No. 5
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 15. Januar
1878
achtundvierzigster Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1878 Nr. 5 Seite 1]

Publicandum.

   Es wird hiedurch zur allgemeinen Kenntniß gebracht, daß die im Jahre 1858 und früher geborenen, resp. mit einer endgültigen Entscheidung über ihre Militairpflicht nicht versehenen militairpflichtigen jungen Leute, welche im hiesigen Fürstenthum ihren dauernden Aufenthalt haben, verpflichtet sind, sich zwecks Eintragung ihrer Namen in die Recrutirungsstammrolle in der Zeit

vom 15. Januar bis 1. Februar d. Js.

bei dem Ortsvorstande ihres Aufenthaltsortes anzumelden, und zwar die auswärts geborenen unter Vorlegung eines Geburtsscheines, (der zu diesem Zwecke kostenfrei ertheilt wird) sowie die schon früher Gemusterten unter Vorlegung ihres Loosungsscheins.
   Im Uebrigen wird bezüglich der Meldepflicht auf die Vorschriften des § 23 der Ersatz=Ordnung (deutsche Wehrordnung vom 28. September 1875) hingewiesen und wird hervorgehoben, daß von der Meldepflicht nur die mit dem Berechtigungsschein zum Einjährigfreiwilligendienste oder mit besonderer Ausstandsbewilligung versehenen Militairpflichtigen ausgenommen sind. Sind zur Meldung Verpflichtete vorübergehend von ihrem ständigen Aufenthaltsorte abwesend, so haben ihre Eltern, Vormünder, Lehr=, Brod= oder Fabrikherrn etc. die Verpflichtung, sie zur Stammrolle anzumelden.
   Zugleich werden sämmtliche Militairpflichtige sowohl, wie die Ortsvorstände des hiesigen Fürstenthums auf die genaue Befolgung resp. Ueberwachung der Bestimmungen im § 23 sub 8 der Ersatz=Ordnung aufmerksam gemacht, wonach Militairpflichtige, welche nach Anmeldung zur Stammrolle im Laufe eines ihrer Militairpflichtjahre ihren dauernden Aufenthalt oder Wohnsitz nach einem andern Aushebungsbezirke verlegen, dieses zwecks Berichtigung der Stammrolle sowohl beim Abgange der Behörde oder Person, welche sie in die Stammrolle aufgenommen hat, als auch nach der Ankunft an dem neuen Orte derjenigen, welche daselbst die Stammrolle führt, spätestens innerhalb dreier Tage zu melden haben.
   Die Unterlassung der vorgeschriebenen Meldungen ist mit Geldstrafe bis zu 30 Mark oder Haft bis zu 3 Tagen bedroht.
Schönberg, den 8. Januar 1878.

Der Civilvorsitzende der Ersatz=Commission des Aushebungs=Bezirks für das Fürstenthum Ratzeburg.
I.V.: Horn.


Waffenstillstandsverhandlungen.

[] Schlag auf Schlag fällt gegen die Türken. Mit der Uebergabe von Plewna und der Gefangennahme seines tapferen Vertheidigers Osman ist ein Umschwung in den Kriegslaunen eingetreten, der sich in geradezu vernichtender Weise gegen die ottomanische Pforte richtet.
Bulgarien wurde schleunigst von den türkischen Feldtruppen geräumt; Sofia, über deren Uneinnehmbarkeit die englischen Zeitungen Langes und Breites schrieben, wurde fast im Handumdrehen genommen; die sich von dort zurückziehenden Truppen, welche bestimmt waren, den Russen den Weg nach Philippopel und Adrianopel zu verlegen, wurden durch den kühnen Zug des heldenhaften Generals Gurko über den Balkan völlig deroutirt; sodann hat General Radetzki, der im Schipkapaß kommandirte, die ganze türkische Schipka=Armee, bestehend aus 41 Bataillonen, 10 Batterien und 1 Kavallerie=Regiment nach hartnäckigem Kampfe gefangen genommen.
Die Serben haben die Festung Nisch genommen und Antivari hat sich den Montenegrinern übergeben müssen!
Die Pforte, die bisher heroischen Widerstand geleistet, sieht ihre Kraft nunmehr vollständig gebrochen. Drei große Militairstraßen über den Balkan sind den Russen offen, Rumelien liegt unbeschützt vor ihnen, die Verbindung zwischen Philippopel und Adrianopel ist unterbrochen und von Sofia her setzen sie schon die russischen Kolonnen gegen die letztgenannte Stadt in Bewegung.
Da ist es wohl erklärlich, wenn die Pforte zunächst Waffenstillstand verlangt; eben so erklärlich ist, daß Rußland einen solchen nur bewilligen will, wenn er die Bürgschaften bietet, daß er zu einem Frieden führt. Denn Rußland verspürt schwerlich Lust, der Türkei einfach Zeit zu gewähren, um ihrer nur noch geringen Widerstandskraft wieder etwas aufzuhelfen Die Uebergabe der Festungen Rustschuck, Silistria und Widdin soll der Preis für Bewilligung eines sechswöchentlichen Waffenstillstandes werden.
Die Lage der Pforte ist eine trostlose, ihre Rolle in Europa ist ausgespielt. Die Bestrebungen des auf Rußland eifersüchtigen Englands werden den Zerfall des Türkenreiches nicht aufhalten. Sollte sich die Türkei aber immer noch den Einflüsterungen Englands Gehör schenken, mit Widerstandsillusionen

[ => Original lesen: 1878 Nr. 5 Seite 2]

tragen, so würde es den russischen Armeen leicht werden, den bei Adrianopel in der Eile zusammengerafften Truppen ein zweites Plewna zu bereiten. Nach einem solchen stände aber einem Marsche der Russen nach Konstantinopel nichts mehr entgegen. Würde England einen solchen hindern können? Es ist kaum zu glauben.
Daß die Russen aber nach Konstantinopel marschiren und daselbst ihren Einzug halten, ist nothwendig, damit die Türken zum Bewußtsein ihrer völligen Niederlage kommen. Der Sultan und die Regierung würden sich natürlich nach Asien zurückziehen und das Beste wäre alsdann, ihnen die Rückkehr zu verbieten und die Balkanhalbinsel wieder zu einem christlichen Staate zu machen.
Ein Marsch auf Konstantinopel würde aber die unbedingte Folge sein, wenn der Waffenstillstand nicht zum Frieden führt. Der europäischen Diplomatie erwüchsen daraus gewaltige Aufgaben. Denn der Uebermuth Rußlands würde doch gewaltig wachsen, wenn es erst die Hauptstadt des Türkenreiches besetzt haben würde. Die praktischste und gründlichste Lösung der orientalischen Frage würde allerdings die Vertreibung der Türken aus Europa sein - aber welche Macht soll an Stelle der türkischen treten? das ist die große Frage. Idealpolitiker haben sie längst beantwortet. Griechenland soll Thessalien, Epirus, Macedonien und Rumelien erhalten, Bosnien soll an Oesterreich, Bulgarien an Rumänien fallen und Montenegro vergrößert werden, während Rußland seine Entschädigung in Kleinasien und Bessarabien, durch die türkische Flotte und die freie Dardanellendurchfahrt finden solle.
Die Realpolitiker gehen soweit nicht; wenn Rußland seine Bedingungen auch nicht offiziell bekannt gegeben hat, so sind wir doch durch frühere Auslassungen seiner Regierungspresse darüber so ziemlich im Klaren. Dieselben bestehen in dem Anspruch Rußlands auf armenisches Gebiet, das gewissermaßen Ersatz für die anderen Kriegslasten gelten muß, ferner in der Forderung, daß die Pforte ihre Oberhoheit über Rumänien und Serbien aufgäbe, den Russen freie Durchfahrt durch die Dardanellen auch für Kriegsschiffe gestatte und endlich in den Reformen für Bulgarien.
Diese Forderungen sollen einstweilen nur angeführt sein, um den Leser darüber zu orientiren; eine Prüfung, ob die eine oder die andere mehr oder weniger günstige Chancen habe, außer von der Pforte auch von den interessirten Großmächten gutgeheißen zu werden, ist ein ziemlich müßiges Beginnen. Die Kultur und die Industrie hat wenigstens im gegenwärtigen Moment nur ein Interesse, eine Forderung und das ist: Recht baldiger Frieden!


Politische Rundschau.

Der Kronprinz des deutschen Reiches soll, gutem Vernehmen nach, an den Feierlichkeiten bei der Bestattung des verstorbenen Königs von Italien theilnehmen. Es wäre dies ein Ereigniß, welches die verschiedensten politischen Kommentare wachrufen würde, sicherlich aber seinen Hauptgrund in der persönlichen Freundschaft hat, welche die Kronprinzen von Deutschland und von Italien, den jetzigen König, mit einander verbinden.
Fürst Bismarck wird jetzt zum 22. Januar bestimmt in Berlin zurückerwartet.
Der Reichskanzler hat dem Bundesrath den Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Beglaubigung öffentlicher Urkunden, zur Beschlußnahme vorgelegt.
Die Nachrichten über einen bestimmten Termin für die Eröffnung des Reichstags werden officiös als verfrüht bezeichnet. Eine feste Bestimmung sei zur Stunde noch nicht getroffen, wahrscheinlich aber in dieser Woche zu erwarten.
Die beiden auf die Gewerbeordnung bezüglichen Gesetzentwürfe beabsichtigt man dem Reichstage möglichst schon bei seinem Zusammentritt, wo nicht, doch bald nach demselben zu unterbreiten. Es werden deshalb die bezüglichen Ausschußberathungen im Bundesrathe schon in Kürze beginnen. Diese Berathungen dürften einen nicht gewöhnlichen Umfang annehmen, da von verschiedenen Seiten bereits zahlreiche Anträge angemeldet worden sind.
Die gewerblichen Schiedsgerichte sollen nunmehr obligatorisch eingeführt werden. Eine diesbezügliche Gesetzesvorlage liegt bereits dem Bundesrath vor. Dieselbe weist 3 Abschnitte auf. Der erste betrifft die Einsetzung von Gewerbegerichten. Die Zuständigkeit derselben umfaßt Streitigkeiten über Antritt, Fortsetzung oder Auflösung des Arbeitsverhältnisses, über Aushändigung oder Einhalt des Arbeitsbuches oder Arbeitszeugnisses, sowie Streitigkeiten über Leistungen oder Entschädigungs=Ansprüche aus dem Arbeits=Verhältniß. Der zweite Abschnitt behandelt die Einrichtung der Gewerbegerichte und das Verfahren vor denselben. Sie bestehen aus einem Vorsitzenden, der weder Arbeitgeber noch Arbeiter sein darf, zwei Arbeitsgeber und zwei Arbeiter als Beisitzer. Gegen die Entscheidungen der Gewerbegerichte ist Berufung an das Landgericht, in dessen Bezirk sie liegen, zulässig. Der dritte Abschnitt umfaßt die Schlußbestimmungen.
Der deutsche Botschafter in London, Graf Münster, empfing am Dienstag eine Deputation der dort arbeitenden deutschen Maurer, welche von englischen Bauunternehmern an Stelle der strikenden Londoner Maurer engagirt worden sind und nun mehrfache Beschwerden vorzutragen hatten. Graf Münster bedauerte, daß die deutschen Maurer sich hätten bestimmen lassen, hier Arbeit zu nehmen, und erklärte, er würde in Deutschland vor weiterem Zuzug warnen lassen.
Die Königin von England empfing am 11. d. in ihrem Lustschlosse zu Osborne den Besuch der jetzt in England weilenden Kaiserin von Oesterreich.
In London verlautet von vertraulichen Besprechungen zwischen England und Rußland, wegen Wahrung der englischen Interessen; England wird wahrscheinlich schließlich der Oeffnung der Dardanellendurchfuhr für Kriegsschiffe aller Nationen unter gewissen Bedingungen zustimmen und damit wäre wohl der letzte Funken ausgetreten, welcher ein weiteres Umsichgreifen des orientalischen Krieges veranlassen könnte.
König Victor Emanuel von Italien, der Begründer der italienischen Einheit, ist am Mittwoch Nachmittag 2 1/2 Uhr gestorben.
Der neue König von Italien, Humbert, hat noch am Todestage seines Vaters folgende Proklamation an das italienische Volk gerichtet: "Das größte Unglück hat uns plötzlich getroffen: König Victor Emanuel, der Gründer des Königreichs Italien und seiner Einheit, ist uns entrissen worden. Ich war Zeuge seines letzten Athemzuges, der der Nation galt, seiner letzten Wünsche für das Glück des Volkes und seiner letzten Worte, die in meinem Herzen stets wiederhallen werden. Es fällt mir schwer, den Schmerz zu bekämpfen, was durch meine Pflicht geboten ist. In diesem Momente ist nur ein einziger Trost möglich: uns seiner würdig zu zeigen, ich, indem ich in seine Fußtapfen trete, Ihr, indem Ihr in den Bürgertugenden verharrt, mit deren Hülfe er das schwierige Unternehmen zu vollbringen vermochte, Italien groß und einig zu machen. Ich werde seinen großen Beispielen der Anhänglichkeit an das Vaterland, der Liebe zum Fortschritte und der Treue zu den freien Institutionen, die der Stolz meines Hauses sind, folgen. Mein einziger Ehrgeiz wird sein, die Liebe meines Volkes zu verdienen. Italiener! Euer erster König ist todt! Sein Nachfolger wird Euch beweisen, daß die Institutionen nicht sterben. Stehen wir einig zusammen und befestigen wir in dieser Stunde des großen Schmerzes jene Eintracht, die stets das Heil Italiens war!" Für Deutschland ist diese Proklamation in sofern wichtig, als sie zeigt, daß eine Aenderung der italienischen Politik und damit eine veränderte Haltung dieses Landes nicht zu befürchten ist. - Das italienische Parlament ist auf den 16. Januar einberufen.


- Ist Bier ein Nahrungsmittel? Diese Frage wird in dem "Korrespondenzblatt des rheinischen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege von dem Stabsarzt Dr. von Kraus in Wesel eingehend erörtert. Nachdem derselbe die Zusammensetzung und die Bestandtheile des Bieres vom chemisch=physiologischen Standpunkte des Näheren beleuchtet hat, kommt er zu dem Schlusse, daß der Nährwerth des

[ => Original lesen: 1878 Nr. 5 Seite 3]

aus Malz bereiteten bayerischen Schenkbieres durch seinen Eiweißgehalt keineswegs unbeträchtlich, der der schweren Biere, so des englischen Porters, besonders aber des englischen Ales, sowie der Bock= und Salvatorbiere, recht erheblich genannt werden müsse. Es sei somit der mäßige Genuß eines reinen kräftigen Bieres zur Unterstützung der Ernährung Jedermann zu empfehlen, der eines reinen schweren Bieres für Genesene aber ganz besonders werthvoll. Einen recht großen Theil der dem Genesenden notwendigen Eiweißstoffe könne er auf diesem Wege einnehmen, während gleichzeitig durch den Hopfengehalt die Verdauung befördert und durch den Alkoholgehalt der Verbrennungsprozeß der in die organische Thätigkeit anderweitig und überhaupt eingebrachten Nahrungswerthe - als Brennstoffe zu betrachten - verlangsamt und so die Gelegenheit zu ihrer besseren Ausnutzung gegeben sein dürfte. Wenn die Brennereien sich unter die Aufsicht von vereidigten, staatlich angestellten, in jeder Beziehung zuverlässigen und soweit wie nöthig chemisch befähigten Kontroleuren stellten oder gestellt würden, welche sowohl den Betrieb überwachten als auch das Ergebniß ihrer Analysen dem Reichs=Gesundheitsamte einschickten, und wenn dieses vierteljährig die Namen der Brauereien mit den entsprechenden Zusätzen veröffentlichte, so würden die Wirthe von den Biertrinkern geradezu gezwungen werden, ihr Bier daher zu beziehen, wo es rein und gut gebraut wird, weil die Trinker in kurzer Zeit dahin gehen würden, wo ihnen der vollgültigste Beweis geliefert wird, daß das Bier aus einer der reichsgesundheitlich empfohlenen Brauereien herstammt. Die Biertrinker würden sehr bald den Sinn der chemischen Analyse verstehen lernen. Die Bier verfälschenden Brauereien würden dann entweder eingehen müssen, oder sich zu einem ehrlichen und rechtschaffenen Betriebe gezwungen sehen.


Anzeigen.

Auf Antrag Dris Ph. W. Plessing für den hiesigen Auctionator Adolph Aemilius Sigismund Schmidt werden alle Diejenigen, welche außer dem Imploranten

1) an einen, auf den Namen von Hinrich Retelstorff, (al. Redelstorf) zu Rieps ausgestellten angeblich durch Imploranten von dem Vollhufner Hinrich Retelsdorff in Rieps käuflich erwordenen, und in den Büchern der Staatsschuldenverwaltung der freien und Hansestadt Lübeck aufgeführten Stadtkassenbrief vom 11. Juli 1809 über 1500 Courant Mark termino Johannis mit 3 % Loos No. 811 und 812, von welchem am 15. November 1877 1000 Mark (Lübeck) Crt. zur Auszahlung im Johannis=Termin 1878 ausgeloost sind,
2) an einen auf den Namen von Joachim Retelstorf in Rieps vom Finanz=Departement der freien und Hansestadt Lübeck ausgestellten, ebenfalls durch Imploranten von dem Vollhufner Hinrich Retelstorff in Rieps käuflich erworbenen Schuldschein vom 15. April 1845 über 370 Courantmark termino Weihnacht zu 2 1/2 % No. 70 Loos No. 1453 1454,
Rechte und Ansprüche zu haben vermeinen, aufgefordert, und schuldig erkannt, diese Ansprüche binnen doppelter sächsischer Frist, vom Datum dieses Proclams, also spätestens am 4. April 1878 im Stadt= und Landgerichte hieselbst, - Auswärtige durch einen hier wohnhaften, gehörig legitimirten Bevollmächtigten geltend zu machen, unter dem Rechtsnachtheile, daß sie widrigenfalls mit ihren Ansprüchen ausgeschlossen, und die Stadtkasse bezw. Schulden=Regulirungs=Commission ermächtigt und angewiesen werden soll, den auf den sub 1, gedachten Stadtkassenbrief ausgeloosten Betrag von 1000 Mark (Lübeck) Crt. an den Imploranten auszuzahlen, sowie den Rest auf denselben umzuschreiben, den sub 2, genannten Schuldschein gleichfalls auf den Namen des Imploranten umzuschreiben.
Lübeck, den 4. Januar 1878.

Das Stadt= und Landgericht.
Zur Beglaubigung      Funk Dr., Act.


Die Anmeldung zur Stammrolle aller im Jahre 1858 und früher geborenen, resp. mit ihrer endgültigen Entscheidung über ihre Militairpflicht nicht versehenen militairpflichtigen jungen Leute, welche in der Stadt Schönberg ihren Aufenthalt haben, hat

am Mittwoch, den 30. Januar d. J.,
Vormittags in den Stunden von 9-12 Uhr,

bei uns zu geschehen. Auswärts geborene Militairpflichtige haben ihren Geburtsschein (der zu diesem Zwecke kostenfrei ertheilt wird), die bereits früher Gemusterten ihren Loosungsschein uns vorzulegen.
Schönberg, den 14. Januar 1878.

Der Magistrat.


Holz=Auction.

Am Mittwoch den 16. Januar, Morgens 10 Uhr, sollen im Selmsdorfer Kirchenholze nachstehende Holzsortimente meistbietend gegen baar bei freier Concurrenz verkauft werden:

ca. 38 Rmtr. buchen Kluft, Olm u. Knüppel,
ca.   6 do. eichen do. do.
ca.   3 do. ellern Knüppel für Drechsler,
ca. 11 Fuder starkes eichen Durchforstholz,
ca. 26 do. eichen Abfall u. buchen Abfall,
ca.   4 do. ellern Wadelholz,
ca.   1 do. Dorn.
Kaufliebhaber wollen sich zur obengedachten Zeit am Schlagbaum des Kirchenholzes einfinden.
Schönberg, den 10. Januar 1878.

Der Oberförster     
C. Hottelet.       


Holz=Auction.

Am Freitag, den 18. Januar, Morgens 10 Uhr, sollen im Rüntzer Zuschlag nachstehende Holzsortimente meistbietend gegen Baarzahlung verkauft werden:

100 Raummeter Eichen=Kluft und Knorren,
  50 Raummeter Eichen= Groß= und Klein=Knüppel,
  12 Fuder Buchen=Durchforstholz,
    9 Raummeter Nadelholz=Kluft
    1 Eichen=Block.
Käufer wollen sich zur gedachten Zeit im Schlage daselbst einfinden.
Schönberg, den 11. Januar 1878.

Der Oberförster     
C. Hottelet.       


Holz=Auction.

Am Montag, den 21. Januar, Morgens 10 Uhr, sollen im Kruge zu Carlow nachstehende Holz=Sortimente meistbietend gegen Baar verkauft werden:

Aus dem Röggeliner Holze.

  32 Raummeter Eichen=Kluft I., II. und Knüppel,
  20 Raummeter Buchen=Knüppel,
150 Fuder Buchen=Durchforstholz,
  10 Raummeter Aspen=Kluft I. u. II.,
    1 Eichen=Block beim Forstgehöft belegen.

Aus dem Cronscamper Zuschlag.

    9 Fuder geringes Eichen=Durchforstholz.
Schönberg, den 11. Januar 1878.

Der Oberförster     
C. Hottelet.       


Ersparniß- und Vorschuß-Anstalt.

Die Anstalt ist am

Mittwoch den 16. Januar d. J.
von 8 bis 12 Uhr Vormittags
und während des Antonii=Termines
vom Donnerstag den 17. Januar d. J.
bis
Donnerstag den 24. Januar d. J.,
beide Tage einschließlich,
täglich von 8 bis 12 Uhr Vormittags,
am Sonntag den 20. Januar d. J.
von 8 bis 10 Uhr Morgens

geöffnet.

Das Directorium.     


[ => Original lesen: 1878 Nr. 5 Seite 4]

Wegen einer plötzlichen und langwierigen Erkrankung des Hausmädchens wünsche ich die Stelle anderweitig zu besetzen. Gewandte in Hausarbeit erfahrene Mädchen können sich melden bei

Frau Oberamtmann Wicke.

Demern bei Rehna, Mecklenburg.


Gesucht wird ein Mädchen zu häuslichen Arbeiten in Stelle eines erkrankten.

Aug. Spehr, Schönberg.     


Zu Ostern suche ich einen Lehrling unter günstigen Bedingungen, der später auch die Feierabendschule besuchen kann.

Schmiedemeister Bremer,
Schönberg.


Bei der von mir am 13. Januar abgehaltenen Verloosung wurden folgende Nummern gezogen:

Nr.   74      1 Kommode,
Nr.   77      1 Kleiderschrank,
Nr.   96      1 Stuhl,
Nr. 213      1 Eckschrank,
Nr. 223      1 Kommode,
Nr. 248      1 Kleiderschrank,
Nr. 253      1 Stuhl,
Nr. 292      1 Tisch,
Nr. 374      1 Kleiderschrank,
Nr. 407      1 Kommode,
Nr. 419      1 Stuhl,
Nr. 436      1 Stuhl,
Nr. 500      1 Tisch,
Nr. 501      1 Eckschrank,
Nr. 510      1 Eckschrank,
Nr. 544      1 Tisch,
Nr. 618      1 Stuhl,
Nr. 620      1 Stuhl.
Selmsdorf. Tischlermeister Bruhn.


Gußeiserne Grabkreuze
in großer hübscher Auswahl
empfiehlt                                                     C. Schwedt, Schönberg.


Durch unsere auf der diesjährigen Neujahrsmesse in Leipzig gemachten baaren Einkäufe ist unser Waarenlager auf's großartigste sortirt.

Buckskins, Kleiderzeuge,
schwarze Cachemirs,
Piques und Cattune
verkaufen wir unterm Fabrikationspreise. Die geehrten Einwohner Schönbergs und Umgegend laden zu diesem so sehr vortheilhaften Gelegenheitskauf ergebenst ein

Gebrüder Burchard,
Schönberg.


Ueber 8 Millionen
Mark Gold

müssen in der allerneuesten, vom Staate Braunschweig garantirten großen Geldlotterie innerhalb einiger Monate in 6 Abtheilungen sicher gewonnen werden, dieselbe enth. 85,000 Loose, worunter 44,000 Geldgewinne im Betrage von über 8 Millionen Mark Gold. Die Hauptgewinne sind event. Mk. 450,000 spec. Mk. 300,000, 150,000, 80,000, 60,000, 40,000 etc. Gewinnziehung

am 18. Januar 1878,

zu welcher Originalloose empfehle.

Nur 4 Mark

kostet ein Viertel, 8 Mark ein halbes und 16 Mark ein ganzes Originalloos. Amtl. Ziehungspläne werden jeder Loossendung beigelegt. Ausführliche Ziehungslisten und Gewinngelder sofort zugesandt.

Theodor Scheller,
Lotterie-Haupt-Collekteur.
Braunschweig.

P. S. Alle durch andere Bankhäuser in langgedehnten Annoncen offerirte Loose werden auch durch mich zu denselben Preisen prompt zugesandt.


H. Prüss, Ratzeburg,
Fabrik u. Lager von Herren=Garderoben,
empfiehlt in großer Auswahl:
Ulster=Röcke, Winter=Röcke, Paletots und Sackos v. 18-80 M., Schlafröcke v. 22-36 M., Hausröcke v. 16-25 M., Anzüge v. 32-90 M., Jagdjoppen, als: Steirische, Baierische und Arkansas v. 12-20 M., Jagdjoppen für Knaben v. 6-12 M., Anzüge für kleine Knaben, 2-8 Jahre alt, von 6-8 M., Unterjacken und Arbeiter=Anzüge zu allen Preisen.
Bestellungen nach Maaß in kurzer Zeit.
Feste Preise, pr. comptant 6%.


500 Schöfe gutes Dachrohr

sind zu verkaufen beim

Hauswirth Kleinfeldt
in Lockwisch.


Dem geehrten Publikum von Stadt und Land die vorläufige Anzeige, daß mein diesjähriger

Maskenball
am 1. Februar d. J. stattfindet,

wozu ergebenst einladet
Schönberg, den 11. Januar 1878.

H. Boye Wittwe.


Am Freitag, den 18. Januar c.,
findet beim Gastwirth Kaben in Pogetz der

Ball
des Pogetzer Versicherungsvereins

statt.

Anfang Abends 6 Uhr.

Der Vorstand.     


Einladung zum Ball
am Donnerstag, den 17. Januar 1878,
Abends 6 Uhr,

wozu ich hierdurch freundlichst einlade. Weitere Einladungen finden nicht statt.

Gastwirth Lenschow,
Selmsdorf.


Ueber meine Koppel, genannt Moorkamp, wird seit einiger Zeit mit Fuhrwerk gefahren, von solchen die nach dem Rünzer Torfmoor wollen; ich verbiete hiermit diesen Unfug und werde Jeden, der unbefugt auf meinem Felde betroffen wird, dem Gerichte zur Bestrafung anzeigen.

Pächter Jochen Frank     
in Schaddingsdorf.       


Zu verkaufen oder verpachten:

In Lübeck ein

Restaurationslocal
Beste Lage, gute Bedingungen.

Offerten sub. Ho 59b bei die Annoncen=Expedition von Haasenstein & Vogler in Lübeck.


Für die Flachs=Reinigungsfabrik werden noch

einige Frauen

zum Schwingen gegen gutes Lohn gesucht.
Bauhof Schönberg.

Frau Amtm. Drevs.     


Zu Ostern wird ein
ordentliches Kindermädchen

gesucht von

G. Kreutzfeldt,            
Lockwischer Mühle.     


Markt=Preise in Lübeck.
Butter pr. 500 Gr. M1,20 .
Hasen das St. M3,00 .
Hühner d. St. M1,25 .
Tauben d. St. M0,50 .
Spickgans d. St. M3,00 .
Schinken pr. 500 Gr. M0,80 .
Schweinskopf pr. 500 Gr. M0,45 .
Wurst pr. 500 Gr. M1,20 .
Eier 4 St. für M0,30 .
Kartoffeln pr. 10 Lit. M0,60 .


(Hierzu eine Beilage.)


Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.


[ => Original lesen: 1878 Nr. 5 Seite 5]

Beilage
zu Nr. 5 der Wöchentlichen Anzeigen für das Fürstentum Ratzeburg.
Schönberg, den 15. Januar 1878.


- In seinem Schloß Quirinal in Rom ist am 9. Januar Nachmittags König Victor Emanuel gestorben, einer der populärsten Fürsten. "Rasch tritt der Tod den Menschen an." Das gilt auch von ihm. Am 1. Januar noch hielt er frisch und gesund eine ziemlich stürmische Neujahrsrede, empfing auch ein paar Tage nachher Gambetta und sagte zu ihm: Sie müßten mein Premier werden, wenn Sie in Italien so populär wären, wie in Frankreich. Andern Tags legte er sich am Friesel erkrankt zu Bett und stand nicht wieder auf. Er ist, wie's scheint, mit dem Papst versöhnt gestorben; denn dieser sandte ihm seinen Sacristan Marinelli, dem der König beichtete, das Abendmahl und die heilige Wegzehrung hat der König von seinem Hauskaplan erhalten. An seinem Bette standen der Kronprinz Humbert mit Gemahlin, mit denen er noch einige Worte sprach, und mehrere Staatswürdenträger; er grüßte sie freundlich durch dreimaliges Neigen des Hauptes, stieß einen Seufzer aus und starb. Geboren ist Victor Emanuel am 14. März 1820, seinem Vater Karl Albert folgte er 1849 als König von Sardinien auf den Thron, König von Italien wurde er 1861. Es war ein politischer Lebenslauf in ängstigender Linie, aufsteigend vom kleinen König von Sardinien zum König des geeinigten Italien. Er wurde ein populärer Fürst, weil er immer durch alle Wendungen der Politik dem nationalen Rufe folgte, in den schweren Anfängen geleitet von seinem genialen Minister Cavour und unterstützt von Napoleon, sein Ziel erreichend durch das Bündniß mit Preußen 1866 und die Siege der Deutschen über Frankreich. Die Etappen seiner Laufbahn waren die Siegeszüge Garibaldis in Sizilien und Neapel, die Zurückgewinnung zuerst der Lombardei und dann Venetiens von Oesterreich und der Einzug in Rom 1870. Zweimal setzte sich seine Politik in Zwiespalt mit dem Volksgefühl, damals als er Garibaldi bei Aspromonte überfallen und niederschießen ließ und später bei Mentana. Es geschah unter dem Zwang der Napoleonschen Politik. Bei Mentana probirte Napoleon die neuen Chassepots, von denen sein General De Failly telegraphirte: "sie haben Wunder gethan." - König Humbert (geb. 1844) hat die Regierung angetreten.
- Zur Doppelhochzeit der Prinzessinnen Charlotte und Elisabeth werden in Berlin Vertreter fast aller verwandten und befreundeten Fürstenhöfe erwartet. England wird zwar nicht durch die Königin Victoria, aber wahrscheinlich durch den Prinzen von Wales vertreten sein. Auch der König der Belgier wird mit Gemahlin erwartet. Das Hochzeits=Programm entspricht im Ganzen dem bei früheren Gelegenheiten innegehaltenen Ceremoniell; aller Glanz, den der kaiserliche Hof bei seinen Festen zeigt, wird bei der bevorstehenden Doppelhochzeit um so mehr entfaltet werden, als beide erlauchte Bräute die ersten sind, welche als Prinzessinnen des Hohenzollern'schen Kaiserhauses den Bund der Ehe schließen. Die sonst übliche Ceremonie des Whistspiels unmittelbar nach dem Austritt aus der Capelle fällt wegen der bedeutenden Anzahl fürstlicher Persönlichkeiten für dieses mal hinweg, dagegen wird der althistorische Fackeltanz beibehalten und von zwölf Ministern ausgeführt werden. Bei der Polonaise wird nicht jede der beiden Prinzessinnen einzeln mit jedem der fürstlichen Herren tanzen, vielmehr sollen beide ohne Bräute stets zusammen den Cavalier in der Mitte führen; in gleicher Weise verfahren die Bräutigame mit den fürstlichen Damen.
- In Berlin hat der neue türkische Botschafter Sadullha=Bey seine erste Gesellschaft gegeben; es wurde französisch gesprochen, deutsch gespeist d. h. mit Messer und Gabel und griechisch getrunken, nämlich Wein von Sames.
- In Straßfurt hat der Arbeiter Kindermann Nachts seine Frau erdrosselt und den nackten Leichnam in einem Korb in eine Fabrik getragen, um ihn im Ofen zu verbrennen. Er wurde überrascht und verhaftet. K. ist schon einmal wegen Todschlags mit 8 Jahren Zuchthaus bestraft worden.
- Wieder ein Grund mehr zu heirathen: Trauringe dürfen nicht gepfändet werden. Zwei Instanzen haben sich gegen das Pfänden ausgesprochen, das Stadtgericht und das Kammergericht - und in Berlin versteht man sich doch auf's Pfänden.
- Kein Wunder, daß manche Leute mit den Goldstücken um sich werfen, als ob's Nickel wären; in Neu=Guinea sind große Goldfelder entdeckt worden.
- In diesem Jahre giebts nur noch eine öffentliche Spielhölle auf dem europäischen Festland: das ist Monaco in Italien. Die vorletzte, in Saxon in der Schweiz, ist am letzten Tage des vorigen Jahres geschlossen worden. Die Unternehmer empfanden zum Schluß sogar ein menschliches Rühren, sie zahlten jedem gerupften Gimpel 30 Frank Reisegeld zur Heimreise wie gute Leute den Spatzen im Schnee ein paar Körner streuen.
- Der Mensch lebt von allerlei, ein armer Kerl in Ulm z. B. von den Säbelklingen der Soldaten, die er für Geld und gute Worte verschluckte und wieder ausspie. Am Sylvesterabend kam ihm eine Klinge in die unrechte Kehle und er starb daran noch selbigen Abend.
- In dem reichen Bremen machten's die Schauspieler am Neujahrstage wie die Sozialdemokraten, sie erklärten ihrem Direktor, sie spielten nur auf Theilung weiter. Da that der Direktor, was wir anderen nicht können, er machte die Bude zu.
- Das Gotthard=Hospiz gehört nicht zu den Gasthöfen, die eigentlich das Zeichen zum Wallfisch oder Haifisch heraushängen müßten, damit man gewarnt würde. Es ist ein gar merkwürdiger Gasthof, der viel mehr giebt als nimmt. Die frommen Wirthe oder Mönche schicken Knechte und Hunde aus in den Alpen=Schnee und Sturm, um Menschen zu retten, zu wärmen und zu nähren. In dem letzten Jahr vom 1. Oct. 1876-77 haben sie 15,652 arme Reisende, die von Deutschland nach Italien oder umgekehrt wanderten, mit 52,783 Portionen Lebensmitteln und obendrein mit Kleidungsstücken versehen und außerdem 143 Halberfrorene und Kranke aufgenommen und verpflegt. Die wackeren Mönche nehmen an Geld nur, was wohlhabende Wanderer über die Alpen ihnen unter den Teller legen und daher ist's kein Wunder, daß sie mit einem Defizit von etwa 400 Fr. ihre Jahresrechnung schlossen. Jeder Leser aber, der im nächsten Jahr seinen Römerzug macht, hilft sicher das fromme Defizit decken.
- Dr. Pringsheim, Professor der Mathematik in München, hat sich mit Hedwig Dohm, der Tochter des Kladderadatsch Redacteur in Berlin, verlobt. Man sieht, die modernen Mathematiker sind nicht so unzugänglich wie die antiken Mathematiker, die sich durch nichts rühren und bezwingen ließen. Pythagoras hat sich s. Z. von der Noth und Angst vieler tausend Schüler aller Zeiten nicht abhalten lassen, seinen berühmten Lehrsatz zu erfinden und Archimedes ließ sich nicht einmal von dem wild in sein Zimmer einstürmenden Krieger außer Fassung bringen, er hatte nur Angst vor den Figuren, die er in den Sand gezeichnet hatte, und rief ihm zu: Zerstöre mir meine Kreise nicht! Das war sein letztes Wort; gleich darauf lag er todt am Boden.
- Man schreibt aus New=York: Hier hat sich am 21. December ein schauderhaftes Unglück zugetragen. Der Dampfkessel in einer Zuckerwaarenfabrik zersprang und durch die Explosion gerieth das Gebäude, in welchem zur Zeit Hunderte von Menschen an der Arbeit waren, in Brand. Die Flammen verbreiteten sich mit großer Schnelligkeit über sämmtliche Räume, wodurch den in den obersten Stockwerken beschäftigten Mädchen der Aus=

[ => Original lesen: 1878 Nr. 5 Seite 6]

weg abgeschnitten wurde und gegen 40-50 verbrannten. Die Scenen, welche sich nach Bekanntwerden des Unfalls an der Unglücksstätte abspielten, spotten aller Beschreibung. - Gestern sind abermals zwei Mörder, einer in Baltimore, der andere in diesem Staate hingerichtet und trotz alledem vermehren sich die Verbrechen mit jedem Tage. Boreas hat uns bis jetzt mit seinem eisigen Hauche verschont; während der letzten Wochen hatten wir beständig warmes Wetter, so daß die Obstbäume anfangen Knospen zu treiben.
- Theresia Rupprecht ist Eigenthümerin eines Hauses in Wien, von welchem sie nur ein einziges Zimmer bewohnt. Seit Jahrzehnten hat sie dasselbe nur verlassen, um Lebensmittel zu kaufen und niemals hat sie Jemanden Eingang in ihr Zimmer verstattet. Als die Hausbewohner sie neulich stöhnen und wimmern hörten, öffnete die Polizei das Zimmer und prallte zurück - vor Gestank und Ekel. Sie fand die 70jährige Frau noch lebend, aber halb erstickt im eigenen Kothe steckend. Seit 20 Jahren war die Stube von keinem fremden Fuße berührt, kein Fenster geöffnet, kein Boden gesäubert worden. Die Frau hatte in diesem Raume ihre karge Kost eingenommen, verdaut und daselbst geschlafen. Schmutz und Koth waren hoch aufgethürmt und unter dem Bette lagen die Cadaver krepirter Hunde und Katzen. Den herbeigeholten Aerzten war es ein Räthsel, wie das alte geizige Weib in diesem Höllenloch leben konnte. Man hat es sofort in ein Hospital gebracht.
- Die Firma Gebrüder Stollwerck in Köln hat vom 1. bis zum 22. v. M. 10,000 Packete zur Post befördert. Das letzte eine prachtvolle Marzipan=Torte enthaltend, war als Geschenk der Firma für den Generalpostmeister Stephan bestimmt. Die Torte stellt Handel und Industrie mit den Attributen des Postverkehrs dar: zwei Postillone halten auf einer Seidenschleife in den Kölnischen Farben die Widmung. Am 26. Dec. v. J. Abends erhielt die Firma von Herrn Dr. Stephan ein Telegramm, in welchem es heißt: "Möge ihren Zehntausend der weitere Fortschritt beschieden sein. Einen Abdruck der sehr gelungenen Ausführung lasse in das Reichsmuseum aufnehmen".
- Auch zum Anzeigen in öffentlichen Blättern und zur Reclame gehört Genie. Ein Wanzenvertreiber in Paris besaß dieses Genie. Eines Tages überraschte er die Pariser mit folgender Anzeige: "Meine Herren und Damen, ich bitte Sie, mich rufen zu lassen. Ich befreie Sie von den lästigen Thieren, welche es auf der Welt giebt: ich vertilge Wanzen. Schämen Sie sich nicht, meine Hülfe anzusprechen. Oder glauben Sie, diese Thiere vergehen von selbst, wie der Schnupfen, oder es sei undelicat, mich zu konsultiren? O nein! Fragen Sie Horace Vernet - er hatte Wanzen, ich befreite ihn davon; schicken Sie zu Madame Bertoil - auch sie hatte Wanzen, ich rettete sie! Sprechen Sie die Mars, diese große Künstlerin, - auch sie hatte Wanzen, ich gebe Ihnen einen Louisd'or, wenn Sie von heute an noch ein solches bissiges Thierchen bei ihr finden. Darum fassen Sie Vertrauen und haben Sie Muth! Schicken Sie bei Tag und bei Nacht, ich bin immer zu Hause. Nur in diesem Augenblick nicht, ich werde soeben zu Mademoiselle Rachel gerufen ; auch sie hat Wanzen! Daher schicken Sie morgen zu mir. - Henri Garvi, Rue Richelieu Nr. 671, erste Etage . . ."


- Ueber die Brautwerbung des jetzigen deutschen Kronprinzen Friedrich Wilhelm am englischen Hofe enthält das Buch: "Leben des Prinz=Gemahls Albert," das im Auftrage der Königin Victoria bearbeitet wurde und soeben erschienen ist, mancherlei Interessantes. Der ganze Verlauf der Werbung wird in Briefen des Prinzen Albert an den Baron v. Stockmar, den bekannten Coburgischen vertrauten Rathgeber der königl. Familie, geschildert. Wir entnehmen dem 3. Bande Folgendes: Am 13. September 1855 Schrieb Prinz Albert an den Baron v. Stockmar, daß Prinz Friedrich Wilhelm am folgenden Abend in London eintreffen solle, und zwar in der Absicht, um mit Genehmigung seiner Eltern um die Prinzessin Victoria anzuhalten, der er schon seit längerer Zeit seine Herzensneigung zugewandt habe. Und wenige Tage später schreibt derselbe an denselben: "Jetzt zur Hauptsache. Das Ereigniß, für das Sie sich interessiren, ist heute Morgen nach dem Frühstück in ein actives Stadium getreten. Der junge Mann trug mit Erlaubniß seiner Eltern und des Königs uns sein Anliegen vor; wir unsererseits nahmen es an, ersuchten ihn aber, es betreffs des anderen Theils bis nach geschehener Confirmation in der Schwebe zu erhalten. Bis dorthin soll die einfache Unbefangenheit des Mädchenthums ungestört verbleiben. Im Frühjahr wünscht der junge Mann, sie selbst um ihre Hand zu bitten und womöglich mit seinen Eltern und seiner verlobten Schwester zu uns herüber zu kommen. Der 17. Geburtstag soll verstreichen, bevor an die Hochzeit gedacht wird, und diese kann daher nicht vor dem darauffolgenden Frühjahr stattfinden. Das Geheimniß soll wohl oder übel bewahrt werden, nachdem die Eltern und der König sofort von der Sachlage unterrichtet worden sind - nämlich, daß wir, die Eltern und der junge Mann eine Verpflichtung eingegangen sind, soweit eine solche Verpflichtung möglich ist, daß aber die junge Dame erst nach ihrer Confirmation befragt werden soll. Bis dorthin wird vieles zu erörtern sein und deshalb bitte ich Sie dringend, bald zu uns zu kommen, damit wir uns gegenseitig aussprechen und Ihren Rath hören können. Der junge Herr soll uns am 28. wieder verlassen. Diesen Punkt stellte er unserm Ermessen anheim und ich schlug 14 Tage als eine Frist vor, die für einen Besuch dieser Art weder zu lang, noch zu kurz sein dürfte. Er gefiel mir sehr. Seine hervorragenden Eigenschaften sind Gradheit, Offenheit und Ehrlichkeit. Er scheint frei von Vorurtheilen und ganz besonders voll guter Absichten zu sein und fühlt sich, wie er sagt, persönlich sehr von Vicky (Verkleinerungsname für Victoria) angezogen. Daß diese keine Einwendung machen wird, betrachte ich als wahrscheinlich." Eine Woche später schrieb der Prinz wieder an Baron Stockmar: "Victoria (die Königin) ist sehr aufgeregt, doch geht alles glatt und vernünftig von statten. Der Prinz ist wirklich verliebt und das kleine Dämchen thut ihr Bestes, um ihm zu gefallen . . . Übermorgen verabschiedet sich der junge Herr. Heute erhielten wir die Antwortschreiben von Coblenz, woselbst sie hocherfreut sind; dem König wurde die Mittheilung in Stolzenfels gemacht und von ihm mit herzlicher Befriedigung aufgenommen. Was die Hinausschiebung der Verlobung bis nach der Confirmation und der Hochzeit bis nach dem 17. Geburtstag betrifft, sind sie mit uns vollständig derselben Meinung. Lord Clarendon schickt herzliche Glückwünsche zur Verbindung und hat die höchsten Lobsprüche über den jungen Mann gehört." Das Geheimniß wurde trotz des Wunsches beider Theile gar bald ruchbar und auch das "kleine Dämchen" wußte, wie sich leicht denken läßt, sofort, woran sie war. Schon am Tage nach der Abreise des Prinzen schreibt Albert wieder an Stockmar. "Prinz Friedrich Wilhelm verließ uns gestern. Vicky benahm sich wahrhaftig bewundernswürdig, sowohl während der genauen Erklärung am Sonnabend, als bezüglich der Selbstbeherrschung, die sie beim Abschied an den Tag legte. Gegen Fritz und uns selbst zeigte sie die kindliche Einfachheit, Offenheit und Gefühlswärme. Die jungen Leute lieben einander zärtlich, die Reinheit, Unschuld und Selbstlosigkeit des jungen Mannes war rührend. Während die erregbaren Naturen der beiden jungen Leute und der Mutter mächtig und sichtbar bewegt waren, fühlte ich selber mehr herzliche Befriedigung und Dank gegen Gott, daß er so viel Edles und Gutes auf unsern Lebenspfad gebracht, wo es das Lebensglück derjenigen, die er mit jenen Vorzügen ausgestattet und die mir so theuer sind, fördern dürfte und gewiß fördern wird. Der Hauptzweck dieses Briefes ist, Ihnen einen Einschluß Vickys zu senden, in dem das Kind seinen eigenen Gefühlen Luft macht. Ich beschwöre Sie nochmals, bald zu uns zu kommen, wir haben so viel durchzusprechen." Diese Veröffentlichungen konnten in der That zu keiner gelegeneren Zeit kommen, als in dem Augenblicke, wo die älteste Tochter der Königin Victoria gleichfalls ihre älteste Tochter in den Stand der Ehe treten läßt.


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