No. 58
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 23. Juli
1878
achtundvierzigster Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1878 Nr. 58 Seite 1]

Bekanntmachung.

   Unter Bezugnahme auf das Publicandum Hoher Landes=Regierung vom 15. d. M. und gemäß § 8 des Reglements zur Ausführung des Reichswahlgesetzes (Bundesgesetzblatt Nr. 17 von 1870) werden nachstehend die für die bevorstehende Reichstagswahl bestimmten Wahllocale in den Wahlbezirken des hiesigen Fürstenthums bekannt gemacht:

1. Wahlbezirk.

   Stadt Schönberg mit der Ziegelei auf der Stadtfeldmark.
        Wahllokal: Boye'scher Gasthof in Schönberg.

2. Wahlbezirk.

   Amt und Amtsfreiheit Schönberg mit Mühle, Bahnhof und Bauhof=Schönberg mit der Feldziegelei, Kleinfeld, Mahlzow, Kl. Bünsdorf und Gr. Bünsdorf.
        Wahllocal: Köster'scher Gasthof zu Schönberg.

3. Wahlbezirk.

   Sülsdorf, Teschow, Hof und Dorf Zarnewenz, Schwanbeck und Siechenhaus.
        Wahllocal: Krug in Zarnewenz.

4. Wahlbezirk.

   Hof und Dorf Menzendorf mit Menzenberg, Rottensdorf, Lübseerhagen, Grieben, Blüssen, Rüschenbeck, Rodenberg und Papenhusen.
        Wahllocal: Krug zu Menzenberg.

5. Wahlbezirk.

   Hof und Dorf Rabensdorf, Retelsdorf, Sabow und Falkenhagen.
        Wahllocal: Krug in Rabensdorf.

6. Wahlbezirk.

   Hof und Dorf Selmsdorf, Bardowick und Hohemeile.
        Wahllocal im Michaelsen'schen Kruge in Selmsdorf.

7. Wahlbezirk.

   Lindow, Gr. Siemz, Kl. Siemz und Törpt.
        Wahllocal: Schulzenhaus in Kl. Siemz.

8. Wahlbezirk.

   Bechelsdorf, Ollndorf, Niendorf, Boitin=Resdorf und Kl. Mist.
        Wahllocal: Krug in Boitin=Resdorf.

9. Wahlbezirk.

   Hof und Dorf Lockwisch mit Westerbeck, Lockwischer Mühle, Hof Wahrsow mit Lenschow, Petersberg, Rupensdorf, Wahlsdorf.
        Wahllocal: Krug in Petersberg.

10. Wahlbezirk.

   Herrnburg, Palingen. Lauen, Duvennest, Lüdersdorf und Dorf Wahrsow.
        Wahllocal: beim Gastwirth Hülsemann in Herrnburg.

11. Wahlbezirk.

   Hof und Dorf Demern, Schaddingsdorf, Röggeliner Ziegelei, Gr. Rünz und Kl. Rünz.
        Wahllocal: im Tretow'schen Kruge in Demern.

12. Wahlbezirk.

   Carlow, Cronscamp, Pogez, Sahmkow, Klocksdorf, Kuhlrade, Hof und Dorf Stove nebst der Mühle, Röggelin, Neschow und Maurinmühle.
        Wahllocal: beim Schenkwirth Eckmann in Carlow.


[ => Original lesen: 1878 Nr. 58 Seite 2]

13. Wahlbezirk.

   Domhof Ratzeburg.
        Wahllocal: Schulsaal zu Domhof Ratzeburg.

14. Wahlbezirk.

   Hof und Dorf Mechow mit Wietingsbäk, Ziethen, Lankow, Bäck nebst den Mühlen, Römnitz und Kalkhütte.
        Wahllocal: Krug in Mechow.

15. Wahlbezirk.

   Gr. Molzahn, Kl. Molzahn, Schlagresdorf nebst Perückenkrug, Schlagbrügge.
        Wahlocal: Krug in Schlag=Resdorf.

16. Wahlbezirk.

   Raddingsdorf, Rieps, Wendorf, Gr. Mist und Schlag=Sülsdorf.
        Wahllokal: Krug in Rieps.

17. Wahlbezirk.

   Hof und Dorf Schlagsdorf mit Heiligeland, Neuhof, Campow nebst Hoheleuchte und Thandorf.
        Wahllocal: im Siebenmark'schen Gasthofe in Schlagsdorf.

18. Wahlbezirk.

   Mannhagen, Hammer mit Mühlen, Panten und Walksfelde.
        Wahllocal: Krug in Mannhagen.

   Schönberg, den 15. Juli 1878.

Großherzoglich Mecklenburgische Landvogtei des Fürstenthums Ratzeburg.
F. Graf Eyben.


Bekanntmachung.

Gehedes Publicandi Hoher Landes=Regierung vom 15. d. M., betreffend die Reichstagswahl, wird hiedurch zur öffentlichen Kenntniß gebracht, daß das hiesige Amtsgebiet mit der Mühle, der hiesige Bahnhof, sowie der Bauhof Schönberg mit der Feldziegelei zum zweiten Wahlbezirk gehören und für denselben der Schulze Burmeister aus Kleinfeld zum Wahlvorsteher und der Mühlenpächter Wieschendorf in Schönberg zum Stellvertreter ernannt sind.
   Zum Wahllocal ist der Köstersche Gasthof hieselbst bestimmt.
   Der Wahltag ist auf den 30. d. M. festgesetzt. Die Wahlhandlung beginnt um 10 Uhr Vormittags und wird um 6 Uhr Nachmittags geschlossen.
   Schönberg, den 17. Juli 1878.

Großherzoglich Mecklenburgische Landvogtei des Fürstenthums Ratzeburg.
F. Graf Eyben.


In Betreff des neuen Sozialistengesetzentwurfs, welcher in den nächsten Tagen dem Bundesrath zugehen wird, schreibt man der "Nat.=Ztg.", daß derselbe mehr als doppelt so viel Paragraphen als die erste, vom Reichstage abgelehnte Vorlage enthält. Er geht insbesondere näher auf die Preß= und Vereinsgesetzgebung ein. Den in den Reichstagsdebatten über den früheren Sozialistengesetzentwnrf geäußerten sachlichen Bedenken gegen die einzelnen Bestimmungen desselben ist bei der Bearbeitung des neuen Gesetzentwurfs eine weitgehende Berücksichtigung zu Theil geworden.
Fürst Bismarck ist am 17. Juli in Bad Kissingen zur Kur eingetroffen. Der König von Bayern hat ihm wiederum 5 Wagen und 6 Pferde mit Dienerschaft zur Verfügung gestellt.
Graf Stolberg hat jetzt die allgemeine Stellvertretung für den Reichskanzler übernommen und bereits einem Ministerrathe präsidirt. Fürst Bismarck hatte vor seiner Abreise die preußischen Minister zu einer vertraulichen Besprechung eingeladen, in welcher er die Grundlage des Sozialistengesetzes festgesetzt zu haben scheint. Wie es heißt, werde dem neuen Reichstage im September nur das Sozialistengesetz vorgelegt werden.
Nach dem im preußischen Kriegsministerium für den Monat Mai zusammengestellten Hauptberichte der Kranken des preußischen Heeres, des k. sächsischen (12.) und des k. würtembergischen (13.) Armeekorps betrug die Krankenzahl 27,588 Mann oder ca. 7 pCt. der Effectivstärke. Davon sind unter militärärztlicher Behandlung 119 gestorben.
Die Errichtung des neuen Reichsschatzamtes soll auch in diesem Herbst erfolgen; die erste wichtige Aufgabe des Amtes dürfte sich auf die Feststellung des nächstjährigen Reichshaushaltsetat beziehen. Da in Regirungskreisen die Absicht vorliegt, die Reichsämter mit den preußischen Ministerien in möglichst enge Beziehung zu bringen, so dürfte der Versuch ebenfalls nicht ausbleiben, das Finanzamt gewissermaßen an das preußische Finanzministerium anzulehnen.
Die Panzerfregatte "König Wilhelm" ist nun auch außer Dienst gestellt worden und wird sich, nachdem noch die Geschütze herausgenommen, in's Dock begeben. Von dem diesjährigen Panzergeschwader ist nur "Preußen" unversehrt geblieben und noch im Dienst. - Untersuchungen, ob mit dem gesunkenen "Großen Kurfürst" Hebungsversuche Erfolg versprechen würden, scheinen keine günstigen Resultate zu ergeben. Man macht sich mit dem Gedanken vertraut das auf dem Meeresgrunde ruhende Wrack durch Torpedos zu sprengen, um so wenigstens den großen Geschützen beikommen und dieselben heben zu können.
Das Gesuch vieler Träger des Namens Nobiling um die Erlaubniß zur Namensveränderung ist genehmigt. Dieselben werden den Namen "Edeling" führen.
Rumänien fügt sich den europäischen Beschlüssen. Nach einer der "Pol. Corr." aus Bukarest zugehenden Meldung ist die Dislocirung und Versetzung der rumänischen Armee auf den Friedensfuß angeordnet. 15.000 Mann werden unverzüglich in die Heimath entlassen. Ferner trifft die Regierung Vorbereitungen für die administrative Organisation der Dobrudscha.


[ => Original lesen: 1878 Nr. 58 Seite 3]

Anzeigen.

In Sachen betreffend die Subhastation des zu Schönberg neben der Kirche sub Nr. 213 belegenen Wohnhauses c. p. des Kaufmanns Julius Schweigmann steht ein neuer Verkaufstermin auf

Mittwoch den 28. August d. J.,
Vormittags 11 Uhr,

und ein anderweitiger Ueberbotstermin auf

Freitag den 20. September d. J.
Vormittags 11 Uhr,

vor dem unterzeichneten Gerichte an, wozu Kaufliebhaber mit dem Bemerken hiemit geladen werden, daß die Verkaufsbedingungen jederzeit auf der Gerichts=Registratur einzusehen, auch gegen die Gebühr in Abschrift zu erhalten sind.
Schönberg, den 12. Juni 1878.

Großherzogl. Justizamt der Landvogtei des Fürstenthums Ratzeburg.
H. Wohlfahrt.

A. Dufft.     


Unter Hinweis auf die regiminelle Bekanntmachung vom 15. Juli d. J., betreffend die Reichstagswahl, wird hiermit bekannt gemacht, daß für den 1. Wahlkreis des Fürstenthums Ratzeburg (Stadt Schönberg mit der Ziegelei auf der Stadtfeldmark) der Kaufmann A. Wigger zu Schönberg zum Wahlvorsteher und der Kaufmann J. L. D. Petersen zu Schönberg zum Vertreter des Wahlvorstehers ernannt worden sind.
Die Wahl geschieht am 30. Juli 1878 im Boye'schen Gasthause zu Schönberg in der Zeit von Vormittags 10 Uhr bis Abends 6 Uhr.
Schönberg den 18. Juli 1878.

Der Magistrat.


Zur Beachtung.

Diejenigen Schönberger Einwohner welche in diesem Jahre Torf zum ermäßigten Preise vom Rüntzer Moor erhalten, haben sich zur Ueberweisung desselben
     am Montag den 29. Juli, Morgen 9 Uhr,
     am Mitwoch den 31. Juli, Morgens 9 Uhr,
          und
     am Sonnabend den 3. August, Morgens 9 Uhr
auf dem Rüntzer Moor einzufinden, späteren Anmeldungen kann keine Berücksichtigung garantirt werden.
Schönberg, den 22. Juli 1878.

Der Oberförster     
C. Hottelet.        


Torf=Auction.

Freitag den 26. Juli d. J. soll auf dem Woitendorfer Torfmoore

Baggertorf

meistbietend gegen gleich baare Bezahlung verkauft werden.
Die Auction beginnt Morgens 9 Uhr und wollen Käufer sich auf dem Woitendorfer Moore bei der Hütte einfinden.
Vitense, den 16. Juli 1878.

L. Wiegandt.     


C. Paetsch sen.,
Optiker und Mechaniker aus Rostock,

ist wieder in Schönberg eingetroffen und hält seine in Herrn Senator Spehr's Hotel befindliche Ausstellung von

Brillen

mit feinsten geschliffenen Crystallgläsern zur Erhaltung der Sehkraft sowie Lesegläser, Lorgnetten, Operngläser, Jagd= und Reise=Fernröhre, Barometer, Thermometer u. s. w. dem geehrten Publikum hiesiger Stadt und Umgegend bestens empfohlen.

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Bis auf Weiteres fahre ich vom Dienstag den 23. Juli an dreimal wöchentlich nach Schönberg.
Fahrtage: Sonntag, Dienstag, Freitag.
Carlow den 18. Juli 1878.

J. Oldenburg.     


Zu Michaelis suche ich ein Hausmädchen, das milchen kann, und ein Stubenmädchen.
Lockwisch im Juli 1878.

A. Rußwurm.     


Vom heutigen Datum an bis auf unbestimmte Zeit fährt mein Fuhrwerk des Morgens von Carlow um 5 Uhr und von Schönberg um 8 Uhr ab.
Carlow, 22. Juli 1878.

F. Borchert.     


Am 28. und 29. Juli wird bei mir ein

Scheibenschießen

nach Gewinnen stattfinden, wozu ich hierdurch freundlichst einlade.
Ein Satz von 3 Schüssen kostet 1 Mark. - Büchsen werden von mir geliefert.
Am Montag Ball.

H. Voß, Rabensdorf.     


[ => Original lesen: 1878 Nr. 58 Seite 4]

An die Wähler des Fürstenthums Ratzeburg.

Indem wir anliegend den Wahlaufruf der Mecklenburg=Strelitz'schen Conservativen den Wählern des Fürstenthums Ratzeburg übermitteln, und den Candidaten der conservativen Partei der Wahl empfehlen, richten wir zugleich ein offenes Wort an unsere Mitbürger.
Als die wirthschaftlichen Nothstände auch in unserem engeren Vaterlande immer greller hervortraten, vor Allem aber, als die Schüsse, die auf den Kaiser fielen, die Tiefe des Abgrundes hell beleuchteten, dem wir entgegen rollen, brach sich auch bei uns die Ansicht Bahn, daß es notwendig sei, den Schäden in unserem öffentlichen Leben durch eine conservative Reichstagswahl zu begegnen. Nun aber, wo es gilt, diesen Gedanken zur That werden zu lassen, werden hier und dort Einwände laut gegen die Person des von der conservativen Partei vorgeschlagenen Candidaten.
Man widerräth die Wahl desselben vornämlich aus zwei Gründen: 1) weil derselbe als Mecklenburgischer Ritter, als Feudaler kein Freund des Deutschen Reiches sein könne, 2) weil er nach seinem eigenen Bekenntnisse über die Angelegenheiten unseres Fürstenthums nicht genügend unterrichtet sei.
Wir sind in der Lage, diese Bedenken widerlegen zu können.
Mit Zustimmung des von uns empfohlenen Candidaten und unter Hinweis auf sein in dem beifolgenden Wahlaufruf niedergelegtes Programm sprechen wir die Versicherung aus, daß derselbe ein durch und durch reichstreuer und reichsfreundlicher Mann ist, und daß es daher auch seine erste Aufgabe sein wird, voll und ganz für die Reichsregierung gegen alle reichsfeindlichen und zerstörenden Elemente, und zwar ohne jeden Vorbehalt, in den Kampf zu treten.
Was den zweiten Einwand betrifft, so ist zu bedauern, daß die beregte Aeußerung des Herrn von Dewitz in diesem Sinne gegen denselben ausgebeutet wird. Die Ehrenhaftigkeit, mit der er erklärt hat, nicht mehr als die allgemein verbreiteten Kenntnisse über die Verhältnisse des Fürstentums Ratzeburg zu besitzen, die Gewissenhaftigkeit, mit der er zur Wahrnehmung unserer Interessen gründliche Kenntnisse derselben für nöthig hält, müssen uns gerade eine Gewähr dafür sein, daß er, wenn die Frage an ihn herantritt, sich über unsere Verhältnisse eindringend und gründlich unterrichten und mit ganzer Energie für uns eintreten wird. Und zur Vertretung unserer speziellen Interessen ist gerade er vermöge seiner streng conservativen Parteistellung in ganz besonderem Grade berufen. Denn während das Ziel der gesammten liberalen Parteien eine möglichst Alles umfassende constitutionelle Verfassung ist, was für unser Fürstenthum gleichbedeutend mit dem Aufgehen in das Herzogthum Strelitz wäre, ist es gerade die hervorragendste Aufgabe der conservativen Partei, die berechtigten Eigenthümlichkeiten der einzelnen Länder und Landschaften, somit auch unsers Fürstenthums zu erhalten.
Haben wir demnach in dem conservativen Candidaten einen Mann von reichstreuer Gesinnung, einen Mann, der unserm Fürstenthum nur nützen kann, warum also ihn nicht wählen, da doch die Ueberzeugung sich Bahn gebrochen hat, daß die Zeit der liberalen Herrschaft vorüber ist!
Aus diesen Gründen schließen wir Unterzeichneten uns mit vollster Ueberzeugung der Aufforderung unserer conservativen Mitbürger im Herzogthum an!
Gebt am 30. Juli Eure Stimmen dem Herrn

Vicelandmarschall von Dewitz auf Cölpin!
Das conservative Wahlcomite des Fürstenthums Ratzeburg.
Bürgermeister Bicker.     Amtmann Breuel=Selmsdorf.     Lehrer Grewe=Bäk.
Pastor Kämpffer.     A. Kaiser=Stove.     Pastor Langmann=Herrnburg.
Dr. M. Marung.     H. Pumplün=Carlow.     Director Dr. Schildt.     Oberamtmann Wicke=Demern.


Herren=Artikel= u. Reise=Effecten=Handlung
Werner Werner, Lübeck,
797 Breitestrasse 797,
im Hause der Commerzbank, Eingang von der Johannisstraße.
Anfertigung von Herrengarderobe nach Maaß.


Colonial=Melis
aus reinem indischen Zucker
empfiehlt billigstens                          
                                                    Aug. Spehr.


Weiße Glashäfen und Einmachflaschen in allen Größen
empfiehlt                          
                                                    Aug. Spehr.


Alten Käse und frischen Hering,
beides in schöner Waare, empfiehlt                          
                                                    C. Schwedt,
                                                    Schönberg.


Torf
ist zu kaufen bei                                                     P. Maaß, Wahrsow.


Markt=Preise in Lübeck.
Butter pr. 500 Gr. M0,90 .
Tauben d. St. M0,40 .
Hühner d. St. M1,40 .
Schinken pr. 500 Gr. M0,80 .
Küken d. St. M0,80 .
Wurst pr. 500 Gr. M1,15 .
Eier 6 St. für M0,30 .
Kartoffeln pr. 10 Lit. M0,60 .
junge M1,00 .


Getreide=Preise in Lübeck.
Waizen20 M -Pfennig  bis 21 M -Pfennig.
Roggen13 M 50Pfennig  bis 14 M 50Pfennig.
Gerste14 M -Pfennig  bis 15 M -Pfennig.
Hafer13 M 50Pfennig  bis 14 M -Pfennig.
Erbsen14 M -Pfennig  bis 16 M 50Pfennig.


(Hierzu eine Beilage.)


Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.


[ => Original lesen: 1878 Nr. 58 Seite 5]

Beilage
zu Nr. 58 der Wöchentlichen Anzeigen für das Fürstentum Ratzeburg.
Schönberg, den 23. Juli 1878.


- Aus Ballenstedt, 17. Juli, berichtet man: II. KK. HH. der Erbgroßherzog und die Erbgroßherzogin von Mecklenburg=Strelitz sind mit Höchstihrer Tochter, der Prinzessin Marie, gestern hier eingetroffen; wie es heißt, gedenken Höchstdieselben später auf einige Wochen nach der Schweiz zu gehen, und etwa gegen Ende des September nach Neustrelitz wieder zurückzukehren. (N. Z.)
- Wie die N. P. Ztg. schreibt, ist im Königl. Schlosse zu Berlin am 20. Juli die Ausstellung von Adressen eröffnet, welche aus Anlaß der betrübenden Ereignisse vom 11. Mai und 2. Juni an Se. Majestät den Kaiser gerichtet worden sind. Die Ausstellung wird täglich geöffnet sein gegen ein Entree von 50 Pfennigen zum Besten des Augusta=Hospitals. Unter den einzeln aufgezählten am kostbarsten ausgestatteten Adressen ist auch die aus "Schönberg im Fürstenthum Ratzeburg" eingesandte Adresse genannt, der einzigen, welche von allen aus Mecklenburg eingegangenen Adressen Erwähnung geschieht.
- In Langensalza war manches Ehepaar von dem Standesbeamten zusammengegeben worden, ohne daß es den kirchlichen Segen vor dem Altar nachgesucht hatte. Da tauchte in einer Sitzung des Kirchengemeinderaths und der kirchlichen Gemeindevertretung der Gedanke auf, diese Ehepaare zu dem am Sonntag Abend stattfindenden Gottesdienst und zur Trauung einzuladen. Alle wurden eingeladen und 21 Paare folgten dem herzlichen Rufe. Nach der Predigt traten sie paarweise vor den Altar und um sie die versammelte Gemeinde. Gen.=Superintendent Dr. Schulze (aus Elbey) richtete mit dem Bibelworte: Friede sei mit Euch! eine ergreifende Ansprache an sie und vollzog dann die Trauung an den einzelnen Paaren mit dem Bibelspruch: Sei getreu bis in den Tod! Mit dem christlichen Segen entließ er sie. Alles war ergriffen.
- Zwei junge Damen aus München brachten am Donnerstag in das kaiserliche Palais einen prächtigen Korb, der zwölf reizende lebende, schneeweiße Täubchen enthielt. Der Korb war nebst Inhalt für den Kaiser bestimmt und eine einfache, hübsche poetische Widmung demselben beigefügt. Der Kaiser hat die Gabe huldvoll angenommen, besonders soll die Kaiserin entzückt über die prächtigen Thierchen gewesen sein.
- Eine Engländerin in Berlin hat aus Alexandrien ein Gericht eingemachter Rosenblätter kommen lassen, um dem Kaiser Wilhelm ein Geschenk damit zu machen. Dieses Gericht soll nicht nur sehr wohlschmeckend, sondern auch ungemein stärkend und aus einer nur in Egypten wachsenden Rosenart bereitet sein.
- Einem Privatbrief aus Honolulu entnimmt das "L. T." Folgendes: "Vor einigen Tagen berührte die Deutsche Glattdeckscorvette "Leipzig", Capitän Paschen, von Nicaragua kommend, diesen Hafen. Die "Leipzig" ist hier angestaunt worden. Ein deutsches Kriegsschiff von dieser Größe - 4000 Tons - war bisher in Honolulu noch nie. So lange die "Leipzig" in Honolulu lag, reihte sich eine Festlichkeit an die andere. Die deutschen Kaufleute gaben Soireen, in den Bergen fanden Picnics statt. Auf Wunsch des Königs wurde die Mannschaft der "Leipzig" gelandet und führte dieselbe in den Lavabetten ein Scheingefecht aus. Die mit dem Hinterlader angestellten Schießübungen, sowie die schnell auf einander folgenden Salven von 350 Mann flößten den Eingebornen gewaltigen Respekt ein. Die mehreren hundert Meter hohen Berge gaben das Krachen der Gewehrsalven im Echo prächtig zurück. Wenigstens 15,000 Eingeborene (Männer, Frauen und Kinder) drückten sich hinter den deutschen Theerjacken her, welche, unsere Militärmusik spielend, durch die Stadt marschirten. Am Tage vor der Abfahrt des Schiffes war Ball am Bord der "Leipzig"; das ganze Deck war in einen Garten verwandelt und auch sonst Alles trefflich eingerichtet.
- Einen annähernden Begriff von dem Consum der französischen Hauptstadt während der Dauer der Weltausstellung geben die folgenden statistischen Daten: Im Laufe des Monats Juni wurden in Paris an hauptsächlichsten Lebensmitteln, mit Ausschluß von Brod und Gemüse, verzehrt: 8,634,756 Kg. Fleisch, 1,634,813 Kg. geräuchertes Fleisch und Würste, 2,248,064 Kg See= und Fluß=Fische, 1,116,073 Kg. Butter, 16,068,963 Eier, 273,346 Kg. Käse und 559,602 Kg. frische Austern.
- Der russische Reichskanzler Fürst Gortschakoff feierte am 16. Juli seinen achtzigsten Geburtstag in Berlin.
- Die Stadt London hat die Lords Beaconsfield und Salisbury zu Ehrenbürgern ernannt, - alles für Cypern. Den Lord Beaconsfield hat das Volk vorahnend als Herzog von Cypern ausgerufen.
- In Constantinopel sind wiederholt russische Offiziere ermordet worden; der Besuch ist daher sehr beschränkt worden.
- Auf dem Ausstellungsplatze in Paris haben 750 Kellnerinnen ihre Dienste eingestellt.
- Allein dem Bureau der Wohnungs=Zeitung in Berlin sind 5000 Wohnungen als zur Zeit leerstehend angemeldet worden.
- Ein seit Kurzem bestehendes Blatt, die "Halle'sche Freie Presse" braucht zu jeder Nummer einen neuen Redakteur. 3 Nummern sind bis jetzt erschienen und deren 3 verantwortliche Redakteure sitzen auch schon hinter Schloß und Riegel.
- Die Mailänder und Venetianer haben entrüstet erklärt kein Mann von Geschmack könne die Cigarren der Regierung, namentlich die Virginias rauchen, sie seien gar zu schlecht und theuer und sie sehnten sich nach den alten österreichischen Rattenschwänzen. In einem Dutzend großer Städte haben die Männer das Rauchen eingestellt und an den Häusern Zettel angeschlagen: Wer rauchet Cigarren bei Tag, der wird geprügelt bei Nacht!
- Die Zeitschrift gegen Verfälschung der Lebensmittel schreibt: "Daß in China der Thee, an dessen erster Blume sich die Bewohner des Reiches der Mitte erlabt haben, nachmals wieder getrocknet, gefärbt und jungfreulichem Thee in größerem oder geringerem Maße beigemischt wird, ist allbekannt; und wenn man einen billigen Thee kauft, so kann man froh sein, wenn nicht eine zu große Menge von jenem Produkt beigemischt ist. Uebrigens kommen alle diese Thessorten in echten chinesischen Theekisten direkt aus China. - Was den Pfeffer und das Englische Gewürz betrifft, so verbanne man den schwarzen Pfeffer aus dem Haushalt und benütze nur weißen, den man in ganzen Körnern einkauft. Abgesehen von sonstigen Beimischungen wird der schwarze Pfeffer, ehe er in den Handel kommt, häufig zur Bereitung von scharfen Saucen (Sauce Royale, Worcestershire Sauce etc.) benützt, und die des ersten Aromas beraubten Körper gelangen dann in die Hand der Hausfrau. Aehnlich wird mit englischem Gewürz, mit Wachholderbeeren und manchen anderen Gewürzen manipulirt. Namentlich ist es beliebt, den gemahlenen Gewürzen solche taube Stoffe beizumengen. - Etwas Neues ist aber, daß sogar der Kümmel, von dem man doch annehmen sollte, daß der Bedarf der Hauswirtschaften daran ohne Mühe gedeckt werden kann, nachdem er in den Brennereien bereits seine Dienste geleistet hat, getrocknet, gefärbt und den noch nicht benützten Kümmelkörnern beigemischt wird. Das ist neuerdings erst constatirt worden."
- Zu Lord Baeconsfield kam in der vorigen Woche, als er sich in Folge des Bekanntwerdens der Convention wegen Cypern etwas unpäßlich befand, ein Mitglied der russischen Botschaft, um sich im Namen des Fürsten Gotschakoff nach dem Befinden

[ => Original lesen: 1878 Nr. 58 Seite 6]

Sr. Lordschaft zu erkundigen. Mylord war leidlich wohlauf, bedankte sich für die Aufmerksamkeit und antwortete auf die Frage, ob er Medicin nehme: nein, das sei nicht nöthig, etwas Ruhe und Reserve würden ihn schon curiren. "Aber jedenfalls haben Sie inzwischen etwas Cypern genommen, sagte der junge Attache, die gute Stimmung zu einem Scherz benutzend. "Mein Chef, der Fürst meinte, das sei ein etwas scharfes Mittel, das auf die Dauer nicht gut bekäme." - "Oh, meint das der Fürst?" antwortete Lord Beaconsfield schmunzelnd. "Nun ja, es ist richtig. Aber, bitte, beruhigen Sie ihn, ich kenne das. Sagen Sie ihm nur: Pro Batum est.
- Die wackere That eines bayerischen Offiziers fand am Freitag Nachmittag in der Nähe der Siegesfäule zu Berlin die wärmste Anerkennung des Publikums. Zwei vom Brandenburger Thor herkommende, mit einer Equipage durchgehende Pferde setzten die Passanten in Schrecken Die Insassen des Wagens, ein alter Herr und ein kleiner Knabe, wurden hin und hergeschleudert und hielten sich krampfhaft an den Thüren und Sitzen fest. Der Kutscher gab sich die größte Mühe, die Thiere wieder in die Gewalt zu bekommen, es war nicht möglich. Bei einem verzweifelten Versuch dazu fiel er sogar vom Bock, glücklicher Weise ohne sich erheblich zu verletzen und die feurigen Thiere stürmten ohne Leitung dahin. Schon schien ein Unglück unvermeidlich, da sprang ein bayerischer Cavallerie=Offizier, der, mit einer Dame sich unterhaltend, zufällig auf dem Trottoir stand, ihnen entgegen, griff in die Zügel und brachte den Wagen, freilich nicht ohne Gefährdung seiner eigenen Person - denn er wurde mindestens einige 30 Schritte weit geschleift - zum Stehen. Ein lautes Bravo erscholl aus der Reihe der Passanten, indessen zog der wackere Retter es vor, sich etwa beabsichtigten weiteren Ovationen dadurch zu entziehen, daß er mit seiner Dame in eine Droschke stieg und davonfuhr.
- Aus dem Privatleben des verstorbenen Königs Victor Emanuel erzählt man sich die folgende amüsante Anekdote: Als die Kaiserin von Rußland in Rom weilte, begab sich der König eines Abends in das Apollo=Theater und erfuhr erst am Fuße der Treppe, die zu seiner Loge führt, daß die Kaiserin in Begleitung der Prinzessin Margherita im Theater sei. Er war hierauf keineswegs gefaßt, seiner Gewohnheit gemäß trug er ein helles Jacquet. "Zum Teufel!" sagte er, "was soll ich nun anfangen? In's Quirinal zurückkehren und mich anders ankleiden? Dazu habe ich durchaus keine Neigung und andererseits ist es doch meine Schuldigkeit die Kaiserin zu begrüßen." Mit diesen Worten trat der König in seine Loge und warf einen schnellen Blick in den Spiegel, welcher eine ihrer Wände schmückte. "Halt, ich habe einen Gedanken," sagte er. "Ich bin ja sonst in Schwarz . . . es fehlt mir bloß ein Rock . . . Wer will mir einen leihen? Sehen Sie sich doch in der Loge um, ob nicht irgend wo einer meiner Adjutanten sitzt . . .? Man durchforscht die Logen und entdeckt endlich den Oberst, Marquis von Baguasco, welcher in vorschriftsmäßiger Toilette der Vorstellung beiwohnt? Man ersucht ihn, in die Loge des Königs zu kommen. Victor Emanuel begrüßt den erstaunten Oberst, erklärt ihm in ein paar Worten seine fatale Situation, das helle Jacquet des Königs verläßt seinen Herrn und wenn der Rock des Herrn Oberst auch nicht ganz die etwas umfangreiche Gestalt des Monarchen bedeckt, so ist er doch wenigstens schwarz. Nun fehlt nur noch die weiße Cravatte. Baguasco bietet die seine an, aber sie scheint dem König nicht recht zu gefallen, er blickt sich um und bemerkt den Logendiener, welcher unbeweglich an der Thüre steht. Es entgeht ihm nicht, daß die Cravatte dieses Bedienten sich entschieden einer größeren Frische erfreut, als die seines Adjutanten. Ohne ein Wort zu sagen nähert er sich demselben, bindet ihm die Cravatte ab und sich um, dann tritt er an den Spiegel, glättet sich seine Haare und sagt mit zufriedenem Lächeln zu den Umstehenden: "Ich denke, ich sehe nun einigermaßen wie der König von Italien aus! . . . Und nun zur Kaiserin!"
- Paul Lindau veröffentlicht in der neuesten Nummer der "Gegenwart" einen Aufsatz über "Berliner Redensarten", welchem wir folgende erheiternde Bemerkungen entnehmen: "Wie liebenswürdig ist die Umschreibung für Prügeleien im Allgemeinen: "Jartenverjnüjen!" Wie zart die Anfrage, die der höfliche Berliner an einen feindlich Gesinnten richtet, bevor er zu Thätlichkeiten übergeht: "Sie haben wohl lange keene Backzähne jespuckt?" wie anschaulich und unzweideutig die letzte Aufforderung zum Wohlverhalten: "Wenn Se nu nich ruhig sind, so werde ick Ihnen jleich de Eisbeene knicken!" Zu den reizenden poetischen Bildern gehört die Bezeichnung des Weißbieres als "kühle Blonde" des Kuhkäses als "alter Mann" und der unter freiem Himmel verbrachten Nacht als "bei Mutter Jrün" Großartig, ganz Kleistisch ist die Bildlichkeit in dem Ausdrucke: "Und wenn der janze Schnee verbrennt, die Asche bleibt uns doch!" Aber im Allgemeinen hält sich die keusche Poesie dem Berliner Idiome fern. Ich habe vor Kurzem in einer Provinzialzeitung einen Roman gelesen, in dem sich folgende Beschreibung vorfand: "Aus dem schmalen Hause trat ein langer Herr in nachlässiger Haltung. Sein Gesicht war stark; von seiner Nase konnte man nicht mit Bestimmtheit sagen, ob die Spitze aufgebogen oder adlerförmig herabgedrückt war. Aus den großen Augen blickte er starr. Er hatte den Mund mürrisch verzogen. Seine Beine waren dünn, seine Hände groß. Es war ein wunderlicher Mensch." Das würde im Berlinischen ungefähr so heißen: "Aus 'm Handtuch kam 'n langer Lulaatsch mit 'n richtigen Pfannkuchenjesicht. Seine Jurke sah aus wie 'n Leetkolben oder wie 'ne Ramsneese. Aus 'n Kulpsen jlupschte er. Er zog eine Flebbe (oder "Limpe," oder " 'n Flunsch", oder "er machte eine Puffschnute"). Er hatte spillrige Spazierhölzer und jroße Mistforken. Et war 'ne putzige Kruke."


Ein Mahnwort.

Der Dichter Emil Ritterhaus in Barmen, dessen Name überall, wo Deutsche wohnen, den besten Klang hat, und der politisch und religiös durchaus freisinnigen Anschauungen huldigt, hat zu einem Wohlthätigkeitskonzert in seinem Wohnort einen Prolog verfaßt, der gerade in gegenwärtiger Zeit die allerweiteste Verbreitung verdient. Wir geben ihn auszugsweise nach der "N. Pr. Ztg." wieder:

Wehe, wehe, dreimal wehe! Welche düstre Rosenzeit!
Unsre alte, deutsche Treue, Frevel hat sie, ach, entweiht;
Auf dem Schilde unsrer Ehre liegt ein Flecken bös' und schlimm,
Und den Wuthschrei der Entrüstung pressen aus uns Scham und Grimm.
Fluch den Meuchlern! Fluch dem Wahnwitz, der in wirren Schädeln brennt,
Der nichts Heiliges im Himmel, heilig nichts auf Erden kennt!
Aber Eines mög uns lehren diese Zeit, erfüllt von Graun:
Lasset uns mit klarem Blicke in den eignen Busen schaun!
Laßt uns fragen, was wir thaten, fragen auch,, was wir versäumt,
Ob wir nicht im Wohlbehagen manches Jahr dahingeträumt,
Ob wir im barmherzgen Sinne jede Wunde fromm geheilt.
Ob wir auch vom Schatz des Herzens und des Geistes mitgetheilt,
Ob der Stolz des Pharisäers gut uns zu Gesichte steht,
Oder ob nicht besser paßte für uns All' ein Bußgebet?
Welche Frucht ist reif geworden in der Siegessonne Glanz?
Die Genußsucht und der Schwindel hielten tollen Reigentanz;
Lüsterne Begierde füllte mit dem Gifttrank den Pocal.
Einzig der gefüllte Beutel war des Lebens Ideal!
Sagt mir nicht, zu dunkel male ich der Börse buntes Spiel!
Oben, unten - unten, oben - überall dasselbe Ziel!
Ob der Wahn von Gütertheilung schwärmt und die Bethörten hetzt,
Ob der Reichtum schamlos schwindelt - gleiche Pest nur bringts zuletzt!
Solchem Liede auf der Bühne sank zum Dirnenthum die Kunst,
Die in niedrem Sinnentaumel buhlte um der Menge Gunst,
Und auf den Gelehrtenstühlen macht sich eine Weisheit breit,
Die zum Satanswerk die Erde uns verlästert und verschreit,
Die den Fittich der Begeistrung höhnisch unsrer Jugend raubt
Und nur die gemeine Selbstsucht als den Kern des Daseins glaubt!
Aufgebrochen ist die Beule! Nah an des Verderbens Rand,
Krank in seinem tiefsten Marke ist das arme Vaterland,
Todt in tausenden von Herzen jedes göttliche Gebot,
Und in tausenden von Herzen bittre Armuth, Qual und Noth.


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ZVDD