No. 59
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 31. Juli
1883
dreinundfünfzigster Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1883 Nr. 59 Seite 1]

Politische Rundschau.

Uebereinstimmenden Meldungen zufolge wird, wie die "Pol. Korr." berichtet, Kaiser Wilhelm am 7. August sich von Gastein nach Ischl zum Besuche des Kaisers und der Kaiserin von Oesterreich begeben. Der Minister des Aeußern, Graf Kalnoky, ist am 26. d. von Gastein nach Wien zurückgekehrt.
Kaiser Wilhelm hält am 14. September die große Parade über das 4. Armeecorps auf dem Schlachtfelde von Roßbach (glorreichen Andenkens aus dem 7jährigen Kriege) ab. Tags darauf findet das Corpsmanöver zwischen Merseburg und Naumburg statt.
Nicht geringes Aufsehen erregt in Berlin die plötzlich erfolgte Beschlagnahme der Geschäftsbücher der Hirsch=Dunckerschen Arbeiterkassen. Die Herren von der Polizei sollen mit einer richterlichen Verfügung nicht versehen gewesen sein. Eine Deputation, welche sich um Auskunft an das Handelsministerium wandte, erhielt den Bescheid, daß man von der Sache nicht unterrichtet sei.
Gegen Ende des künftigen Monats wird in Hamburg die Vollzugscommission wegen des Zollanschlusses zusammentreten, welcher es obliegt, den Arbeitsplan endgiltig festzustellen und Einzelheiten, wie den Lauf der Zolllinie, die Erbauung von Zollhäusern etc. anzuordnen. Die Commission besteht aus sechs Mitgliedern, von denen der Reichskanzler, Preußen, Bayern und Sachsen je ein Mitglied, Hamburg aber deren zwei zu ernennen hat, welche letztere beide jedoch nur eine Stimme haben.
Englische Blätter entwerfen von den Zuständen in Unteregypten ein sehr düsteres Bild. Die Cholera hat ihren bösartigsten Grad erreicht und die Krankheitsfälle nehmen einen äußerst heftigen und schnellen Verlauf. Die Gesundheitsverhältnisse lassen alles zu wünschen übrig. Im Innern des Landes herrscht zudem die Rinderpest und die Fellahs lassen sich nicht abhalten, das Fleisch der verrekten Thiere zu verspeisen. Es ist darum nicht zu verwundern, daß sich die Cholera wie ein Wildfeuer nach allen Richtungen hin ausbreitet. Alle Geschäfte stocken. Die Landarbeit wird vernachlässigt. Die Verwaltung des Landes ist aus ihrem Geleise gerathen. Die Steuern werden nicht gezahlt und nicht eingefordert und die Zolleinnahmen haben so gut wie aufgehört. Der Post= und Eisenbahnverkehr leiden an großen Unregelmäßigkeiten und Unterbrechungen und ein bedenklicher Zustand allgemeiner Verwirrung beginnt die Oberhand zu gewinnen. Nachrichten über die Cholera melden, daß am 24. in Kairo 550 Personen starben und die Krankheit in Ghizeh im Zunehmen war. In den übrigen Orten scheint sie im Rückgang begriffen zu sein.
In den letzten Tagen starben an der Cholera in Egypten über 600 Menschen. Am 23. betrug die Sterblichkeit in Kairo 427 Personen (davon 273 in der Vorstadt Bulak), in Schibin el Kum 150, in Gizeh 68, in Mehallet el Kebir 46 etc. Der Nil ist stark im Steigen begriffen und betrachtet man diesen Umstand nach den im Jahre 1865 gemachten Erfahrungen als einen Vorboten der Besserung.
- Einem Berichte der "Times" zufolge sind in Egypten bis zum 24. d. M. 6556 Personen an der Cholera gestorben, davon 1800 in Cairo, 1800 in Damiette, 1000 in Mansurah, 492 in Shibin=el=Kum, 317 in Samanud, 280 in Ghizeh, 262 in Menzaleh, 139 in Mehallet und 427 in 24 anderen Egyptischen Städten und Dörfern. Die grassirende Seuche ist die bösartigste. Im Allgemeinen findet kein Erbrechen statt, sondern ein plötzlicher und totaler Zusammenbruch des Systems, begleitet von heftigen Krämpfen und einem Aufhören des Pulsschlages am Handgelenk. In Krankheitsfällen, welche mit Erbrechen verknüpft sind, ist ziemlich Hoffnung auf eine Cur vorhanden, aber die anderen Fälle werden als fast hoffnungslos betrachtet.


- Kaiser Wilhelm befindet sich in Bad Gastein "so wohl, wie seit vielen Jahren nicht mehr." Seine streng eingehaltene Tagesordnung ist folgende. Um 1/2 8 Uhr Morgens steht der Kaiser auf und nimmt sein Bad; dann frühstückt er und ruht ein wenig aus. Um zehn Uhr macht er in Begleitung seines Flügeladjutanten und seines Kammerdieners einen Spaziergang bis 11 Uhr, kehrt ins Badeschloß zurück, ruht 1/2 Stündchen aus und nimmt das zweite Frühstück. Von 12 - 3 Uhr wird gearbeitet. Diese drei Stunden hindurch müssen sich sämmtliche hier weilenden Mitglieder seines Militär= und Civilkabinets im Badeschlosse befinden, um jederzeit zur Verfügung des Monarchen zu sein. Das kaiserliche Militairkabinet besteht aus dem Chef der Militärkanzlei, Generallieutenant von Albedyll, dem Abtheilungschef Flügeladjutanten von Brauchisch, dem Major von Kalbacher und den Geheimen Hofräthen Adam, Mielenz und Roder, sowie dem Sekretär Niedhardt; vom Civilkabinet befinden sich hier: Geheimer Cabinetsrath von Wilmowski, Geh. Hofrath Mießner und ein Hofrath. Nach 3 Uhr ruht der Kaiser eine halbe Stunde und wechselt dann die Kleidung zu dem um 4 Uhr stattfindenden Mahle. An diesem nimmt täglich das gesammte Gefolge Theil; auch erhalten ab und zu Kurgäste von Auszeichnung Einladung. Das Mahl, bei dem gewöhnlich 8 Gänge aufgetragen werden, dauert gegen eine Stunde, worauf sich die Herren ins Rauchzimmer zurückziehen, um noch eine halbe Stunde zu plaudern. Um 6 Uhr fährt der Kaiser aus, zumeist zum englischen Kaffeehaus oder in das reizende Böcksteinthal. Nach einstündiger Spazierfahrt kehrt er ins Schloß zurück, erledigt noch einige nothwendige Geschäftssachen und begibt sich zwischen 8 und 1/2 9 Uhr Abends in die Solitude zur Gräfin Lehndorff, wo er den Abend verbringt. Dort versammelt sich jeden Abend die hier weilende deutsche und österreichische Aristokratie. Es wird konversirt, musicirt, deklamirt und ab und zu unter der Leitung des Berliner Operndirectors von Strantz Komödie gespielt. Um 10 Uhr kehrt der Kaiser in seine Wohnung zurück und begibt sich bald darauf zu Bette.
- In der 29. Sitzung des Blutprozesses von Tisza=Eßlar forderte der Präsident den Staatsanwalt zur Antragstellung auf. Unter lautloser Stille des zahlreich anwesenden Publikums beginnt Szeyffert in ruhigem aber gehobenem Tone seine Rede. Auf den Beginn des Prozesses verweisend, gedenkt er der gegen ihn selbst laut gewordenen Angriffe

[ => Original lesen: 1883 Nr. 59 Seite 2]

und weist dieselben zurück. Er citirt das Gesetz, wonach des Staatsanwalts Aufgabe nicht darin liege, um jeden Preis Schuldige zu schaffen, sondern die Wahrheit zu finden und den Spruch eines gerechten Urtheils zu fordern. Sodann geht der Redner zum sachlichen Theil über. Er geißelt sehr scharf das Vorgehen der Behörden sowie des Untersuchungsrichters. Er läßt alle Zeugen Revue passiren. Geradezu vernichtend beleuchtet er den Irrwahn vom rituellen Mord. Im weiteren Verlauf seiner Rede erklärt der Staatsanwalt er sei durch das Beweisverfahren und die fachmännischen Urteile heilig überzeugt, daß die bei Tisza=Dada gefundene Leiche diejenige der Esther Solymossy sei. Letztere sei auf unerklärliche Weise verunglückt aber absolut nichts beweise ein Verbrechen. Moritz Scharfs Aussagen entkräftet der Staatsanwalt vollständig. Auch den Leichenschmuggel verneint Szeiffert durchaus. Sonach liege keine Schuld der Angeklagten vor, und der Staatsanwalt läßt die Anklage fallen. Er fügt hinzu, nach ungarischem Gesetz sei das Gericht vom Staatsanwalt unabhängig; der Gerichtshof möge also seinerseits ohne Rücksicht auf die Anträge des Staatsanwalts nach Recht und Gewissen sein Urtheil fällen, welches die gesammte civilisirte Welt spannungsvoll erwarte. Die formvollendete Rede währte blos dreiviertel Stunden. Das Publikum verblieb während derselben vollkommen ruhig.
- Dem Prinzen von Wales hat der Kaiser eine vollständige Pferdeausrüstung der Blücher=Husaren zum Geschenk gemacht.
- Das deutsche Panzergeschwader hat auf der Rhede von Warnemünde nicht Anker geworfen, sondern ist, nachdem es sich bis auf etwa 5 Seemeilen genähert hatte, wieder in See gegangen.
- Als ein erfreuliches Zeichen unserer Zeit muß entschieden gelten, daß die Humanität in Behandlung unserer Thiere, besonders unserer Zugthiere, immer mehr sich Bahn bricht und Fälle von wirklicher Roheit immer seltener werden. Auf diesem Wege muß indessen fort und fort unverdrossen, wie dies ja eine Menge von Thierschutzvereinen in unserem deutschen Vaterland in so lobenswerther Weise thut, weiter gearbeitet werden. Gewiß verdienen auch die Worte in weiteren Kreisen bekannt zu werden, welche Direktor Wittmann=Hildburghausen bei Anlaß der Römhilder landw. Bezirksausstellung zum Besten gab und die folgendermaßen lauten: O! Mensch, halt' Deine Thiere rein; - Das beste Futter sorglich wähle, - Auf reinen Trunk bedacht sollst sein - Und daß zur Ruhe Zeit nicht fehle. - Der Arbeit setz' verständig Ziel, - Wenn Thiere irren, magst Du denken - Du Mensch, Du fehlest selbst gar viel, - Willst drum den Thieren Nachsicht schenken. In Krankheit und in Altersnoth - Die Thiere pfleg' mit mildem Herzen, - Erleichtre ihnen, kommt ihr Tod, - Barmherzig ihre Todesschmerzen. - Das Thier ist mein, ich bin sein Hort, - So spricht der Herr, drum sollst Du's hegen, - Nun achte Mensch auf Gottes Wort, - Daß Dir nicht mangle Gottes Segen. -
- Am 1. Januar 1884 tritt das Reichsgesetz über die Bezeichnung des Raumgehalts der Schankgefäße vom 20. Juli 1881 (Reichsgesetzblatt S. 249) in Kraft und es dürfen von diesem Zeitpunkt ab in den Gast= und Schankwirthschaften zur Verabreichung der im §. 1 des Gesetzes bezeichneten Getränke (Wein, Obstwein, Most, Bier) - abgesehen von dem in §. 1 Abs. 1 und am Ende und im §. 6 des Gesetzes zugelassenen Ausnahmen - nur Gefäße verwendet werden, welche mit der vorschriftsmäßigen Bezeichnung ihres Sollinhalts versehen sind. Die Gast= und Schankwirthe werden auf die Bestimmungen dieses Gesetzes schon jetzt aufmerksam gemacht, um sich rechtzeitig mit den vorschriftsmäßigen Schankgefäßen zu versehen. Für die säumigen Gewerbtreibenden würden sonst die empfindlichsten Nachtheile eintreten, da vom 1. Januar 1884 ab sämmtliche in den Gast= und Schankwirthschaften zur Verabreichung der fraglichen Getränke dienenden Schankgefäße, welche die vorschriftsmäßige Inhaltsbezeichnung nicht tragen oder sonst den Anforderungen des Gesetzes nicht genügen, ausnahmslos der Einziehung unterliegen und außerdem die Betheiligten Geldstrafe oder Haft trifft.
- Im Schloß Sanssouci gibts ein Voltaire=Zimmer, nach dem berühmten französischen Gastfreunde Friedrich des Großen genannt; in diesem ist jetzt die Büste Voltaire's aufgestellt worden. Sie ist so sprechend ähnlich, daß sich kein deutsches Mädchen, nicht einmal ein französisches, in den Mann verlieben wird, der so merkwürdig häßlich war, daß ihn die Bauern für einen Affen (Pavian) ansahen und neckten. Nur der alte Fritz war in ihn verliebt, weil der Franzose Geist und Witz hatte für zehn und hundert gewöhnliche Leute, aber auch ebenso viel Bosheit wie ein Affe. Auch diese gab er seinem königlichen Freunde oft zu kosten.
- Seit zwei Jahren saß ein Mann im Zuchthause zu Werden, weil er wegen Todtschlags zu 15 Jahren verurtheilt worden war. Vor einigen Tagen wurde er auf freien Fuß gesetzt; denn ein anderer hatte auf dem Sterbebette vor Richter und Zeugen reumüthig bekannt, daß er der Schuldige sei.
- Im 19. Jahrhundert traten vom Katholicismus zum Protestantismus über: König Johann XIV. von Schweden; die Königin Elisabeth von Preußen bayrische Prinzessin, Gemahlin Friedrich Wilhelm IV.; ein Fürst Salm=Salm 1826; eine Fürstin von Leiningen, geb. Gräfin Klebelsberg; 6 Grafen, u. a. ein Graf Seldnitzki, 1836 bis 1840 Fürstbischof von Breslau, Graf Peter v. Bylandt=Rheydt, Repräsentant der evangel. Gemeinde in Bonn und zwei Grafen Benzel=Sternau; 1827; 4 Gräfinnen; vier Freiherren darunter 1832 K. Alexander Freiherr von Reichlin=Meldegg, Professor in Heidelberg; ein westphälischer Freiherr Dieker; eine Freiin.
- Ueber die Angst vor dem Gewitter sagt Dr. Zimmermann in seinem Werke "Naturkräfte und Naturgesetze" u. A.: Die Gewitterfurcht ist eine thörichte, wenn sie auch, bei sehr zartnervigen Personen zu entschuldigen ist, da der bedeutende Schlag, der einem nahe herniederfahrenden Blitze folgt, auch ganz kräftige Personen erschüttern mag. Daß der Blitz tödten könne, ist allerdings wahr; aber dies hat er mit jedem fallenden Dachziegel oder Blumentopf gemein. Sollte man sich nun fürchten, in einer Stadt zu wohnen, in welcher es Blumentöpfe und Dachziegel gibt? Dann dürfte man überhaupt nicht ausgehen; denn man kann von einem Wagen gerädert, von einem bösen Pferde todt geschlagen, von einem tollen Hunde gebissen werden. Man dürfte dann aber auch nicht zu Hause bleiben; denn die Stubendecke oder das ganze Haus kann einstürzen! Daß der Blitz Häuser anzündet, ist allerdings wahr; aber das hat er mit jedem Talglicht und mit jeder glimmende Kohle gemein, und die bei weitem wenigsten Feuersbrünste entstehen durch den Blitz. Wäre es möglich, unsere tagtägliche Feuersgefahr durch Donnern zu verkünden, es würde gar nicht aufhören zu donnern, wir würden vom Geräusche taub werden: denn es reichen sich das Holzholen durch die Mägde mit Licht aus dem Keller oder vom Boden, das Tabak= und Cigarrenrauchen der Herren und der Bedienten, das nächtliche Putzordnen der Kammerjungfern, das Im=Bette=Lesen ihrer Herrschaft u. s. w. in steter Abwechslung unaufhörlich die Hände. Und nun erst wie thöricht ist die Gewitterfurcht, wenn man an die Krankheiten denkt! Wir wollen nicht von den Epidemien sprechen, nicht von der Cholera, sondern von Nervengastrischen und anderen Fiebern, von Lungenentzündungen, von Ruhr etc. Es sterben in Berlin an diesen Krankheiten durchschnittlich in jeder Woche 250 Menschen; in 1500 Mal so viel Zeit, d. h. in 30 Jahren, ist in Berlin nur ein einziger Mensch vom Blitz erschlagen worden! Ist es da nicht höchst lächerliche sich vor dem Tode durch den Blitz zu fürchten?
- Die Frage ob das Geldeinsammeln der Drehorgelspieler unter den Begriff der Bettelei fällt, beschäftigte kürzlich die V. Ferienstrafkammer des Berliner Landgerichts I. in der Berufungsinstanz. Der concessionirte blinde Drehorgelspieler Hellwig concertirte eines Tages auf dem Hofe Bellealliancestraße 96 und seine Begleiterin Frau Semter ging inzwischen von Thür zu Thür, um Beiträge für die Musik einzusammeln. Dies wurde von einem Schutzmann bemerkt, welcher die Frau zur Wache sistirte und das Schöffengericht verurtheilte Frau Semter zu einen Tag Haft. Die Frau fühlte sich durch diesen Vorwurf des Bettels ganz besonders bedrückt und sie brachte die Kosten auf, um durch den Rechts=

[ => Original lesen: 1883 Nr. 59 Seite 3]

anwalt Ladewig die Berufung gegen dieses Erkenntniß einlegen zu lassen. In der Berufungsinstanz führte der Vertheidiger aus, daß ein derartiges Geldsammeln nicht eine Bettelei darstelle, sondern nur eine Gegenleistung auf die Gewährte wenn auch unbestellte Musikleistung, eine Gegengabe, zu welcher die Hörer der Musik allerdings nicht verpflichtet seien. Aus diesen Gesichtspunkten beantragte der Vertheidiger die Freisprechung der Angeklagten. Staatsanwalt Dr. Otto widersprach diesem Antrage, indem er meinte, daß Betteln immerhin Betteln bleibe, wenn es auch unter Musikbegleitung ausgeführt werde. Der Gerichtshof schloß sich jedoch der Auffassung des Vertheidigers an und erkannte auf Aufhebung des ersten Erkenntnisses und Freisprechung der Angeklagten.
- Die erste Ladung Sommerfangheringe etwa 700 Tonnen traf am 23. Juli mit dem norwegischen Schiffe "Dina" Kpt. Askeland aus Bergen im Rostocker Hafen ein. Eine weitere Ladung von etwa 400 Tonnen folgte am 25. mit dem norwegischen Segler "Urbanitet".
- Eine 83jährige kranke Frau in Johannisburg in Preußen wollte nicht warten, bis sie der liebe Gott heimrufe; sie schnitt sich mit einem Messer den Bauch auf, lebte noch 6 Tage und starb unter entsetzlichen Qualen.
- Wann ist ein Manu für wirklich betrunken zu halten? Diese Frage wird von der Gerichtsztg. also beantwortet: Sichere Symptome sind folgende: 1) Wenn er beim Nachhausegehen vor einer Straßenlaterne stehen bleibt und sich einbildet, es sei ein ganzer Fackelzug, der bei ihm vorbeimarschirt. 2) Wenn er endlich bei seinem Hause angelangt ist und statt des Hausschlüssels ein Stück einer alten Bretzel aus der Tasche holt, um damit die Thüre aufzuschließen. 3) Wenn er vor dem Zubettgehen die Uhr mit einem Stiefelknecht aufziehen will. 4) Wenn er, statt den Hund in den Holzschuppen zu sperren und sich in das Bett zu legen, den Hund in's Bett legt und sich in den Holzschuppen sperrt.
- Eine Dorftragödie, wie sie die Phantasie einer Georges Sand nicht erschütternder auszusinnen vermocht hätte, bildet den Stoff eines Justiz=Dramas, welches in den nächsten Tagen vor den Geschworenen des Dordogue=Departements seinen Abschluß finden wird. Zwei Dorfkinder, Camille und Nadalette, beide dem begüterten Bauernstande angehörig, lernten sich vor Jahren kennen und lieben. Camille war der hübscheste Bursche der ganzen Gegend, dabei nicht ohne Schulbildung, fleißig und offenherzig. Als Erbe eines blühenden Bauerngutes, welches er mit seiner alten Mutter bewirthschaftete, schien er eine gute Partie für Nadalette, die Tochter eines gleichfalls begüterten Bauern eines Nachbardorfes zu sein, welcher außer ihr noch einen Sohn aus zweiter Ehe besaß. Der junge Mann warb um das Madchen, wurde jedoch zurückgewiesen, weil sein freimütiges Wesen dem verschlagenen und listigen alten Bauer nicht zusagte und weil der Stiefbruder Nadalette's, welch Letzterer ihr das mütterliche Erbtheil mißgönnte, die Heirath zu hintertreiben suchte. Die Neigung der beiden jungen Leute war indeß eine so reine und aufrichtige, daß sie beschlossen, nicht von einander zu lassen, und zu warten bis der Vater anderen Sinnes oder Nadalette mündig geworden. Drei Jahre vergingen in dieser Weise, drei Jahre langen Hoffens, während deren das Mädchen sowohl wie der junge Mann sich in ungestillter Sehnsucht verzehrten. Wohl trafen sie sich öfter an einem lauschigen Platz im Walde. Nadalette wanderte mit ihren Gespielinnen auf der Dorfstraße hinaus und verschwand dann regelmäßig während die Freundinnen Wache hielten, auf einem Waldpfade, der zwischen Felsen und Gestrüpp zu dem Orte führte, wo der Geliebte harrte. Die ganze Gegend wußte um das Verhältniß, dessen Reinheit Niemand bezweifelte und dessen Innigkeit man allgemein bewunderte. Endlich als der Termin zur Mündigsprechung Nadalette's herangekommen war, erneuerte Camille seine Schritte bei dem Vater des jungen Mädchens. Er wurde in rauher Weise abgewiesen. Vergebens legten sich die angesehensten Nachbarn und selbst der Pfarrer ins Mittel, die Starrköpfigkeit des alten Bauern zeigte sich unüberwindlich. Unter diesen Umständen blieb den jungen Leuten nur der Ausweg, die Erzwingung des Eheconsenses auf gerichtlichem Wege. Die Behörden sprachen Nadalette das Recht zu, mit Camille, gegen dessen Werbung kein rechtsgültiger Einwand vorlag, zur Trauung zu schreiten; daß Aufgebot erfolgte und der Tag der Hochzeit wurde festgesetzt. Noch am Vorabende dieses so lange und bange ersehnten Tages sandte Camille einen alten Bauern, mit dem er befreundet war, zu dem Vater Nadalette's, um diesen zu bewegen, sein Kind nicht durch Fernbleiben von der Hochzeit zu betrüben. "Aus dieser Hochzeit wird überhaupt nichts," antwortete der hartherzige Vater mit finsterm Blick, während der Stiefbruder Nadalette's hämisch lachte. Am nächsten Morgen begab sich Nadalette, mit dem bräutlichen Kranze geschmückt und von ihren Freundinnen geleitet, zur Mairie voll banger Ahnungen - weil der Geliebte am Abend vorher zum ersten Male seit der Bekanntschaft nicht zu dem gewohnten Stelldichein erschienen war. Auf der Mairie harrte man lange vergebens. Plötzlich erschien der alte Bauer, der Tags zuvor noch mit dem Vater Nadalette's verhandelt hatte, und meldete, daß Camille am Vorabend nicht unter das Dach seiner Mutter zurückgekehrt und nirgendswo zu finden sei. "Die Elenden haben ihn umgebracht!" rief Nadalette mit einen Schrei des Entsetzens. In diesem Augenblicke trat ein junges Mädchen aus dem Nachbardorfe zu der jammernden Braut und erzählte, daß sie Camille noch am Abend vorher in dem Augenblicke gesehen habe, da er sich zu dem gewohnten Stelldichein im Walde begab. Das junge Mädchen selbst hatte seit Jahren in hoffnungsloser Liebe für den schönen Burschen geschwärmt und war ihm auf Schritt und Tritt gefolgt. Auch wenn er Abends an verschwiegener Waldesstelle mit der Verlobten Küsse und Liebesschwüre tauschte, hatte, ohne daß er es ahnte, die Erzählerin ihn beobachtet. Sie hatte am Abend vor der Hochzeit, derselben qualvollen Neugier gehorchend, Camille nachgespürt und ihn im Dickicht verschwinden sehen, hatte dann plötzlich einen Angstruf vernommen, der ihr das Blut in den Adern erstarren machte und war voll Schrecken geflüchtet. Diese Erzählung ließ über das Schicksal Camille's kaum noch einen Zweifel übrig. Man folgte dem Mädchen in den Wald, und dort, wenige Schritte vor der Stelle, wo er mit seiner Braut zu weilen pflegte, fand man ihn mit einer klaffenden Wunde in der Stirne, entseelt in seinem Blute liegen. Ueber die Urheber der Mordthat war nur eine Stimme; der Stiefbruder Nadalette's wurde sofort verhaftet, während trotz schwerstwiegender Verdachtsmomente der Vater Nadalette's auf Bitten der Letzteren vorläufig freigelassen wurde. Nadalette lebt seit jenem Unglückstage im Hause der Mutter ihres Verlobten; ihr Bruder und ihr Vater erscheinen in diesen Tagen vor den Geschworenen. Der Proceß wird Aufklärung über die letzte tragische Scene dieses Liebesromanes und voraussichtlich auch Sühne für die begangene Frevelthat schaffen.


Anzeigen.

Auf zulässig befundenen Antrag des Käthners Matthias Heinrich Freitag zu Mahlzow werden hiermit Alle und Jede, welche an die angeblich verloren gegangene Obligation der Schönberg'er Stadtbehörde vom 31. October 1861 über 266 Taler (Mecklenburg) 32 Schilling (Mecklenburg) Pr. Cour. ausgestellt für den Hauswirth Joachim Freitag zu Kl. Bünsdorf irgend welche Ansprüche und Rechte zu haben vermeinen, hiermit aufgefordert, solche spätestens in dem auf

den 9. November 1883
Vormittags 10 1/2 Uhr

vor dem unterzeichneten Gerichte anberaumten Aufgebotstermine ihre Rechte anzumelden und die Urkunde vorzulegen, widrigenfalls die Kraftloserklärung der Urkunde erfolgen wird.
Schönberg, den 20. April 1883.

Großherzogliches Amtsgericht.
Dr. jur. E. Hahn.

H. Diederich.       


[ => Original lesen: 1883 Nr. 59 Seite 4]

Eisenbahn    Mecklenb. Friedrich-Franz-Eisenbahn.
Am Sonntag den 5. August d. Js.
Extrazug
Hamburg=Lübeck=Schwerin
und zurück II. und III. Wagenklasse
zum einfachen Fahrpreise für Hin= und Rückfahrt.

Abfahrt von Lübeck 9 Uhr 5 Min Vorm.
Abfahrt von Schönberg 9 Uhr 37 Min Vorm.
Abfahrt von Grevesmühlen 10 Uhr 3 Min Vorm.
Abfahrt von Bobitz 10 Uhr 24 Min Vorm.
Abfahrt von Kleinen 10 Uhr 40 Min Vorm.
Abfahrt von Ankunft in Schwerin 11 Uhr 2 Min Vorm.
            ------------
Abfahrt von Schwerin 9 Uhr 37 Min. Abends
Abfahrt von Kleinen 10 Uhr - Min. Abends
Abfahrt von Bobitz 10 Uhr 17 Min. Abends
Abfahrt von Grevesmühlen 10 Uhr 34 Min. Abends
Abfahrt von Schönberg 10 Uhr 59 Min. Abends
Abfahrt von Lübeck 11 Uhr 25 Min. Abends
Die Billets zum einfachen Fahrpreise (Doppelbillets) berechtigen für die Rückfahrt nicht allein zur Benutzung des Extrazuges Schwerin=Lübeck=Hamburg, sondern auch der fahrplanmäßigen, von Schwerin um 8 Uhr 4 Min. Morgens und um 1 Uhr 40 Min. Nachmittags abgehenden Personenzüge am 7. August c.
In Wismar werden am 5. August zu dem 7 Uhr 52 Minuten Morgens abgehenden Zuge ebenfalls Doppelbillets nach Schwerin zum einfachen Fahrpreise ausgegeben, welche zur Rückfahrt mit allen fahrplanmäßigen Zügen am 5. und 6. August berechtigen.
Freigewicht für Gepäck wird nicht gewährt.

Die Direction.


Pianinos neue Modelle. Billig gegen Baar oder Abzahlung

Weidenslaufer, Berlin NW.
Geehrte Anfragen werden sofort beantwortet.


Zahnschmerzen aller Art werden, selbst wenn die Zähne angestockt sind, augenblicklich durch den berühmten Indischen Extract beseitigt. Dieses Mittel hat sich seiner Unübertrefflichkeit wegen einen Weltruf erworben und sollte daher in keiner Familie fehlen. Echt in Fl. à 5 Sgr. im Alleindepot für Schönberg bei

Emil Jannicke, Bandagist.       


Gesucht
einige Erntearbeiter in Torisdorf, Tagelohn 2 M. 50 Pfennig.                          
                                                    H. Schwarz.


Gesucht

in Schönberg zu Michaelis ein Knecht. Zu melden in der Expedition dieses Blattes.


Ein gewandter Laufbursche
wird zu Michaelis d. Js. gesucht von                          
Schönberg i. M.                     
                                                    J. Ludw. D. Petersen.


Tüchtige Agenten
werden bei lohnendem Verdienst

für den Verkauf von im deutschen Reiche gesetzlich gestatteten Staats= und Prämien=Loosen auf Theilzahlungen gegen gute Provision und fixem Gehalt angestellt. Franko=Offerten zu richten an die Filiale der Bankvereinigung Grün & Co., Frankfurt am Main.


Am Donnerstag den 2. August findet das
2. Abonnements-Concert
in Boye's Garten
statt, wozu ergebenst einladen                                  
                                                    die Vereinsmusiker.
Anfang 5 Uhr.
Schönberg den 27. Juli 1883.                          


Frisch gepflückte Johannisbeeren

sind in Schönberg zu kaufen, à Pfund 8 Pfg. Wo? Zu erfragen in der Expedition der Anzeigen.


Feinsten Sommerfanghering
empfiehlt                          
                                                    J. Ludw. D. Petersen.


Zu verkaufen                          
ein gutes Arbeitspferd
Menzendorf den 28. Juli 1883.           
                                                    J. H. Bielfeld, Holländer.


Empfehle meine in Grevesmühlen, Wismar und kürzlich wieder in Schwerin prämirten

feuerfesten und diebessicheren
Geldschränke
mit Holzuntersatz shon von 130 Mark an.
Rud. Schrep,
Schönberg.                                                     Schlossermeister.


Jürgensen & Robschuld,
Lübeck,
Hauptgeschäft: Breitestraße 959 bei der Wache,
Filiale: grosse Burgstrasse 717,
empfehlen ihre
grossartigen Läger
von
Garten u. Verandamöbeln,
Gartengeräthe aller Art,
verzinnte Drathgeflechte in grösster Auswahl,
Einfriedigungsdrath etc.,
sehr billig.


Course notirt v. d. Mecklenburgischen Bank.
Schwerin, Montag den 30. Juli 1883.
Die Course verstehen sich incl. Zinsen und Provision.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Markt=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Getreide=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.


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