No. 63
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 09. August
1878
achtundvierzigster Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1878 Nr. 63 Seite 1]

   Die diesjährigen Truppenübungen werden im hiesigen Fürstenthum vom 20. d. M. bis zum 5. September cr. resp. auf der Palinger Heide und in dem Dreieck Schlutup-Dassow-Schönberg stattfinden.
   In Gemäßheit der Bestimmungen im § 11 des Naturalleistungsgesetzes vom 13. Februar 1875 werden die Vorstände der betreffenden Ortschaften zwecks möglichster Vermeidung von Flurbeschädigungen hiedurch angewiesen, die vorzugsweise zu schonenden Ländereien durch Strohwiepen kennzeichen zu lassen.
   Schönberg, den 4. August 1878.

Großherzoglich Mecklenb. Landvogtei des Fürstenthums Ratzeburg.
H. Wohlfahrt.


Politische Rundschau.

Deutschland. Der Einfluß der Teplitzer Thermen (warme Quellen) auf die Herstellung unseres Kaisers gestaltet sich so über alle Erwartung günstig, daß voraussichtlich eine Verlängerung des Aufenthalts vielleicht sogar bis zu dem Zeitpunkte erfolgt, zu welchem die Abreise des Kaisers zu den Manövern des 11. Armeecorps nach Cassel beschlossen wird, es sei denn, daß man einer Reise nach Gastein den Vorzug giebt. Noch sei bemerkt, daß eine Begegnung des Kaisers Wilhelm mit dem Kaiser von Rußland in diesem Sommer, wovon so vielfach die Rede war, als aufgegeben betrachtet wird.
Die Kissinger Verhandlungen zwischen dem Reichskanzler und dem päpstlichen Nuntius stützen sich, wie jetzt verlautet, auf vorher formulirte Vorschläge der Curie, denen im Allgemeinen der Reichskanzler Fürst Bismarck zustimmte. Ob ein Friedensvertrag zu Stande kommt oder nicht, wird sehr bald ersichtlich werden. Die Absichten des heil. Stuhles greifen immerhin soweit, daß eine Revision der Maigesetze, der preußischen wie der deutschen, vorgenommen werden müßte, und deshalb kann der Kanzler nur Zusagen machen, nicht Abmachungen auf eigene Faust vornehmen. Rom verlangt die Zurücknahme des Jesuitengesetzes und aus den preußischen Maigesetzen die Entfernung der Vorschrift, daß die Geistlichen ihre Ernennung den Oberpräsienten anmelden. Außerdem sollen die abgesetzten Bischöfe in ihre Episkopate wieder eingesetzt werden. Die Curie weiß sehr wohl, daß die Absetzungen auf Grund richterlicher Entscheidungen erfolgten, aber sie greift mit ihren Forderungen absichtlich weit, um schließlich mit geringeren Abschlagszahlungen zufrieden zu sein.
Der Bundesrath wird voraussichtlich schon Mitte nächster Woche wieder zusammentreten und sich zunächst mit dem Sozialistengesetz zu beschäftigen haben. Der Entwurf ist umfangreicher als sein Vorgänger, seine Motive sollen recht eingehend gehalten sein. In Regierungskreisen meint man, es würde sich, sobald eine Verständigung über die Grundlagen erzielt worden, eine Form finden lassen, welche auch den Gegnern eines "Ausnahmegesetzes" die Annahme dieses Entwurfs möglich machen dürfte. Als Vereine, um deren Verbot es sich handelt, bezeichnet der Entwurf: "Vereine, welche sozialdemokratischen, sozialistischen oder kommunistischen, auf Untergrabung der bestehenden Staats= oder Gesellschaftsordnung gerichteten Bestrebungen dienen."
Der im Reichsjustizamt ausgearbeitete Entwurf eines Strafvollzugsgesetzes nebst Motiven ist bereits den Bundesregierungen zur Kenntnißnahme und Begutachtung zugegangen. Einzelne Regierungen haben Anlaß genommen, gegenüber dem ihnen zugegangenen Entwurf eine Anzahl Bedenken prinzipieller Natur geltend zu machen, deren Erledigung im Reichsjustizamte, noch ehe der Entwurf dem gewöhnlichen Geschäftsgange entsprechend dem Bundesrathe zugeht, möglichst herbeigeführt werden soll. Der Entwurf soll nämlich in seiner gegenwärtigen Fassung keine Bestimmung erhalten, welche eine Beschränkung der industriellen Thätigkeit der Sträflinge bezweckt und so der Concurrenz zwischen der Gefangenenarbeit und der Privatindustrie entgegentritt.
Sämmtliche Mächte haben jetzt den Berliner Friedensvertrag, betreffend die Türkei, unterzeichnet und gutgeheißen.
In Heidelberg tagen die deutschen Finanzminister, um die Finanz= und Steuerpläne Hobrechts, des preußischen Finanzministers, zu prüfen.
Oesterreich. Die Hoffnung, daß die Besetzung Bosniens durch österreichisch=ungarische Truppen sich in möglichst ruhiger und friedlicher Weise werde vollziehen können, stellt sich immer mehr als irrig heraus. Außer in Serajewo ist nun auch in Mostar ein Volksaufstand ausgebrochen. Die türkischen Beamten wurden theils ermordet, theils weggejagt. Drei Bataillone türkischer Truppen schlossen sich den Aufständischen an, drei andere Bataillone erklärten sich mit ihren Kommandanten gegen den Aufstand und beschlossen, sich den einrückenden österreichischen Truppen anzuschließen. Dieselben sollen thatsächlich aufgebrochen sein, um sich nöthigenfalls auf österreichisches Gebiet zu flüchten. - In Serajewo soll eine Pöpelherrschaft die Zügel ergriffen haben, die an Räuberei und Schandthaten alles Andere überbietet. - Es verlautet, der Kaiser Franz Joseph habe seine Badereise wegen der Vorgänge in Bosnien verschoben. Graf Andrassy erstattet dem Kaiser täglich wiederholt Bericht über dieselben. - Die Ex=Kaiserin Eugenie ist im tiefsten Incognito in Wien eingetroffen. Der deutsche Botschafter daselbst, Prinz Reuß, hat derselben seinen Besuch gemacht.
England. Dem Grafen Beaconsfield und dem Marquis Salisbury sind am Sonnabend Nachmittag feierlich die Ehrenbürgerbriefe der Stadt London überreicht worden. Bei dem im Anschluß an diese Feierlichkeit veranstalteten Banket hielt Graf Beaconsfield eine längere Ansprache, in welcher er eine geschichtliche Darstellung der Ereignisse gab, welche schließlich zu dem allgemeinen Frieden geführt haben. Graf Beaconsfield hob hervor, er glaube, daß die=

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ser Friede ein dauernder sein werde, da derselbe sämmtliche Mächte zufriedengestellt habe und da auch die Kriegspartei in Rußland nicht in der Majorität sei und Italien und Frankreich sich überzeugt hätten, daß das politische Gleichgewicht im mittelländischen Meere nicht bedroht sei. - Der "Standart" versichert nach anscheinend offiziöser Quelle, daß eine Auflösung des Parlaments für dieses Jahr noch nicht beabsichtigt sei.


- Professor Rühlmann in Chemnitz hatte in einem Briefe an den Feldmarschall Grafen Moltke vorgeschlagen, aus den Erträgen der Wilhelmsspende eine nationale Arbeiter=Pensions= und Invalidenkasse nach dem Princip der Knappschaftskassen zu gründen. "Es soll dies ein Institut sein, zu dessen Kasse von jedem Lohnthaler des Arbeiters ein kleiner Beitrag, und sei dies auch nur ein Pfennig, abzuführen ist und für welches auch jeder Arbeitgeber nach Maßgabe des ausgezahlten Arbeitslohnes einen gesetzlich festzustellenden Beitrag steuern muß. Die Erträge dieser Steuern würden den Zweck haben, dem Arbeiter in Zeiten der Arbeitsunfähigkeit durch Krankheit oder Alter eine ansehnliche Unterstützung zu gewähren, die ausreichend wäre, ihn vor eigentlichen Nahrungssorgen zu schützen und davor zu bewahren, daß er die Barmherzigkeit seiner Mitmenschen durch Almosen in Anspruch nehmen müßte." Das Antwortschreiben des Grafen Moltke lautet: Kreisau, 31. Juli 1878. Euer Hochwohlgeboren spreche ich ergebenst meinen verbindlichsten Dank aus für die mir geäußerten freundlichen Gesinnungen, sowie für die Mittheilung eines Projektes mit Bezug auf die Verwendung des Ertrages der Wilhelmsspende. Vor einigen Tagen ist mir von anderer Seite ein ganz ähnlicher Vorschlag zugegangen. Ich finde den Gedanken der Gründung eines Arbeiter=Pensions= und Invalidenfonds für ganz Deutschland aus den Erträgen der Wilhelmsspende so außerordentlich richtig und zeitgemäß, daß ich nicht verfehlen werde, denselben maßgebenden Orts in Anwendung zu bringen. Mit besonderer Hochachtung Euer Hochwohlgeboren ergebenster Graf Moltke, Feldmarschall.
- Unregelmäßigkeiten bei der Wahl in Berlin sind dem Magistrat bis jetzt verschwindend wenige angezeigt worden. In einem Falle ist die Anzeige an die Staatsanwaltschaft zur Verfolgung abgegeben worden; hier hatte ein Wähler dem andern, als dieser im Begriff war, seinen Zettel abzugeben, letzteren aus der Hand gerissen und zerstückelt. Die auf diesen Unfug stehende Strafe ist sehr hart, denn sie beträgt im Minimum sechs Monate Gefängniß.
- Die Ausstattung der Prinzessin Marie, der Tochter des Prinzen Friedrich Carl, wird Anfang nächster Woche im Stadtschloß zu Potsdam einem kleinen Kreise höchster und hoher Herrschaften zur Ansicht vorgelegt werden. Das Brautkleid, aus schwerstem deutschen Drap d'argent gefertigt, besteht aus einem einfachen Rock mit ausgeschnittener Taille und Tablier. Der untere Saum ist ringsherum mit kostbarer erhabener Silberstickerei geschmückt, deren Dessin Myrthen und Rosenknospen auf weiß bilden. Darüber wird ein Manteau de com aus Drap d'argent getragen, der gleichfalls mit prachtvoller Silberstickerei im nämlichen Dessin versehen ist. Die Schleppe hat eine Länge von 6 Ellen. Der viereckige Brautschleier, der an Krone und Kranz befestigt wird, ist in Points d'Alençon hergestellt; auch hier zeigt das Dessin Myrthen und Rosen. Der Braukranz wird von der Schwester der hohen Braut, der Prinzessin Luise, geflochten; es ist doch seit Alters her Brauch im Preußischen Herrscherhause, daß sich Schwestern gegenseitig den Brautkranz überreichen. Taschentuch und Fächer sind in Points de gaze hergestellt; in Mitten des Fächers sehen wir den preußischen Adler, zu beiden Seiten das Monogramm der Braut. Das Gestell des Fächers besteht aus Perlmutter. Auch das Taschentuch zeigt Adler und Monogramm. Die aus Drap d'argent gefertigten Brautschuhe sind mit doppelten Schleifen und mit reicher Silberstickerei versehen. Nächst dem Brautkleid ist eine Courtoilette aus hellblauem mit Silberbrokat, gesticktem Sammet mit weißem, gleichfalls gestickten Unterkleid aus Atlas zu erwähnen. Kostbar ist eine mattrosa Atlasrobe mit Spitzen und in der Farbe übereinstimmenden Rosen besetzt. Der Volant, in Points de gaze gearbeitet, ist 60 Cm. breit und zeigt als Dessin Rosen= und Myrthenknospen und Blätter, letztere sind en relief aufgelegt. Allein an diesem Volant haben 300 Mädchen 8 Monate hindurch gearbeitet. Für den Tag des Einzuges im Haag ist eine Toilette von blauem Grosgrin mit Points d'Alençon bestimmt. Der Volant im Muster wiederum Rosen und Myrthen zeigend, ist hier 30 Cm. breit. Der dazu passende Fächer und das Taschentuch tragen den preußischen Adler und das Monogramm der hohen Braut. Die Schuhe sind von gleicher Farbe und Stoff wie das Kleid. Die Lendemain=Toilette für den Kirchgang ist aus rosa Grosgrin; der hierzu passende Hut, blaß rosa, Form "Felix," wird mit Tulle illusion gebunden. Eine hellblaue Atlasrobe zeigt reiche Stickerei in derselben Farbe und aufgesetzte Wasserblume. Der Hut zu dieser Robe ist aus blauem Sammet mit Valenciennes und Blumen garnirt. Die blauen Satinschuhe, die zu dieser Toilette gehören, sind mit Schleifen geschmückt. Reich ausgestattet mit Atlas und Perlstickerei ist eine Robe aus schwerstem schwarzen Sammet. Hierzu wird ein Hut mit Perlen und Rosen garnirt und schwarze Atlasschuhe mit durchbrochenen Riemchen getragen. Originell ist ein holländisches Nationalcostüm aus weichselfarbigem Sammet und hellblauer, Ton in Ton gestreifter Seide. Die viereckig ausgeschnittene sammtene Taille ist vorn glatt mit blauer Seide besetzt, hinten aber eingeschnitten; der Rock zeigt vorn gleichfalls blauseidenen Besatz mit Guipures garnirt und unten einen Volant aus braunem Atlas. In diesem Costüm, zu dem blauseidene Schuhe mit braunen Sammetschleifen gehören, gedenkt sich die hohe Braut malen zu lassen. Unter den sonstigen seidenen Toiletten, die die Ausstattung der Prinzessin in reicher Zahl erhält, zeichnen sich vor Allem eine bordeauxrothe Atlasrobe mit farbigen Rosen garnirt, eine damastartige Robe, grau und blau gemustert, eine corinthenfarbige, eine olivengelbe, eine marinblaue, eine russisch=grüne und eine weiße Ripsrobe aus. Die Leinenroben zeigen meist gestreiftes Muster. Unter den Mullkleidern ist hervorzuheben ein hellblaues mit Valenciennes besetzt. Die Baregekleider sind zumeist von weißer Farbe. Zu allen diesen Kleidern sind passende Hüte bestimmt, zu den leichten Sommerkleidern Strohhüte, mit Federn oder Blumen garnirt. Auch die Schuhe und Stiefel sind meist eigens für die einzelnen Costüme gefertigt.
- Die Crinoline hat in der Frauenwelt und zunächst in den Modezeitungen wieder ihren Einzug gehalten.
- Mandalay, die Hauptstadt des Königreiches Birma, ist vom Feuer (923 Häuser) zerstört worden.
- Die schwedischen Studenten sind in Paris die Helden des Tages, nämlich die akademischen Gesangvereine von Upsala und Christiania, welche, 150 Mann stark ihre Vorträge in dem großen Festsaale des Trocadero eröffnet haben. Die Wirkung auf das Publikum war eine geradezu hinreißende und beinahe sämmtliche Nummern mußten wiederholt werden. Die Ausstellung hat in diesen künstlerisch durchgebildeten Dilettanten des Männergesangs ihren lange vergeblich gesuchten musikalischen Magnet gefunden. Der saubere, unglaublich reiche Vortrag dieser in vieljähriger Uebung geschulten Liedertafeln, denen nicht blos Studenten, sondern auch Aerzte, Advocaten u. s. w. angehören, sowie die eigenthümlichen, echt nationalen Compositionen der Lindblad, Ole Bull, Halstrom, Söderman, Kierulf u. A. müssen in der That eine außerordentliche Anziehungskraft üben. Die Sänger, von denen die Schweden weiße Mützen mit schwarzem Rande und die Norweger schwarze Mützen mit Silberbesatz tragen, wurden mit Beifall förmlich überschüttet.
- Paris ist in großer Verlegenheit, - es ist ein allgemeiner Droschkenkutscher=Strike eingetreten und so herrscht denn dieselbe Verlegenheit, wie in Berlin vor fünf Jahren im Monat März 1873. Am Montag Morgen stellte ein Theil der Kutscher die Arbeit ein, die Droschken wurden selten auf den Straßen, Dienstag beabsichtigten die übrigen Droschkenkutscher dem Beispiel ihrer strikenden Collegen zu folgen. Vorläufig weigerte sich die Direktion der "compagnie des petites voitures" ebenso wie die Besitzer der Fuhrwerke die Forderungen der Droschkenkutscher zu bewilligen. Diese Forderungen sind

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die folgenden: Bessere Behandlung und besseres Futter für die Pferde in den Ställen; Herabsetzung des Pachtpreises, den die Kutscher täglich an die Eigenthümer der Fuhrwerke zu zahlen haben; Bezahlung der Zinsen für die Caution, welche die Kutscher zu stellen haben; das Recht, nach Belieben Aufstellung an allen Plätzen nehmen zu können, wo das Polizeireglement es erlaubt; das Recht, nach Belieben ihre Preise mit den Fahrgästen zu vereinbaren, - es müßte das einen schönen Zustand abgeben; man erinnere sich nur an die Preise, die trotz des Regulativs von den Kutschern am ersten Mai dieses Jahres in Paris verlangt wurden! - und noch einige Nebenbedingungen. Der letzte Strike, den die Pariser Droschkenkutscher veranstaltet haben, fand vor gerade elf Jahren im Sommer 1867, ebenfalls zur Zeit der Weltausstellung statt. Die Pariser Droschkenkutscher scheinen es somit für ein unveräußerliches Recht zu halten, auch ihrerseits jedesmal zu der "exposition universelle" einen originellen Beitrag zu liefern.
- Der schnellste Reiter auf diesem Erdenrund ist unzweifelhaft der Mexikaner Peralto. Derselbe ritt kürzlich, wie Newyorker Blatter berichten, eine Strecke von 305 englischen Meilen (das sind 61 deutsche Meilen) in fünfzehn Stunden, wobei ihm am Schlusse dieser riesigen Aufgabe noch neunundzwanzig Minuten übrig blieben. Eine wahrhaft wundervolle Ausdauer!
- Ein reicher Straßenbettler ist eben in London gestorben; derselbe hinterließ nicht weniger als 65,000 Pfnnd Sterling (1,300,000 Mk.) welche er zwei milden Stiftungen testamentarisch vermachte. Er betrieb sein "steuerfreies" Gewerbe durch mehr als dreißig Jahre in "Cheapside", wo er mit einer Pennypfeife mit ihrem herrlichen Wohlklange die Vorübergehenden zur Milde zu bewegen wußte. Welcher Virtuose kann sich ähnlicher Erfolge rühmen?
- Eine Wahnsinnsscene. Wir lesen in Berliner Blättern: In der Nacht zum 28. Juli rief eine Frau in der Rosenthalerstraße laut um Hülfe. Hinzueilende sahen, wie ein grauköpfiger Mann die Frau mit Gewalt in ein Haus drängte; hier versuchte er, sie zu küssen, aber die kräftigen Fäuste eines Arbeiters packten ihn beim Kragen und schleuderten ihn zurück. "Niederträchtiger Wüstling!" schrie der Arbeiter; aber der Alte schrie noch lauter: "Was wollen Sie von mir? Ich bin der Graf Bernstein, und das ist meine Gemahlin, die mir fortgelaufen ist." Hier erhob nun die betreffende Frau ihre Stimme: "Ein Lügner ist er! Ich bin die Frau des Schneidermeisters B., komme aus dem Theater und wollte nach Hause gehen, als der Schändliche mich überfiel." Jetzt hagelte es Hiebe auf den schlecht aussehenden Alten; doch mit blutiger Nase riß er sich los, stürzte auf ein junges, eben herantretendes Mädchen zu und schrie: "Rette mich, meine geliebte Tochter! Ich bin der Graf Bernstein, dein Vater!" Nun erst fingen die Umstehenden an, zu ahnen, daß der Alte entweder irrsinnig oder betrunken sein müsse. Als ein Schutzmann hinzukam, fühlte er sich sofort umarmt und hörte die Anrede des Alten: "Gott sei Dank, daß du kommst, lieber Neffe"! Ich bin der Graf Bernstein, dein Onkel, und werde hier von Bestien angefallen. Leihe mir dein Schwert!" Blitzschnell erfaßte er den Griff des Schutzmannsäbels, aber ehe er die Waffe aus der Scheide ziehen konnte, waren ihm die Hände gefesselt, und so wurde er mit großem Gefolge zur Wache geführt. Hier war bereits telegraphisch gemeldet worden, daß ein wahnsinniger Schuhmacher, der sich für den Grafen Bernstein halte, aus seiner Wohnung entsprungen war.


Anzeigen.

Nach der gemachten Anzeige ist dem Schustermeister Heinr. Schwarz hieselbst am 20. d. M. aus seiner Wohnstube eine zweigehäusige silberne Taschen=(Kapsel=) Uhr mit römischen Ziffern und ohne Kette gestohlen worden, und ist der wegen Diebstahls schon wiederholentlich bestrafte Arbeiter Johann Kessin aus Selmsdorf des Diebstahls dringend verdächtig.
Wir bitten, auf das gestohlene Gut und den etc. Kessin vigiliren, den letzteren im Betretungsfalle wegen Diebstahls, strafbar nach § 242 des Strafgesetzbuchs, zu verhaften und mit seinen Effecten anzuhalten und uns zu benachrichtigen zu lassen.
Schönberg, den 2. August 1878.

Großherzogl. Justizamt der Landvogtei des Fürstenthums Ratzeburg.
H. Wohlfahrt.

A. Dufft.     

Signalement des etc. Kessin.

Alter: 50 Jahre laut seines Heimathscheines.
Größe: mittel.
Haar: dunkel, mit grau gemischt.
Augen: grau=blau.
Nase: ziemlich groß.
Kopf: stark.
Besondere Kennzeichen: Aderbrüche, Narben und Wunden am rechten Fuße und deshalb der Gang hinkend und schleppend.


Auf Antrag Dris. C. F. Lindenberg für den Hufner Johann Heinrich Meins zu Schönberg wird hierdurch

1) angezeigt, daß der unter Nr. 105 am 9. Oktober 1855 für Johann Hinrich Meins in Schönberg ausgestellte, mit der Loosnummer 1250 versehene Schuldschein des Finanzdepartements der freien Hansestadt Lübeck über CMark (Lübeck) 700 - von dem implorantschen Eigenthümer angeblich verloren ist,
und werden
2) alle diejenigen, welche aus irgend einem Rechtsgrunde an diesen verlorenen Schuldschein Ansprüche zu haben oder der beantragten Mortification desselben widersprechen zu können vermeinen, aufgefordert und schuldig erkannt, solche Ansprüche bezw. Widersprüche im Stadt= und Landgerichte hieselbst innerhalb doppelter sächsischer Frist, mithin spätestens bis zum 24. October dss. Js. und zwar Auswärtige durch einen hiesigen Bevollmächtigten, geltend zu machen, unter dem Rechtsnachtheile, daß sie widrigenfalls mit ihren Ansprüchen sollen ausgeschlossen, der Schuldschein mortificirt und die Lübeckische Staatsschulden=Verwaltung ermächtigt werden soll, dem Imploranten an Stelle des verlorenen einen neuen Schuldschein auszustellen.
Lübeck, den 26. Juli 1878.

Das Stadt= und Landgericht.
Zur Beglaubigung      I. V. Dr. Faber.


Die Lieferung des Bedarfs an bestem Petroleum für die Straßenlaternen in hiesiger Stadt und auf dem Amte während der Zeit vom 1. October 1878 bis 31. März 1879 soll event. dem Mindestfordernden übergeben werden. Reflectanten werden hiedurch aufgefordert, ihre Preisofferten

bis zum 17. August cr.

schriftlich bei uns einzureichen.
Schönberg, den 7. August 1878.

Der Magistrat.


Torf=Auction.

Am Sonnabend den 17. d. M., Morgens von 9 Uhr an, sollen auf dem Rüntzer Moor bei Demern meistbietend gegen gleich baare Zahlung bei freier Concurrenz, auch für Mecklenburg=Schwerin und Lauenburg, verkauft werden:

circa 600 mille Ruthen=, Form= und Stech=Torf.
Carlow, den 6. August 1878.

Im Auftrage:     
Struck.          


Verkaufs=Anzeige.

Am Mittwoch den 14. August d. J., Mittags von 1 Uhr ab, sollen auf der Winkenwerder'schen Hofstelle in Lüdersdorf nachstehende abgepfändete Gegenstände öffentlich meistbietend gegen gleich baare Bezahlungen verkauft werden:

4 Kühe, 2 Starken, 2 Kälber, 3 Schweine, 1 Torfbaggermaschine, 3 Torfschiffe, 4 Torfforme, 3 Torfketscher, 1 Klavier, 1 Sopha, 1 Stubenuhr mit Gehäuse, 2 Kleiderschränke, 1 Spiegel und 1 Klapptisch.
Schönberg, den 1. August 1878.

Kutzbach, Landreiter.     


[ => Original lesen: 1878 Nr. 63 Seite 4]

Singer Trade Mark
Die Nähmaschinen
von der
Singer Manufacturing Co., New-York,
erste und grösste Nähmaschinen-Fabrik der Welt,

haben sich durch ihre Leistungsfähigkeit, Güte und Dauer als die Vorzüglichen aller Nähmaschinen bewährt und wird dieses nicht nur von allen Käufern und unparteiischen Sachverständigen anerkannt, sondern auch durch mehr als hundert der höchsten Ehrenpreise, ganz besonders aber durch den sich mit jedem Jahre vergrößernden Absatz bestätigt, welcher sich im letzen Jahre allein auf

282,812 Maschinen

oder mehr als die Hälfte der Gesammt=Nähmaschinenfabrikation Amerika's belief.
Jede Original=Singer=Nähmaschine trägt nebenstehende Fabrikmarke, sowie die Firma "The Singer Manufacturing Co." und ist von einem mit meiner Unterschrift - G. Neidlinger - versehenen Garantieschein begleitet; alle sonst unter dem Namen "Singer" angebotenen Nähmaschinen sind nachgemachte.
Im Interesse des Publikums und um es Jedem, selbst dem Unbemittelsten zu ermöglichen, sich eine Original=Singer=Nähmaschine anzuschaffen, werden dieselben ohne Preiserhöhung gegen wöchentliche Zahlungen von Mark 2 - abgegeben, sowie alte oder nicht zweckentsprechende Maschinen aller Systeme in Zahlung angenommen.

G. Neidlinger, Lübeck, Sandstraße 1002.
General-Agent der Singer Manufacturing Co., New-York.


Jürgensen & Robschuld,
Lübeck, große Burgstraße 717,
empfehlen ihr
Completes Aussteuer-Magazin
von Haus= und Küchengeräthen
zu billigen Preisen.
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NB. Schriftliche Anfragen über einzelne Gegenstände unseres Magazins werden sofort beantwortet.

D. O.     


Männer-Turn-Verein.

Zur Gedenkfeier des 100jährigen Geburtstages unseres Altmeisters Jahn

am Sonntag den 11. August d. J.:

Morgens 6 1/2 Uhr Versammlung im Boye'schen Garten.
Morgens 7 Uhr Turngang nach Carlow.
Abends 7 Uhr Commers im Vereinslocale.
Alle Mitglieder werden hierzu freundlichst eingeladen.

Schönberg.                                                     Der Vorstand.


Reinschmeckenden gebrannten
Domingo=Caffee,
à Pfund 1 Mark 10 Pf.,
empfiehlt                          
                                                    Aug. Spehr.


Breitestraße 804.      Friedr. Matz,      Breitestraße 804.
Lübeck.
Lager von
Tapeten und Decorationsgegenständen,
Rouleaux,
Gold- und Politurleisten,
Teppichen und Cocosmatten,
Wachstuch und Ledertuch.


Neuen Sommerfanghering,
beste Qualität,
empfliehlt                                                     J. Ludw. D. Petersen.


Weiße Korbweiden
empfiehlt                                                    
                                                    C. Benthien,
                                                    Lübeck, Fünfhausen.


Erndtehandschuhe

in verschiedenen Sorten und in großer Auswahl sind stets zu haben in Schönberg bei

Emil Jannicke,      
Handschuhmacher.     


Ein gebrauchter, gut erhaltener

Korn=Cylinder

ist zu verkaufen. Näheres in der Exped. der Anz. zu Schönberg.


Weinkirschen u. Johannisbeeren
empfiehlt
Jul. Wagner.
Auch empfehle den geehrten Bewohnern meine Frucht=Presse und kostet das Pfund zu pressen nur 1 Pfennig. D. O.


Markt=Preise in Lübeck.
Butter pr. 500 Gr. M0,90 .
Tauben d. St. M0,40 .
Hühner d. St. M1,40 .
Schinken pr. 500 Gr. M0,90 .
Küken d. St. M0,80 .
Wurst pr. 500 Gr. M1,20 .
Eier 6 St. für M0,30 .
Kartoffeln pr. 10 Lit. M0,50 .


Getreide=Preise in Lübeck.
Waizen20 M 50Pfennig  bis 21 M -Pfennig.
Roggen13 M 50Pfennig  bis 14 M -Pfennig.
Gerste14 M -Pfennig  bis 15 M -Pfennig.
Hafer13 M 50Pfennig  bis 14 M -Pfennig.
Erbsen14 M -Pfennig  bis 16 M 50Pfennig.


Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.


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