No. 72
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 14. September
1877
siebenundvierzigster Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1877 Nr. 72 Seite 1]

Politische Rundschau.

Mecklenburg. Am 10. und 11. September hat in Wismar eine aus Geistlichen und Laien zusammengesetzte freie kirchliche Konferenz stattgefunden, die für unser ganzes Mecklenburg von großem Segen sein bezw. werden dürfte; und darum können wir nicht umhin, unsern Lesern kurz über dieselbe zu berichten. Wie großes Interesse dieser Konferenz, die im vorigen Jahre zum ersten Male in Bützow tagte, von allen Seiten entgegengebracht wird, zeigte sich darin, daß schon der am Nachmittage des 10. Sept. stattfindenden Versammlung über zweihundert und der Hauptversammlung über vierhundert Männer und viele Frauen beiwohnten. In der Vorversammlung hielt Herr Gutsbesitzer Bock Gr. Weltzin einen längeren Vortrag, in welchem derselbe das Bedürfniß, das diese Konferenz ins Leben gerufen hat, die Ziele, welche sie zu verfolgen hat, und die Stellung des Vorstandes zur Konferenz besprach. In Bezug auf das Bedürfniß führte der Herr Redner aus: es sei eine den Geistlichen wie den Laien gestellte Aufgabe, dazu beizutragen, daß in der gegebenen Form das kirchliche Leben kräftig pulsire, und dazu solle die Konferenz helfen. Ferner soll dieselbe der Ort sein, wo sich Laien an kirchlichen Angelegenheiten betheiligen und in Bezug auf die Erweisung des Christenthums im täglichen Leben Anregung und Belehrung empfangen können; während andererseits die Geistlichen schon längst die Nothwendigkeit einer Unterstützung in ihrem Berufe von Seiten ihrer Gemeindeglieder, empfunden haben; und diesem Bedürfnisse abzuhelfen, will die Konferenz zur Bildung kleinerer Vereinigungen im Lande anregen.
In der Hauptversammlung am zweiten Tage berichtete der Herr Pastor Schmidt=Wittenburg über die im verflossenen Jahre innerhalb unseres Landes entstandenen kleineren kirchlichen Vereinigungen. Darnach haben sich bereits drei solcher kirchlichen Vereinigungen unter verschiedenen Namen fest begründet und sind in geregelte Thätigkeit getreten, während an vielen anderen Orten solche Vereinigungen im Entstehen begriffen sind. Nachdem sodann der Herr Professor Dieckhoff=Rostock mitgetheilt hatte, daß sich auf Anregung des Vorstandes der kirchlichen Konferenz ein Komite gebildet habe, um ein Gutachten über die Frage abzugeben, was sich thun lasse, damit die Taufe der Kinder innerhalb der ersten acht Tage nach der Geburt wieder kirchliche Sitte werde, wurde der Hauptvortrag vom Herrn Baron v. Maltzan auf Kl. Luckow über die Frage gehalten: was wir thun können, um unserm Volke die Sonntagsruhe wieder zu verschaffen.
Hauptsächlich wird diese kirchliche Konferenz ihr nächstes Ziel ja erst dann erreicht haben, wenn dieselbe nun wirklich überall in Mecklenburg die Bildung kleinerer kirchlicher Vereinigungen veranlaßt hat. Bekanntlich ist auch hier in Schönberg in Veranlassung der vorjährigen Bützower Konferenz ein "Verein zur Förderung des Volkswohles" gegründet worden, und wir hofften, daß derselbe eine sehr gesegnete Wirksamkeit würde entfalten können; aber leider ist seitdem nichts wieder von demselben gehört worden; und es ist wohl zu fürchten, daß derselbe eingeschlafen ist. Wir beklagen das um so weniger, als der Verein nicht von Anfang ausdrücklich aussprechen wollte, daß er auf christlichem Grunde stehen wolle, sodaß die Gefahr nahe lag, daß derselbe je länger desto mehr in falsche Bahnen gerathen werde. Wir hoffen vielmehr, daß nun die Herren Geistlichen unseres Fürstenthums die Sache in die Hand nehmen werden, um in Verbindung mit Laien eine kirchliche Vereinigung, sei es Konferenz, sei es Verein, zu Stande zu bringen, deren Wichtigkeit und Nothwendigkeit auf der Hand liegt.
Deutschland. Wie es heißt, wird der Reichskanzler Fürst v. Bismarck etwa Mitte nächster Woche Gastein verlassen und, nachdem eine Zusammenkunft mit dem Grafen Andrassy stattgefunden haben wird, nach Berlin zurückkehren, um längere Zeit dort zu verweilen.
Die "Mecklenb. Anz." wollen wissen, daß auf Wunsch des Reichskanzlers die Vorarbeiten zu einer Revision der Gewerbe=Ordnung im Reichskanzler=Amte einstweilen zurückgestellt worden seien, weil Fürst Bismarck die Absicht ausgesprochen habe, persönlich diese Reform=Angelegenheit in die Hand zu nehmen und seinerseits die leitenden Gesichtspunkte für dieselben anzugeben.
In Bezug auf die Unsolidität des deutschen Gewerbebetriebes und besonders bezüglich der in letzter Zeit so vielfach aufgetretenen Fälschung von Lebensmitteln schreibt der Berliner "Reichsbote": "Es dürfte wohl von keinem Menschen mehr geläugnet werden, daß die schrankenlose Gewerbefreiheit, die Aufhebung der Meisterprüfungen und vor Allem die Actienfreiheit die Unsolidität in unserm Gewerbebetrieb ganz außerordentlich befördert haben. Durch das Actienwesen ist der Geschäftsbetrieb zu einem Börsenspiel geworden, bei dem lediglich nur der eine Gesichtspunkt des möglichst größten Gewinnes in Betracht gezogen wird. Die eigentlichen Quellen der gefälschten Waaren sind die großen Actiengeschäfte. Sie überschütten das Land mit gefälschtem Bier, Brot, Bekleidungsstoffen und so weiter, und schon der Concurrenz halber muß denn auch der kleine Fabrikant fälschen, weil er ächte Waare wegen ihres höheren Preises auf dem Markte garnicht mehr los wird. Fast ebenso viel Schaden, wie durch die gefälschte Waare, hat das Publikum jetzt durch die schlecht gearbeitete Waare. Das Land läuft voll Handwerker, welche selbstständige Geschäfte etabliren und dann alles, was man bei ihnen machen läßt, verpfuschen. Es wird einem nachgerade immer Angst, wenn man irgend etwas zu machen hat. In den kleineren Orten geht's noch eher an, weil da die Leistungen der Handwerker eher bekannt werden; aber in den großen Städten wimmelt es z. B. von Schuhmachern, welche in ihren Laden die schönsten Schuhwaaren zur Schau stellen, von denen sie aber kein Stück selbst gefertigt haben, und wenn man, dadurch verlockt, sich Stiefel machen läßt, so ist man angeführt. Wir sprechen aus Erfahrung. So ist's nicht bloß bei Schuhmachern, sondern auch bei Schneidern, Tischlern u. s. w. Die Leute haben ihr Geschäft nicht gelernt. Als Geselle haben sie vielleicht immer nur Rockärmel oder Hosenbeine genäht oder Stiefelsohlen aufgenäht. Wie können sie nun vollständige Kleidungsstücke in der rechten Weise fertigen? Die Folge ist, daß das Publikum sich

[ => Original lesen: 1877 Nr. 72 Seite 2]

immer mehr von den einzelnen Handwerkern zurückzieht und in den großen Bekleidungsmagazinen kauft, in Folge dessen der einzelne Handwerker in Abhängigkeit von diesen Magazinen geräth. Dadurch kommt aber das Gewerbe ganz in die Abhängigkeit vom Handel, denn diese Geschäfte sind gewöhnlich in den Händen von Handelsleuten und zwar meistens von jüdischen. Das ist für das Gewerbe ein Verderben . . . soll's mit unseren Gewerben besser und sie vom Fluche der Fälschung und Unsolidität befreit werden, dann muß die solide ehrenhafte Meisterschaft wieder eine Macht in ihn und die Geldherrschaft, die Alles zum Börsenspiel macht, gebrochen werden, geschieht das nicht, so werden alle Mittelchen gegen die Fälschung wenig helfen. die redlichen gewerbetreibenden sollten selbst, wie wir neulich schon ausführten, sich zur Unterdrückung der Unsolidität im Gewerbebetrieb verbinden, und das Publikum sollte sie darin dadurch gewissenhaft unterstützen, daß es überall gute und ächte und nicht immer bloß und in erster Linie billige Waare verlangt.
Preußen. Der "Deutsche Reichs=Anzeiger" veröffentlicht eine wichtige Königliche Verordnung vom 5. Sept., wodurch die Verwaltung der Angelegenheiten der "evangelischen Landeskirche" auf den Berliner Oberkirchenrath und die Konsistorien der acht älteren Provinzen der Monarchie übertragen wird.
Frankreich. Der bekannte radikale Agitator Gambetta ist vom Pariser Zucht=Polizeigericht zu dreimonatlichem Gefängniß verurtheilt worden.
Vom Kriegsschauplatze ist zu berichten, daß die türkische Festung Niksi nach langer Belagerung nunmehr von den Montenegrinern erobert worden ist. Zwischen Russen und Türken finden blutige Kämpfe besonders bei Plewna statt, dessen Fall täglich erwartet wird.


- Wie die "Volks=Ztg." aus guter Quelle erfährt, zieht sich über den Häuptern der Bierverfälscher ein drohendes Gewitter zusammen. Das Reichsgesundheitsamt hat in neuester Zeit die in sämmtlichen Berliner Brauereien gebrauten Biere einer Probe unterworfen, um die Zusammensetzung derselben festzustellen. Im Reichsgesundheitsamt wird man den Begriff "Bier" feststellen, um dann auf Grund des zu erlassenden Reichsgesetzes alle mit schädlichen Surrogaten (wie Stärkezucker etc.) vermischten Biere einem Verbote und die Fälscher der gebührenden Strafe zu unterwerfen. - Die "Nat. Ztg." erfährt ferner, daß Aussicht vorhanden ist, die Verfälschungen von Milch, welche namentlich in großen Städten so unselige Folgen nach sich ziehen - die übermäßige Kindersterblichkeit ist ja zum großen Theil hierauf begründet - besser zu controliren und zu constatiren, als es bisher möglich war. Es ist nämlich gelungen, ein Instrument herzustellen, das es Jedem auf die leichteste und schnellste Weise ermöglicht, den Procentsatz des der Milch hinzugesetzten Wassers genau festzustellen. - Die Bestrebungen des Reichsgesundheitsamtes verdienen die allgemeinste Anerkennung und werden auch hoffentlich aus der Mitte des Publikums, das sich den Fälschungen gegenüber so indolent zeigte, Unterstützung und Entgegenkommen finden.
- Die Staatsanwälte gehen gegen die Fälscher von Lebensmitteln tüchtig ins Zeug. In Berlin haben sie einen Fabrikanten, der gefälschten Pfeffer und Zimmt im Großen machte und an zahlreiche Kaufleute vertrieb, das Geschäft geschlossen und ihn selber in Untersuchung genommen. Der Mann galt für sehr solid, ehe ihn ein entlassener Arbeiter denunzirte.
- In Zibrow in Böhmen ist der Förster Fahrner von seinem 12jährigen Sohne, den er zum ersten Mal auf den Anstand mitgenommen hatte und der mit dem Gewehr nicht recht umzugehen wußte, erschossen worden.
- In Braunschweig hat sich ein Liebespaar, ein Schweizer Student und ein Bürgermädchen, mit Cyankali vergiftet, weil die Eltern das Verhältniß nicht dulden wollten.
Strousberg ist in Berlin angekommen und von der Industrie mit hoffnungsvoller Hausse begrüßt worden.
- In den Alpen und Voralpen am Bodensee und sogar in Lübeck ist am 7. Sept. der erste Schnee gefallen.
- Die 85er und 31er Infanteristen im Lockstedter Lager bei Hamburg haben den 2. September mit einer kleinen Schlacht gefeiert, bei der es 12 schwer Verwundete gab.
- Im Weimar'schen Forste Tautenburg regnet es Koth und Raupen! seit 14 Tage hat die Raupe des Schmetterlings B. Pudibunda 3-400 Acker des schönsten Buchenbestandes vollständig entlaubt. Milliarden der noch nicht ausgewachsenen Thiere stürzen sich von den abgefressene Zweigen, um bei der Concurrenz schnell zur Erde zu kommen und von da neue, womöglich noch belaubte Bäume aufzusuchen.
- In Brüx (Böhmen) erschlugen zwei Knaben von 11 und 13 Jahren die Tochter eines Tischlers mit Hopfenstangen, und in Sabesel erschoß ein 10jähriger Knabe nach vorausgegangenem Streite einen neunjährigen anderen Knaben!


Anzeigen.

Nach der uns gestern gemachten Anzeige sind dem Webermeister Ollmann zu Klocksdorf in der Nacht von 6. auf 7. d. M. von der in seinem Garten befindlichen, etwa 50 Schritte von seinem Wohnhause entfernten Bleiche 6 Enden weißes flächsen Leinen, je 20 Ellen lang und 9/8 Ellen breit, sowie einige Pfund Zwirn entwandt worden.
Wir bitten um gefällige Vigilanz auf den Dieb und die gestohlenen Sachen und event. um sofortige Benachrichtigung dienstergebenst.
Schönberg, den 8. September 1877.

Großherzogliches Justiz=Amt der Landvogtei des Fürstenthums Ratzeburg.
v. Arnim.

A. Dufft.     


Zum öffentlich meistbietenden Verkaufe des der Stadt Schönberg gehörenden, in der Wasserstraße hieselbst sub. Nr. 63 belegenen massiven Wohnhauses ist ein Termin auf

Mittwoch, den 21. September c.,
Vormittags 11 Uhr, von uns angesetzt.

Kaufliebhaber werden hiedurch aufgefordert, sich zur angesetzten Zeit in der Rathsstube einzufinden, die Verkaufsbedingungen werden im Termine verlesen, sind aber auch vorher bei uns einzusehen.
Schönberg, den 9. September 1877.

Der Magistrat.


Torf=Auction.

Am 22. und 29. September, von Morgens 9 Uhr ab, sollen auf dem Rünzer Moor ca. 800 Mille Ruthen=, Form= und Stechtorf bei freier Concurrenz für die Einwohner des Fürstenthums Ratzeburg meistbietend gegen Baarzahlung verkauft werden und wollen sich Kaufliebhaber zur gedachten Zeit auf dem Rünzer Moor einfinden.
Schönberg, den 6. September 1877.

Der Oberförster     
C. Hottelet.        


Am Montag den 17. September cr., Vormittags 11 Uhr werde ich beim Arbeitsmann Boie in Rottensdorf die in vim executionis zur Abpfändung gekommenen Gegenstände als:

1 Kleiderschrank, 1 eich. Koffer, 1 Chatulle, 1 amerikanische Uhr, 2 Ziegen, etwas Heu und Brennholz, 3 Stühle, einige Mannskleidungsstücke und die auf circa 30 []Ruthen Land ausgepflanzten Kartoffeln
öffentlich meistbietend gegen baare Zahlung versteigern.
Schönberg.

Staffeldt,          
Landreiter.     


Am Dienstag den 18. September c., Morgens von 9 Uhr an, soll in der Behausung des Schulzen Kähler in Lankow in öffentlicher Auction gegen gleich baare Zahlung verkauft werden:

1 großer Kleiderschrank, 4 versch. Schränke, 1 Kommode 2 Koffer, 1 Lade, 3 Tische, gegen 200 Pfund rohen Flachs, gegen 60 Pfd. Flachs, gegen 40 Pfd. Heede, 157 Ellen Leinen, Leinenzeug, Manns= und Frauenkleidungsstücke, Betten, Haus= und Küchengeräthe, 1 Ziege.
Schlagsdorf, den 7. September 1877.

Krüger,          
Landreiter.     


[ => Original lesen: 1877 Nr. 72 Seite 3]

Heute entschlief sanft nach schweren Leiden unser kleiner Herrmann im Alter von sechs Wochen.
Schönberg, den 11. September 1977.

W. Schär     
und Frau.     


Allen, die unsere liebe Mutter zur letzten Ruhestätte begleiteten, unsern tiefinnigsten Dank!
Rehna.

Geschwister Kassow.     


Bekanntmachung.

Die Schulden=Regulirungs=Section beabsichtiget in Gemäßheit des Rath= und Bürgerschlusses vom 10. Mai 1875 an der Ausloosung theilnehmende Obligationen der alten Anleihen, sowohl der freiwilligen, wie der contributionsmäßigen, von den Mindestfordernden anzukaufen.
Offerten mit Angabe der Loosnummern und des Betrages der einzelnen Stücke, sowie des Zinsfußes und des Zinsverfalltages, sind bis zum 30. dies. Mts. versiegelt und mit dem Vermerk "Verkaufsofferte" bei Senator Schroeder hierselbst einzureichen.
Lübeck, den 1. September 1877.

Schulden=Regulirungs=Section.     


Hotel National.
Berlin N.
129 Invalidenstrasse 129.
gegenüber dem Stettiner Bahnhof.
Hotel und Restaurant I. Ranges.
Reich ausgestattete Zimmer schon für M. 1,25.
Licht und Service wird nicht berechnet.
Bei längerem Aufenthalt Pensionspreise.


Mit einer neuen Sendung

Bettfedern

in verschiedenen und billigsten Preisen, empfiehlt sich
Schönberg, 1877.

Heinrich Creutzfeldt.     


Ich erlaube mir hiermit anzuzeigen, daß ich Donnerstag den 27. September ein

Putzgeschäft

eröffne und bitte die geehrten Damen der Stadt und Umgegend um geneigten Zuspruch.
Ich wohne im Hause des Herrn Färbermeisters Musfeld, Siemzer=Straße Nr. 108.
Es werden von jetzt an alle Arbeiten angenommen.
Schönberg.

                          Hochachtungsvoll ergebenst
                          Marie Tretow.


Auszug
aus der
Rechnungsablage der Feuerassecuranz=Societät
im Fürstenthum Ratzeburg
für 1876,
wie solche dem Directorium in der Generalversammlung am 3. Mai c. vorgelegt und von demselben richtig befunden, auch von Großherzogl. Landvogtei revidirt und dechargirt ist.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]

Schönberg, August 1877.

                          Die Direction.
                          F. Fick.        F. Stüve.


[ => Original lesen: 1877 Nr. 72 Seite 4]

Außer den in Deutschland eingerichteten 1265 Niederlagen unserer als rein gehalten bekannten

Bordeaux=, Rhein= und Mosel=Weine

empfehlen wir für Schönberg i. M. und Umgegend die bei dem Herrn

A. Zander

eingerichtete, der wir die besten Gewächse und Jahrgänge zugetheilt haben, welche zu den billigsten vor geschriebenen engros-Verkaufspreisen abgegeben, und wo auch Aufträge, aus unserem Lager in Bordeaux zu senden, entgegen genommen werden.
Siegel Die Etiquettes müssen stets mit nebenstehendem Stempel versehen sein.

                          Th. Baldenius Söhne,
                          Weingroßhandlung,
                          Berlin, Oranienburger Straße 28.


Da ich bis Michaelis gänzlich räumen muß verkaufe ich von heute an den Rest meiner Waaren, worunter sich noch viele werthvolle Sachen befinden, zu jedem annehmbaren Preise.
Rehna, August 1877. J. Burchard.


Mein gut assortirtes
Lampen=Lager

empfehle für diesen Herbst ganz besonders, da die Preise bedeutend ermäßigt sind; auch

Lampendochte, Glocken und Cylinder in allen Sorten, sowie
polirte Cylinder ohne Preiserhöhung.
Hochachtungsvoll und ergebenst
W. Wieschendorf,
Klempner in Schönberg.


Die Dampfwaschkessel

verdienen mehr bekannt zu werden, da durch Gebrauch desselben in jedem Hausstand an Seife, Feuerung und Arbeitskraft ganz bedeutend gespart wird. Die Vorrichtung zum Gebrauch desselben in Waschküchen und auf gewöhnlichen Herden erfordert nur geringe Unkosten, dagegen auf jedem Sparherd passend.
Ich bin gerne bereit, jeder geehrten Herrschaft einen gebrauchten Kessel zum Probiren gratis zu leihen, damit Niemand die Ausgabe in Ungewißheit der Zweckmäßigkeit zu machen braucht.
Schönberg.

Ergebenst
W. Wieschendorf,
Klempner.


Photographisches Atelier
von
C. Kindermann,
Lübeck,
Breitestrasse 788.


Alle, die noch Rechnungsforderungen an den verstorbenen Schneidermeister J. Otto und F. Otto haben, werden ersucht, ihre Rechnungen innerhalb 8 Tagen bei dem Unterzeichneten einzureichen.
Schönberg, den 13. September 1877.

F. Otto,            
Schneidermeister.     


Sonnabend Abend 7 Uhr                           
Marienthaler Bier
vom Faß.

Sonntag Abend 7 Uhr                           
Culmbacher Bier
vom Faß.
wozu freundlichst einladet                          
                          F. Tesch.


Heute Freitag, den 14. Septbr.                          
Erlanger Bier
vom Faß
Anstich Abends 6 1/2 Uhr.
Frische Krebse, frische Jauersche Wurst,
empfiehlt                                                    H. Duve.


Gesucht zu Hof Rabensdorf ein gewandter
Stallknecht,

der Einiges im Hause zu thun hat.


Am Sonnabend d. W. werden Rappschoten verbrannt zu Hof Rünz.


Kirchliche Nachrichten.

Sonntag, 16. September.
Früh=Kirche: Pastor Kämpffer.
Vormittags=Kirche: Pastor Fischer.
Amtswoche: Pastor Fischer.


Getreide=Preise in Lübeck.
Waizen20 M -Pfennig  bis 25 M -Pfennig.
Roggen17 M 50Pfennig  bis 18 M 50Pfennig.
Gerste15 M -Pfennig  bis 17 M -Pfennig.
Hafer15 M -Pfennig  bis 16 M 50Pfennig.
Erbsen15 M -Pfennig  bis 17 M -Pfennig.


Markt=Preise in Lübeck.
Butter pr. 500 Gr. M1,30 .
Hasen d. St. M3 - 4 .
Enten d. St. M1,60 .
Hühner d. St. M1,40 .
Kücken d. St. M0,70 .
Tauben d. St. M0,40 .
Wurst pr. 500 Gr. M1,20 .
Eier 5 St. für M0,30 .
Kartoffeln pr. 10 Lit. M0,60 .


(Hierzu eine Beilage.)


Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.


[ => Original lesen: 1877 Nr. 72 Seite 5]

Beilage
zu Nr. 72 der Wöchentlichen Anzeigen für das Fürstentum Ratzeburg.
Schönberg, den 14. September 1877.


- In Betreff der Steuerkraft der großen Städte Preußens, sowie hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Staats= und Communalsteuern, sind folgende statistische Notizen von Interesse: Berlin brachte im Jahre 1875 auf an Staatssteuern 14,981,329, an Gemeindesteuern 21,163,645 Mk. Breslau 3,013,212 Staats=, 3,457,438 Gemeindesteuern, Köln 2,283,754 St., 2,836,360 Gem., Königsberg 983,339 St., 1,188,000 G., Hannover 1,036,135 St., 718,757 G., Danzig 688,247 St., 1,157,943 G., Magdeburg 1,146,139 St., 780,050 G. Auf den Kopf der Bevölkerung betrug die durchschnittliche Gesammtsteuer 37,38 in Berlin, 27,06 in Breslau, 38,77 in Köln, 18,09 in Königsberg, 16,45 in Hannover, 19,24 in Danzig, 21,91 in Magdeburg. Bei dem hohen Steuersatz, welchen Köln bezahlt, sind die in dieser Stadt bestehenden großen Erwerbs=Gesellschaften, wie Rheinische und Köln=Mindener Bahn, Schaffhausen'scher Bankverein u. s. w., von wesentlichem Einfluß.
- Die Provinz Sachsen (mit den anliegenden Ländern) ist es namentlich, die uns Deutschen und einigen andern guten Leuten das Leben süß macht; denn sie baut die meisten Zuckerrüben und macht den meisten Zucker. Bis nach Indien hinüber spürt man die deutsche Rübenzucker=Industrie und dort am meisten, da Deutschland bis zum Jahre 1836 fast nur indischen Zucker bezogen und verbraucht hat. Der deutsche Zucker verträgt etwas, was die deutschen Staatsbürger nur schwer vertragen, nämlich eine ungemein hohe Steuer. Im Jahre 1840 hat die Steuer vom Centner verarbeiteter Rüben 1/4 Sgr. betragen, jetzt beträgt sie 8 Silbergroschen, also 32mal so viel. Kein Wunder, daß der Rübenzucker über die Undankbarkeit des Staats, dem er so viel einträgt, manchmal seufzt.
- Einjährig Freiwillige. Betreffs der Ausstellung von Zeugnissen über die wissenschaftliche Qualification zum einjährig=freiwilligen Dienst hat der Cultus=Minister vor einiger Zeit ein Rundschreiben von allgemeinem Interesse an die Schulbehörden gerichtet. Der Minister weist in demselben zunächst darauf hin, daß aus naheliegenden Gründen denjenigen Schülern gegenüber, welche in der Schule nur so lange verbleiben wollen, bis sie diejenige Klasse erreicht haben, deren Besuch ihnen die Erlangung der Berechtigung zum einjährigen Dienst überhaupt ermöglicht, bei Ausstellung des Qualifications=Zeugnisses vielfach allzu große Nachsicht geübt werde. Wenn nun manche Schulen zur Abwehr der Gefahr oder des Scheines einer ungerechtfertigten Nachsicht aus eigenem Antriebe bereits eine besondere Prüfung eingerichtet hätten, so empfehle es sich, diese als zweckmäßig anzuerkennende Einrichtung da, wo sie bestehe, zu erhalten; allerdings könne ein solches Verfahren von den nach der deutschen Wehrordnung einmal für berechtigt anerkannten Lehranstalten nicht ausdrücklich gefordert werden. Dagegen sei unter allen Umständen die Forderung zu stellen, daß bei Zuerkennung des militärischen Berechtigungszeugnisses mit derselben Strenge und nach denselben Grundsätzen verfahren werde, nach welchen über die Versetzung der Schüler zu entscheiden sei. Fortan sollen demnach dabei folgende Bestimmungen eingehalten werden: 1) Der Beschluß über die Zuerkennung des Zeugnisses darf nicht früher gefaßt werden, als in dem Monate, in welchem der einjährige Besuch der zweiten beziehungsweise ersten Klasse der betreffenden Schule abgeschlossen wird. 2) In der Konferenz=Berathung über die Zuerkennung des Zeugnisses haben alle bei dem Unterricht des Bewerbers betheiligten Lehrer ihr Votum abzugeben. Für die Entscheidung sind die für die Versetzung in eine höhere Klasse geltenden Grundsätze einzuhalten. Das Protokoll muß die Begründung der Zuerkennung vollständig ersichtlich machen. 3) Das Protokoll über die Verleihung des Zeugnisses an diejenigen Schüler, welche nach Verleihung desselben die Schule zu verlassen beabsichtigen, ist abgesondert von dem allgemeinen Konferenz=Protokoll zu führen. Denjenigen Schülern dagegen, welche die Schule bis zu deren Abschluß oder jedenfalls über die Stelle hinaus, an welcher das Militärzeugniß erreichbar ist, besuchen, soll mit der Versetzung in die nächsthöhre Klasse zugleich das militärische Qualifications=Zeugniß zuerkannt und ihnen auch sofort mit dem Schulzeugniß ausgestellt und zugehändigt werden. Die Inhaber bedürfen bei einer erst später eintretenden Anwendung des Zeugnisses nur noch einer Bescheinigung des Direktors über ihre sittliche Führung in der dazwischen liegenden Zeit.
- Die Ohrfeige, welche Königin Victoria dereinst im Glaspalast in London ihrem ältesten Söhnlein eigenhändig verabreichte, weil es die ausgestellten Herrlichkeiten wider Verbot und gute Sitte antatschte, ist weltberühmt und hatte nur den einen Fehler, daß sie nicht kräftig und nachhaltig genug war. Mütterliche Ohrfeigen thun nicht weh, die Hand des Vaters liegt schon schwerer auf den Söhnen. Die Engländer und andere Leute hätten gegen eine neue Lektion kaum etwas einzuwenden; denn sie hören nur allzuviel von dem Leben und den Abenteuern des Prinzen und selten etwas Erfreuliches, der Prinz langt mehr wie je nach den Herrlichkeiten dieser Welt, die nicht für ihn gewachsen sind, giebt als Thronfolger ein bitterböses Beispiel und ärgert seine Rose von Dänemark, die er über anderen wilden Rosen vergißt, halb zu Tod. Man sagt, seine schöne, brave und sehr häusliche Gemahlin wolle sich jetzt von ihm scheiden lassen oder doch trennen und ihr Vater, der dänische König, sei über den Kanal gereist, um zu vermitteln.
- "Mausefallen für Briefe", so bezeichnet drastisch aber nicht mit Unrecht das L. Tageblatt die Drucksachen unter Schleife und Kreuzband, in welche sich leicht und oft Briefe schieben, die schließlich ganz verloren gehen, ist der Empfänger der betreffenden Kreuzbandsendung nicht rücksichtsvoll genug, die eingeschobenen Briefe der Post zurückzugeben. So wurden vor einiger Zeit in einer Leipziger Kreuzbandsendung nicht weniger als sieben Briefe gefunden, welche sich unter die Schleife geschoben hatten. Am Leipziger Hauptpostamte ist ein besonderer Kasten für Kreuzbandsendungen angebracht, welcher mit dem Briefkasten in keiner Verbindung steht. Würde überall eine solche Trennung hergestellt, so würden die obengedachten unangenehmen Zufälle, wenn auch nicht ganz aufhören, so doch sich verringern.
- Von Seiten des bayerischen Gewerbemuseums zu Nürnberg geht uns folgende Uebersicht der auf der Ausstellung von Arbeiten der vervielfältigenden Künste im Baierischen Gewerbemuseum zu Nürnberg ausgestellten Gegenstände zu: Der moderne Buchdruck ist durch etwa 50 Aussteller mit vortrefflichen Leistungen vertreten: 268 verschiedene Werke sind von den hervorragendsten Verlagsbuchhandlungen und Buchdruckereien ausgestellt. Berlin, Leipzig, Dresden, München, Nürnberg, Augsburg, Stuttgart, Düsseldorf haben sich besonders hervorgethan und in typographischen Prachtwerken umfaßt die Ausstellung alle hervorragenden Erscheinungen des deutschen Büchermarktes. Die Ausstellung ist in übersichtlicher Weise alphabetisch nach den Druckorten und Firmen angeordnet und gestattet einen Einblick in die Bestrebungen der Gegenwart, geschmackvoll und technisch vollendet zu arbeiten. Sehr interessant ist der Vergleich mit den älteren Druckerarbeiten vom Jahre 1500 an bis zur Mitte unseres Jahrhunderts. Er bietet das eigenthümliche Bild, daß erst in der jüngsten Zeit der Einfluß der guten älteren Vorbilder begonnen und mit Verständniß die Lehren für unsere modernen Arbeiten aus der Schule der Geschichte gewonnen werden. - Eine große Zahl der Werke ist in Prachtbänden ausge=

[ => Original lesen: 1877 Nr. 72 Seite 6]

stellt und in eine besondere Gruppe vereinigt, die den erfreulichen Fortschritt in der Herstellung schöner und guter Einbände erkennen läßt.
- In Frankreich sucht man jetzt auch den Kriegsteufel an die Wand zu malen, um den widerspenstigen republikanischen Wählern das "Gruseln" beizubringen. Natürlich ist es ein Krieg mit Deutschland, von dem man fabelt. Die unermüdliche Entenfabrik "Salut public" läßt bereits 1,200,000 Mann deutsche Truppen in aller Stille mobilisiren, die bereit wären, in Frankreich einzufallen. Derselbe Krieg wird in einer aus Wien datirten Correspondenz des hoch=officiösen "Tablettes d'un Spectateur" in nahe Aussicht gestellt. Es heißt darin: Deutschland warte nur noch das Ergebniß der Wahlen ab, um den Feldzug zu beschleunigen oder zu vertagen. Bereits vor 14 Tagen wären neue Karten von Frankreich an die Armee vertheilt worden, und in Wien glaube man zu wissen, daß ein Einverständniß mit Italien bereits abgeschlossen sei etc. Man erkennt mit leichter Mühe den Pferde=Fuß. Gambetta und Republik sollen als gleichbedeutend mit dem Kriege hingestellt werden. Allein die französischen Wähler dürften auch hiezu sagen: "Bange machen gilt nicht."
- (Ein neues Gemüse.) Der Mittheilung über Spargelzucht im Winter fügen wir eine weitere über ein neues Gemüse hinzu, das bereits in Frankreich sich Bahn gebrochen hat. Es ist der Zuckermais, von welchem verschiedene mehr oder weniger früh reifende, mehr oder weniger zuckerhaltige Varietäten existiren. In Amerika ist der Anbau des Zuckermais und seine Verwendung als Gemüse schon seit Jahren bekannt, aber auch bei uns dürfte sich derselbe empfehlen; er ist ein sehr gesundes, nahrhaftes Gemüse, sehr geeignet, die Erbsen zu vertreten in Jahren, wo diese der Dürre wegen nicht besonders gerathen sind. Er macht keine großen Ansprüche an die Güte des Bodens und verlangt nur tiefe Bearbeitung und gut zersetzten Dünger. Gegen Frost ist er sehr empfindlich, es darf daher seine Aussaat nicht früher geschehen, als bis keine Fröste mehr zu fürchten sind. Dann aber wächst er sehr rasch und die zeitigen Sorten sind bereits Ende Juli oder Anfang August, wenn die Pistille der Blüthen sich bräunen und zu trocknen beginnen, zum Gebrauch geeignet, indem zu dieser Zeit die Körner weder zu milchig noch zu hart sind. Um bis zum Herbst von diesem Gemüse zu haben, bewirkt man die Einsaat nach und nach bis in die erste und zweite Woche des Juli, indem man stets 4-5 Körner in ein Loch, die Löcher mit Abständen von der 3-4 Fuß nach jeder Seite steckt, sie einen Zoll hoch mit Erde bedeckt, die schwächlichen Pflanzen während des Wachsens ausjätet und immer nur 2-3 der stärksten stehen läßt, im Uebrigen mit Behacken und Jäten wie beim Futtermais verfährt. Die nach Abschneiden der Kolben bleibenden Pflanzen sind ein werthvolles Viehfutter. Die Zubereitungsart ist verschieden; am einfachsten wirft man die Maiskörner in kochendes Wasser, läßt sie dann 20 Minuten und bringt sie dann mit Butter, Pfeffer und Salz auf den Tisch. Das Gemüse erhält durch dieses Verfahren einen ganz ausgezeichneten Geschmack.
- Was in England ein Prozeß kostet. Ende Juli wurde eine Uebersicht der Ausgabe des Tichborne=Prozesses veröffentlicht. Die sämmtlichen Unkosten der Verwaltung und Ausgaben beliefen sich auf 60,074 Pfund Sterling, 19 Schillinge 4 Pence. Von diesen betrugen die Sporteln der Advokaten 23,676 Pfund 17 Schillinge; die der Zeugen, Agenten etc. 18,712 Pfund 6 Schillinge 1 Pence; die der Papierhändler und Drucker der Justiz 10,268 Pfund 5 Schillinge 11 Pence; die der Stenographen 3637 Pfd. 10 Schillinge 4 Pence und die der Juri 3780 Pfund. Das Pfund Sterlinge zu 20 Mark berechnet, beträgt die Summe nach unserem Gelde 2,201,499 Mark. (Gartenlaube.)
- Hunger und Durst haben die Leute in allen Zeiten gehabt, aber die Zeit des Mittagsessens hat sich im Laufe der Jahrhunderte vielfach verändert.
Im 14. Jahrhundert nahm der König von Frankreich um 8 Uhr Morgens seine Hauptmahlzeit ein und ging Abends 8 Uhr mit den Hühnern zu Bette. Unter König Heinrich IV. und Ludwig XIV. ging man um 11 Uhr zu Tische, unter Louis XV. um 2 Uhr und diese Sitte erhielt sich bis zur großen Revolution. Gegenwärtig ist in Frankreich Nachmittags 6 Uhr die Stunde des Diners (Mittagsessens), in Paris meist 7 Uhr. Die Franzosen ziehen diese Stunde immer mehr hinaus, so daß sie bald vielleicht andern Tags erst zu Mittag essen. In England herrscht die schlechte Sitte, daß man in vielen Häusern erst eine Stunde nach der in der Einladung bestimmten Zeit erscheint und immer in Gefahr ist, zu früh oder zu spät zu kommen. In Ostindien setzt man sich eine Stunde nach Sonnenuntergang zum Mittagstisch. Was ist die beste Zeit zu essen? - Für Reiche, wenn sich der Hunger einstellt; für Arme, wenn sie etwas zu essen haben. Ein altes Gebet an Fortuna (das Glück) sagt: "Fortuna, sei gerecht und weise - Und gieb auf ihrer Lebensreise - Den Reichen Hunger - Den Armen speise."
- Die Polizei in T. hatte folgende Verordnung erlassen: "Vielfache Unordnungen bei'm Nachhausegehen nach der Feierabendstunde nöthigen, darauf aufmerksam zu machen, daß das Lärmen, Singen etc. etc., kurz jede Störung der Nachtruhe beim Nachhausegehen nach der Polizeistunde verboten ist und unnachsichtlich bestraft werden wird." u. s. w. Am selbigen Abend kömmt der Matthes nach der Polizeistunde laut brüllend in die Nähe der Wache. Eben fängt er wieder von neuem an: "Was ein rechter Heuschreck is." Halt! ruft die Wache. - "Sitzt im Sommer auf der Wies' " singt Matthes weiter. - Sein Sie still! ruft die Wache. - "Auf der Wiese muß er singen" fährt der Matthes noch lauter fort und wird arretirt. Dort hatte er endlich unter Schimpfen und Rütteln mühsam sein Lied mit dem Satze: "Ein alter Heuschreck singt nicht mehr" beendet, als der Unteroffizier ihn anfährt: Wissen Sie denn nicht, daß man beim Nachhausegehen keinen Lärm machen soll? - Ei gewiß weiß ich das! - Warum lärmen und brüllen Sie dann aber so? - Das Verbot geht mich nichts an! - Wie so? - Ei, sagte Matthes: ich geh' ja noch nicht heim!
- Die vortreffliche Kronenwirthin in Ebersteinburg in Baden hatte weder einen feuerfesten und diebessicher Arnheim, Sommermyer oder Brömel, sondern ein Dutzend Strümpfe, in die sie all ihr Gold, Silber und Kupfer und sogar ihr Papiergeld versenkte. Ihre letzte Freude war, als sie starb, daran zu denken, was für Augen ihre Erben über den heimlichen Schatz machen würden. Und in der That - es waren viele Tausende an Gold, Silber, Kupfer und Papier, aber die silbernen und kupfernen Münzen alle verschlagen und zum Theil werthlos, sie wurden öffentlich versteigert und Tausende gingen davon verloren. Das Papiergeld und die Coupons sind fast ganz werthlos, wenn die Regierungen nicht ein mitleidiges Einsehen haben.
- In einem russischen Dorfe bei Pensa erschienen kürzlich zwei Bäuerinnen mit ihren Männern vor dem Gemeindegericht, um gegenseitig wegen schwerer Verbalinjurien Klage zu führen. Das wäre nun nichts merkwürdiges, denn dergleichen kommt überall vor, aber hier war es der Anlaß zu einem unvergleichlichen salomonischen Urtheilsspruch. Das Gemeindegericht resolvirte: Da die Beleidigungen der Klägerinnen gegenseitig gewesen, die eine zwei die andere drei Tage für die Gemeinde arbeiten zu lassen; die werthen Ehemänner aber, da Sie es nicht verstanden, ihre Frauen in gehöriger Zucht und Ordnung zu halten mit fünf Ruthenhieben à Person zu regaliren.
Eine poetische Dame sandte einer Zeitung ein Gedicht, dessen Verse mit dem tiefen Seufzer anfingen: Sein Lächeln kann ich nicht gewinnen! - Umgehend folgte das Gedicht mit dem freundlichen Rathe zurück: "Senden Sie "Ihm" doch das Gedicht, dann wird er aus dem Lachen nicht herauskommen."


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