No. 22
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 16. März
1877
siebenundvierzigster Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1877 Nr. 22 Seite 1]

   Es wird hiedurch zur allgemeinen Kenntniß gebracht, daß nach Anzeige des Thierarztes Reimer hieselbst unter den Schafen der Hauswirthe Meyer, Schmidt und Foy in Schwanbeck die Räude ausgebrochen ist.

   Schönberg, den 14. März 1877.

Großherzoglich Mecklenb. Landvogtei des Fürstenthums Ratzeburg.
H. Wohlfahrt.


Politische Rundschau.

Deutschland. Der Reichstag hat am Montag die erste Beratung des Etats beendet und ist am Dienstag bereits in die zweite Beratung eingetreten. Nachdem am Montag einzelne Theile des Etats an die Budget=Kommission verwiesen waren, ebenso wie der Antrag Richters (Hagen) betr. die Verwendung des Invalidenfonds richteten zwei Mitglieder der Reichspartei (die identisch ist mit den preußischen Freikonservativen) die Anfrage an die Reichsregierung, was dieselbe in Bezug auf die nothwendige Reform der Gewerbeordnung zu thun gedächte. Der Präsident des Reichskanzleramts, Hofmann, entgegnete, seitens der verbündeten Regierungen werde allerdings das Bedürfniß einer Reform anerkannt, aber es sei "auch die Meinung geäußert worden," daß gerade die jetzige Zeit einer Reform nicht geeignet sei, weil sie dem Gewerbebetriebe neue Schwankungen bringen würde, eine Aeußerung, welche sich der freudigen Zustimmung der linken Seite des Hauses erfreute. Für die gegenwärtige Session des Reichstages sei eine Vorlage seitens der Regierungen wegen einer grundsätzlichen Aenderung der Gewerbeordnung nicht in Aussicht stehend, und nur ein kleiner Gesetzentwurf betreffend das Verzeichniß der konzessionspflichtigen Gewerbe werde vorgelegt werden. Die Regierungen anerkennen also das dringende Bedürfniß einer Aenderung, und doch wollen sie Mittel zur Verbesserung der Gewerbeordnung erst anwenden, wenn die in Folge der schlechten Bestimmungen der jetzigen Gewerbeordnung eingetretenen Uebelstände und Nothstände gehoben sind. Das ist sehr betrübend; und der Reichsbote bemerkt dazu mit recht: es sei sehr fraglich, ob es unsere Industrie wieder zu gesunden Zuständen bringen kann, wenn die schlimmen Einflüsse der Gewerbeordnung, denen sie größtentheils ihre Krankheit verdankt, fortdauere. Wenn also die Reichsregierung vorläufig wenigstens bei dem manchesterlichen Grundsatz: hilf dir selber! verharren will, so ist das ein schlechter Trost für unser Gewerbe; und die beabsichtigten Reformen dürften nie eintreten oder wenigstens zu spät kommen. Es ist nur zu hoffen, daß die bestimmten Anträge der Deutsch=Konservativen beim Reichstage bessere Aufnahme finden, als diese Anfrage bei der Reichsregierung; sonst wird unser deutsches Volk die Ruthe noch schwerer und bitterer fühlen müssen, die es sich zum Theil freilich selber in der Gewerbeordnung gebunden hat. Wie übrigens die Nationalliberalen zu der Sache stehen, geht aus einer Rede des Abg. Dr. Braun hervor; denn dieser nationalliberale Witzbold erklärte die jetzige Gewerbeordnung für eins der aller besten Gesetze, die im deutschen Reiche zu Stande gekommen seien; und die Lehrlingsfrage gehöre nicht zu den verbesserungsbedürftigen Punkten in der Gewerbeordnung.
Am Dienstag erregte die Interpellation des Abg. Dr. v. Komierowski über die von der Oberpostdirektion in Bromberg veranlaßte Haft eines polnischen Redakteur eine sehr heftige Debatte, bei welcher der Abg. Freiherr von Schorlemer=Alst dem Präsidenten des Reichskanzleramtes Hofmann sogar geradezu Unwahrheit vorwarf. Der letztere hatte nämlich geantwortet, der Fall sei erst durch die Interpellation zur amtlichen Kenntniß des Reichskanzlers gekommen, während er denselben doch kennen müßte aus einer im preußischen Abgeordnetenhause erhobenen Interpellation. Der Präsident Hofmann suchte sich damit zu rechtfertigen, daß zwischen der amtlichen Eigenschaft des Fürsten Bismarck als Reichskanzler und als preußischer Ministerpräsident unterschieden werden müsse.
Die Fraktion der Deutsch=Konservativen im Reichstage hat den Feldmarschall Grafen Moltke zu ihrem Ehren=Präsidenten, den Abg. v. Seydewitz zum Vorsitzenden, die Abgeordneten v. Helldorf und Ackermann zu dessen Stellvertretern und den Abg. Graf v. Kleist=Schmenzin zum Schriftführer gewählt.
Die Streitfrage wegen der Berlin=Dresdener Eisenbahn soll, wie neuerdings berichtet wird, vom Bundesrathe zur rechtlichen Entscheidung dem Oberappellationsgericht in Lübeck übergeben werden.
Preußen. Der "Voss. Ztg." zufolge ist nunmehr der Entwurf eines Schulgesetzes in 625 Paragraphen definitiv fertig gestellt worden. Doch soll dasselbe nicht veröffentlicht werden, ehe es dem Abgeordnetenhause vorgelegt wird.
Türkei. Ueber den Stand der orientalischen Frage ist nichts sicheres zu berichten. Der russische General Ignatieff befindet sich noch in Paris und soll die Mächte bewegen wollen, ein Protokoll zu unterzeichnen, in welchem sie gemeinsam der Pforte die Reformen und Garantien auferlegen, welche ungefähr die früheren Andrassy'schen Vorschläge enthielten.
Nordamerika. Der neue Präsident scheint sich durch Energie und Festigkeit sowie durch weise Mäßigung auf allen Seiten Freunde zu gewinnen. Sogar die demokratische Legislatur von Louisiana hat beschlossen, die von dem Präsidenten Hayes in seiner Inaugurationsrede dargelegte Politik zu unterstützen.


- Aus Dessau den 8. März wird geschrieben: Die Vermählung Ihrer Hoheit der Prinzessin Elisabeth von Anhalt mit seiner Königlichen Hoheit dem Erbgroßherzoge von Mecklenburg=Strelitz wird nach höchsten Orts getroffenen Bestimmungen am 17. April stattfinden.


[ => Original lesen: 1877 Nr. 22 Seite 2]

Anzeigen.

Der Neubau einer Scheune auf der Meierei Schlagsdorf soll im Wege der Minuslicitation an einen zuverlässigen Unternehmer vergeben werden.
Riß und Anschlag, sowie die näheren Bedingungen können in der hiesigen Registratur eingesehen werden und sind die schriftlichen Offerten

bis zum 16. d. M. hierher einzureichen.
Schönberg, 8. März 1877.

Großherzoglich Mecklenb. Domainen=Amt.
F. Graf Eyben.


Der Neubau eines Stallgebäudes für die Vierwohnungsbaracke Nr. 20 auf der Meierei Gr. Molzahn soll im Wege der Minuslicitation an einen zuverlässigen Unternehmer vergeben werden.
Riß und Anschlag sowie die näheren Bedingungen können in der hiesigen Registratur eingesehen werden, und sind die schriftlichen Offerten bis zum 20. d. M. hierher einzureichen.
Schönberg, 10. März 1877.

Großherzoglich Mecklenb. Domainen=Amt.
F. Graf Eyben.


Der Durchbau des alten Viehhauses auf der Meierei Mechow soll im Wege der Minuslicitation an einen zuverlässigen Unternehmer vergeben werden.
Riß und Anschlag, sowie die näheren Bedingungen können in der hiesigen Registratur eingesehen werden, und sind die schriftlichen Offerten bis zum 20. d. M. hierher einzureichen.
Schönberg, den 10. März 1877.

Großherzogl. Meckl. Domainen=Amt.
F. Graf Eyben.


Auf den Antrag des Krämers H. Siebenmark in Schlagsdorf und des Anerben Hans Jochen Holst in Carlow, als Vormünder Krämer Siebenmarkscher Minorennen zu Carlow, soll die daselbst belegene, den Siebenmarkschen Minorennen gehörige Käthnerstelle - wozu circa 14 Scheffel Aussaat Acker gehören - öffentlich meistbietend verpachtet werden.
Zu diesem Zwecke ist ein Termin auf

Freitag, den 23. März d. J.
Vormittag 11 Uhr

vor Großherzoglichem Justizamte hieselbst angesetzt, wozu Pachtliebhaber mit dem Bemerken hiedurch eingeladen werden, daß die Verpachtungsbedingungen auf der Registratur des Justizamts eingesehen und gegen die Abschriftsgebühren mitgetheilt werden können.
Die Besichtigung des Grundstücks ist nach zuvoriger Meldung bei dem Anerben Hans Jochen Holst in Carlow gestattet.
Schönberg, den 12. März 1877.

Großherzogliches Justiz=Amt der Landvogtei des Fürstenthums Ratzeburg.
H. Wohlfahrt.

A. Dufft.     


Gerichtlicher Verkauf eines Grundstücks.

Es soll das in Ratzeburg (Fischerstraße unter Nr. 243) belegene, zum Nachlaß des weil. Schustermeisters Hester gehörende Grundstück nebst Zubehörungen (Schuld= und Pfand=Protokoll vol. VI Fol. 240) Zwecks Erbtheilung am

27. März cr., Mittags 12 Uhr,

in einem einzigen Termine vor unterzeichnetem Gericht öffentlich meistbietend zum Verkaufe gebracht werden.
Ratzeburg, den 25. Februar 1877.

Königliches Amtsgericht.
Sachau.

Bodmer.     


Zur Verhütung der Einschleppung der Rinderpest werden allwöchentlich Revisionen der Rindvieh=, Schaf= und Ziegenbestände in hiesiger Stadt durch den hierzu beauftragten Kaufmann W. Schrep hieselbst vorgenommen. Demselben ist jede von ihm gewünschte Auskunft über die einzelnen Viehstände zu ertheilen, wie ihm auch alle Veränderungen in dem Gesundheitszustande derselben und täglich der Ursprungsort neu eingeführter und der Bestimmungsort ausgeführter Stücke anzuzeigen ist. Bei jedem irgend verdächtigen Krankheitsfalle beim Rindvieh, bei Schafen und Ziegen ist sofort ein Thierarzt zuzuziehen.
Zuwiderhandelnde gegen diese Bestimmungen verfallen in eine Strafe von 3 M.für jeden einzelnen Fall.
Schönberg, den 14. März 1877.

Der Magistrat.


Am Montag den 19. März, Morgens 10 Uhr, sollen beim Schulzen Herrn Wiese zu Lindow nachstehende Holzsortimente aus

dem Sahmkower Holze

meistbietend verkauft werden:

ca.     2 Stück Nutzholzdrümme,
ca.   32 Stück Deichselstangen,
ca. 110 Rmtr. eichen Kluft, Olm u. Knüppel,
ca.     5 Fuder starkes eichen Durchforstholz I. Cl.,
ca.   18 Fuder eichen Zweigholz,
ca.   95 Rmtr. buchen Kluft, Olm u. Knüppel,
ca.   35 Fuder buchen Durchforstholz,
Schönberg den 12. März 1877.

Der Oberförster     
C. Hottelet.       


Am Dienstag den 20. März, Morgens 10 Uhr, sollen beim Gastwirth Fahrenkrug zu Lüdersdorf nachstehende Holzsortimente meistbietend verkauft werden

aus den Tannenbeständen des Lenschower Reviers:

ca.     50 Stück tannen Hopfenstangen,
ca. 3200 Stück tannen Dachschächte,
ca.   340 Rmtr. tannen Kluft und Knüppel,
ca.       6 Fuder tannen Durchforstholz II. Cl.,
ca.     10 Fuder tannen Buchholz - Herrenburger Tannen; -

aus dem Pellmoor:

ca.       1 Rmtr. buchen Kluft,
ca.       1 Rmtr. ellern Kluft,
ca.     20 Fuder eichen Durchforstholz I. Cl.
Der Forstaufseher Herr Dessau zu Wahrsow giebt Auskunft über das zum Verkauf gelangende Holz.
Schönberg, den 12. März 1877.

Der Oberförster     
C. Hottelet.       


Am Freitag, den 23. März, Morgens 10 Uhr sollen im Kruge zu Carlow nachstehende Holzsortimente meistbietend verkauft werden.

1. Aus dem Röggeliner Holze:

         5 Rmtr. eichen Olm.
         4 Fuder eichen starkes Durchforstholz.
       10 Stück buchen Nutzholzdrümme.
       12 Fuder buchen Durchforstholz.
ca. 100 Fuder buchen Zweigholz.
         9 Rmtr birken Kluft I. u. II.
         2 Fuder birken Zweigholz.
         8 Stück ellern Schleete.
         1 Aspen Nutzholzdrumm.
         4 Rmtr. ellern Kluft und Knüppel.
       12 Rmtr. tannen Kluft.
         4 Rmtr. Aspen Olm.

2. Aus dem Rüntzer Zuschlage:

ca.   50 Rmtr. tannen Kluft und Knüppel.
Schönberg, den 14. März 1877.

Der Oberförster     
C. Hottelet.       


Am Mittwoch den 21. März Morgens 10 Uhr sollen im Kruge zu Carlow nachstehende Holzsortimente aus dem Carlower Holze meistbietend verkauft werden:

       13 Stück eichen Nutzholzdrümme.
ca. 140 Rmtr. eichen Kluft I. u. II. u. Knüppel.
       35 Fuder eichen Durchforstholz I. Cl.
         1 buchen Nutzholzdrumm.
     170 Rmtr. buchen Kluft I, II. u. Knüppel.
       52 Fuder buchen Durchforstholz I. Cl.
         9 Fuder buchen Zweigholz.
         2 Rmtr. tannen Knüppel.
         1 Fuder tannen Durchforstholz von Schleetstärke.
Schönberg, den 14. März 1877.

Der Oberförster     
C. Hottelet.       


[ => Original lesen: 1877 Nr. 22 Seite 3]

Wegen Wegzuges von hier
Großer Ausverkauf
des gesammten Waaren-Lagers
zu
bedeutend ermäßigten Preisen.
Das Lager besteht aus
einem vorzüglichen Sortiment der besten deutschen, engl., franz. Buckskins, Kleiderstoffen, aller Sorten Tücher, Bettzeuge, Baumwollzeuge, Cattun etc. etc.
Julius Schweigmann
in Schönberg.


Der Cement.

Der Cement nimmt bei Bauten, bei welchen es auf Solidität ankommt, bereits eine hervorragende Stelle ein, da, die Dauerhaftigkeit eingerechnet, kein anderes Material so billig ist. Durch Vermischung mit Kalk liefert der Cement einen erheblich besseren Mörtel als der Kalk ohne Beimischung geben würde, und zu Röhren, Krippen, auch anderen dergleichen Utensilien würde kein festeres Material verwendet werden können.
In unserer Cement=Fabrik in Lägerdorf bei Itzehoe werden 3 verschiedene Qualitäten fabricirt, nämlich:

  I. schnell bindender Cement, welcher in 5 bis 10 Minuten in Wasser bindet und in kurzer Zeit im Wasser bis zur Härte des Sandsteins erhärten,
 II. ist weniger schnell bindend, welcher aber bei gewöhnlichem Mauerwerk und Putz am zweckmässigsten zu verwenden ist.
III. Dieser Cement bindet am langsamsten, würde aber in warmen und heissen Tagen am zweckmässigsten Verwendung finden.
Natürlich kommt es auf die Qualität des Rohmaterials an, ob daraus ein guter Cement hergestellt werden kann, aber auch besonders darauf, ob die mit Cement arbeitenden Maurer die richtige Behandlung verstehen. Der beste Cement kann durch die unrichtige Behandlung ganz unbrauchbar gemacht werden.
Auf Vorstehendes Bezug nehmend, beehren wir uns dem verehrten Publikum unsere Cement-Fabrik in Lägerdorf bei Itzehoe zu empfehlen.
Unsere Preise sind frei ab Fabrik pr. Tonne von 360 Pfd. brutto 9 Rmk. und würden die Transportkosten nach den zu liefernden Orten zuzuschlagen sein.
Die Tonne wird ab Ratzeburg bei Thiele für 11 Rmk. 50 Pf. und
                     ab Mölln bei Herrn Assmann für 11 Rmk. 50 Pf.
verabfolgt werden. Nach Verhältniss des weiteren oder kürzeren Transports werden auch in den Ortschaften der Umgegend die Preise gestellt werden.
Lägerdorf, den 7. Januar 1877.

In Hochachtung         
Thiele & Gripp.     


Gut bei Lungenleiden!

     Herrn Fenchelhonigfabrikanten L. W. Egers in Breslau.

Soest, den 10. Januar 1877.     

Möchte Sie ersuchen, mir doch sobald wie möglich 5 ganze Flaschen Fenchelhonig*) für 9 Mark zuzusenden. Ich habe mir ein paar Flaschen von Hörde mitgebracht, leide schon ein Jahr an der Lunge und habe mich von diesen beiden Flaschen sehr gut befunden. Das Geld habe ich per Postanweisung geschickt.

Mit Achtung Wilhelm Wäller,                          
per Adresse des Herrn Gustav Schulenburg.

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*) In Schönberg allein echt zu haben bei Buchbinder C. Sievers.


[ => Original lesen: 1877 Nr. 22 Seite 4]

Ausstellung landwirthschaftlicher Maschinen und Geräthe
des Patriotischen Vereins zu Grevesmühlen.
vom 30. Mai bis 1. Juni 1877.
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Die Bedingungen zu obiger Ausstellung sind jetzt in einem Programme festgestellt und sind nebst Anmelde=Bögen vom Herrn Chr. Callies in Grevesmühlen zu beziehen.

Die Ausstellungs=Committe.


Ca. 30-35 Stück 5-6 Wochen alter Ferkel

hat zu verkaufen

Carl Buchholz,     
Schönberg.       


Am Sonnabend den 27. März habe ich eine Anzahl gut genährter 6 Wochen alter

Ferkel

zu verkaufen.

J. H. Koth, Viehhändler     
in Schönberg.            


Auf dem Wege vom Markt bis zum kalten Damm ist am 13. März ein Portemonnaie mit Geld verloren worden. Der Finder wird gebeten, dasselbe gegen eine Belohnung abzugeben in der Exped. der Anz. zu Schönberg.


Zur bevorstehenden Saatzeit, habe ich noch eine Parthie gebrauchter Sielen, Zäume, 3 Paar Halskoppel, 1 Sattel, 3 Halfter, 1 Leine und 1 Reitzaum billig abzugeben.

H. Bockwold, Sattler.     


Möbel-Magazin
der vereinigten Tischlermeister. Nr. 177. Siemzerstraße. Nr. 177.

Den Bewohnern Schönbergs und Umgegend, die ergebene Anzeige, daß ich mit dem Verkauf sämmtlicher Arten von Tischlerarbeiten: als Möbel und zu diesem Fach gehörenden Artikel etc., von den hiesigen Tischlermeistern beauftragt bin, und bringe hiermit in Erinnerung, eine reichliche Auswahl verschiedener Sachen, in geschmackvollen Mustern dauerhafte Arbeit und soliden aber festen Preisen liefern zu können. Es bittet um geneigten Zuspruch

Julius Wagner
im Auftrage der vereinigten Tischlermeister.


Zu Ostern d. J. sucht ein

Mädchen.
                          F. Kramer, Feldziegelei.
                          Schönberg.


Auf Gr. Molzahn wird

Saathafer

per 200 Pfund netto zu 18 Mark abgegeben.


Gesucht werden zu Ostern einige junge Leute ordentlicher Eltern, die Musikus werden wollen. Nähere Auskunft hierüber ertheilt

A. Schwiesow.     
Schönberg.       


Geburtstagsfeier Sr. Majestät des Kaisers.

Der hiesige Kampfgenossen=Verein wird in diesem Jahre den Geburtstag Sr. Majestät des Kaisers am 22. d. Mts. durch einen

solennen Commers mit Musik

im Boye'schen Gasthause feiern und ladet alle patriotischen Einwohner von Stadt und Land hierzu ein.
Der Beitrag für Nichtmitglieder ist auf 1,50 M.festgesetzt, wofür denselben freies Bier und Musik geboten wird.

Anfang Abends 7 1/2 Uhr.
Der Vorstand.
Im Auftrage: Westphal.


Theater-Vorstellung
im Saale der Frau Boye,
am Sonntag, den 18., und Montag, den 19. d. Mts.

Die Vorstellung besteht aus dem Gebiete der höheren Magie, ausgeführt von Professorin Fräulein Antoniette, sowie zum ersten Male in Deutschland Mis Floriet,

das fliegende Mädchen

aus dem Circus Renz, sowie Auftreten des jungen Afrikaners Samor aus Mossambick in seiner außerordentlichen

Kraft-Production etc.

Alles Uebrige wird durch Anschlage= und Austrage=Zettel bekannt gemacht.
Es ladet zu dieser höchst interessanten Vorstellung das hiesige Publikum zu recht zahlreichem Besuch ergebenst ein

achtungsvoll

Ernes von der Wille.     

Kassenöffnung 7 Uhr Anfang 7 1/2 Uhr.


Am Donnerstag den 22. d. M., Kaisers Geburtstag,

große Tanzmusik,

wozu ergebenst einladet

Carlow.                                                    W. Creutzfeldt.


Gesucht

wird zu Ostern ein ordentlicher Hausknecht. Anmeldungen nimmt die Expedition der Anzeigen zu Schönberg entgegen.


Eintragungen in die Standes=Register
des Standesamtsbezirks Schönberg.

Geboren. D. 28. Febr. Dem Stuhlmacher Zellinsky zu Schönberg ein S. - D. 3. März. Dem Hauswirthsanerben Jochen Heinrich Retelsdorf zu Rieps eine T. in Kl. Siemz. - D. 8. Dem Maurergesellen Joachim Heinrich Freitag zu Törpt eine T. - D. 12. Dem Arbeitsm. Hans Joachim Wigger zu Schönberg ein S. - D. 13. Eine uneheliche T. zu Raddingsdorf.

Gestorben. D. 22. Febr. Lene Cath. Marie Holst geb. Kleinfeld, Arbeitsm.frau zu Schönberg, 42 J. 9 M. alt. - D. 22. Franziska Louise Nicoline Nehls, Pächterstochter zu Kleinfeld, 4 M. alt. - D. 27. Catth. Elisabeth Freitag geb. Oldenburg, Ackerbürger Altentheilerin zu Schönberg, 82 J. 3 M. alt. - D. 1. März. Des Stuhlmachers Zellinsky zu Schönberg Söhnlein 22 St. alt. - D. 1. Cath. Louise Elisabeth Koopmann zu Rottensdorf, 13 J. 8 M. alt. - D. 3. Pastorin Maria Friederika Christiane Marggraf geb. Genzmer zu Schönberg, 79 J. 3 M. alt. - D. 4. Hauswirthswittwe Anna Retelsdorf geb. Oldörp, zu Raddingsdorf, angeblich 81 J. alt.

Eheschließungen: D. 27. Febr. Arbeitsm. Johann Peter Stabenow und Arbeitsm.wittwe Cath. Marie Arndt geb. Melahn zu Schönberg. - D. 6. März. Schuhmacher Wilhelm Joachim Hans Asmus Lenschow zu Schönberg und Elisabeth Stegmann zu Rottensdorf.


Kirchliche Nachrichten.

Freitag 16. März.
Passionspredigt: Pastor Fischer.
Sonntag 18. März.
Vormittags=Kirche: Pastor Fischer.
Nachmittags=Kirche: Pastor Kämpffer.
Amtswoche: Pastor Fischer.


Getreide=Preise in Lübeck.
Waizen16 M 50Pfennig  bis 23 M -Pfennig.
Roggen17 M -Pfennig  bis 18 M 20Pfennig.
Gerste14 M 80Pfennig  bis 17 M -Pfennig.
Hafer15 M -Pfennig  bis 17 M -Pfennig.
Erbsen14 M 50Pfennig  bis 17 M -Pfennig.
Wicken- M -Pfennig  bis - M -Pfennig.
Buchwaizen- M -Pfennig  bis - M -Pfennig.
Winter=Rappsaat- M -Pfennig  bis - M -Pfennig.
Winter=Rübsen- M -Pfennig  bis - M -Pfennig.
Schlagleinsaat- M -Pfennig  bis - M -Pfennig.


(Hierzu eine Beilage.)


Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.


[ => Original lesen: 1877 Nr. 22 Seite 5]

Beilage
zu Nr. 22 der Wöchentlichen Anzeigen für das Fürstentum Ratzeburg.
Schönberg, den 16. März 1877.


- Wer künftig seinen Wohnsitz in eine andere Stadt verlegen will und freie Hand und Wahl hat, wird gut thun, zuvor an das neue Reichsgesundheitsamt in Berlin zu schreiben und sich ein Zeugniß über den gesundheitlichen Leumund der betr. Stadt auszubitten. Von diesem nützlichen Amte werden allwöchentlich Berichte (zunächst über die größern Städte) veröffentlicht über die Krankheiten, die in der Stadt vorwiegend sind, über die Zahl der Erkrankten und der Verstorbenen, über das Lebensalter der Letzteren und wieviel Kranke und Todte auf je 100 oder 1000 Einwohner kommen. Nach diesen amtlichen und ganz unparteiischen Ausweisen kann Jemand ganz nach seinen Bedürfnissen und Verhältnissen sich einen Wohnort aussuchen. Die schöne, aber etwas verzechte Stadt Prag z. B. hat erst durch die Berliner Gesundheits= und Todes=Berichte erfahren, daß sie zu den ungesundesten Städten Europas gehört. Die Einwohner, namentlich die Czechen sind darüber theils erbost, theils erschrocken; erbost wegen der Fremden, die sich durch den bösen Leumund vom Besuche abschrecken lassen, erschrocken um ihrer selbst willen; denn wenn auch der böse Leumund eine Berliner Malice ist, so läßt sich doch gegen die Richtigkeit der Zahlen nicht aufkommen. Dieses unparteiische Reichsgesundheitsamt kann noch Manchem einen Strich durch die Rechnung machen; denn möglichst gesund und lang leben will am Ende Jeder.
- Bei der Reichsbank in Frankfurt sind 45 Stück falsche 20 Pfennigstücke gefunden worden; sie scheinen erst im Februar in Umlauf gesetzt worden zu sein.
- Die Liedertafeln in Deutschland dürfen trauern; denn der Altmeister und eifrigste Pfleger deutschen Männergesanges, Kapellmeister Julius Otto in Dresden, ist gestorben. Geboren 1. September 1804 als der Sohn eines Apothekers in Königstein zeigte er schon in früher Jugend Talent und Liebe zur Musik und zum Componiren; sein Talent war so bedeutend, daß ihm strenge Meister der Musik und schließlich auch Carl Maria von Weber, der Componist des Freischütz, den Rath gaben, sich der Musik ganz zu widmen. Nach kurzem Versuch in der Theologie folgte er dem Rath, wurde Cantor an der Kreuzkirche in Dresden und Musikdirektor an der Frauen= und Sophien=Kirche. Von den ernsten Oratorien, die er damals componirte ist "Hiob" das beste. Aber erst nach seiner Wahl zum Liedermeister der Liedertafel widmete er sich dem volksthümlichen Männergesang und erwarb sich durch fast 800 Compositionen ungemeine Popularität. Dahin gehören seine "Burschenfahrten", "Gesellenfahrten", "Soldatenleben" und "Spinnabend". Großes Glück machte seine humoristische weltbekannte "Mordgrundbruck", eine witzige Verspottung der Opern. Seine Lieder und Gesänge flogen durch Deutschland, Amerika und Australien, wo nur Deutsche lebten und sangen. Zweimal errang er sich erste Preise, einmal durch sein und seines Sohnes Lied: "Des ersten Rheines Braut" ein ganzes Stückfaß goldigen Moselweins sammt Methfessels prächtigem Glückwunsch: "Kaum hat sich Vater und Sohn zum Preise der Mosel verbunden, - Rollt auch der heilige Geist donnernd im Fasse herbei." Julius Otto's Sinn war grunddeutsch; außer Wilhelms "Wacht am Rhein" hat kaum ein anderes Lied die Begeisterung für deutsche Einheit so nähren und verbreiten helfen wie sein "Treues deutsches Herz." Es ist wohl kein Zufall, daß Julius Otto in dem sangesfreudigen und kundigen Thüringen seinen Hauptverleger und seinen besten Mitarbeiter gefunden hat; jenen in dem Buchhändler Conrad Glaser in Schleusingen, diesen in dem Dichter Dr. Friedrich Hofmann, jetzt in Leipzig. Diese Drei verbanden sich u. a. zur Herausgabe der schönen "Kinderfeste", die seit Jahrzehnten die Freude zahlloser deutscher Schulkinder diesseits und jenseits des Weltmeeres geworden sind. Julius Otto hat viele und schwere Schicksalsschläge erfahren, alle seine Kinder, von denen ein Sohn eine genial angelegte Natur war, wurden ihm durch den Tod geraubt, ebenso drei Frauen, die vierte überlebt ihn. Er starb am 5. März nach kurzer, schmerzloser Krankheit.
- Schon wieder eine Hinrichtung in Oesterreich, diesmal in Steinamanger. Die Oesterreicher werden noch ganz um den Ruf der Gutmüthigkeit kommen. Der 23 jährige Bauernbursche Johann Rosner wurde gehängt, weil er seine Mutter, seine zwei Schwestern und ein Kind ermordet hatte, um das ganze Familienvermögen mit seiner Geliebten allein zu genießen. Lavater hätte den Mörder für den unschuldigsten Menschen erklärt; den er sah aus, als ob er nie ein Wässerlein trüben oder der Teufel in ihn fahren könnte. Auch er, wie Raimund Hackel, fand seine Hinrichtung ganz in der Ordnung und sprach am Tage vor seinem Tode nur die Bitte aus, mit seiner Geliebten getraut zu werden. Der Gerichtshof schlug ihm die Bitte ab, weil ein zum Tode Verurtheilter nicht mehr rechtliche Handlungsfähigkeit habe, der Justizminister aber gewährte die Bitte und die Trauung erfolgte im Gefängniß.
- Cigarrenabschnitte etc. die zum Besten armer Waisen verkauft werden, nehmen H. Bußler, Georgenstraße 41, Mertens, Linienstraße 58/59., Mutzer, Bernburgerstraße 34. in Berlin dankbar an.
- Wie aus Gera in öffentlichen Blättern mitgetheilt wird, hat ein dortiger Telegraphen=Bautechniker, also ein Mann von Fach, die Blitzableiter am Regierungsgebäude daselbst mittelst Einführung eines elektrischen Stromes untersucht und gefunden, daß von sämmtlichen Leitungen nur eine einzige ihren Zweck erfüllte, alle anderen aber die Elektricität nach dem Gebäude ausströmen ließen und überdies in der Erde die Tiefe des Grundwassers nicht erreichten, wie es doch der Fall sein muß. Selbstverständlich werden die entdeckten Mängel unverzüglich beseitigt. Aber auch in weiteren Kreisen muß die in Gera gemachte Wahrnehmung zur Warnung dienen, weil ein mangelhaft angelegter oder mit der Zeit schadhaft gewordener Blitzableiter möglicherweise den drohenden Blitzstrahl auffängt, um denselben gerade dem Gegenstande zuzuführen, der dadurch geschützt werden soll. Im allgemeinen Interesse wäre es recht wünschenswerth, etwas Näheres über den Sachverhalt, hauptsächlich über die Gründe zu erfahren, wodurch die Leitungsfähigkeit der Vorrichtungen in Gera unterbrochen wurde; ob die letzteren in Stangen, Drähten oder Streifen bestanden, welches Metall dazu verwendet war, ob es an der gehörigen Isolirung der Leitung fehlte oder der elektrische Strom etwa durch erhebliche Metalloxydirungen aus der vorgeschriebenen Bahn getrieben wurde. Eine hierauf bezügliche kurze Auskunft in diesem Blatte von kundiger Seite würde gewiß vielen Lesern erwünscht sein und mit aufrichtigem Danke von ihnen aufgenommen werden.
- Ueber den Untergang des Rostocker, erst im vorigen Herbste erbauten Schooners "Carl Benduhn", Viegenschow, und die Rettung der Mannschaft desselben durch einen französischen Dampfer geht uns ein Bericht zu, welcher den Schiffbruch in allen Einzelheiten sehr interessant schildert. Man schreibt uns: "Nachdem gegen Ende des Jahres der kleine hiesige Schooner "Carl Bellino", Capitain Witt, gleich auf seiner ersten Reise verunglückt war, traf vor einigen Tagen die Kunde hier ein, daß auch das Schwesterschiff "Carl Benduhn", geführt von Capitain Viegenschow, geblieben, die Besatzung allerdings, wenn auch nur mit Mühe, gerettet sei. Der "Carl Benduhn", ein Gaffelschoo=

[ => Original lesen: 1877 Nr. 22 Seite 6]

ner von 84 brit. Registertons, lief erst im Spätherbste v. J., eben auf der Werfte fertig gestellt, von hier aus. Er erlitt schon auf seiner ersten Reise von der Ostsee nach England wiederholt Havarie, erreichte dann aber glücklich seine Bestimmung Swansea, den Canal von Bristol. Am 13. v. M. verließ das Schiff, mit Kohlen nach Tarragona in Spanien beladen, den Hafen von Swansea. Die Besatzung bestand nur aus 4 Mann, dem Capitain, dem Steuermann und zwei Jungen. Obgleich das kleine Fahrzeug bei der ungewöhnlich rauhen Jahreszeit mit schwerem Wetter zu kämpfen hatte, hielt es sich doch brav bei der hohen See und leistete Wind und Wetter wacker Widerstand. Am 20. Februar befand es sich im Atlantischen Ocean, zwischen den Scillies und der französischen Küste, nicht fern von dem hohen, auf einer Klippe an der Küste der Bretagne erbauten Feuerthurme von Ousaut. Es wüthete an diesem Tage ein harter Sturm aus Nordwest. Der kleine Schooner lag vor dichtgerefftem Schoonersegel am Winde. Die See lief furchtbar hoch, aus verschiedenen Richtungen heranrollend und in wildem Wogenschwall zusammenschlagend. Da kam eine schwere Sturzsee, welche im nächsten Augenblick das kleine Schiff völlig unter sich begrub. Als der Steuermann, welcher zur Zeit allein auf dem Verdeck war und sich am Steuerrad festhielt, wieder um sich blicken konnte, sah er das Verdeck völlig kahl gespült, Boote und andere auf Deck befestigt gewesene Gegenstände im Meer beim Schiffe umhertreiben. Die Ladung war vollständig übergeschossen, das Schiff hatte so schwere Schlagseite nach Backbord erhalten, daß es zum Kentern lag. Es gelang nur nach großen Anstrengungen, die Masten zu kappen, welche selbst, als die Takelung schon weggeschlagen war, noch großen Widerstand leisteten. Nachdem durch das Weghauen der Masten die dringendste Gefahr beseitigt war, konnte man zur Rettung des Schiffes und des Lebens nichts weiter thun. Es war bei dem schweren Wetter und der starken Schlagseite völlig unmöglich, die Ladung wieder in ihre gehörige Lage zu bringen. So blieb den Leuten, um von den über das Schiff fortrollenden Wogen nicht fortgespült zu werden, nichts übrige als sich festzubinden und geduldig auszuharren, ob Hülfe zu ihrer Rettung nahen möchte. Die Nacht vom 20. auf den 21. Febr. wurde von der Besatzung in dieser peinlichen Lage, durchnäßt und vor Kälte starrend, durchwacht. Am nächsten Tage erblickte man einen großen Dampfer, der auf das Wrack zuhielt Es war das französische Dampfschiff "Nord" aus Dünkirchen, geführt vom Capitain Sauvage, und auf der Reise von Philippsville nach Dünkirchen begriffen. Man gab Nothzeichen, das Dampfschiff bemerkte sie, hielt möglichst dicht nach dem Wrack heran und ließ trotz des hohen Seeganges ein mit fünf Seeleuten bemanntes Boot zu Wasser, eine Arbeit, die in kürzester Zeit ausgeführt wurde und von vorzüglicher Ordnung am Bord des französischen Schiffes zeugte. Nach fünfstündigen gefahrvollen Bemühungen gelang es endlich, die vier Schiffbrüchigen ins Boot aufzunehmen und sie glücklich am Bord des Dampfers zu landen. Kaum war der letzte Mann an Bord gesprungen, so zerschellte das Rettungsboot an der Schiffsseite. Das Dampfschiff setzte darauf seinen Curs nach Dünkirchen fort, indem es die Bootstrümmer und das Wrack des "Carl Benduhn", welcher mit der einen Seite des Verdecks das Wasser berührte und völlig hülflos im Meere trieb, hinter sich zurückließ. Die Geretteten fanden freundliche Aufnahme und sorgsame Pflege auf dem Dampfer. Am 24. Februar wurden sie glücklich in Dünkirchen gelandet.


Der Mangel an Arbeit, - wie er sich in Berlin zeigt.

Ein für die Großstadt charakteristisches Bild entwickelt sich täglich bei der Ausgabe des "Berliner Intelligenz=Blattes". Schon gegen 3 Uhr Nachmittags bilden sich vor dem Hause Zimmerstraße Nr. 29 wo das Blatt gedruckt wird, dichte Menschengruppen die mit jeder Viertelstunde wachsen. Kurz vor fünf Uhr ist derjenige Theil der Zimmerstraße, der zwischen der Charlotten= und Markgrafenstraße liegt, vollständig gefüllt, ein namhaftes Aufgebot von Schutzleuten hat Mühe die Bürgersteige frei zu halten. Immer unruhiger und bewegter werden die Wartenden, bis sich um fünf Uhr die Scene mit einem Schlage verändert. Um diese Zeit öffnen sich die Pforten des Hauses, die zunächst Stehenden stürmen über das Trottoir nach dem Ausgabe=Schalter. Der Strom wird innerhalb des Hausflurs durch eiserne Barrieren in feste Bahnen gelenkt und wenige Sekunden später sehen wir die Ersten, triumphirend das umfangreiche Blatt über ihren Häuptern schwingend, auf der Straße erscheinen. In dem sich nun entwickelnden Bilde lassen sich deutlich die einzelnen Elemente der Massen, welche an manchen Tagen nach Tausenden zählen, erkennen. Es sind drei Kategorien: Arbeitssuchende, Zeitungsverleiher und jene dunkeln Ehrenmänner, die bei keinem Gedränge fehlen. Das Kontingent der Wohnungssuchenden ist augenblicklich kaum in Anrechnung zu bringen. Unter der zweiten Abtheilung befinden sich zahlreiche männliche Personen und ältere Frauen, die mit richtigem Blick die Situation begriffen haben und das Anlagekapital von 25 Reichspfennig, den Preis einer Nummer des "Intelligenz=Blattes", möglichst hoch zu verzinsen suchen. Um diese Verleiher gruppiren sich, drängend und schreiend, die Arbeitslosen, um gegen Erlegung von 5 Pfg. Lesegeld pränumerando einen Blick in die langen Spalten zu thun. Mit geübtem Auge überwacht der Inhaber des improvisirten "Lese=Cabinets" seine Gäste und gestattet weder eine Entfernung von dem Krystallisationspunkte, noch ein unberufenes, unentgeltliches Einsehen in das Blatt. Die bedeutendste Nachfrage erfährt die Rubrik des Blattes: "Dienste und Beschäftigungen, wozu Personen verlangt werden." Das Angebot ist recht lebhaft, es wird gesucht: "Ein junger solider Hausdiener", "ein ordentlicher Mann", "ein Bote zum Austragen von Zeitschriften" allerdings mit 30 Mark Caution "kräftige Arbeiter starke Burschen", "tüchtige Zapfer", "Hausknechte", "Leute in anständiger Kleidung", "Abonnentensammler von gutem Charakter", "ein nüchterner Propfer in Weißbier". Schnell werden die Adressen der Arbeitgeber auf dem Knie, an der Wand oder auf den Rücken des ersten Besten notirt und nun beginnt der zweite Theil des Dramas, die "Jagd nach dem Glück". Ein Dutzend "starke Burschen" haben fast gleichzeitig aus derselben Quelle geschöpft "und eröffnen ein Wettrennen" nach dem vielleicht auf dem Wedding, oder in der Kastanien=Allee gelegenen Ziel. Aehnliches wiederholt sich an verschiedenen Punkten der Straße, so daß die Menge in erstaunlich kurzer Zeit wie vom Sturm zerstoben ist. Das weibliche Geschlecht ist an dieser Stelle nur wenig zahlreich vertreten. Seine Vertreterinnen reflektiren auf Annoncen wie: "Mädchen zum Falzen und Heften", "zur leichten Handarbeit", "tüchtige Kellnerinnen", "Mamsells auf Bindelöcher, Mamsells ohne Anhang". Anzeigen wie: "Mäntel Arbeiterinnen in Sammt und Seide werden verlangt", und "Mamsells auf Regenräder und Paletots" finden auf der Straße selten Leserinnen. Die fliegenden Lesezimmer sind mittlerweile nach den nächsten Straßenecken und Plätzen verlegt, wo "Arbeit" und "Stellen" von den Blattverleihern mit einer Zuversicht ausgeboten werden, als wären sie die Arbeitgeber in eigner Person. Mit der erlöschenden Nachfrage verschwinden endlich auch die Zeitungsinhaber. Nicht geringen Vortheil gewinnen die in der Zimmer= und den angrenzenden Straße gelegenen "Destillationen" und kleineren "Caffee's," dem dort ist, wie ein weithin sichtbares Schild sagt, "das Intelligenzblatt zuerst zu lesen", sogar für Damen ist hier ein "besonderes Zimmer" eingerichtet. Das Schauspiel wiederholt sich an jedem Tage, denn unter den Suchenden ist nach Lage der jetzigen Verhältnisse mancher, dessen Bemühungen wochenlang ohne Erfolg bleiben.


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