fast an's Uebernatürliche grenzen. (Siehe Inserat.)
"Himmel, Herrgott Sakrament oder Fort mit den Gespenstern!" so lautet der Titel der neuesten sozialdemokratischen Schrift, die zu confisciren sich das Polizeipräsidium in Berlin veranlaßt gesehen hat.
- Eine eigenthümliche Lösung fand kürzlich ein zwischen zwei Herren in Königsberg i. Pr. beschlossenes Duell mit dreimaligem Kugelwechsel. Die Duellanten mit ihren Secundanten trafen pünktlich auf dem verabredeten Kampfplatze ein. Dort wurde der Vorschlag gemacht und auch acceptirt, vor Beginn des Duells noch einmal, wie schon so oft, mit einander einen kräftigen Trunk zu thun. Mittlerweile hatte man an einem Baume eine Scheibe angebracht, die einen Soldaten in Mannshöhe darstellte, und nach dieser, meinte der Beleidigte, wollen wir schießen. Der schlechteste Schütze sollte als besiegt betrachtet werden und eine Geldstrafe zahlen. So geschah es auch. Die schlechtesten Schüsse gab der Beleidigte ab; er zahlte die verabredete Summe und blieb dann noch mehrere Stunden mit seinem Gegner zusammen.


Anzeigen.

Der Schlachter Ludwig Johann Adolph Rewohl, geboren am 27. August 1855 zu Schwerin, zuletzt in Schönberg i./M., wird beschuldigt, als Ersatzreservist erster Klasse ausgewandert zu sein, ohne von der bevorstehenden Auswanderung der Militärbehörde Anzeige erstattet zu haben, - Uebertretung gegen §. 360 No. 3 des Strafgesetzbuchs.
Derselbe wird auf

den 6. November 1885,
Vormittags 10 Uhr,

vor das Großherzogl. Schöffengericht zu Schönberg i./M. zur Hauptverhandlung geladen.
Bei unentschuldigtem Ausbleiben wird derselbe auf Grund der nach §. 472 der Strafprozeßordnung von dem Großherzogl. Landwehr=Bezirks=Commando zu Schwerin ausgestellten Erklärung verurtheilt werden.
Schönberg, den 5. September 1885.

Der Großherzogl. Amtsanwalt.
H. Fölsch.


Der Schneider Joachim Peter Heinrich Böken, geboren am 15. Februar 1862 zu Carlow, und der Hausknecht Joachim Friedrich Wilhelm Krellenberg, geboren am 22. Januar 1862 zu Schönberg, beide zuletzt in Schönberg, werden beschuldigt, - als Wehrpflichtige in der Absicht, sich dem Eintritte in den Dienst des stehenden Heeres oder der Flotte zu entziehen, ohne Erlaubniß das Bundesgebiet verlassen oder nach erreichtem militärpflichtigen Alter sich außerhalb des Bundesgebietes aufgehalten zu haben, - Vergehen gegen §. 140 Abs. 1 No. 1 des Str.=G.=B. Dieselben werden auf

Dienstag, den 6. October 1885,
Vormittags 9 1/2 Uhr,

vor die Strafkammer bei dem Großherzoglichen Amtsgerichte zu Schönberg in Mecklenburg zur Hauptversammlung geladen.
Bei unentschuldigtem Ausbleiben werden dieselben auf Grund der nach §. 472 der Strafprozeßordnung von dem Herrn Civilvorsitzenden der Ersatzcommission des Aushebungsbezirks für das Fürstenthum Ratzeburg zu Schönberg über die der Anklage zu Grunde liegenden Thatsachen ausgestellten Erklärungen verurtheilt werden.
Neustrelitz, den 7. April 1884.

Der Erste Staatsanwalt.
                                           Beglaubigt
                                                                              R. Funck.
                                                                              Landgerichtsprotocollist.


In Sachen betreffend die Zwangsversteigerung der dem Drechsler J. Holst zu Schönberg gehörigen, daselbst an der Wallstraße sub Nr. 129a und an der Siemzer=Straße sub Nr. 130 belegenen Wohnhäuser c. p. wird hierdurch bekannt gemacht, daß in dem am 25. August 1885 stattgehabten Termin zur Anmeldung dinglicher Rechte und Ansprüche an die zu verweigernden Grundstücke sofort der Präclusivbescheid dahin verkündet worden ist,
daß alle diejenigen, welche dingliche Ansprüche an die Grundstücke zu haben vermeinen, solche aber bisher nicht angemeldet haben, mit ihren Ansprüchen ausgeschlossen sein sollen, soweit sie nicht gesetzlich von der Anmeldungspflicht ausgenommen sind.
Gleichzeitig wird der auf

Dienstag, den 22. September 1885,
Vormittags 11 Uhr

angesetzte Ueberbotstermin hiermit mit dem Bemerken in Erinnerung gebracht, daß in dem ersten Verkaufstermine ein Gebot nicht abgegeben ist.
Schönberg, den 27. August 1885.

Großherzogliches Amtsgericht.
Dr. jur. E. Hahn.

H. Diederich.         


Zu Michaelis d. J. sucht                                 
ein Mädchen
                                                    E. Schär.


Ein ordentliches Mädchen
für häusliche Arbeiten sucht zu sogleich, event. Michaelis                          
                                                    D. Heincke, geb. Wigger.


Bekanntmachung.

Mitte Oktober werde ich wieder nach Schönberg kommen.                                                    
                                                                      Hochachtungsvoll
Schwerin.                                                       Frau Degenhardt.


Das bedeutende
Bettfedern-Lager
Harry Unna in Altona
versendet zollfrei gegen Nachnahme
(nicht unter 10 Pfund) gute neue
Bettfedern für 60 Pfennig

das Pfund, vorzüglich gute Sorte für M. 1.25, prima Halbduunen nur M. 1.60.
Verpackung zum Kostenpreis. Bei Abnahme von 50 Pfund 5 pCt. Rabatt. Umtausch gestattet.


[ => Original lesen: 1885 Nr. 72 Seite 4]

        Den Bewohnern von Schönberg und Umgegend die ergebene Anzeige, daß für die Saison unser, auch dort bekanntes Lager jetzt vollständig assortirt ist. Wir empfehlen unsere

Kleiderstoffe, sowie Winter- und Herbst=Mäntel

in den geschmackvollsten Mustern und billigsten Preisen einem geehrten Publikum zu gefälliger Abnahme.

                                                    Achtungsvoll
Rehtwisch & Borchert.

        Lübeck, den 10. September 1885.


Vielfach prämiirt.
Pulverfabrik Rottweil-Hamburg in Hamburg

offerirt als Spezialität den Herren Interessenten ihre unter Verwendung der vorzüglichsten Materialien; sowie auf Grund eingehender Versuche selbst hergestellten

geladenen Jagdpatronen "Waidmannsheil."

Vorzüge im Gebrauch sind: Kernschuß, vorzügliche Deckung, Schonung und Reinhaltung der Waffe, absolute Zuverlässigkeit, civiler Preis.
Die Patronen sind bei unseren sämmtlichen Verkaufsstellen assortirt in System, Caliber, sowie Schrot=Nummer und überall zu Original=Fabrikpreisen erhältlich.
Dipositair für Lübeck Herren Grevsmühl & Riesland.
Dipositair für Wismar Herren Gebrüder Frahm Nachfolger.

Vielfach prämiirt.


Vom 1. Mai d. J. bis heute sind nachstehende Verluste bei unserem Verein angemeldet:
  1. Vom Schulzen Lühr zu Lüdersdorf ein Pferd 300 M.
  2. Vom Büdner Voß zu Herrnburg ein Pferd 100 M.
  3. Vom Ackerbürger P. Burmeister hier eine Kuh 135 M.
  4. Vom Pächter Heitmann zu Falkenhagen ein Pferd 300 M.
  5. Vom Hauswirth Boye zu Zarnewenz ein Bolle 100 M.
  6. Vom Schulzen Lühr zu Lüdersdorf ein Pferd 100 M.
  7. Vom Hauswirth Voß zu Thurow ein Pferd 350 M.
  8. Vom Hauswirth Holst zu Ziethen ein Pferd 150 M.
  9. Vom Büdner Wilms zu Schlag=Sülsdorf eine Kuh 135 M.
10. Vom Bäckermeister Freitag hier eine Kuh 135 M.
11. Vom Ackerbürger P. Burmeister hier eine Kuh 135 M.
12. Vom Pächter Pumplün zu Carlow eine Kuh 135 M.
13. Vom Schulzen Lühr zu Lüdersdorf ein Pferd 200 M.
und werden unsere Mitglieder ersucht zur Deckung dieser Schäden einen Beitrag von 80 Pfennig pro 100 M. Versicherungssumme am

Sonnabend, den 19. September, Morgens 10 Uhr

im Boye'schen Gasthause hieselbst einzuzahlen.
An demselben Tage liegt daselbst die Abschlußrechnung unseres Vereins pro 1884 zur gefälligen Einsicht unserer Mitglieder und sonstigen Interessenten aus.
Schönberg, den 9. September 1885.

Direction des Viehversicherungs=Vereins im Fürstenthum Ratzeburg.
As. Ahrendt.           Wilh. Heincke.


Da unser eingereichtes Innungsstatut von Großherzoglicher Regierung bestätigt, jetzt zurückgekommen, so laden wir hiemit alle Stadt= und Landmeister unserer Zunft ein, zu der am

Mittwoch, den 30. September,
Nachmittags 1 Uhr

abzuhaltenden Versammlung, zwecks Wahl des Vorstandes etc., unfehlbar zu erscheinen.
Schönberg, den 14. September 1885.

Die Aelterleute
der bisherigen Schmiede= und Schlösserzunft.


Diäten=Verein
für Geschworene beider Mecklenburg.

Die diesjährigen Beiträge sowie neue Beitrittserklärungen werden bis zum 31. October entgegengenommen von

L. Spehr.       


Haus- und Küchengeräthschaften
empfing in großer Auswahl und empfiehlt zu billigen Preisen
                                     &nbs                                                    J. Ludw. D. Petersen.
Auch sind einige                                                    
leicht beschädigte Sachen
sehr billig zu kaufen.                                                    D. O.


40 junge Gänse
und
20 Ferkel
hat zu verkaufen                          
                                                                H. Böttcher.
Rieps.                                                     Gastwirth.


Im Saale des Herrn Boye:
Sonntag, 20. September 1885
Große Vorstellung
von dem in Mecklenburg so beliebten
Zauberkünstler Herrn Jacoby
aus Hamburg.
Entree 1. Platz M. 1. 2. Platz 50 Pfennig (Mecklenburg).
Kinder die Hälfte. Anfang 8 Uhr Abends.
                                                    J. Boye.

Zu Michaelis d. J. findet ein                          
älterer Stallknecht,
der mit jungen Pferden umzugehen versteht, einen guten Dienst zu Hof Schlagsdorf /b. Ratzeburg.


Kirchliche Nachrichten.
Sonntag, den 20. September.

Frühkirche: Pastor Langbein.
Vormittagskirche: Pastor Kaempffer.
Amtswoche: Pastor Kaempffer.


Getreide=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Markt=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


(Hierzu eine Beilage.)


Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.


[ => Original lesen: 1885 Nr. 72 Seite 5]

Beilage
zu Nr. 72 der Wöchentlichen Anzeigen für das Fürstenthum Ratzeburg.
Schönberg, den 18. September 1885.


- Neue 100=Markscheine sind ausgegeben, welche auf der Vorderseite nur Schrift, auf der Rückseite nur zwei weibliche Figuren in knieender Haltung zeigen, die so schön sind, daß sich viele Leute förmlich in sie verliebt haben und nicht genug kriegen können.
- (Ein Vermißter von 1870.) Vor einigen Tagen wurde der Sprottauer Militärbehörde ein Mann zugeführt, welcher bei dem Ausbruche des Krieges gegen Frankreich im Jahre 1870 in Sprottau in Garnison stand. Er gehörte seiner Zeit der ersten schweren sechspfündigen Batterie an. Bei dieser machte er den Feldzug gegen Frankreich mit. In Frankreich gefiehl es ihm so gut, das er fahnenflüchtig wurde. Er blieb in einem Orte bei Dijon und nahm hier Arbeit. Selbstverständlich mußte er in den Reihen seiner Kameraden, welche keine Ahnung von der Flucht hatten, als vermißt gelten. Sein Heimathsort ist Schroda. Dort kam der Vermißte unerwartet vor wenigen Tagen an. Ob die Sehnsucht nach der Heimath ihn zurückgeführt hat, oder - wie verlautet - er aus Frankreich ausgewiesen worden ist, wird die gegen ihn eingeleitete Untersuchung wohl feststellen. Von Schroda wurde der Betreffende nämlich nach Sprottau, seinem früheren Garnisonsorte befördert, und von hier ist er nach Glogau der Militärbehörde zugeführt worden.
- In Dresden ist ein Kaplan, Frühprediger an der katholischen Hofkirche, zum Protestantismus übergetreten und hat sich verheirathet.
- Ein Enkel des letzten Kurfürsten von Hessen, der älteste Sohn des Prinzen Friedrich von Hanau, ist in Zürich als Rekrut für die Schweizer Armee ausgehoben worden.
- Wie der Blitzschlag auch helfen kann, erzählt der Sanitätsrath Kunze in Halle. Eine Gutsbesitzers Frau wurde im Mai vom Schlag getroffen, eine vollständige Lähmung der rechten Seite trat ein und die Sprache verschwand. Am 8. Juni in der Abendstunde kam ein schweres Gewitter herauf und ein Blitzstrahl traf das Haus und auch die auf dem Sopha sitzende Frau gerade an der gelähmten Seite. Es entstand durch den Blitz auf der rechten Schulter und in der Seite sofort Röthung der Haut und brennendes, stechendes Gefühl. Als die durch den Schreck hervorgerufene Depression vorüber war und die Patientin sich beruhigt und erholt hatte, konnte sie den rechten Arm bis zur Kopfhöhe ganz ohne Hülfe erheben. Sie sagte auch "Ja" und "Nein" und sprach insbesondere auch den Namen ihres Sohnes Edmund, sowie die Worte Papa, Rheumatismus, Fuß u. s. w. deutlich aus. In den ersten acht Tagen nach dem Blitzschlage besserte sich der Zustand der Patientin ganz außerordentlich; am 18. Juni konnte sie schon allein stehen und gehen. Seitdem ist allerdings keine erhebliche Besserung eingetreten. Zur Zeit wird die Frau täglich einmal elektrisirt.
- Leipzig hat das Glück, nicht nur viele reiche, sondern auch freigebige und patriotische Leute zu besitzen, die in ihrem Testament der Stadt und der Armen gedenken. Kaufmann Focke hat der Stadt zu Wohlthätigkeitszwecken 500 000, der Armenanstalt 30 000 und dem Museum 20 000 M. vermacht.
- In Wilschdorf bei Dresden schlug der Blitz in die Kirche ein, als ein Brautpaar getraut wurde; er erschlug zwei Personen und verwundete mehrere.
- In Zermatt in der Schweiz ist ein junger Engländer vom Fels gestürzt und seinen Wunden erlegen.
- In Guben gehen auf der Eisenbahn täglich 1500 Centner Obst in die Welt.
- Was der Post alles passiren kann. Das Postamt in Düsseldorf ist wegen Vergehens gegen das Jagdschutz=Gesetz angeklagt. Dort kamen am 4. September 3 Hasen au, die an einen Herrn adressirt waren, der sich auf Reisen begeben hatte. Da die Hasen bis zu seiner Rückkehr nicht aufbewahrt werden konnten, verkaufte sie das Postamt an einen Restaurateur. Dort bekam die Polizei Wind davon und, da in Preußen Hasen erst am 15. September abgeschossen werden dürfen, confiscirte die Polizei die drei todten Lampes und langte sich das kaiserliche Postamt wegen Vergehen gegen das Jagdschutz=Gesetz.
- Die Bienen machen sich auf einen strengen Winter gefaßt, sie verkitten ihre Wohnung so fest, wie seit vielen Jahren nicht. Diese Mittheilung wurde auf dem Congreß der Bienenzüchter gemacht.
- Im bayerischen Gebirg ist der erste Schnee gefallen. Bei den Cavallerie=Manövern bei Regensburg stürzte ein Ulan vom Pferd, wobei dem Thier die Lanze in den Leib gestoßen wurde. Mehrere Ulanen wurden in den Sturz verwickelt und wurden todt vom Platz, drei andere mit gebrochenen Gliedmaßen ins Lazarett getragen.
- Gerdauen. In dem Dorfe Malk spielte sich kürzlich eine Liebestragödie ab. Ein sehr hübsches 21jähriges Dienstmädchen, Namens Marie Klutt, Tochter eines verarmten Besitzers, und der Knecht F. Schalpe waren Brautleute. Da Beider Armuth ihre Verheiratung unmöglich machte und ihr Verhältniß nicht ohne Folgen geblieben war, so beschlossen dieselben, gemeinschaftlich sich den Tod zu geben und führten ihren Entschluß durch Erschießung mittelst Revolvers aus. In dem Koffer der Braut fand ihre Mutter wohlgeordnet einen vollständigen feinen Leichenanzug mit weißen Glacéhandschuhen; auf dem Busenstück der Taille lag ein goldenes Medaillon mit dem Bildniß des Bräutigams.
- In Madrid verlangt das Volk, daß die Straße Calle de los Alemanes (Straße der Deutschen) in Calle de los Carolinas (Carolinenstraße) umgetauft wird. Die Straße ist seit 200 Jahren nach den deutsch=böhmischen Glashändlern genannt.
- König Humbert's Bart. Das Haupthaar und der martialische Schnurrbart des Königs von Italien, welche schon seit längerer Zeit ergraut waren, sind jetzt völlig weiß geworden. Die liebliche Königin Margherita, welche sich darüber kränkt, daß ihr geliebter Gatte älter erscheint, als er ist (König Humbert wurde im März 1844 geboren), ließ aus Paris ein Kästchen mit Haarfarbe von einem der ersten Parfümeure kommen und überreichte dieses ihrem Gemahl, begleitet von den süßesten Schmeichelworten. Der König nahm die Gabe an. Als am nächsten Morgen die Königin in ihr Gartenhaus kam, sah sie daselbst zu ihrem Entsetzen ihren Liebling, ein weißes Löwenhündchen, völlig grün gefärbt. Die Königin weinte vor Zorn. Da sagte König Humbert: "Beruhige dich, Margherita, ich mußte das Mittel doch vorher probiren, ob es haltbar und nicht schädlich sei. Morgen mache ich den zweiten Versuch bei deinem brasilianischen Kakadu". Als der König Abends in sein Zimmer kam, fehlte die französische Parfümerie; die Königin hatte sie vernichtet.
- Das Herz ist nichts als ein beweglicher Fleischmuskel! Dieser Satz der Theorie scheint neuerdings durch Beobachtungen und Experimente eines russischen Gelehrten, des Physiologen Prof. Tarchanofsin Petersburg Bestätigung zu finden. Es gibt nämlich nicht wenige Personen, welche die besondere Fähigkeit besitzen, nach ihrem Wollen ohne Zuthun der Hände gewisse Muskelpartien ihres Körpers selbstständig für sich in Bewegung zu setzen, namentlich die Ohrmuscheln vorwärts und rückwärts zu bewegen, ebenso das Kinn, die Nasenspitze, ja sogar die ganze Kopfhaut mit dem Haupthaar in selbständige Bewegung zu versetzen und auch die obersten Gelenke der Finger und Zehen von selbst

[ => Original lesen: 1885 Nr. 72 Seite 6]

zu beugen, zu krümmen und beim Stillhalten der übrigen Finger und Zehen=Gelenke (einzeln oder alle zehn auf einmal) nur an der Spitze willkürlich zu bewegen. Tarchanoff hat nun beobachtet, daß, wer solche willkürliche Muskelbeweglichkeit besitzt, auch mit einer gewissen Anstrengung seines Willens im Stande ist, den Herzschlag d. h. die Zusammenziehung des von selbst durch Ein= und Austritt des durchziehenden Blutes sich bewegenden Herzmuskels, das Oeffnen und Schließen der Herzklappen nach Willkür zu beschleunigen, nicht aber den regelmäßigen Herzschlag zu verlangsamen. Nur unter dem Einfluß gewisser Arzneien verlangsamt sich der Herzschlag, während er in der Regel 70 Schläge in der Minute hat und nach Willkür von solchen Muskelkünstlern bis auf 105 in der Minute gesteigert werden kann.
Für Landwehrleute ist eine kürzlich ergangene Entscheidung des Reichsgerichts wichtig, daß sie, zum Dienst einberufen, an dem ganzen Tag, an welchem ihre Entlassung erfolgt, unter dem Militärgesetze stehen, namentlich auch bei den Controlversammlungen.
- Ein in den Kreisen der Schifffahrt Aufsehen erregender Vorgang hat sich vor ungefähr 8 Tagen in Marseille ereignet. Es handelt sich um die Ersetzung der Kohle durch Petroleum oder vielmehr durch die Abgänge des Petroleums für die Verdampfung des Wassers in den Kesseln. Die Ehre des neuen Verfahrens, welches die Heizung der Dampfkessel an Bord durch Petroleum in Anwendung bringt, fällt Herrn v. Allest, Chef=Ingenieur der Compagnie Fraissinet, zu. Die Versuche wurden mit dem Steamer "Aude" gemacht, der, mit den neuen Apparaten versehen, fünf Stunden Fahrt unter ausgezeichneten Bedingungen bezüglich Schnelligkeit und Regelmäßigkeit gemacht hat. Die Erfindung des Herrn v. Allest macht die Heizer nahezu entbehrlich, da die Speisung mit Petroleum sich durch die Oeffnung eines Hahnes vollzieht.
- Die Frankfurter "Kleine Presse" erzählt folgende hübsche und wohl glaubwürdige Wett=Geschichte. Ein Maurerlehrling, welcher neben seinem Handwerk noch allerlei brodlose Künste treibt und, wie man zu sagen pflegt, ein wahrer Teufelsjunge, im Uebrigen aber eine grundehrliche Haut ist, ging mit einem Backsteinfabrikanten eine Wette ein, welche am letzten Sonntag zum Austrag gebracht wurde. Der Junge hatte nämlich behauptet, daß jeder Hund, selbst der bösartigste, vor ihm die Flucht ergriffe, auch wenn sein Herr denselben auf ihn hetze. Nun sollte er der Wette zufolge der sehr bissigen Dogge des Backsteinbauern gegenüber diese Probe bestehen. Der Hund wurde von seinem Herrn von der Kette losgemacht und auf den in einiger Entfernung stehenden Maurerlehrling gehetzt. Derselbe blieb ruhig stehen und ließ den Hund auf etwa zwanzig Schritte an sich herankommen; da flogen plötzlich die Beine des Burschen in die Höhe, die Hände auf dem Erdboden und mit der Mütze im Munde ging er in dieser Stellung auf den Hund los. Dieser stutzte einen Moment, nicht wissend, wo er seinen Gegner nach dessen Umwandlung anzugreifen habe; als derselbe aber noch ferner auf ihn zuging, machte der Hund Kehrt und eilte zu seiner Hütte, aus der er nur mit vieler Mühe wieder herauszubringen war. Sobald er aber des unheimlichen Jungen ansichtig wurde, verschwand er wieder in seine Hütte und war nicht zu bewegen, noch einen Angriff auf denselben zu unternehmen, so daß der Lehrling seine Wette, die um einen Hektoliter Bier ging, glänzend gewonnen hatte.
- Unter dem Titel: "Eine russische Frau" ist der Brief eines Friedensrichters aus der Provinz erschienen und in allen russischen Zeitungen abgedruckt. "In meinen Gesichtskreisen, heißt es darin, befinden sich mehr als 200 Dörfer. Bald nach meiner Ankunft kamen täglich massenweise Anklagen der Frauen gegen ihre Ehemänner und Schwiegermütter über Mißhandlung vor. Ich bin ein empfindlicher nervöser Mensch und ich konnte ein Zittern nicht unterdrücken angesichts der schrecklichen Lage unserer Bäuerin, dieser ewigen Märtyrerin und Sklavin. Sie kennt keine Ruhe. Sie verrichtet alle Haus= und Feldarbeiten und unterliegt überdies der Tyrannei und den Schlägen der Ehemänner, welche sich in dieser Gegend fast ausschließlich mit Fabrikarbeiten und Saufen beschäftigen. Täglich kamen Fälle der Mißhandlung von Frauen vor Gericht. Ich kann mich der Klagen über schreckliche Schläge gegen Frauen und Kinder erinnern, über Folterungen schwangerer Frauen, welche von ihren unmenschlichen Ehemännern an den Zöpfen angebunden und mit Riemen über Leib, Schultern und Brust geschlagen werden . . . Den Zopf eines jungen Frauenzimmers klemmte man zwischen zwei Dielen, die Schwiegermutter hielt sie fest und der Mann schlug sie aufs fürchterlichste. Ein Bauer zog seinen Kindern die Kleider aus in der Absicht, dieselben zu verkaufen. Seine Frau, die Mutter seiner Kinder, jagte ihm nach und wollte die Kleidungsstücke retten. Der Trunkenbold, in Wuth gerathen, schlug das Weib mit den Fäusten, trat sie mit den Füßen und man brachte die Unglückliche halbtodt, blutüberströmt zu mir ins Gerichtszimmer. Ein anderer Trunkenbold riß die Hängewiege sammt seinen Kindern herunter und warf den Säugling bei bitterstem Froste auf die Straße. Ein Raufbold, ein kräftiger Kerl, stürzte sich auf seine Fran, ein mageres Wesen, um sie zu mißhandeln; sie hielt ein sterbenskrankes dreijähriges Mädchen in den Armen, welches seine eigenen Schmerzen vergaß und mit schwacher Stimme den unmenschlichen Vater anflehte, "das Mutterl nicht zu schlagen". Letztere suchte, bereits von Blut befleckt, blos das Kind zu trösten, das eine Stunde später starb . . . Besonders prägte sich in meinem Gedächtnisse die Frau eines Dorfschulzen ein, welche täglich von ihrem Ehemanne, der mit einem anderen Frauenzimmer ein sträfliches Verhältniß unterhielt, mißhandelt wurde. Diesen fürchterlichen Riesen konnte man durch nichts beschwichtigen, ihm durch nichts ins Gewissen reden. "Er schlägt mich unaufhörlich", beklagte sich die kränkliche Frau, der Kopf ist mir wie ein Klotz geworden; ich fühle nichts mehr am ganzen Körper; mein ganzes Innere ist zerschlagen. Der Unmensch drohte, sie wie eine Katze hinauszuschmeißen. "Ich bin der Herr über deinen Körper, nur über die Seele nicht" war sein Spruch. Die Frau verzieh ihm jedesmal, so oft sie zu Gericht kamen und - starb nach kurzer Zeit . . . Ich könnte Hunderte von Papierbögen mit solchen Thatsachen füllen, wenn ich mich mit der Märtyrologie der russischen Frauen beschäftigen wollte. Das sind nur einzelne Tropfen aus einem ganzen Meere von Thränen. Ich bot alle meine Autorität zur Verbesserung der Lage der Bauernfrauen auf und zu meiner höchsten Freude gelang es mir auch oft die Bauern, hauptsächlich durch Drohungen, sie strengstens zu bestrafen, von Unmenschlichkeiten abzuhalten, so daß viele sich verpflichteten, "die Frau zu schonen", manche sogar "sie zu lieben." Ich muß auch gestehen, daß Rückfälle selten vorkamen, da der unwissende Bauer das Gericht ebenso, wie den Teufel fürchtet und diese Furcht benütze ich als Damm gegen seine Rohheit. Zum Unglücke ist die Entscheidung über Anklagen der Bäuerinnen gegen ihre Ehemänner - dem Bauerngerichte vorbehalten, dessen Beisitzer selbst im Umgange mit ihren Frauen nichts anders als die Knute kennen. Folgende Thatsache wird dies illustriren: Vor ein Bauerngericht kam die Verhandlung über die Tyrannissirung eines Frauenzimmers durch ihren Ehemann. "Nun," wendeten sich die Richter zum Angeklagten, "zeige uns, Nikifor, wie hast du sie geschlagen?" Der gesunde Kerl packte auf der Stelle das Frauenzimmer beim Zopfe und unter allgemeinem Gelächter wälzte er sie auf dem Boden und trat sie mit den Füßen." Von solchen und abersolchen Vorfällen strotzt der Brief des Friedensrichters an Uspenski, und das Aufsehen, das er erregt hat, beweist nur, welche Unkenntniß in Rußland über weitverbreitete und eingewurzelte Mißstände im eigenen Lande und Volke herrscht.


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