No. 81
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 19. Oktober
1880
fünfzigster Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1880 Nr. 81 Seite 1]

Politische Rundschau.

In einem Artikel der "Prov.=Corresp." über den Prinzen Heinrich ist in Betreff der Beziehungen Deutschlands zu anderen Staaten folgende Stelle bemerkenswerth: "Auf seiner Fahrt konnte der junge Prinz überall erfahren, welches Ansehen unsere Flagge schon genießt und welche Hoffnungen die deutsche Bevölkerung in allen Welttheilen an dieselbe knüpft, - welche hohe Bestimmung ihm hiernach einst zufällt."
Für die nächste Reichstagssession erwartet man die vom Bundesrathe zuvor noch zu modificirende Wehrsteuer, die Erhöhung der Biersteuer und die Stempelsteuer mit wesentlich erhöhten Sätzen auf Börsen=Papiere. - Wie bestimmt verlautet, hat man an entscheidender Stelle sich jetzt entschlossen, von einer Vorlage an den Reichstag über die Beschränkung der Wechselfähigkeit Abstand zu nehmen.
Das hervorragenste Interesse der vergangenen Woche nahm die Domfeier in Köln für sich in Anspruch. Se. Majestät der Kaiser, umgeben von den Gliedern seiner hohen Familie und von fast allen Fürstlichkeiten, ist es vergönnt gewesen, in wahrer Kaiserpracht, wie sie keiner, auch der mächtigste Kaiser vor ihm, entfalten konnte, das großartigste deutsche Nationalfest in Köln am Rhein zu feiern. Der vor 632 Jahren begonnene, großartig angelegte Bau des Kölner Doms ist nun als das großartigste Bauwerk der Welt vollendet. Die würdige Feier wurde in der evangelischen Trinitatiskirche durch eine Predigt, an welche Se. Majestät und die Fürstlichkeiten theilnahmen, begonnen. Nach Beendigung der Liturgie verließen die hohen Herrschaften die Trinitatiskirche und fuhren nach dem Dome. Die ungezählten Menschenmassen, welche Straßenfenster und Dächer besetzt hielten, gestalteten diese Fahrt zu einem Triumphzuge für den Kaiser. Die Prinzen und Prinzessinnen und die geladenen Fürstlichkeiten waren dem Kaiserpaare vorausgefahren und harrten nebst dem Domkapitel auf den Stufen des Domes vor dem Westportale der Ankunft des Kaisers. Der fast achtzigjährige Domdechant, Weihbischof Bandry, trat vor das Kaiserpaar und hielt eine würdige Ansprache, welche vom Kaiser mit lauter Stimme, in welche tiefe Bewegung wiederklang, beantwortet wurde. Jetzt ertönten aus dem Innern des gewaltigen Tempels heraus die Klänge der Orgel und unter ihnen und dem Vorantritt der Domschweizer und des Domkapitels betrat der kaiserliche Zug den Dom und nahm seinen Weg zu den Stufen des Hochaltars. Als die Majestäten ihre Plätze eingenommen hatten, begann das Tedeum. Gerade 25 Min. währte das Tedeum. Dann verließ der Zug, aber diesmal durch das Südthor, das Gotteshaus und wandte sich, den ganzen Festplatz vor der SüdSeite durchschneidend, dem Kaiserpavillon zu. Der Platz gewährte einen geradezu überwältigenden Anblick, die riesigen Tribünen waren Kopf an Kopf besetzt, auf den Balkonen der angrenzenden Häuser, auf den Dächern, an den Fenstern saßen und standen weitere Tausende und alle diese jubelten dem Kaiser zu, als er aus dem Gotteshause hinaus zur letzten Weihe des Werkes schritt. Der Himmel hatte sich erhellt und hier und dort zeigte sich ein freundliches Blau. Unter den herzerfreuenden Klängen eines von zweitausend Schulkindern gesungenen Hymnus, betrat der Kaiser und seine Gefolgschaft den in reichstem Purpurschmucke erglänzenden Pavillon. Als die Töne der Hymne verklungen waren, trat der Dombaumeister, Geheimer Regierungsrath Voigtel, vor und verlas mit kaiserlicher Erlaubniß den Wortlaut der Schlußurkunde. Nachdem auch der Oberpräsident und der Präsident des Dombau=Vereins ihre Ansprachen beendet, trat der Dombaumeister noch einmal vor den Kaiser hin und bat um den allerhöchsten Befehl, daß die Domwerkleute den letzten Stein zum Kölner Dom, der die Urkunde einschließen soll, einsenkten. Auf ein Kopfnicken des Kaisers und eine Handbewegung des Dombaumeisters nach der Höhe zu gerichtet, hob sich dort oben langsam die Kaiserstandarte. Ein Sonnenstrahl brach durch das Gewölk und unter dem Donner der Kanonen und unter den tief ergreifenden Klängen der Kaiserglocke hatte sich der Schlußstein gesenkt, es war ein überwältigender Augenblick, einer von denen, deren nur wenige Menschen zweimal im Leben theilhaftig werden. Man sah Thränen der Ergriffenheit in den Augen der ernsten Männer, welche den Raum vor dem Kaiserpavillon erfüllten. Man schüttelte einander die Hände ohne sich zu kennen, man wünschte sich Glück zu der Vollendung eines der gewaltigsten und erhabensten Kunstwerke aller Zeiten. Die Wünsche der Tausende, welche jetzt hier vereint waren, faßten sich zusammen in den die Lüfte erstickenden nicht endenwollenden Hoch= und Segensrufen für den Kaiser. Unter diesen wahrhaft erschütternden Ovationen, für die der Monarch immer und immer wieder mit den Händen winkend und mit Thränen im Auge dankte, verließ er den Festplatz, um sich zu dem Diner nach Schloß Brühl zu begeben.


Bei dem Interesse, welches der am 12. d. M. vor dem Schwurgericht zu Güstrow verhandelte Vergiftungs=Prozeß im hiesigen Fürstenthume mit Recht erweckt hat, geben wir nachstehend einen Bericht über diese Sitzung nach der Güstrower Zeitung.
Güstrow, 13. October. In gestriger Schwurgerichtssitzung, unter Vorsitz des Herrn Landgerichtsdirectors E. Burmeister, wurde verhandelt in der Anklagesache gegen die Hauswirthsfrau Maria Woisin aus Kleinfeldt bei Schönberg und gegen die Kaufmanns=Wwe. Charlotte Schultze aus Grevesmühlen wegen Giftmordversuches, resp. Anstiftung zu demselben. - Die Anklage vertrat Herr Staatsanwalt Bölckow; die Vertheidigung führte Herr Rechtsanwalt Krull hier. Die Angeklagte Woisin (51 Jahre) ist hinlänglich verdächtig, gesucht zu haben, die Wwe. Schulze durch Geschenke etc. dahin zu bringen, daß dieselbe dem Hauswirth Woisin (Ehemann der Woisin) irgend ein Gift beibringe. Die Angeklagte Wwe. Schultze sodann ist dringend verdächtig, dem Woisin am 7. December vorigen Jahres in einer Reissuppe eine Quantität Gift gereicht zu haben. Aus den Aussagen der noch unbestraften Woisin ergiebt sich, daß dieselbe

[ => Original lesen: 1880 Nr. 81 Seite 2]

schon zum zweiten male verheirathet ist, den ersten Mann hatte sie nur 2 1/2 Jahre, worauf er sowohl wie auch später der einzige lebende Sohn verstarb. Durch diese beiden Todesfälle erbte sie nun die Hufe in Kleinfeldt, blieb hierauf 1 1/2 Jahre Wittwe und verheirathete sich dann mit dem mehrere Jahre jüngeren Woisin, Schneider von Profession, einem Sohne des Schullehrers W. zu Kleinfeldt. Dann führten sie gemeinsam die Wirthschaft ungefähr 3 Jahre fort. Beide beschlossen sodann die Hufe im Jahre 1876 zu verpachten, und fanden hierzu einen Pächter in dem jetzigen Gastwirth Nehls=Schönberg, welcher auf eine Dauer von 13 Jahren pachtete und jährlich 900 Thlr. zahlte. Für das mitübergebene Mobiliar resp. Inventar bekamen sie ca. 4000 M. und kauften dann ein Haus in Lübeck für 8000 M. War schon das gegenseitige Verhältniß der beiden Eheleute vor der Verpachtung nichts weniger als gut gewesen, so gestaltete sich dasselbe nach der Uebersiedelung nach Lübeck noch bedeutend schlechter. Die Ursache hierzu war, lediglich (wie die Frau angiebt), das häufige Betrunkensein ihres Mannes. Ja es kam hier sogar zu Thätlichkeiten, worauf dann die Frau eine Ehescheidung anstrengte, welche aber erfolglos blieb. Nach den verschiedenartigen Zerwürfnissen brachte sie es dann soweit, das ihr Mann ein isolirtes Leben führen mußte; und da nach Verlauf von 3 Jahren der Pächter in Kleinfeldt, wegen der zu hohen Pachtsumme bei ihnen einkam, eine Erniedrigung derselben aber ausblieb, so erklärte sich derselbe zur Aufhebung des Pachtkontraktes bereit und ist dann auch ein bezügl. Abkommen getroffen und die Bewirthschaftung der Hufe selbst wieder übernommen. - Vor der Uebersiedelung ihres Mannes nach Kleinfeldt ist derselbe plötzlich erkrankt gefunden worden. Trotzdem die Symptome dieser Krankheit, (wie aus den späteren Aussagen des Plagemann erhellt), sehr verdächtigender Art gewesen, so ist doch dieser Umstand, zumal die Krankheit nur vorübergehend, nicht weiter in Betracht gekommen. Auch die Frau will erkrankt sein, und zwar nach dem Genusse von Kaffee, welcher einige Zeit in der Ofen=Röhre in einer Stube, wo ihr Mann, bevor sie den Kaffee genossen, häufig sich aufgehalten, gestanden. Sie hat nun damals einen Verdacht dahingehend ausgesprochen, daß ihr Mann Willens sei, sie zu vergiften, und doch hat sie gerade in diesen Zeitperioden zu verschiedenen Malen und zu verschiedenen Personen (Zeugen) Aeßerungen gemacht, welche mehr oder weniger dahin gehen, daß sie nach einem Werkzeuge suche, um ihren Mann aus der Welt zu schaffen. Bei zwei von ihren Einwohnern in Lübeck hat sie nun aber in dieser Richtung kein Gehör gefunden, sondern sie ist von diesen auf die Abscheulichkeit ihres Ansinnens aufmerksam gemacht worden. Mehr Glück scheint sie bei der sie besuchenden Wwe. Schultze gehabt zu haben, mit welcher sie August 1878 bekannt geworden, da diese auf die Aeußerung ihrerseits: Wissen sie nicht, was ich meinem Manne in den Branntwein thue, damit ich denselben los werde? geantwortet: dies sei eine Kleinigkeit, das wolle sie schon machen. Als dann, nachdem der Mann sich wieder in Kleinfeldt befand, die Wirthschafterin erkrankte, so wurde die Wwe. Schulze nach dort beordert und ist auch dann noch ab und zu auf längere oder kürzere Zeit dort gewesen, nachdem die Wirthschafterin wieder hergestellt. Die Frau Woisin hat vorher und nachdem ihr Mann schon in Kleinfeldt gewesen, auf großem Fuße gelebt, ja in erster Zeit sich sogar Equipage und Pferde nebst Kutscher gehalten. Da zu solchen Extravaganzen aber ein bedeutenderes Vermögen gehört, wie das der Angeklagten, so konnte es nicht ausbleiben, daß dieselbe Schulden machen mußte und dadurch die Hufe mehr und mehr belastet wurde. Da ihr (Angekl. W.) nun in Lübeck bereits mehrere Anerbieten resp. Anträge auf anderweitige Verheirathung, sowie Vorspiegelungen glücklicheren Familienlebens, als des bisherigen, gemacht wurden, so war es wohl nicht anders zu erwarten, daß der Gedanke an die Beiseitschaffung ihres Mannes immer die Oberhand behielt. Mit der Beorderung der Wwe. Schultze nach Kleinfeld, scheint sich deren Thätigkeit in gew. Richtung zu markiren; da ja auch der Mann vor der in Betracht kommenden Krankheit im December v. J. schon einmal in ähnlicher Weise nur unter etwas schwächeren Anzeichen unwohl gewesen. - Angekl. Schultze ist bereits in Untersuchung gewesen, wegen Fälschung einer Quittung, und bestraft mit einer Gefängnißstrafe von 4 Wochen, welche aber wegen ihrer damaligen Krankheit auf 8 Tage herabgemindert worden. Ihr Mann, der Kaufmann Schultze, hat in Grevesmühlen ein Galanterie=Kurzwaarengeschäft (wohl nur in kleinem Umfange) geführt, welches sie, als derselbe mit Tod abgegangen, für eigene Rechnung einige Zeit behielt. Da sie jedoch, nachdem sie Bekanntschaft mit der Woisin gemacht, diese öfter und auch auf längere Zeit besuchte und während dieser Zeit dann ihr Geschäft ganz schloß, so konnte von Rentirung des letzteren wohl nicht gut die Rede sein. Dies einsehend, und da ihr auch die Miethe gekündigt, sah sie sich veranlaßt, das Geschäft vorläufig ganz aufzugeben, verkaufte der Woisin verschiedene Sachen, ohne hierfür (nach ihrer Meinung) Geld zu bekommen und wurde zwischen beiden (der Sch. und der W.) sodann verabredet, daß sie in Lübeck zusammen wohnen wollten. Nun hatte aber die Schultze noch verschiedenen Verpflichtungen nachzukommen und ließ sich daher von der W. 600-700 M. leihen, um wie wörtlich gesagt, schuldenfrei zu werden. In Lübeck hat sich die Schultze nun mit versch. Arbeiten: Tapeziren von Stuben, Anstreichen etc., beschäftigt und auch wohl in der Wirthschaft geholfen. (Vorher hat sie auch die Woisin gepflegt während deren Krankheit, welche angeblich nach Genuß von Kaffee eingetreten ist.) Das gegenseitige Verhältniß der W'schen Eheleute will der Schultze fremd geblieben sein, obgleich ein sehr intimer Verkehr der beiden Angeklagten nach Zeugenaussagen angenommen werden kann. In der Zeit nun, während welcher die Schultz in Kleinfeldt gewesen, hat sie sich nach Kräften bemüht, den Woisin als Trinker (Säufer) zu stempeln, was aus Aeußerungen von Dienstboten erhellt. In der Meinung nun, daß der Herr wirklich dem Trunke ergeben (obgleich sie hiervon noch nicht Augenzeugin gewesen), hat nun ein Mädchen (Zeugin) die Schulze auf ein Inserat betr. Mittel gegen Trunksucht aufmerksam gemacht, worauf beide beschlossen, dasselbe kommen zu lassen, um ihren Herrn zu heilen. Das Mittel wurde unter der Adresse des Mädchens bestellt, weil die Schultze in den nächsten Tagen abreisen wollte. Der für das Mittel geforderte Preis ist in Briefmarken beigelegt worden, aber trotzdem ist der Brief unter Nachnahme von über 3 M. angekommen, und zwar hat deshalb das Mädchen geglaubt, daß etwas anderes darin sei, weshalb sie erst an die Schultze geschrieben habe, und von dieser den Bescheid bekommen, sie solle das Geld vorläufig auslegen. Hierauf habe (nach Ang. der Schultze) bei ihrer Ankunft in Kleinfeldt das Mädchen ihr den Brief geöffnet überbracht, (während nach Angaben des Mädchens der Brief von ihr nicht geöffnet worden, sie überhaupt auch den Inhalt nicht kennen gelernt). Später will die Schultze dem Woisin zu drei verschiedenen Zeiten von diesem Pulver gegeben, und die Zubereitungen desselben in Gegenwart des Mädchens vorgenommen haben. Letztere behauptet nun aber, die Schultze habe in ihrem Beisein nur einmal etwas in Wasser aufgelöst (auf einem Teller), was der Herr haben sollt, sie habe jedoch sodann schnell einen anderen Teller genommen, und so hätte nach ihrem Dafürhalten der Herr von dem Pulver nichts genossen. Bemerkt sei nur noch, daß die Schultze sich während dieser ganzen Zeit auch noch mit Quacksalbereien beschäftigte, und zu diesem Zwecke unter dem Namen Lindemann ein Mittel für Wassersucht in Zeitungen empfohlen. -
Aus den Zeugenaussagen ergiebt sich noch folgendes: Es war am Mittag des 8. Februar d. J. (während welcher Zeit die Schultze in Kleinfeldt als Wirthschafterin fungirte) als das Dienstmädchen Schlatow von der Schultze den Auftrag bekam, dem Herrn (Woisin) einen Teller voll Reissuppe nach seiner Stube zu tragen, und zwar mit dem Bemerken, sie (Schultze) habe etwas viel Zucker darauf gestreut, was aber wohl nichts schaden werde, da der Herr es so gern möge. Dies scheint nun aber gerade nicht der Fall gewesen zu sein, denn als das Mädchen nach oben kam, erhielt sie von W. den Bescheid: den Reis solle sie wieder mitnehmen, der sei ihm zu dick. Beim Heruntergehen habe das Mädchen nun aber 3-4 Löffel von der Suppe genascht, und an der oben abgenommenen nichts

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Auffälliges geschmeckt, während die von unten weggenommene einen herben widerlichen Geschmack gehabt. In der Küche wieder angekommen, habe die Schultze, nachdem sie ihr den erhaltenen Bescheid gesagt, gefragt, ob der Herr garnicht davon gegessen, was sie mit Nein beantwortet. Dann habe die Schultze ihr den Teller aus der Hand gerissen, und mit dem Bemerken, dann werde sie es selbst essen, nach der Speisekammer getragen, hierauf haben sich die beiden anwesenden Mädchen aus der Küche entfernt, und bei deren Rückkunft saß dann die Schultze am Herd und aß den (nach ihrer Angabe von oben gekommenen) Reis. Nachdem dann der vorher von der Schultze fertig gemachte zweite Teller Reis nach oben getragen, wurde das betr. Mädchen von derselben gerufen, um zu bekunden daß der auf dem Rande des Tellers der Schultze liegende Zucker auch wirklich solcher sei; bei dieser Gelegenheit nun ist von dem Mädchen die Frage an die Schultze gerichtet: ob sie sich auch vorhin vielleicht vergriffen und aus einer falschen Düte genommen, worauf diese jedoch die neuangebrochene, vor kurzer Zeit erst gekaufte zeigte, und behauptete, davon genommen zu haben. Nun wird aber von beiden Mädchen mit Bestimmtheit behauptet, daß erstens ein anderer Teller, zweitens der Reis viel dünner, und drittens auf dem ersten Teller am Rande Zucker überhaupt gar nicht gewesen. Als dann der Fall vorläufig für erledigt angesehen, begab sich die Schultze nach der Stube der kranken Wirthschafterin Willert und erzählte dieser den Vorfall, worauf auch diese nochmals die Frage stellte: Sollten Sie sich auch vielleicht vergriffen haben? erhielt aber darauf den groben Verweis: Sind Sie verr . . . Woisin hat sich dann (nach dem Essen) zu seinem Vater begeben, um dort Karten zu spielen, und ist er den ganzen Nachmittag nicht so recht wohl gewesen. Gegen 6 Uhr zu Hause angekommen, hat er zu Abend gegessen und ist kurz hierauf von fürchterlichem Erbrechen und Leibschneiden befallen worden, welches ihn veranlaßte, sich zu Bett zu legen. Später hat sich dann noch eine große Schlaffheit und Steifheit der Glieder bemerkbar gemacht und ist er, nachdem sich das Erbrechen im Laufe der Nacht noch öfter wiederholt, gegen Morgen nicht mehr im Stande gewesen, die Arme zu erheben. Als dann gegen 6 Uhr der Arbeiter Warnemünde kam, um sich nach der Beschäftigung für diesen Tag zu erkundigen, wurde diesem der Bescheid: er möge schnell nach seinem Vater und dann zum Arzt laufen, er wäre in der Nacht sehr krank geworden. Während der Abwesenheit des Arbeiters ist die Schultze in der Stube gewesen und hat das Gebrochene weggeräumt, und dann zu einem Mädchen (Zeugin) geäußert, der Herr hätte das Dilirium, zweimal hätte er es schon gehabt, wenn er es nun nochmal bekäme, würde er wohl cre . . . . . (sterben). Ferner hat sie gesagt, alles was ein ähnlicher Kranker von sich gebe, sei Gift, weshalb sie denn auch dem Dienstmädchen befahl, sie möge das von ihr in einen Topf gemachte Gebrochene, welches eben in der Stube des Herrn gelegen, verscharren, damit das Vieh nichts davon bekomme, was denn auch geschehen. Da die Symptome der Krankheit so plötzlich aufgetreten, und von dem herbeigerufenen Arzt eine bezügl. Krankheit nicht festgestellt werden konnte, so kam dieser zu der Annahme, daß irgend ein Gift dem Körper zugeführt worden sei (zumal die dem Dr. Marung von der Schultze gemachte Mittheilung, der Woisin habe 6-7 Fl. Rum getrunken wie derselbe überhaupt in letzter Zeit sehr oft und stark betrunken gewesen, sich nicht bestätigte, da absolut von Alkohol nichts gerochen wurde), nur konnte er sich nicht klar werden, welches. Doch seien die Anhaltspunkte zu schwach gewesen, um den Gerichten hiervon Kenntniß zu geben. Anders sei dies dann gewesen, als der Vater der Schlatow (dieselbe, die von der Reissuppe genascht, und dann am Nachmittage bereits erkrankt war, und zwar unter ganz ähnlichen Erscheinungen wie der Woisin) zu ihm gekommen, und die schon oben berichteten Einzelheiten btr. seiner Tochter erzählt habe. Nachdem er dann auch dieser Kranken einen Besuch gemacht, und in den Symptomen unter denen beide Krankheiten aufgetreten, eine absolute Gleichheit fand, als auch noch das von der Schlatow Gebrochene einer Untersuchung unterzogen worden, war bei ihm zur Gewißheit geworden, daß hier eine Vergiftung durch kohlensauren Baryt (Baryta carbonica) vorliegen müsse. Nun habe er auch sofort Anzeige von diesen Vorfällen gemacht. Bei den darauf wiederholten Haussuchungen ist gefunden worden: ein Fläschchen mit der Aufschrift Fliegentodt, worinnen sich ein Rest von kohlens. Baryt befand, ferner ein weiteres Fläschchen und zwei grün eingepackte Pulver ohne besonderen Werth. Weitere Anhaltspunkte hat dann der mit Beschlag belegte Mörser, welcher, wie die Schultze selbst angiebt, von ihr kurz vorher zur Bereitung von Farben gebraucht worden, ebenfalls Ueberreste von kohlensaurem Baryt und etwas Kreide enthielt. Auch wurde dann noch einige Tage später von einem Mädchen eine graue Düte, deren Inhalt ebenfalls kohlensaurer Baryt war, in einem Federkorbe, welcher vorher in der Gartenstube gestanden und erst kürzlich nach dem Boden gebracht worden, gefunden.
Da Dr. Marung später zu der festen Ueberzeugung gekommen, daß die Vergiftung gerade mit einer der im Mörser aufgefundenen Masse (Kreide und kohlensauren Baryt) ähnlichen Zusammensetzung vorgenommen, so gab er in der Verhandlung sein Gutachten dahin ab: die bei dem Woisin und der Schlatow zu Tage getretenen Krankheits=Symptome seien ihrer Ursache nach auf eine Vergiftung mit kohlensaurem Baryt, welches nicht unwahrscheinlich durch den von der Schultze verabreichten Milchreis in den Körper des Woisin und der Schlatow eingeführt worden, mit Bestimmtheit zurückzuführen. - Der Landphysikus Rath Marung=Schönberg, welcher ebenfalls als Sachverständiger vernommen, führte über das in Anwendung gekommen sein sollende Gift aus, daß es von Apothekern und Droguisten bisher ohne Weiteres verkauft wird, also eine Unterschreibung eines bezügl. Scheines nicht gefordert werde. Der Salzsaure Baryt sei seit Anfang dieses Jahrhunderts von vielen Aerzten als Arzneimittel gebraucht worden, der kohlensaure Baryt sei nur als Rattengift verwandt. Die bei Woisin sich gezeigten Erscheinungen ließen vom wissenschaftlichen Standpunkt aus mit Bestimmtheit annehmen, daß eine Einführung dieses Gifts stattgefunden haben müsse. Der kohlensaure Baryt sei allerdings seiner Wirkung nach dem Laien meist fremd, aber so viel steht wohl fest, daß auch Personen vom Stande der Angeklagten wüßten, daß man mit Rattengift auch Menschen tödten könne.
Der Herr Präsident erachtet hiernach die Beweisaufnahme für geschlossen.             (Schluß folgt.)


Anzeigen.

Am Mittwoch den 20. October d. J., Nachmittags 3 Uhr, soll der in 23 Parcelen getheilte Acker auf dem Rübenkamp öffentlich meistbietend auf 10 auf einander folgende Jahre verpachtet werden.
Pachtliebhaber wollen sich am genannten Tage, zur festgesetzten Stunde an Ort und Stelle einfinden.
Schönberg, den 13. October 1880.

Der Magistrat.


Auctionsanzeige.

Im Auftrage Kaufmann H. Creutzfeld'scher Erben werde ich am Montag den 25. October c. und folgende Tage das hieselbst unter der Firma H. Creutzfeldt bestandene Manufacturwaarengeschäft öffentlich meistbietend gegen Baarzahlung ausverkaufen.

Das Lager ist noch mit allen einschlagenden Artikeln vollständig versehen, und namentlich sind Winterzeug, für Damen und Herren, Bukskins, Tuche, wollene und halbwollene Kleiderzeuge, Kattune, Futterzeuge, Tücher, Leinenzeug u. s. w. in großer Auswahl vorhanden.
Der Verkauf wird in kleinen Partien und passenden Roben erfolgen.
Die Auction findet im Gastwirth Boye'schen Locale täglich von Morgens 9 Uhr statt. Die Ladeneinrichtung wird am letzten Auctionstage versteigert.

Schönberg.                                                     Staffeldt, Gerichtsvollzieher.


[ => Original lesen: 1880 Nr. 81 Seite 4]

Benno Wagner
Optiker & Mechaniker
vorm. D. Maass.
Lübeck, Pfaffenstrasse 782, Ecke Breitestrasse

empfiehlt sein reichhaltiges Lager von: Brillen, Lorguetten und Pincenez in Gold, Silber, Nickel, Stahl etc. mit den feinsten Chrystal=Gläsern zu den billigsten Preisen. Aneroid- und Quecksilber=Barometer, Fenster=, Zimmer=, und Bade=Thermometer, Mikroskope, Loupen und Lesegläser, sowie überhaupt sämmtliche optische Artikel bei billigster Preisstellung.
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von Haus= und Küchengeräthen,
Lager von Werkzeugen, Eisen- und Kurzwaaren.


Oeffentliche Versteigerung.

Am Dienstag den 19. October cr. sollen die nachstehenden im Schulkathen in Mahlzow untergebrachten Gegenstände als:

1 Chatoulle, 1 Spiegel, 1 mahagoni Eckschrank, 1 Lehnstuhl, 1 Kommode, 1 Wanduhr, 1 Küchenschrank, 1 Garderobe, 1 Koffer, 1 Tisch, etwas Heu und Stroh, 8 Hühner und die auf 20 []Rth. Gartenland gepflanzten Kartoffeln
an Ort und Stelle öffentlich meistbietend gegen Baarzahlung verkauft werden.

Schönberg.                                                     Staffeldt, Gerichtsvollzieher.


25 originelle Scherzkarten versendet gegen 50 Pfg. in Marken.
Gotthilf Koch, Berlin S. W.


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den daran Theilnehmenden zufallen müssen, worunter sich die Haupttreffer von Mk. 400,000, spec. 250,000, 150,000, 100,000, 60,000 50,000, 2 à 40,000, 2 à 30,000, 5 á 25,000, 2 à 20,000, 12 à 15,000, 24 à 10,000 und viele von 8000, 6000, 5000 etc. etc. befinden.
Die Gewinnziehung der 1. Classe findet in kurzer Zeit statt und empfehle hierzu:
      Ganze Original=Loose M. 6,
      halbe Original=Loose M. 3,
      viertel Original=Loose M. 1 1/2.
Jeder, auch der kleinste Auftrag wird sofort gegen Einsendung des Betrages, am besten pr. Postanweisung, pr. eingeschriebenen Brief in Banknoten, Coupons oder Briefmarken, mit der größten Sorgfalt ausgeführt und erhält Jedermann von mir die mit dem Staatswappen versehenen Original=Loose selbst in Händen. Falls gewünscht, kann auch der Betrag gegen Nachnahme erhoben werden. Den Bestellungen werden die amtlichen Pläne kostenfrei beigefügt und übersende den werthen Auftraggebern sofort nach geschehener Ziehung die amtlichen Gewinnlisten sowie Gewinngelder.
Ich bitte, da die Betheiligung stets sehr groß ist, mir die Bestellungen umgehend, jedenfalls aber bis zum

30. October d. J.

zugehen zu lassen und wird es mein Bestreben sein, jeden, auch den kleinsten Auftrag bestens auszuführen.

J. Dammann,
Haupt=Collecteur, etablirt 1851,
Hamburg, Zeughausmarkt 43.


Einem geehrten Publikum Schönbergs und Umgegend die ergebene Anzeige, daß ich am heutigen Tage ein

Colonial-, Kurzwaaren- und Porzellan-Geschäft

eröffnet habe und bitte um geneigten Zuspruch.

Ergebenst           
J. Burmeister.      


Zum Ratzeburger Viehmarkt am Mittwoch den 27. October c. fahre ich mit meinem Omnibus bei genügender Betheiligung nach Ratzeburg. Abfahrt von Schönberg Morgens 6 Uhr vom Boye'schen Gasthause. Abfahrt von Ratzeburg um 4 Uhr Nachmittags.

Tretow.     


Dem Gesangverein Teutonia und den Vereinsmusikern sagen wir für das zum Besten des unterzeichneten Vereins vortrefflich ausgeführte Concert verbindlichen Dank.
Schönberg, den 18. October 1880.

Der Vorstand des Verschönerungs=Vereins.     


Statt besonderer Meldung
Als Verlobte empfehlen sich             
Christine Bremer
Wilhelm Schrep.

Anna Bremer
Wilhelm Maaß.
Schönberg i. M.                       


Gestern Abend 1/2 11 Uhr starb nach langen schweren Leiden unsere liebe Tochter Johanna, im bald vollendeten 15. Lebensjahre, tiefbetrauert von

Carl Ohls und Frau.     

Schönberg, den 18. October 1880.


Getreide=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Markt=Preise in Lübeck.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]


Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.


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