No. 53
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 05. Juli
1878
achtundvierzigster Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1878 Nr. 53 Seite 1]

Schutz der nationalen Arbeit.

[] Als die Parole vom Schutz der nationalen Arbeit vor einiger Zeit in den offiziösen Organen auftauchte, da ertönte in dem größten Theile der liberalen Presse der Entsetzensschrei: "Reaktion!" Das Wort "Freihandel" hat einen zu verlockenden Klang, harmonirt zu schön mit den übrigen Freiheiten, als daß man den damit verbundenen Begriff nicht wie einen heiligen betrachten sollte. Es ist aber geradezu beschämend, wenn man vom Auslande her die gewichtigsten Stimmen vernimmt, welche die Freihandelsbahnen, auf welche wir durch den Einfluß unserer Manchester=Doktrinäre gedrängt worden sind, aufs Schärfste verurtheilen.
Frankreich trägt in Folge seiner Schutzzölle seine Militärlast ganz leicht, Deutschland empfindet das Militärbudget bei seinem Freihandel als eine erdrückende Bürde. Unsere Volksdoktoren schlagen nun eine Verminderung des Militärbudgets vor, die doch nur auf Kosten der Wehrkraft unseres Vaterlandes erfolgen könnte, anstatt, wie es Frankreich thut und wie es durchaus vernünftig ist, die Kosten für das Militär der ausländischen Produktion in Form von Eingangszöllen aufzulegen, welche letztere den weiteren Vortheil haben, die Industrie des eigenen Landes zu schützen und zu beleben.
Wie schon oben gesagt, fängt nachgerade auch das Ausland an, dem unheilvollen Freihandelssystem, wie es sich bei uns leider unter den gewesenen Ministern Delbrück und Camphausen und durch die Unterstützung der manchesterlich gesinnten Theile verschiedenster Parteien herangebildet hat, streng zu kritisiren. Ein belgischer Nationalökonom Jules Borain, drückt in seinem kürzlich erschienenen Buche: "Die Ungeheuerlichkeiten des Freihandels" sein Erstaunen darüber aus, daß in Deutschland dem abwärts rollenden Wege des Volkswohlstandes von der Volksvertretung kein Halt geboten wird.
Wir geben die Kritik Borain's im Auszuge wieder, weil sie scharf und treffend ist und bei gehöriger Verbreitung nicht verfehlen wird, einen Einfluß auf die bevorstehenden Wahlen zu üben. Borain sagt zunächst, daß eine solche Vergeudung des Nationalvermögens wie in Deutschland, eine ähnliche Blindheit für die Bedingungen der eigenen Wohlfahrt, nirgends in der ganzen Welt mehr existirt. Vom wissenschaftlichen Standpunkt aus kann man sagen, Deutschland sei eine Provinz Englands. Zum Belege dafür führt der Verfasser die geradezu horrenden Zahlen der Mehrausfuhr Englands nach Deutschland an. "Und dennoch ist dieses große Land, das So viel intelligente und grundgelehrte Leute besitzt, dem Freihandel mit wahrem Fanatismus ergeben, obwohl es nicht einmal genug Nahrung für sich selbst erzeugt. Wie mögen es die Engländer nur angefangen haben, um das unterrichtetste und auf seine nationale Unabhängigkeit eifersüchtige Volk bis zu diesem Grade in ihr Garn zu verstricken?
Kommt dies vielleicht daher, daß der Engländer der kalt berechnende Geschäftsmann, der Deutsche dagegen der Idealpolitiker ist, der die Dinge nimmt, wie sie sein müßten und sein könnten und nicht, wie sie in Wirklichkeit sind? Die deutsche Nationalökonomie besteht doch nicht etwa darin, daß man alle zehn Jahre einen profitablen Krieg unternimmt, der durch die gewonnene Kriegsentschädigung die Lehren, welche der Freihandel in den Kassen geschaffen hat, wieder ausfüllen muß?
Borain weist - allerdings zum Ueberfluß, denn Deutschlands Politik ist eine eminent friedliche - auf die Wankelmüthigkeit der Kriegsgöttin hin, wobei man sich allerdings des Gedankens nicht erwehren kann, daß unser Vaterland finanziell und politisch total ruinirt worden wäre, wenn es im Jahre 1871 statt 5 Milliarden zu erhalten, dieselben hätte bezahlen müssen.
Aus den Aus= und Einfuhrstatistiken weist Borain nach, daß Deutschland eins der ärmsten Länder der Welt ist. Es hat fast nichts an das Ausland zu verkaufen und spielt, wo es dennoch auf den Weltmarkt tritt, meist nur die Rolle eines Zwischenhändlers. Weizen, Roggen, Eisen, Flachs, Hanf, Felle, Wolle führt es mehr ein als aus und die Ausfuhr von Waaren ist so geringfügig, daß die eingeführten Rohprodukte fast gänzlich im Lande selbst verbraucht werden. Rußland, Italien, Spanien, Frankreich, Indien und China können ihre Produkte in Tausch geben. Deutschland hat so gut wie nichts anzubieten. Womit bezahlt Deutschland? Mit Kasse!
In den 5 Jahren von 1872-1877 hat Deutschland für 6382 Millionen Mark mehr vom Auslande gekauft, als an dasselbe verkauft. Um diese enorme Summe (etwa das Anderthalbfache der ganzen französischen Kriegsentschädigung) ist Deutschland in der kurzen Spanne Zeit von 5 Jahren ärmer geworden. Da ist es kein Wunder, sagt Borain, daß die Deutschen immer Geld nöthig haben. Am meisten wundert sich der Verfasser, daß Fürst Bismarck diese erschreckende Thatsache nicht ändert, obwohl der Reichskanzler neuerdings (bei der Tabakssteuer=Debatte gesagt hat: Sie wissen, daß ich den direkten Abgaben abgeneigt und für indirekte Abgaben bin und daß ich in dieser Richtung nach einer radikalen Reform strebe, welche die wirkliche Armuth des Reichs in Reichtum verwandeln soll.
Die Frage, warum Deutschland so arm sei, beantwortet Borain - nach seinen Ausführungen mit Recht - mit dem Hinweis auf den Freihandel. "Die erste Pflicht eines Landes, welches nichts zu bieten hat, ist, die productiven Kräfte wecken; der Freihandel ist aber nur ein Ausführungsmittel mehr."
Borain übersieht dabei, daß die Freihandelspolitik von den Parlamenten inauguirt und getragen wurde. Das möge aber vom Volke nicht übersehen werden, wenn es am 30. Juli an die Wahlurne tritt; es möge denn auch nicht übersehen werden, daß die Parole der Regierung lautet: Schutz der nationalen Arbeit!


Politische Rundschau.

Deutschland. Da das Befinden Sr. Majestät des Kaisers, wie die ausgegebenen Bulletins täglich bestätigen, ein recht günstiges ist, so soll in etwa 14 Tagen die Abreise des Monarchen nach Bad Teplitz in Aussicht genommen sein.

[ => Original lesen: 1878 Nr. 53 Seite 2]

Der Reichsanzeiger veröffentlicht zwei Schreiben an den Papst, das erste vom Kaiser Wilhelm, das zweite vom deutschen Kronprinzen in Vertretung seines hohen Vaters. Das erstere ist datirt vom 24. März. Kaiser Wilhelm beglückwünscht darin den neuen Papst zu dessen Thronbesteigung und theilt die aus den Worten des vorhergegangenen päpstlichen Schreibens durchleuchtende Hoffnung, daß diejenigen katholischen Priester (in Preußen), welche es bisher unterließen, nunmehr den Gesetzen des Landes, in denen sie wohnen, sich fügen werden. Den Wortlaut der Antwort des Papstes giebt der Reichsanzeiger nicht wieder; dasselbe ergiebt sich aber aus dem Briefe, den der Kronprinz unterm 10. Juni an den Papst richtete. Der Papst hätte darnach seine Autorität den preußischen Priestern gegenüber bedauerlicherweise nicht gebraucht. Der Kronprinz bedauert dies und will sich auf einen Prinzienstreit nicht einlassen. Doch sei er gern bereit, die bestehenden Schwierigkeiten in dem Geiste der Liebe zum Frieden und der Versöhnlichkeit zu behandeln, welche das Ergebniß seiner christlichen Ueberzeugung sei. Der Brief schließt: "Unter der Voraussetzung, Mich mit Ew. Heiligkeit zu begegnen, werde ich die Hoffnung nicht aufgeben, daß da, wo eine grundsätzliche Verständigung nicht erreichbar ist, doch versöhnliche Gesinnung beider Theile auch für Preußen den Weg zum Frieden eröffnen werde, der anderen Staaten niemals verschlossen war." Die Haltung der Ultramontanen ist leider noch die alte und die Hoffnung auf Frieden zwischen Staat und Kirche eine sehr geringe.
Zu den beabsichtigten Aenderungen der Reichs=Gewerbe=Ordnung gehört bekanntlich auch die Einschränkung der Schankstätten. Inzwischen ergehen Bezirks=Polizeiverordnungen betreffs Einschränkung der Tanzlustbarkeiten, Handhabung der Polizeistunde und Einführung der letzteren, wo sie noch nicht eingeführt ist u. s. w.
In die Wahlagitation zum neuen deutschen Reistage werden diesmal alle deutschen Kriegervereinsverbände geschlossen eintreten, und es wird demnächst zu diesem Zwecke ein gemeinsamer Aufruf von den Vorsitzenden der einzelnen Verbände erlassen werden. Dieses Vorgehen ist ein außerordentlich bedeutsames, da es ungefähr 8000 Krieger= und Landwehrvereine giebt, die etwa 80,000 Mitglieder zählen, welche Gegner der Sozialdemokratie sind.
Die Direktionen sämmtlicher in Berlin einmündenden Eisenbahnen und zwar der Berlin=Anhalter, der Berlin=Potsdam=Magdeburger, der Berlin=Stettiner, der Berlin=Hamburger, der Berlin=Görlitzer und Magdeburg=Halberstädter und der niederschlesisch=märkischen Eisenbahn haben betreffs ihrer sozialdemokratischen Arbeiter folgenden Beschluß gefaßt. Die betreffenden Arbeiter sollen sich durch Namensunterschrift verpflichten, sich von allen sozialdemokratischen Agitationen fernzuhalten; wer nicht unterschreibt, soll ohne Anspruch auf Pensionsberechtigung entlassen werden. Auch andere Direktionen sind zu gleichem Verfahren aufgefordert.
Oesterreich. Der Einmarsch der österreichischen Truppen in Bosnien und die Herzegowina wird noch für diese Woche erwartet; es ist Alles für den Nachschub weiterer Truppen vorbereitet. - Eine Proklamation an die Bosnier ist in Vorbereitung. - In Venedig fanden jüngst ernstliche Demonstrationen gegen den dortigen österreichischen General=Consul statt; die italienischen Behörden haben sich beeilt, dem Wiener Cabinet ihr Bedauern über diesen Vorfall auszudrücken und die Bestrafung der zu ermittelnden Schuldigen zu versprechen.
Frankreich. Das von der Regierung arrangirte "Nationalfest" fand am Sonntag programmgemäß statt. Es begann mit der feierlichen Enthüllung der die "Republik" darstellenden Kolossalstatue und einer feierlichen Ansprache des Ministers des Innern. Die Betheiligung des Publikums an dem Feste soll diejenige an der Eröffnung der Weltausstellung ganz bedeutend überstiegen haben. Insbesondere zeichneten sich die Arbeiterviertel von Paris durch eine reiche und geschmackvolle Ausschmückung aus. Die Pariser Arbeiter, die das Gros zur Commune von 1871 stellten, haben sich trotz alledem die heilige Liebe zum Vaterlande und die Freude an dessen Weltmachtstellung bewahrt, was leider von einem großen Theil der deutschen Arbeiterkreise, derer nämlich, die unter sozialdemokratischem Einfluß stehen, nicht gesagt werden kann. Das Fest verlief in glänzendster Ordnung. - Um die Course zu drücken, war in Paris vor einigen Tagen das Gerücht verbreitet worden, man habe in Berlin auf den Fürsten Bismarck geschossen. Obwohl die Lüge nur kurze Beine hatte, errichte der Puff doch für einige Zeit seinen Zweck.
Zur Orientkrise. Es scheint, daß jetzt nachdem durch das Nachgeben Rußlands die Frage wegen der zukünftigen Organisation Bulgariens glücklich gelöst ist, die in Berlin anwesenden Diplomaten den neuigkeitshungrigen Korrespondenten der Großpresse gegenüber sich weniger zugeknöpft zeigen. Man ersieht dies schon daraus, daß die Zeitungsberichte nicht mehr, wie nach den ersten Sitzungen des Congresses, einander geradezu widersprechen. Gegenwärtig bilden die Forderungen Rumäniens und Griechenlands die Berathungsgegenstände. Der Vertreter Rumäniens hat sogar für kurze Zeit Zutritt zur Sitzung erhalten, um die Wünsche und Hoffnungen seiner Regierung den Delegirten vorzutragen. Vorwiegend sind die Meinungen, daß der Congreß eine völlig befriedigende Lösung der Orientkrise herbeiführen wird. Seine Beschlüsse sollen zu einem Aktenstück zusammengefaßt werden, das den Namen "Berliner Traktat" führen und für alle Theile bindend sein wird.
Nach dem gegenwärtigen Stand der Congreßverhandlungen werden die in dem Friedensvertrage von St. Stefano stipulirten Forderungen Rußlands sehr wesentlich beschnitten, aber durchaus nicht zu Gunsten der Türkei. Die letztere wird von allen Seiten als der Todte betrachtet, dessen Erbschaftsregulirung Sache des Congresses sei. Rumänien erbittet sich die Dobrudscha, die ihr auch zweifellos zugesprochen werden wird; für Serbien und Montenegro hat der Congreß schon Gebietserweiterungen, vorläufig "im Princip" zugebilligt; Oesterreich wirbt um die Oberhoheit in Bosnien und der Herzegowina und wird seine Absicht, trotz der Proteste der türkischen Delegirten wahrscheinlich erreichen; Griechenland endlich nimmt das Beste für sich in Anspruch, nämlich die herrliche Insel Kreta und Theile von Thessalien, Epirus und Macedonien. Wenn alle diese Forderungen glatt durchgehen, dann ist es faktisch mit der Türkenherrschaft in Europa aus; auf dem Ueberbleibsel würden dann so viele Schulden lasten, daß der Besitz desselben für die Pforte eine schwere Last sein würde.


Anzeigen.

Auction.

Am Mittwoch den 17. Juli, Vormitags 11 Uhr, soll auf der Hofstelle des Müllers Röper in Herrnburg in öffentlicher Auction gegen gleich baare Bezahlung meistbietend verkauft werden

1 Pferd, brauner Wallach, 6 Jahre alt.

Schönberg.                                                    Staack, Cammer=Executor.


Auction.

Am Sonnabend den 6. Juli d. J., Mittags 12 Uhr, werde ich an abgepfändeten Gegenständen

1 Rock, 1 Hose und 1 Weste
auf meinem Hofe öffentlich meistbietend verkaufen.

Schönberg.                                                     Staffeldt, Landreiter.


Die Schulgelderhebung

findet vom 10. bis 20. Juli statt. Die einzelnen Termine werden in den Klassen bekannt gemacht.

Schönberg.                                                     J. Wegner, beauftragter Erheber.


Honig
à Pfund 75 Pfennige verkauft                          
Schönberg.                                                     J. Wegner.


Ein schon mehrere Jahre in der Praxis thätiger Präparand, welcher sehr gute Zeugnisse aufzuweisen hat, sucht zu Michaelis eine Hauslehrerstelle auf dem Lande. Hierauf Reflektirende wollen sich melden in der Exped. der Anzeigen zu Schönberg.


[ => Original lesen: 1878 Nr. 53 Seite 3]

Allen, die unseren lieben Sohne in seinen schweren Leiden und uns Eltern an der Trauer über seinen Tod innige und herzliche Theilnahme bewiesen haben, sagen wir unsern tiefgefühlten Dank!
Schönberg, 4. Juli 1878.

Lehrer Warncke und Frau, geb. Schlebusch.


Eisenbahn    Die Direktion der Friedrich=Franz=Eisenbahn hat sich auf unsere Veranlassung bereit erklärt, am ersten Tage unseres diesjährigen Königschußfestes, den 8 Juli, Abends 1/2 11 Uhr einen

Extrazug

von hier nach Lüdersdorf=Lübeck zu veranstalten.
Es haben die gewöhnlichen einfachen wie auch Retour=Billets Gültigkeit.
Schönberg, 27. Juni 1878.

Der Vorstand der Schützenzunft.     


Dresch-Maschinen für Handbetrieb, 1, 2, 3 und 4 Zugthiere, letztere mit Putzerei neuester Construction.
Häcksel-Maschinen in 15 Sorten von 2 bis 6 Längen schneidend, ganz aus Eisen und Stahl gebaut von Rm. 55 - 60 an. - Neuer Catalog mit Preiscourant auf Wunsch franco und gratis. Agenten erwünscht.

Ph. Mayfahrt & Comp.,
Maschinenfabrik in Frankfurt a. M.


Frischen Schleuderhonig,
à Pfund 75 Pfennig,
empfiehlt                                                     J. Horstmann. Carlow.


Frischen Sommerhonig,
à Pfund 70 Pfennig,
empfiehlt                                                     Altentheiler Lange. Kl. Molzahn.


Ich suche zu Michaelis ein Mädchen zu häuslichen Arbeiten.
Schönberg, den 1. Juli 1878.

Aug. Spehr.     


Zu Michaelis d. J. findet ein Mädchen Platz bei

                          J. Ludw. D. Petersen
                          in Schönberg.


Zur bevorstehenden Erndte empfehle ich die stählernen amerikanischen und deutschen

Pferderechen
(Hungerharken), die auch zum Rappnachharken sehr praktisch sind. Dieselben stehen in 7 verschiedenen Arten bei mir auf Lager.

Ludw. Warnke - Mölln i. L.

Photographisches Atelier
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C. Kindermann,
Lübeck,
788 Breitestraße 788


Wagen=Verkauf.

Ein moderner Phaeton, fast neu, steht wegzugshalber preiswürdig bei mir zum Verkauf.

Schönberg.                                                     Th. Rütz, Malermeister.


Plätze für Buden

zum diesjährigen Königschuß werden am Freitag den 5. Juli auf dem Schützenplatze vergeben.
Schönberg.

Der Vorstand der Schützenzunft.     


Zur geneigten Abnahme empfehle unter Garantie feuerfeste und diebessichere

Geldschränke,
eiserne Sparheerde, sowie Nähmaschinen aller Art.

Rud. Schrep.          
Schlossermeister in Schönberg.     


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Frauen-Zeitung.
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Erscheint alle 8 Tage.
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Jährlich: 24 Nummern mit Moden und Handarbeiten, gegen 2000 Abbildungen enthaltend.
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12 grosse colorirte Modenkupfer.
24 reich illustrirte Unterhaltungs-Nummern.

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Grosse Ausgabe. Vierteljährlich. M. 4,25.

Jährlich, ausser Obigem: noch 24, im Ganzen also 36 colorirte Modenkupfer und 24 Blätter mit historischen und Volkstrachten.

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jährlich: 24 Nummern mit Moden und Handarbeiten, sowie 12 Schnittmuster-Beilagen (wie bei der Frauen-Zeitung),

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Abonnements werden von allen Buchhandlungen und Postanstalten jederzeit angenommen.


Zahnschmerzen jeder Art werden selbst wenn die Zähne angestockt sind, augenblicklich durch den berühmten Indischen Extract beseitig. Dieses Mittel hat sich seiner Unübertrefflichkeit wegen einen Weltruhm erworben und sollte daher in keiner Familie fehlen. Echt in Fl. à 5 Sgr. im Alleindepot für Schönberg bei

Emil Jannicke,
Bandagist.


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Ich wohne jetzt in der Königstraße Nr. 869, Ecke der Hüxstraße.

                          Dr. jur. E. Hahn,
                          Advocat und Notar
                          in Lübeck.


Alle Diejenigen, welche noch Forderungen oder Zahlungen an den Nachlaß des verstorbenen Büdners und Maurergesellen Heinrich Wiese zu haben vermeinen, werden hierdurch aufgefordert, ihre Rechnungen bis zum 10 Juli d. J. bei dem Unterzeichneten einzureichen; spätere Rechnungen werden nicht angenommen.
Cronscamp, den 2. Juli 1878.

Hauswirths=Anerbe Joachim Oldenburg,
als Vormund der Wiese'schen Minorennen.


Wegen Brückenbau ist der Weg von Kl. Mist und Gr. Mist nach Herrnburg vom 10. d. M. auf einige Tage gesperrt.

Dorfschaft Duvennest.     


[ => Original lesen: 1878 Nr. 53 Seite 4]

Zu dem am Montag den 8. und Dienstag den 9. Juli d. J. stattfindenden

Königschuß
laden wir die geehrten Bewohner von Stadt und Land so höflichst als ergebenst ein.
Schönberg.
Kapitän und Schaffner der Schützenzunft.
Vogel.    J. Ludwig D. Petersen.    C. Sievers.
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Programm:

Zur Vorfeier am Sonntag Nachmittag die üblichen Ständchen.- Von Abends 7 1/2 Uhr an Concert im Schützenhause. - 10 Uhr Zapfenstreich.
Montag, den 8. Juli: Morgens 5 Uhr Reveille durch die Stadt; um 7 Uhr Antreten der Schützen vor dem Hause des Kapitäns; um 8 Uhr Ausmarsch in nachstehender Ordnung:
       1) die Wärter der Zunft mit der Scheibe und den Silbergewinnen,
       2) Musikcorps,
       3) der Magistrat mit dem Schützenkönig,
       4) die Herren Ehrenmitglieder von Stadt und Land - Medaille mit rother Schleife - und
       5) solche nicht uniformirte Bürger, welche der Zunft 4 Jahre und länger angehören - Medaille mit blauer Schleife -,
       6) Musikcorps,
       7) die Compagnie der Schützenzunft,
       8) Tamboure,
       9) die verschiedenen Vereine hiesiger Stadt, sofern sie sich anzuschließen belieben und
     10) sonstige Festtheilnehmer.
Nach Ankunft im Schützenhause Beginn des Schießens nach der Königsscheibe und den beiden Gewinnscheiben. Frühstück bei Tafelmusik. - Von Nachmittags 4 Uhr an bis zum Einmarsch Harmonie=Musik im Schützenhause und auf dem Festplatze. - Abends Ball für Stadt= und Landbewohner gegen Entree im Schützenhause.
Dienstag, den 9. Juli: Ausmarsch, Schießen, Harmonie u. s. w. wie am Montage. Nachmittags 6 Uhr

Ziehung der Tombola.

Abends Festball für Stadt= und Landbewohner im Schützenhause gegen Entree.
Mittwoch, den 10. Juli: Abends von 7 Uhr an im Schützenhause freier Schützenball, nur für Ehren= und Zunftmitglieder, welche als Legitimation die betreffende Medaille mit Schleife zu tragen haben.



Grosses Militair-Concert
am Dienstag den 9. d. M., Nachmittags 5 Uhr,
im Boyeschen Garten,
ausgeführt vom Trompeter=Corps Mecklenb. Feld=Artillerie, unter Leitung des Herrn Musikdirektors F. Wolf.
Entree 30 Pfennige und nach dem Concert
Ball im Saale.


Am zweiten Königschußtage
Garten-Concert.
Anfangs Morgens 10 1/2 Uhr bis 1 Uhr.
Nachmittags von 5 bis 8 Uhr.
Entree à Person 30 Pf.
Von Abends 8 Uhr Ball, Entree 1 M. à Person,
wozu freundlichst einladet
                          J. Köster Wwe.


Wegen Brückenbau und Dämmung der Dorfstraße ist die Passage für Fuhrwerk von Kl. Mist nach Duvennest vom 10. Juli cr. an auf 14 Tage gesperrt.

Die Dorfschaft Kl. Mist.     


Kirchliche Nachrichten.

Sonntag, 7. Juli.
Früh=Kirche: Pastor Kämpffer.
Vormittags=Kirche: Pastor Fischer.
Amtswoche: Pastor Fischer.


Getreide=Preise in Lübeck.
Waizen19 M -Pfennig  bis 21 M -Pfennig.
Roggen13 M 50Pfennig  bis 14 M 50Pfennig.
Gerste14 M -Pfennig  bis 16 M -Pfennig.
Hafer13 M 75Pfennig  bis 14 M 50Pfennig.
Erbsen14 M 50Pfennig  bis 18 M -Pfennig.


Markt=Preise in Lübeck.
Butter pr. 500 Gr. M0,90 .
Tauben d. St. M0,40 .
Hühner d. St. M1,40 .
Schinken pr. 500 Gr. M0,80 .
Küken d. St. M0,80 .
Wurst pr. 500 Gr. M1,15 .
Eier 6 St. für M0,30 .
Kartoffeln pr. 10 Lit. M0,60 .
junge M1,00 .


(Hiezu eine Beilage.)


Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.


[ => Original lesen: 1878 Nr. 53 Seite 5]

Beilage
zu Nr. 53 der Wöchentlichen Anzeigen für das Fürstentum Ratzeburg.
Schönberg, den 5. Juli 1878.


- Schönberg. Am Mittwoch den 3. Juli versammelten sich in Demern gegen 400 Männer und Frauen aus allen Ständen, um den Archivrath Herrn Dr. Masch Senior die letzte Ehre zu erweisen und seinen müden Leib auf dem Kirchhofe zu betten, auf dem er 40 Jahre gewaltet hatte. Ein reiches Leben hat der 84jährige Greis hinter sich, ein Leben voll von Arbeit, aber auch geschmückt mit Anerkennung und Ehre. Mit Stolz darf wohl unser kleines Land, unser Fürstenthum Ratzeburg, ihn den seinigen nennen. In Schlagsdorf als Sohn des dortigen Pastors geboren den 4. August 1794, ist er nach vollendeten Studien und mehreren Hauslehrerstellen an der Schule hiesiger Stadt als Lehrer und Rektor thätig gewesen , im Jahre 1838 am 1. Juli in Demern als Pastor eingeführt und hat hier als treuer Seelsorger bis zu seinem Tode gewirkt. Durch seine Geschichte des Bisthums Ratzeburg hat er sich einen Namen, bekannt auch jenseits der Grenzen Mecklenburgs, gemacht und besonders durch seinen Sammelfleiß weitgehende Verbindungen angeknüpft. Von seinen Sammlungen ist die der Ratzeburger Münzen die einzige ihrer Art in solcher Vollständigkeit, bedeutend sind auch die von Wappen und Siegeln, von Autographen und Alterthümern, welche werth sind, den Staatssammlungen einverleibt zu werden. Unentbehrlich ist die Gesetzsammlung unseres engeren Vaterlandes, die er veranstaltet hat. Was er außerdem geleistet hat im Entziffern alter Schriften und Inschriften, im Bestimmen von Alterthümern etc., das ist anerkannt worden von unserm allergnädigsten Landesherrn durch die Verleihung des Titels eines Großherzoglichen Archivraths, und des Ordens der Wendischen Krone, durch die Ernennung zum Mitgliede, zum korrespondirenden oder Ehrenmitgliede, vieler Gesellschaften, die sich mit Alterthumskunde etc. beschäftigen, in Berlin, Wien, Greifswald, Schwerin und andern Städten. Seine literarische Thätigkeit ist geehrt worden mit dem Doctor von der philosophischen Fakultät zu Kiel. Die patriotischen Vereine von Gadebusch und Rehna ernannten ihn zum Direktor, ebenso die Missionsvereine hiesiger Gegend. - Wie große Liebe der Heimgegangene sich erworben, sah man deutlich aus der Feier seines 50jährigen Amtsjubiläums, das zu einem glänzenden Feste sich gestaltete. - Endlich wurde die rüstige Kraft gebrochen, wenn auch körperlich schwach, geistig frisch bis zum letzten Augenblicke, wünschte er selbst jetzt den müden Leib zur Ruhe zu legen und beim Herrn zu sein. Am 28. Juni ging er heim. Am 3. Juli wurde er bestattet Dem Seelsorger, dem Amtsgenossen wurde in drei würdigen Reden ein schöner Nachruf gewidmet von Herrn Pastor Kaempffer, Herrn Pastor Keil=Pokrent, Herrn Kirchenrath Pumplün=Carlow.
Schönberg. Gestern den 4. Juli hat uns nun für immer ein Mann verlassen, der unserer Stadt fast fünf Jahre angehörte und eine bedeutende Wirksamkeit an unserer Schule aufzuweisen hat. Herr Pastor Konow siedelte nach seinem neuen Bestimmungsort Fürstenberg über und können wir nicht unterlassen, ihm bei seinem Scheiden den Wunsch für sein ferneres Wohlergehen und für eine gesegnete Wirksamkeit auszusprechen.
- Mirow, 18. Juni. Heute früh wurden die Bewohner unseres Orts durch die Nachricht in Schrecken gesetzt, daß in der eben vergangenen Nacht ein Raubmord versucht sei. Die von Hamburg hergezogene Frau eines auf einem benachbarten Gute beschäftigten Arbeitsmanns, welche auf dem gestrigen Jahrmarkte bei einer Gelegenheit die Aeußerung gethan hatte, daß sie tausend Mark im Hause habe, wurde in der Nacht von einem mit einem Messer bewaffneten Menschen, der durchs Fenster eingestiegen war, überfallen. Glücklicherweise war sie rechtzeitig von dem Geräusch aufgewacht, sodaß sie, körperlich sehr kräftig, ihm entgegentreten und, obgleich mehrfach am Arm, Hand, Hals und Brust nicht unbedeutend verwundet, ihm zwingen konnte, die Flucht zu ergreifen. Bei dieser Gelegenheit riß sie ihm einen Schoß vom Rock, und behielt damit ein Kennzeichen in Händen, mittelst dessen es heute der Polizei gelang, den Thäter, einen fremden, hier in Arbeit befindlichen Drechslergesellen, zu ermitteln und dingfest zu machen. Näheres wird wohl die eingeleitete Untersuchung ergeben.      R. Z.


- In Essen etc. wählt man Krupp, den größten Industriellen Deutschlands, in den Reichstag. Da wird jedes Wort eine gezogene Kanone sein und durchschlagen.
- Noch immer wird der deutsche Kronprinz mit Drohbriefen verfolgt. Der letzte theilte ihm mit, er werde auf dem Wege nach dem Dome erschossen werden.
- In Berlin sind bereits mehr als 50 Majestätsbeleidiger von den Gerichten verurtheilt worden.
- Bei Schwelm ist der Tunnel in der Länge von 30 Metern eingestürzt und hat 27 Personen verschüttet. 7 Leichen gefunden. Der Einsturz erfolgte bei der Verzimmerung durch Verschieben des Gebirges.
Am 19. Juni segelte der Schoner "Eothen" von Newyork ab, um seine Forschungsreise in die arktischen Gegenden zur Aufsuchung von Ueberresten der Franklin=Expedition zu beginnen." Das Schiff ist für eine dreißigmonatliche Reise ausgerüstet und steht unter dem Commando von Capitän Thomas F. Barry, dessen Entdeckung der Löffel, welche Sir John Franklins Wappen und Namenszug zeigen, zu der Expedition die Anregung gab. Die Bemannung besteht aus 25 Mann; der bekannte Joseph Everbing oder "Eskimo=Joe" bereitet die Expedition als Trapper, Jäger und Führer. Die "Eothen" will vorerst in Whale Point, Hudsons Bai, anlaufen, um dort eine Anzahl Eskimos mitzunehmen, und dann nach Beach Point, Repulse Bai, 140 Meilen nordwärts, gehen. In Whaile Point traf Capitän Barry jene Eingeborenen an, von denen er die Löffel kaufte. Die Eskimos sagten aus, daß das Schiff von dem sie die Löffel genommen haben, von dem Eise bei einer Insel nächst Cap Hallowell eingeschlossen gewesen sei. Die Mannschaft, unter welcher sich auch Sir J. Franklin befand, den sie unter dem Namen "Hilata", d. h. Führer, bezeichneten, wurde von den Eingeborenen nach einem Punkte nächst Cap Englefield, 640 Meilen von Whale Point entfernt, gebracht, wo nach und nach Alle durch Kälte, Hunger und Krankheiten zu Grunde gingen und auch beerdigt wurden. Eine wichtige Mittheilung, welche die Natchilles machten, besteht darin, daß sie angaben, die weißen Männer hätten eine Anzahl Bücher, in welche sie früher oft hineingeschrieben, hinterlassen; diese Bücher seien ebenfalls in Englefield mit den Männern begraben worden. Dieser Ort liege etwa 900 Meilen landeinwärts und sei noch nie von einer Forschungs=Expedition betreten worden. Nach dem Verlassen von Repulse Bai beabsichtigt Capitän Barry, mittelst Schlitten Englefield zu erreichen. Diese Reise dürfte etwa 4-5 Wochen in Anspruch nehmen. Die Ausrüstungskosten der Expedition werden sich auf ungefähr 25,000 Dollars belaufen. Vorläufig sind bloß für 18 Monate Provisions=Vorräthe mitgenommen worden, der Rest wird im nächsten Frühjahr durch die Wallfischfänger=Brigg "Henry Trowbridge" nachgesandt werden. Die Bemannung ist sehr gut bewaffnet und hat für alle 30 Monate die erforderliche Munition mit sich genommen.

[ => Original lesen: 1878 Nr. 53 Seite 6]

- Hebel's berühmter Staar von Segringen hat einen Kollegen bekommen. Der Cantor in Jüterbogk hatte seit Jahren einen gelehrigen Staar, der ganze Redesätze nachsprach. Der Herr Cantor hatte die Gewohnheit, bei vorkommenden Widerwärtigkeiten im Hausstande zu äußern: "Das ist ja eine verdammte Wirthschaft!" Worte, die dem Vogel bald geläufig waren. Derselbe hatte auch öfters von seinem Pfleger gehört: "Ich bin der Cantor von Jüterbogk und das ist meine Frau!" Das kluge Thier sprach bald beide Sätze und rief dieselben öfter des Tages über. Kürzlich hatte der Vogel das Weite gesucht, mit einer Menge seines Gleichen war er in die Hände eines Jägers, des Grafen Solms=Baruth, gefallen, der der ganzen Gesellschaft den Garaus machte. Bis auf zwei war ihnen bereits das Lebenslicht ausgeblasen; da schreit einer der übriggebliebenen plötzlich: "Das ist ja eine verdammte Wirthschaft." Der Jäger prallte erschreckt und am ganzen Leibe zitternd zurück, und an etwas Uebernatürliches glaubend, bricht er stotternd in die Worte aus: "Wer ist denn da?" worauf ihm die Antwort wurde: "Ich bin der Cantor von Jüterbogk und das ist meine Frau!" Der Vogel hat sein und seines Gefährten Leben gerettet. Beide befinden sich jetzt in Jüterbogk in den Händen des Herrn Cantor.
- Eine in Canterbury erscheinende Zeitung bringt folgende interessante Schilderung eines unterseeischen Besuches auf dem Meeresgrunde auf dem Wrack des untergegangenen Panzerschiffes "Großer Kurfürst" nach den Angaben eines englischen Matrosen aus der Gegend von Canterbury, der sich dem Taucherdienste gewidmet hat: "Ich habe mich, seit ich mich zum Taucherdienst gemeldet - es sind nun fast zwei Jahre her - daran gewöhnt, vom Leben im Stillen immer Abschied zu nehmen, wenn ich aufhöre, die reine frische Seeluft zu athmen, wenn ich weiß, daß die zwei Männer in der Pumpenbarke mein armes Dasein in des Wortes eigentlicher Bedeutung in den Händen haben, daß ich rettungslos zu Grunde gehen muß, wenn ihre Arme an der Pumpe auch nur Augenblicke lang feiern. Es ist kein angenehmes Gefühl, und ich bin immer geneigt, wenn ich mit beklommener Brust, pochendem Herzen und nicht selten mit Kopfschmerz, wieder an die Oberfläche komme, den Männern herzlich dafür zu danken, daß sie mir das Ertrinken ersparten. Man feiert eine Wiedergeburt, wenn man der triefenden Gewandung entsteigt, die trotz des im Wasser nicht fühlbaren Gewichts bisweilen weniger angenehm ist, als das luftige Matrosenkleid. Es war Freitag, Morgens 4 Uhr, als ich über die Treppe unserer Barke, von James Bates unterstützt, hinabkletterte. Es ist uns bisher leider kein rechter Erfolg gelungen, unsere Werkzeuge erweisen sich als unzureichend, und viele sind im Wasser schwer zu hantiren. Ich hatte mich heute mit einer starken, am Ende zugespitzten Stange aus Gußstahl ausgerüstet und hoffte dem Umgethüm doch endlich einmal zu Leibe gehen zu können. Obwohl der Jüngste unter meinen Collegen, oder vielleicht gerade deshalb, weil ich die wahrlich nicht geringen Beschwerlichkeiten des Dienstes (welche keiner länger als vier oder fünf Jahre gut erträgt) nicht so fühle, und Dank meinen kräftigen Lungen fast ein Viertel über die gewöhnliche Zeit unter Wasser zu bleiben vermag - glückte mir heute, was die Anderen oftmals zu Zweien und Mehreren versucht haben, die Stückpforten des auf Backbord liegenden Schiffe zu erklimmen und nach allerdings ziemlich gewaltigen Anstrengungen zu erbrechen. Nachdem ich ein Signal nach oben gegeben, stieg ich mit großer Anstrengung durch die Lucke in den Schiffsraum ein - kaum Ein Raum ist hier zu finden, in welchen das Wasser nicht eingedrungen wäre - mit Ausnahme der dicht verschlossenen Kästen in den Kojen; ich breche einige davon auf; ist erst eine Oeffnung gemacht, so drückt das Wasser die lädirte Wand ein und dringt mit Gewalt in den Raum, welchen es bisher verschont; weiße Beinkleider, Bordhemden, Uniformstücke werden gefaßt und zum Theil an die Oberfläche getrieben. Eine Rettung dieser Gegenstände ist nicht ausführbar. Die Strömung bemächtigt sich mit großer Gewalt aller Gegenstände, die flott gemacht werden , und entführt sie unwiederbringlich. So versperrte mir zu meinem nicht geringen Schrecken plötzlich ein Gegenstand die Aussicht, welcher gegen meinen Kopf getrieben wurde und sich an die Vorderseite meines Helms drückte. Es war ein großes Buch; auf der Außenseite ließen die verwaschenen Buchstaben noch die Aufschrift erkennen: "Großer Kurfürst, Schiffstagebuch des K . . . , Cadett . . ."; es war aus einem der erbrochenen Verschläge herausgeschwemmt worden. Ich wende mich nur; hier ist ein Geschützstand. Ein mächtiges Hinterlader=Geschütz richtet sich bäumend auf, ein zweites hatte das Tau, welches das Zurückrollen nach abgeführtem Schusse verhindern soll, zerrissen und war über den Schlitten hinweggestürzt, an die andere Bordwand angefahren. Die Geschütze auf Steuerbord stehen fast alle unverrückt - man wird demnächst mit der Hebung beginnen. Das riesige Geschütz hatte im Zurückrollen einen Matrosen gefaßt und an die Wand gedrückt - der glänzende Verschluß der Kanone preßt sich auf die verstümmelte Brust des Unglücklichen, welcher mit weitgeöffneten Augen, die gleichsam ein fürchterliches Entsetzen ausdrücken, an die Bordwand gepreßt, liegt; eine umgestürzte Lafette des nächsten Geschützes deckt den zermalmten Oberkörper seines unglücklichen Kameraden; ich setzte mein Instrument unter das gewichtige Holzgestell und versuchte dieses zu bewegen. Es will mir nicht gelingen; ein zweiter Versuch glückt; der zemalmte, breitgedrückte Rumpf mit dem zersplitterten Schädel treibt hervor, und ehe ich ihn packen kann, erfaßt die fühlbarer gewordene Strömung den unbeschreiblich verstümmelten Körper und entzieht ihn rasch meinen Blicken . . . . Die Strecke, die man durch die mitgebrachte Laterne vor sich her klar zu beleuchten vermag, ist ziemlich geringe. Drei Leichname befinden sich in dem Raume. Der dritte, merkwürdiger Weise gänzlich unverwundet, obwohl Lafetten und Projectile untereinanderstürzten, lehnt an der Bordwand, sein Arm umfaßt das spitzzulaufende Rohr des gewaltigen Hinterladers - am ganzen Körper keine Spur einer Verwundung; er mußte sich mit dem Schließen einer Luke beschäftigt und dabei verspätet haben. Ich machte ihn von den umherliegenden Holz= und Eisengeräthen zur Geschützbedienung frei und will ihn zur Oberfläche fördern. Ich finde Widerstand, da entdecke ich, daß die rechte Hand des Unglücklichen zwischen den Verschluß der Stückpforte gezwängt ist und darin feststeckt. Im Eifer des unter namenloser Aufregung vor sich gegangenen Verschließens mußte er das Unglück gehabt haben, von dem schweren Panzer getroffen und eingeklemmt zu werden. Die entstellten Züge deuten auf den gräßlichen Todeskampf hin, welchen der Aermste - hülflos an die Stelle festgebannt - gekämpft haben mußte. Das Seewasser erweist sich wieder einmal als vortreffliches Conservirungsmittel: alle Leichen, die bisher - ich glaube es sind deren 16 - an die Oberfläche gelangten, sind, wenn nicht die Zertrümmerungen des Schädels dies unmöglich machen, wohl zu erkennen und gar nicht zerstört. Den Körper, welchen ich unter der Lafette flott gemacht, fand ich, als ich nach Beendigung meiner Nachforschungen - die wir nächstens zu vieren fortsetzen werden - heraufkam, bereits in der Barke. M. May , der Chef der Fischerleute, welche Trümmern und Leichen auffangen, hatte ihn zuerst bemerkt und an seine Barke gebracht. Er war ein Stückmatrose (Artillerist), der dieser Tage im Vereine mit mehreren andern feierlich bestattet ist. Ein Stahlprojectil (Hohlgeschoß) welches ich mit vieler Müde heraufbefördert, wurde mir geschenkt, ich habe daraus Ringe machen lassen, und es ist der Stolz der Seeleute, einen Fingerring vom Wrack des "Großen Kurfürsten" zu besitzen. Auch die Bürger der nahen Städte erwerben und tragen als Uhrhängsel oder Fingerring Metallgegenstände, Schrauben und Nägel aus dem versunkenen Körper des Schiffes.


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ZVDD