No. 85
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 30. Oktober
1877
siebenundvierzigster Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1877 Nr. 85 Seite 1]

Politische Rundschau.

Deutschland. Sowohl nach Wiener als nach Berliner Nachrichten sind die Aussichten für das Zustandekommen des deutsch=österreichischen Handelsvertrags ziemlich trostlos. Die Verhandlungen sollen unter allen Umständen schleunigst zum Abschluß resp. Abbruch gebracht werden.
Aus Berlin wird berichtet, daß die Commission zur Feststellung eines deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs am Sonnabend dieses zum Abschluß gebracht habe.
Zur Einführung eines gemeinsamen Bußtages für das ganze evangelische Deutschland sind bekanntlich schon öfters Anregungen ergangen, ohne daß dieselben jedoch irgend welchen Erfolg gehabt. Jetzt will nun das Oberconsistorium der evangelischen Landeskirche in Bayern den Anstoß zur Weiterverfolgung der gedachten Angelegenheit geben und mit den obersten Kirchenbehörden in den anderen deutschen Ländern wegen Einrichtung eines gemeinsamen Bußtages in Unterhandlung treten.
Die deutschen Panzerschiffe Kaiser, Preußen, Deutschland und Friedrich Carl begegneten am 12. October auf ihrer Fahrt auf der Höhe von Lissabon einer großen Fregatte und hißten, wie üblich, ihre Flagge zum Gruß. Die fremde Fregatte that aber, als sähe sie nichts, zeigte ihre Flagge nicht, gab auch nicht den Salutschuß, sondern segelte davon. Das war eine auffallende Unart. Sofort ließ der deutsche Admiral seine Schiffe stoppen und dampfte der Fregatte so dicht auf den Leib, daß sehr schnell an der Gaffel die Tricolore und am Vormast die deutsche Flagge erschien und auch der für den Admiral übliche Salutschuß erfolgte, worauf der "Kaiser" den Salut erwiderte. Die stolze Fregatte, die nicht grüßen wollte, war eine Französin.
Im Königschlosse in Berlin wird am 18. Februar nächsten Jahres eine Doppelhochzeit stattfinden. Der Erbprinz von Meiningen wird sich mit der Prinzessin Charlotte, Tochter des Kronprinzen, und der Erbgroßherzog von Oldenburg mit der Prinzessin Elisabeth, Tochter des Prinzen Friedrich Carl, vermählen.
Prinz Wilhelm von Preußen wird demnächst auf Grund seines am Gymnasium zu Cassel bestandenen Abiturienten=Examens bei der alma mater in Bonn als Studiosus juris immatriculirt werden.
Frankreich. Mac Mahon kann sich noch immer nicht entscheiden, ob er den Republikanern die Hand entgegenstrecken oder den Lockungen der Bonapartisten und römischen Schwarzen folgen soll. Die Republikaner verlangen, daß er seine Minister entlasse und einige aus ihrer Reihe nehme, die Bonapartisten dringen in ihn, "bis zum Ende zu gehen," das heißt, die neugewählte Kammer nochmals sofort aufzulösen und einen gewaltigen Staatsstreich zu riskiren. Das Gerücht eines Staatsstreiches war in Paris dieser Tage so allgemein verbreitet, daß mehrere hundert Engländer eiligst Paris verließen und heimkehrten. Die Bonapartisten etc. sagten zu Mac Mahon: Wag' den Streich, Du hast Vier Bundesgenossen: Infanterie, Cavallerie, Artillerie und Genie (?). Die deutsche Regierung hat unter diesen Umständen die wohlgemeinte Mahnung (N. A. Z.) an Mac Mahon gerichtet, er möge wohl bedenken , daß eine ehrlich gemeinte Republik der beste Bürge für eine friedliche Politik und namentlich für ein friedliches Verhältniß zu Deutschland sei. -
Vom Kriegsschauplatze. Durch den gelungenen Handstreich Gurko's hat sich die Situation auf dem Bulgarischen Kriegsschauplatze in bedeutungsvoller Weise verändert. Vor Allem ist Osman Pascha in Plewna gefangen, denn von keiner Seite kann er nunmehr Zuzug und Proviant erhalten. Nur ein Wunder kann ihn jetzt noch vor einer gänzlichen Vernichtung retten. Daß General Gurko von seiner Position, die er überdies befestigt hat, verdrängt werde, daran ist wohl nicht leicht zu denken. Wenn es ihm gelungen ist, einen kräftigen Streich auszuführen und eine große Anzahl Gefangene zu machen, so muß seine Macht eine sehr bedeutende sein. Nunmehr ist es auch möglich, einen Theil der Armee über den Balkan zu werfen und durch nochmalige Bedrohung Adrianopels und selbst Konstantinopels den Frieden noch in diesem Jahre zu erzwingen. - Die Russische Offensive hat übrigens auf der ganzen Linie begonnen.
Russen und Türken versichern um die Wette, sie würden den Krieg mit furchtbarer Energie fortsetzen. Heute drei Thatsachen 1) die Festung Kars wird von den Russen beschossen und brennt an manchen Stellen, 2) Prinz Sergius Leuchtenberg, ein Vetter des Kaisers, erhielt bei einer Recognoscirung eine Flintenkugel in die Stirn und war sofort todt. 3) in Odessa heizen sich die armen Leute mit Militär=Zwieback ein. 50,000 Pud a 40 Pfund lagerten schon lange im Freien er war durchaus zu nichts anderem zu brauchen als zur Feuerung, das Pud wird zu 15 Kopeken verkauft.
In Central=Asien und Indien scheinen sich wieder allerlei Dinge vorzubereiten, welche Englands Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen. Der indische Correspondent der "Times" stellt nicht weniger als zwei Grenzkriege in Aussicht, nämlich einen in Khelat und Beludschistan mit den Khelatt= und Beludschi=Häuptlingen, den andern mit den Afrides und andern Stämmen der Nachbarschaft von Kohat. - Nach einem Ausweise der indischen Regierung sind vom November 1876 bis zum April 1877 von einer Bewohnerzahl von 13 3/4 Millionen in den hungerleidenden Prinzen gestorben 373,993 Personen und zwar 182,945 derselben an der Cholera. Der Durchschnitt ist hiernach um 188,945 überschritten.


- In der Festung Metz wurden in voriger Woche von der Höhe des Forts Quentin aus mit Hülfe von elektrischem Licht Beleuchtungsversuche auf weite Strecken gemacht. Die betr. Maschine wurde durch eine Locomobile in Bewegung gesetzt. Der elektrische Strom bringt die Kohle in einer Laterne zum Glühen. Das Geheimniß besteht in der Anfertigung der Kohle sowie in der Zusammenstellung der in der Laterne befindlichen Hohlspiegel.

[ => Original lesen: 1877 Nr. 85 Seite 2]

- Den gefährlichen Ofenklappen, welche schon so manches Menschenleben auf dem Gewissen haben, ist in Berlin endlich das Todesurtheil gesprochen worden. Die Anbringung neuer muß unterbleiben, bei jedem Umsetzen der Oefen sollen die vorhandenen Klappen beseitigt werden und bis zum 1. Januar 1886 (soll wohl heißen 1880?) sollen sie sämmtlich verschwunden sein.
- Dem Schah von Persien scheint es in Europa besser gefallen zu haben als er daselbst gefallen hat. Es verlautet, daß Mirza Ali Khan aus Teheran abgereist sei, um in den Hauptstädten Europa's Vorbereitungen für einen im nächsten Frühjahr beabsichtigten Incognito=Besuch des Schah zu treffen.
- Ein reicher Mann in Stettin starb vor zwei Jahren und legte seinen Erben die Verpflichtung auf, die von ihm hinterlassenen 360,000 Thaler Aktien der Ritterschaftlichen Privatbank vor Ablauf von 5 Jahren um keinen Preis zu verkaufen. Die Erben mußten sich fügen und besitzen heute nur Makulatur; denn die Aktien sind bei dem Krach der Bank werthlos geworden.
- In Gotha wurde ein Bauernbursche, der einem andern den Hinterkopf bis zum Hals mit einem Messer aufgeschlitzt hatte, zu 2 Jahren Gefängniß verurtheilt.
-Aus Quito kommen Nachrichten von dem Ausbruch des Vulkan Kotopaxi. Dieser Riese der Cordilleren ist 5995 Meter hoch und spie Ende Juni mehr Wasser als Feuer. Nach mehrtägigem Aschenregen ergossen sich gewaltige Ströme heißen Wassers in die Ebene und verwüsteten meilenweit alles, was lebte, grünte und blühte.
- In dem schottischen Kohlenbergwerk High Blantyre sind 232 Männer und Jungen von schlagenden Wettern getroffen und getödtet worden. Man sagt, die betr. Kohle sei so gasfrei gehalten worden, daß die Bergleute mit bloßen Lichtern zu arbeiten pflegten.
- Die Freifrau Mathilde v. Rothschild in Frankfurt hat eine Stiftung von 250,000 M. zur Förderung des Kunstgewerbes gemacht.
- In Frankreich kann Jemand, der alt wird, noch mehr erleben, als anderswo. So hat eine Französin in Bordeaux, die dieser Tage 118 Jahre alt starb, 17 verschiedene Regierungen erlebt.
- Der Kummer des 93jährigen Wrangel in Berlin ist ein bedenklicher oder vielmehr sehr unbedenklicher Neffe. Dieser Neffe forderte neulich seinen Onkel sogar zum Duell heraus, weil ihm ein Darlehen abgeschlagen wurde. Der Onkel wies ihm die Thür, die energische Tante aber ging an das Gerichte und verlangte, daß es ihn als unzurechnungsfähig erkläre. Das Gericht wies die Klage zurück. -Eine speculative Bauernfrau wurde neulich beobachtet, wie sie zur Vorbereitung auf den Wochenmarkt an einem Bach vor der Stadt die zum Verkauf bestimmten Gänse mit Kieselsteinen "frickte", um denselben ein größeres Gewicht zu verleihen.
- Die Fractionen in der Garderobe. Der Gegensatz der Parteien im preußischen Abgeordnetenhause hat sich nunmehr auch auf die Gardroben der Landboten ausgedehnt. Bisher hingen Ueberzieher, Hüte und Stöcke der Herren Volksvertreter in der alphabetischen Reihenfolge ihrer Namen. Das ergab natürlich eine bunte Reihe conservativer, nationalliberaler, fortschrittlicher, ultramontaner u. s. w. Ueberzieher, die bei der Fortdauer des Culturkampfes sogar zu Unfrieden unter den Kleidungsstücken der resp. Parteien geführt zu haben scheint. Anders wenigstens ist die Neuerung nicht zu erklären, welche jeder Fraction ihr besonderes Garderoberevier anweist. Ausgehängte Karten mit der Inschrift: "Conservativ", "Centrum", "Nationalliberal" etc. warnen das ehrenwerthe Mitglied, seinen Paletot mit denen politisch Andersgläubiger zu vermengen. Bemerkenswerth ist noch der Umstand, daß die Ueberröcke der fortschrittlichen Mitglieder an die frische Luft des äußeren Flures gesetzt sind, während man der Garderobe der andren Fractionen im Innern der Vorhalle Raum geschafft hat. (B. T.)
- Eine ergreifende Scene spielte sich am Montag Vormittag auf dem Belle=Allianceplatz zu Berlin ab. Ein dortiger Eigenthümer stand vor einer der auf dem Platze befindlichen Mamorgruppen und zog seine goldene Uhr, um nach der zeit zu sehen. In demselben Augenblicke griff eine Hand von rückwärts nach der Uhr und umklammerte sie mit den Fingern, ohne daß der Thäter indessen im Geringsten Miene machte, sich das Werthstück anzueignen. Der Angegriffene drehte sich erschrocken um, und sah einen Mann vor sich stehen, der augenscheinlich nicht den unteren Volksschichten angehörte. Sein Anzug war in hohem Grade dürftig, fadenscheinig der Rock, aufgefasert die Wäsche. Das Gesicht mit den tiefliegenden Augen sprach von Elend und Jammer. Der noch junge Mann hielt die Uhr noch immer fest, ohne sie von dem Körper des Eigenthümers zu lösen und sagte mit heiserer Stimme, während die hochgehende Brust seine Aufregung verrieth: "Bitte, dort bei der Pferdebahn ist Polizei, lassen Sie mich verhaften. Ich bin obdachlos und habe Hunger." Die letzten Worte waren kaum vernehmbar, dicke Thränen liefen von den Wangen des Aermsten herab und die Finger öffneten sich, um die Uhr fallen zulassen. Von tiefstem Mitleid ergriffen rief der Eigenthümer, um den neugierigen Blicken der Umstehenden zu entgehen, dem jungen Manne zu: "Kommen Sie schnell" und war im nächsten Augenblicke mit ihm in eine Droschke gestiegen und zum Erstaunen des Publikums davongefahren.
- Ein schlichtes Bäuerlein trat unlängst in die Personenhalle des Wiener Franz=Joseph=Bahnhofes, um in seine Heimath zu reisen. Bedächtig greift er in die Brusttasche, zieht eine 5=Gulden=Note hervor und will damit zur Kasse, um ein Fahrbillet zu lösen. Da klopft dem biederen Landmann ein elegant gekleideter Herr auf die Schulter und macht ihm begreiflich, daß der Kassirer nie Kleingeld habe und bietet sich in gewinnender Freundlichkeit dem "Herrn Vetter" an, die Umwechselung der Staatsnote besorgen zu wollen, doch müsse er dagegen jene Hutschachtel, die dort auf einer Bank stand, bis zu seiner Rückkunft bewachen. Der Bauer war ungemein erfreut von der Höflichkeit des Städters, und wie eine Schildwache stand er neben der Hutschachtel mehr als eine Viertelstunde. Da erscholl das Glockensignal, es war dies das zweite Läuten. Ein ältlicher Herr ergreift die Hutschachtel - doch der treue Wächter verwehrt dies, denn, sagt er: "dö g'hort an anderen Herrn." "Sie irreen sich, mein Bester, die Schachtel ist mein Egenthum," entgegnete Jener und eilte mit derselben auf den Perron, unterdessen der Landmann verdutzt den Kopf schüttelt und leise sagt: "Jetzt hab i glaubt, die Schachte g'hurt dem noblen Herrn." "Einsteigen" ruft bereits der Schaffner, da wird's dem Harrenden doch zu lange; ängstlich schreitet er die Bahnhalle auf und ab, nach allen Seiten spähend, ob sich nicht der Ersehnte zeigt. Ein Sicherheitswachmann bemerkt die traurige Miene des Bauers und fragt nach dem Grunde der Mißstimmung. Das polizeiliche Organ erklärt dem Landmanne, daß er über die Note nicht länger nachsinnen möge, denn jener Herr, der sie wechseln wollte, sei ein Gauner und komme nicht wieder. Der Betrogene meinte zwar, daß jener Fremde so fein war, daß er das von ihm nicht glauben könne, doch muß er schließlich die Wahrheit dessen zugeben, denn schon rollt der Zug aus der Halle und noch erscheint nicht der elegante Herr mit den 5 Gulden.
- Auf dem Jahrmarkt in Berlin hält ein Schuster feil, ein ächtes Berliner Kind. Ein Kunde kommt, langt ein Paar Stiefel von der Stange und fragt: was kostet's 14 Mark! sagt der Meister und der Kunde sagt: schlechte Zeiten, ich gebe 5 Mark! - - stillschweigend hängt der Schuster die Stiefeln in seiner Bude wieder auf. - Na, na, ruft da der Kunde, ich gebe 6 Mark - und reicht 6 Mark hin und der Schuster streicht sie ein. Dann winkt er dem Manne sich zu setzen und hilft ihm den Stiefel anziehen. - so, das ist für 6 Mark, sagte er, und weigert sich standhaft, den andern Stiefel herzugeben. - Der Käufer schreit und läuft nach einem Schutzmann. Dieser kommt, erklärt aber, nichts machen zu können. - Was soll ich aber mit einem Stiefel? ruft der Käufer. - Sie haben ja nur einen haben wollen, sagt der Schuster, für 6 Mark kann ich nur einen geben; angenehm ist mir der Verkauf auch nicht; denn ich muß ja einen zweiten anfertigen lassen. - Der Käufer lamentirt immer lauter um seine 6 Mark und der Schuster

[ => Original lesen: 1877 Nr. 85 Seite 3]

wird gerührt. Wissen Sie was? Ich kaufe Ihnen für 4 Mark den Stiefel wieder ab. - So geschah es unter dem jubelnden Halloh zahlreicher Zeugen.
- Nach Gardelegen kam aus einem benachbarten Dorfe ein Ehepaar und ließ sich von einem Schuster die Karten legen. - Der Schuster verstand seine Sache und las aus den Karten, daß die Leutchen von bösen Geistern umgeben seien und sehr unglücklich werden würden, wenn es nicht gelinge, die Geister zu vertreiben. Dazu war ein Pulver gut, das auf einen Topf mit glühenden Kohlen geschüttet werden müsse und das ganze Haus damit geräuchert. Das Kartenlegen kostete 1 Mark das wirksame Pulver 9 M. Die Leute zogen heim und räucherten drauf los, daß sie halb erstickten. Nach ein paar Tagen kam der beschwörende Schuster und setzte seinen Hokuspokus fort, um die Geister festzumachen und dazu waren nöthig eine Rolle Geld, ein Stück neue Leinwand und ein neuer Sack. Er erhielt alles, um es auf den Gottesacker zu vergraben, und zuguter Letzt noch 6 Thaler. Der zweite Besuch kostete wieder 6 Thaler und ein halbes Bett, mit den Geistern blieb es bei'm Alten. Endlich aber kam doch etwas Geist oder Hellung in die dunkeln Köpfe der Geprellten. Sie klagten bei Gericht und die Richter verurtheilten halb unter Lachen, halb unter Aerger über solche Dummheiten den Schuster zu 4 Monat Gefängniß und 300 Mark Geldstrafe.
- Wozu die Post gut ist, kann man aus dem Jahresbericht des Londoner General=Postdirectors ersehen. So sucht z. B. eine Menge Leute zum Schaden des Post=Aerars zwischen den Blättern der unter Kreuzband der Schleife versendeten Zeitungen, Cigarren, Rauchtabak, Hemdkragen, Blumen, Handschuhe, Taschentücher, Strümpfe und Schuhe zu schmuggeln, obwohl das Porto niedrig genug berechnet ist und die englische Post Gegenstände zur Beförderung übernimmt, die anderwärts überall zurückgewiesen würden, wie z. B. Augengläser, Arzneien in Gläsern, Blutegel, Eidechsen=Schlangen, u. s. w. Eines der letztgenannten Thiere war schlecht verpackt, entkam aus seiner Haft und konnte nur mit größter Mühe wieder eingefangen werden. Als der Adressat es nicht abholte, machte man es dem zoologischen Garten zum Geschenk. Besser verpackt gelangten zwei Eidechsen und ein Riesenfrosch von New=York glücklich nach Liverpool und wurden prompt an den Adressaten abgeliefert. Abgesehen von solchen und ähnlichen Vorkommnissen, fanden sich innerhalb eines einzigen Jahres in den Londoner Briefkasten allein nicht weniger als 28,103 Briefe ohne Adresse; darunter 832 solche mit Werthpapieren und Baargeld, und zwar im Gesammtbetrage von 125,000 Francs. Außerdem fand man in den Briefkasten 78,572 Freimarken, die so schlecht aufgeklebt worden waren, daß sie herabfielen. Ein ganz offener Brief an einen Bankier enthielt 75,000 Francs in Banknoten. Die Zahl der wegen ungenauer oder schlecht geschriebener Adresse unbestellbaren Briefe betrug nicht weniger als fünf Millionen und darunter viele Tausende mit Baargeld und Banknoten. Auch die praktischen Engländer können sehr zerstreut sein.


Anzeigen.

Zum öffentlich meistbietenden Verkaufe der vor dem Sabowerthore bei der städtischen Lehmgrube belegenen, der Stadt Schönberg gehörenden drei Bauplätze haben wir einen Verkaufstermin auf

Mittwoch den 31. October c.,
Vormittags 11 Uhr,

angesetzt, zu welchem Kaufliebhaber sich in der Rathsstube einfinden wollen.
Die Verkaufsbedingungen werden im Termine verlesen, sind aber auch vorher bei uns einzusehen.
Schönberg, den 18. October 1877.

Der Magistrat.


Kampfgenossen=Verein 1870/71.
Am Sonntag den 11. November d. J.,
Nachmittags 3 Uhr,
ordentliche Versammlung
im Vereinslokale.
Schönberg.                                                    
                                                    Im Auftrage:
                                                    A. Westphal.


Heute Morgen 8 1/2 Uhr entschlief sanft nach langem schweren Leiden unsere innig geliebte Tochter Schwester und Braut

Bertha Kaiser.

Diese Traueranzeige machen Namens der Hinterbliebenen, und stille Theilnahme bittend

Bertha Kaiser geb. Ahlborn.     
Ewald Wohlfahrt.             

Stove den 26. October 1877.


Bekanntmachung.

Die diesjährigen Herbst=Control=Versammlungen im Compagnie=Bezirk Schönberg werden in Schlagsdorf am 22. November Morgens 8 Uhr, in Schönberg an demselben Tage Nachmittags 2 Uhr stattfinden.
Neustrelitz, den 25. October 1877.

Großherzogliches Landwehr=Bezirks=Commando.


Die
Ersparniß- und Vorschuß-Anstalt
in Schönberg
ist an jedem                          
Mittwoch
von 8-12 Uhr Vormittags
geöffnet.                          
                                                    Das Directorium.


Photographisches Atelier
von
C. Kindermann,
Lübeck,
Breitestrasse 788.


W. Kolls,
Juwelen-, Gold- u. Silber-Waaren-Handlung Lübeck, Sandstrasse 1006.
Bestellungen werden billig und prompt ausgeführt.


Zahnschmerzen jeder Art werden, selbst wenn die Zähne angestockt sind, augenblicklich durch den berühmten Indischen Extract beseitigt. Dieses Mittel hat sich seiner Unübertrefflichkeit wegen einen Weltruf erworben und sollte daher in keiner Familie fehlen. Echt in Fl. à 5 Sgr. im Alleindepot für Schönberg bei

Emil Jannicke, Bandagist.     


Für Arbeiter!
Fertige Anzüge, Jacket, Hose und Weste,
zusammen nur 17 Mark, empfiehlt                                                    
Schönberg.                                                     F. Seelig.


Fertige Winterüberzieher
in Doubel, Ratine und Flacone
empfiehlt preiswerth                                                    
Schönberg.                                                     F. Seelig.


Fertige Knaben=Paletots und Anzüge,
letztere schon zu 4,50 Mark.                                                    
Schönberg.                                                     F. Seelig.


Zu dem am

14. November

stattfindenden

Bauernball

erlaube ich mir meine geehrten Gönner freundlichst einzuladen.
Schönberg, den 28. October 1877.

J. Köster Wwe.


Den von der J. Maaß'schen Büdnerei über meinen jetzt mit Winterkorn bestellten Schlag führenden Schleichsteig, sowie überhaupt das Betreten meiner Wintersaat und meiner Buschkoppel verbiete ich gänzlich und werde ich Zuwiderhandelnde ohne Ausnahme dem Gerichte zur Bestrafung anzeigen.

Ollndorf.                                                      W. Bade.


[ => Original lesen: 1877 Nr. 85 Seite 4]

J. Frederick's Hefenmehl.

Hefenmehl erleichtert durch seine rationelle, auf chemische Weise bereitete Zusammensetzung die Herstellung der verschiedenartigsten Bäckereien von sehr lockerer Beschaffenheit unter Vermeidung der unsichern Hefe und großer Ersparniß an Zeit, Eiern und Butter.
                          Preis pro Pfund 45 Pf.
                          10 Pfund 4 Mark.
Zu haben bei

                          Aug. Spehr, Schönberg.


Putzleder

zum Reinigen der Fenster, lackirter Wagen, Möbeln, sowie namentlich von Gold= und Silbersachen, ist schön zu haben bei

Emil Jannicke,           
Handschuhmacher.     


Man biete dem Glücke die Hand!
375,000 R.-Mark

Haupt-Gewinn im günstigen Falle bietet die allerneueste grosse Geld-Verloosung, welche von der hohen Regierung genehmigt und garantirt ist.
Die vortheilhafte Einrichtung des neuen Planes ist derart, das im Laufe von wenigen Monaten durch 7 Verloosungen 46,200 Gewinne zur sicheren Entscheidung kommen, darunter befinden sich Haupttreffer von eventuell R.-M. 375,000 speciell aber

-------------------------
1 Gewinn a M. 250,000
1 Gewinn a M. 125,000
1 Gewinn a M. 80,000
1 Gewinn a M. 60,000
1 Gewinn a M. 50,000
1 Gewinn a M. 40,000
1 Gewinn a M. 36,000
3 Gewinn a M. 30,000
3 Gewinn a M. 25,000
3 Gewinn a M. 20,000
7 Gewinn a M. 15,000
1 Gewinn a M. 12,000
23 Gewinne a M. 10,000
3 Gewinne a M. 8,000
27 Gewinne a M. 5000
52 Gewinne a M. 4000
200 Gewinne a M. 2400
410 Gewinne a M. 1200
621 Gewinne a M. 500
706 Gewinne a M. 250
25,635 Gewinne a M. 138
etc. etc.
Die Gewinnziehungen sind planmäßig amtlich festgestellt.
Zur nächsten ersten Gewinnziehung dieser grossen vom Staate garantirten Geldverloosung kostet
   1 ganzes Original-Loos nur Mark 6
   1 halbes Original-Loos nur Mark 3
   1 viertel Original-Loos nur Mark 1 1/2
Alle Aufträge werden sofort gegen Einsendung, Posteinzahlung oder Nachnahme des Betrages mit der grössten Sorgfalt ausgeführt und erhält Jedermann von uns die mit dem Staatswappen versehenen Original-Loose selbst in Händen.
Den Bestellungen werden die erforderlichen amtlichen Pläne gratis beigefügt und nach jeder Ziehung senden wir unseren Interessenten unaufgefordert amtliche Listen.
Die Auszahlung der Gewinne erfolgt stets prompt unter Staats-Garantie und kann durch directe Zusendungen oder auf Verlangen der Interessenten durch unsere Verbindungen an allen grösseren Plätzen Deutschland's veranlasst werden.
Unsere Collecte war stets vom Glücke begünstigt und hatte sich dieselbe unter vielen anderen bedeutenden Gewinnen oftmals der ersten Haupttreffer zu erfreuen, die den betreffenden Interessenten direct ausgezahlt wurden.
Voraussichtlich kann bei einem solchen auf der solidesten Basis gegründeten Unternehmen überall auf eine sehr rege Betheiligung mit Bestimmtheit gerechnet werden, und bitten wir daher, um alle Aufträge ausführen zu können, uns die Bestellungen baldigst und jedenfalls vor dem 15. November d. J. zukommen zu lassen.

Kaufmann & Simon,
Bank- und Wechsel-Geschäft in Hamburg
Ein- und Verkauf aller Staatsobligationen, Eisenbahn-Actien und Anlehensloose.

P. S. Wir danken hierdurch für das uns seither geschenkte Vertrauen und indem wir bei Beginn der neuen Verloosung zur Betheiligung einladen, werden wir uns auch fernerhin bestreben, durch stets prompte und reelle Bedienung die volle Zufriedenheit unserer Interessenten zu erlangen.

D. O.     


     Hauptgewinn     
ev.
375,000
     Glücks-Anzeige.      Die Gewinne
garantirt
der Staat.

Einladung zur Betheiligung an die
Gewinn-Chancen
der vom Staate Hamburg garantirten grossen Geld-Lotterie, in welcher über
8 Millionen Mark
sicher gewonnen werden müssen.

Die Gewinne dieser vortheilhaften Geld-Lotterie, welche plangemäss nur 85,000 Loose enthält, sind folgende: nämlich

1 Gewinn ev. 375,000 Mark, speciell Mark 250,000, 125,000, 80,000, 60,000, 50,000, 40,000, 36,000, 6 mal 30,000 und 25,000, 10 mal 20,000 und 15,000, 24 mal 12,000 und 10.000, 31 mal 8000, 6000, und 5000, 56 mal 4000, 3000 und 2500, 206 mal 2400, 2000 und 1500, 412 mal 1200 und 1000, 1364 mal 500, 300 und 250, 28246 mal 200, 175, 150, 138, 124 und 120, 15839 mal 94, 67, 55, 50, 40 und 20 Mark

und kommen solche in wenigen Monaten in 7 Abtheilungen zur sicheren Entscheidung.
Die erste Gewinnziehung ist amtlich festgestellt und kostet hierzu
   das ganze Originalloos nur 6 Rm.,
   das halbe Originalloos nur 3 Rm.,
   das viertel Originalloos nur 1 1/2 Rm.,
und werden diese vom Staate garantirten Original-Loose (keine verbotenen Promessen) gegen frankirte Einsendung des Betrages oder gegen Postvorschuss selbst nach den entferntesten Gegenden von mir versandt.
Jeder der Betheiligten erhält von mir neben seinem Original-Loose auch den mit dem Staatswappen versehenen Original-Plan gratis und nach stattgehabter Ziehung sofort die amtliche Ziehungsliste unaufgefordert zugesandt.

Die Auszahlung und Versendung der Gewinngelder

erfolgt von mir direkt an die Interessenten prompt und unter strengster Verschwiegenheit.
Jede Bestellung kann man einfach auf eine Posteinzahlungskarte machen.
Man wende sich daher mit den Aufträgen der nahe bevorstehenden Ziehung halber bis zum

15. November d. J.

vertrauensvoll an

Samuel Heckscher senr.,
Banquier und Wechsel-Comptoir in Hamburg.


In Lübeck ist eine nett eingerichtete
Wirthschaft, beste Lage,

billig zu übernehmen.
Offerten sub H. 2573 b. bef. die Annoncen=Expedition von Haasenstein & Vogler in Lübeck.


Gesucht

wird krankheitshalber zu sogleich ein gesetztes Mädchen vom Lande von

Heinrich Freitag,     
Bäckermeister.      

Schönberg.


Getreide=Preise in Lübeck.
Waizen18 M -Pfennig  bis 24 M -Pfennig.
Roggen13 M -Pfennig  bis 16 M -Pfennig.
Gerste13 M -Pfennig  bis 16 M 50Pfennig.
Hafer12 M 50Pfennig  bis 15 M -Pfennig.
Erbsen13 M -Pfennig  bis 17 M -Pfennig.


Markt=Preise in Lübeck.
Butter pr. 500 Gr. M1,20 .
Hasen d. St. M3 - 4 .
Enten d. St. M1,60 .
Hühner d. St. M1,30 .
Kücken d. St. M0,75 .
Tauben d. St. M0,45 .
Gänse d. St. M7 .
Eier 4 St. für M0,30 .
Kartoffeln pr. 10 Lit. M0,60 .


(Hierzu eine Beilage.)


Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.


[ => Original lesen: 1877 Nr. 85 Seite 5]

Beilage
zu Nr. 85 der Wöchentlichen Anzeigen für das Fürstentum Ratzeburg.
Schönberg, den 30. October 1877.


Des Mordes verdächtig.
(Eine Erzählung.)
(Schluß.)

[ => Original lesen: 1877 Nr. 85 Seite 6]

Des Mordes verdächtig.
(Eine Erzählung.)
[Schluß.]


- Nachrichten aus Washington vom 21. d. melden, daß nach allen Berichten die diesjährige Weizenernte die ergiebigste sei, die jemals in den Vereinigten Staaten vorkam.
- Die neueste Mode=Erfindung sind die in Paris vor wenigen Tagen aufgetauchten Ohrenschuhe (Gants d'oreilles). Man kannte bisher von ähnlichen Objecten: Handschuhe und jene einem Maulkorbe vergleichbare Vorrichtung, die man allenfalls Mundschuhe nennen könnte und welche die Damen in London zum Schutze gegen den für schwächliche Naturen so schädlichen Nebel tragen. Während solch ein Mundschuh aus einem mit dünnen schwarzen Gewebe überzogenen doppelten Drahtreifen besteht, welcher die Lippen bedeckt, durch eine elastische Schnur festgehalten wird und das rasche Einathmen der kalten feuchten Luft verhindern soll, sind die Gants d'oreilles einfach kleine Hülsen aus rosafarbigem Kautschuk, welche man über die Ohren zieht, um diese gegen die rauhe Winterkälte zu schützen. Daß diese neue Mode einen durchgreifenden Erfolg erziele, möchte man ernstlich bezweifeln, denn der hübscheste Frauenkopf erlangt durch diese ungraziösen Attribute eine erschreckende Aehnlichkeit mit einer Fledermaus, und Toilettenstücke, welche so wenig kleidsam sind, tragen schon bei ihrem Entstehen den Todeskeim in sich. Eine praktische Verwendung kann man aber bei der herrschenden und stets im Zunehmen begriffenen Clavier=Epidemie den kleinen Ohrenschützern jedenfalls nicht absprechen und mancher von den musikalischen Studien seiner Nachbarn arg gepeinigte Erdenmensch wird gewiß dankerfüllten Herzens seinem vibrirenden Trommelfell diese willkommene Erleichterung bieten. Ob wohl in nächster Zeit auch Nasenschuhe als sorgliche Schützer unseres Geruchsorgans auftauchen?
- "Auf mich wird's nicht ankommen", ist einer jener Trostgründe, mit dem sich die liebe Faulheit so oft zum allgemeinen Schaden vom Handeln und Mitwirken, wie z. B. bei öffentlichen Wahlen, zurückzieht. Was aber oftmals dabei herauskommt, das illustrirt folgendes lehrreiche Geschichtchen: "In Lumpenheim feierte der Bürgermeister sein 25jähriges Dienstjubelfest und weil er ein braver Mann und tüchtiger Bürgermeister war, so beschloß die Gemeinde, ihm ein Faß Ehrenwein zum Geschenk zu machen. Jeder Bürger sollte ein Krüglein selbstgezogenen Weins beisteuern und so fuhr das Faß von Haus zu Haus und jeder schüttelte seinen Krug voll zum Spundloch hinein. Der Bürgermeister war hocherfreut über die Ehre, das Faß wurde sogleich angestoßen, um das erste Glas auf das Wohl der Gemeinde zu trinken und siehe da, statt Wein lief - eitel Wasser heraus. - Jeder hatte gedacht: "Bah, auf mich allein kommt's nicht an, bei 300 Bürgern merkt man's nicht, wenn unter 299 Krüglein Wein ein Krüglein Wasser ist", und Jeder hatte sein Krüglein Wasser hinein geschüttet. Und da standen sie nun mit langen Gesichtern und Jeder hatte eine Wuth auf den Andern, daß der Andere sich so erbärmlich aufgeführt habe.


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