No. 2
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 05. Januar
1877
siebenundvierzigster Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
<< Ausgabe vorher>> Ausgabe danach
[ => Original lesen: 1877 Nr. 2 Seite 1]

Bekanntmachung.

   Unter Bezugnahme auf das Publicandum hoher Landesregierung vom 21. d. M. und gemäß des § 8 des Reglements zur Ausführung des Reichswahlgesetzes (Bundesgesetzblatt Nr. 17 von 1870) werden nachstehend die für die bevorstehende Reichstagswahl bestimmten Wahllocale in den Wahlbezirken des hiesigen Fürstenthums bekannt gemacht:

1. Wahlbezirk.

(Stadt Schönberg mit der Ziegelei auf der Stadtfeldmark)

Wahllocal: Boye'scher Gasthof in Schönberg.

2. Wahlbezirk.

(Amtsgebiet mit der Mühle und Bahnhof Schönberg, Bauhof mit der Feldziegelei, Gr. Bünsdorf, Kl.=Bünsdorf, Kleinfeld, Malzow)

Wahllocal: Köster'scher Gasthof in Schönberg.

3. Wahlbezirk.

(Schwanbeck mit dem Siechenhause, Sülsdorf, Teschow, Hof und Dorf Zarnewenz.)

Wahllocal: Krug in Zarnewenz.

4. Wahlbezirk.

(Blüßen, Grieben, Lübseerhagen, Hof und Dorf Menzendorf mit Menzenberg, Papenhusen, Rodenberg, Rottensdorf, Rüschenbeck.)

Wahllocal: Krug in Menzenberg.

5. Wahlbezirk.

(Falkenhagen, Hof und Dorf Rabensdorf, Retelsdorf, Sabow.)

Wahllocal: Krug in Rabensdorf.

6. Wahlbezirk.

(Bardowiek, Hof und Dorf Selmsdorf mit Hohemeile.)

Wahllocal: im Michaelsen'schen Kruge in Selmsdorf.

7. Wahlbezirk.

(Lindow, Gr. Siemz, Kl. Siemz, Törpt.)

Wahllocal: Schulzenhaus in Kl. Siemz.

8. Wahlbezirk.

(Bechelsdorf, Boitin=Resdorf, Kl. Mist, Niendorf, Ollndorf.)

Wahllocal: Krug in Ollndorf.

9. Wahlbezirk.

(Hof und Dorf Lockwisch mit Westerbeck und der Lockwischer Mühle, Petersberg, Rupensdorf, Wahlsdorf, Hof Wahrsow mit Lenschow.)

Wahllocal: Krug in Petersberg.

10. Wahlbezirk.

(Duvennest, Herrnburg, Lauen, Lüdersdorf, Palingen, Dorf Wahrsow.)

Wahllocal: beim Gastwirth Hülsemann in Herrnburg.

11. Wahlbezirk.

(Hof und Dorf Demern nebst der Röggeliner Ziegelei, Gr. Rünz, Kl. Rünz, Schaddingsdorf.)

Wahllocal: im Tretow'schen Kruge in Demern.

12. Wahlbezirk.

(Carlow, Cronscamp, Klocksdorf, Kuhlrade, Neschow mit Maurin=Mühle, Pogez, Meierei Röggelin, Sahmkow, Hof und Dorf Stove nebst der Mühle.)

Wahllocal: im Kreutzfeldt'schen Kruge in Carlow.

13. Wahlbezirk.

(Domhof=Ratzeburg.)

Wahllokal: Schul=Saal zu Domhof.

[ => Original lesen: 1877 Nr. 2 Seite 2]

14. Wahlbezirk.

(Bäck nebst den Mühlen, Lankow, Hof und Dorf Mechow, Römnitz mit Kalkhütte, Wietingsbeck, Ziethen.)

Wahllokal: Krug in Mechow.

15. Wahlbezirk.

(Gr. Molzahn, Kl. Molzahn, Schlagbrügge, Schlagresdorf mit Perrückenkrug.)

Wahllocal: Krug in Schlagresdorf.

16. Wahlbezirk.

(Gr. Mist, Raddingsdorf, Rieps, Schlag=Sülsdorf, Wendorf.)

Wahllocal: Krug in Rieps.

17. Wahlbezirk.

(Campow nebst Hoheleuchte, Heiligeland, Neuhof, Hof und Dorf Schlagsdorf, Thandorf.)

Wahllocal: Siebenmarck's Gasthof in Schlagsdorf.

18. Wahlbezirk.

(Hammer nebst den Mühlen, Mannhagen, Panten, Walksfelde.)

Wahllocal: Krug in Mannhagen.

   Schönberg, den 29. December 1876.

Großherzoglich Mecklenb. Landvogtei des Fürstenthums Ratzeburg.
F. Graf Eyben.      H. Wohlfahrt.      v. Arnim.


Bekanntmachung.

   In Gemäßheit des Publicandi hoher Landesregierung vom 21. d. M., betreffend die Reichstagswahl, wird hiedurch zur öffentlichen Kenntniß gebracht, daß das hiesige Amtsgebiet mit der Mühle und der hiesige Bahnhof sowie der Bauhof mit der Feldziegelei zum 2. Wahlbezirke gehören und für denselben der Schulze Burmeister aus Kleinfeld zum Wahlvorsteher, der Mühlenpächter Wieschendorf aus Schönberg zum Stellvertreter ernannt sind. Zum Wahllocal ist der Köster'sche Gasthof hieselbst bestimmt.

   Der Wahltag ist auf den 10. Januar 1877 festgesetzt, die Wahlhandlung beginnt um 10 Uhr Vormittags und wird um 6 Uhr Nachmittags geschlossen.

   Schönberg, den 29. December 1876.

Großherzoglich Mecklenb. Landvogtei des Fürstenthums Ratzeburg.
F. Graf Eyben.      H. Wohlfahrt.      v. Arnim.


   Es wird hiedurch zur allgemeinen Kunde gebracht, daß die Pocken unter den Schafen des Hauswirths Lohse zu Gr. Siemz erloschen sind.

   Schönberg, 3. Januar 1877.

Großherzoglich Mecklenb. Landvogtei des Fürstenthums Ratzeburg.
F. Graf Eyben.


Politische Rundschau.

Deutschland. Alle Zeitungen sind voll von Berichten über die Feier des 70 jährigen Militär=Dienst=Jubiläum Sr. Majestät des Kaisers Wilhelm, eines Festes, wie es wohl kaum jemals vorgekommen ist, und das Erinnerungen weckt, die wohl geeignet sind, dem deutschen Volke die wunderbaren Gnadenwege vor Augen zu stellen, die Gott dasselbe seit dem Anfange dieses Jahrhunderts geführt hat. Welch ein Wechsel in den Geschicken unseres Volkes zwischen damals und heute! Zu Anfang des Jahres 1807 war Napoleon der unbestrittene Gewalthaber Deutschlands. 1806 war der schmachvolle Rheinbund gegründet, Oesterreich hatte Deutschland und die deutsche Kaiserkrone aufgegeben, und Preußen, die letzte Stütze und Hoffnung Deutschlands war in der unglücklichen Schlacht bei Jena und Auerstädt am 14. Oct. gänzlich zu Boden geworfen. Der König Friedrich Wilhelm III. mußte sich mit seiner Familie auf die Flucht begeben und wählte Königsberg zu einem kurzen Aufenthalt; und hier war es, wo er die wenigen ruhigen Tage benutzte, um den damals neunjährigen Prinzen Wilhelm am 1. Jan. 1807 in die Armee einzureihen. Es waren trübe Tage für den körperlich schwächlichen Prinzen. Schon am 3. Jan. mußte er mit seiner edlen Mutter in bitterster Kälte und unter unsäglichen Mühseligkeiten weiter nach Memel fliehen. Es folgten noch im selben Jahre die unglücklichen Schlachten von Eylau, Heilsberg und Friedland und der bittere Friede von Tilsit, der den Tiefpunkt des über Preußen und Deutschland hereingebrochenen Unglücks bezeichnet. Welch ein Gegensatz zwischen damals und heute nach 70 Jahren! Damals Deutschland unter tyrannische Fremdherrschaft geknechtet und von dem grausamen, ehrgeizigen Sieger zertreten, heute Deutschland einig und mächtig wie nie zuvor! Und eben jener schwächliche Prinz, der am 1. Jan. 1807 in trostloser und fast hoffnungsloser Zeit von seinem Vater das Offizierspatent erhielt, sollte in Gottes Hand das Werkzeug der wunderbaren Erhebung Deutschlands werden und damit das Vermächtniß seiner frommen allverehrten Mutter, der Königin Luise, erfüllen. In frischer Kraft und Rüstigkeit hat unser Kaiser, mit dem herrlichsten Siegeslorbeer geschmückt und von der Liebe und Verehrung seines ganzen Volkes getragen, das seltene Fest gefeiert. Ganz Deutschland und das deutsche Heer hat demselben an diesem Tage durch seine Fürsten und Führer seine Glückwünsche dargebracht, und gewiß keiner, der die deutsche Sprache spricht, ist an diesem Tage gewesen, der nicht mit eingestimmt hätte in das Gebet des deutschen Volkes, daß uns Gott noch lange unsern Kaiser Wilhelm in frischer Kraft und Gesundheit erhalten wolle!
Zur Feier des Tages hat ein feierlicher Gottesdienst in der Schloßkapelle stattgefunden; und vor und nach demselben nahm der Kaiser die Gratulationen der Kaiserlichen Familie, der fürstlichen Gäste, der Armee etc. entgegen. Im Namen der Armee hat Se. K. K. Hoheit der Kronprinz eine längere Ansprache an den Kaiser gerichtet, und in der Antwort hat Se. Majestät vor allem seinem demüthigen Danke gegen Gott, sowie seinem Danke gegen die Armee, deren Tapferkeit, Hingebung und Ausdauer er die Stellung verdanke, die er jetzt einnehme, beredten Ausdruck gegeben.
Großbritannien. In Delhi hat am Neujahrstage die Proklamierung der Königin Viktoria zur "Kaiserin von Indien" mit großer Feierlichkeit stattgefunden.
Die englische Flotte hat die Besikabay verlassen und sich nach dem Piräus begeben, um wie es heißt einen besseren Ankergrund für den Winter zu suchen. Vielleicht hängt diese Bewegung aber

[ => Original lesen: 1877 Nr. 2 Seite 3]

mit den kriegerischen Gelüsten Griechenlands zusammen. Auch soll England die griechische Regierung bereits offiziell verwarnt haben.
Frankreich. Die außerordentliche Session des Senates und der Deputiertenkammer ist am 30. Dec. durch ein Dekret des Präsidenten Mac Mahon geschlossen worden. Beide Kammern treten am 9. Januar zur ordentlichen Session zusammen.
Türkei. Aus Konstantinopel lauten die neuesten Nachrichten zum Theil überaus friedlich, zum Theil aber überaus ernst und drohend, sodaß man nicht weiß, was man glauben soll. Die Antwort auf die Konferenzvorschläge soll bereits erfolgt sein, aber die wichtigsten Forderungen der Konferenz ablehnen.


Anzeigen.

Antragsmäßig soll über das zu Schönberg an der Siemzerstraße sub Nr. 182 belegene Wohnhaus c. p. des Tischlers Joachim Klodt hieselbst ein Hypothekenbuch niedergelegt werden, und werden daher alle Diejenigen, welche Realrechte an diesem Grundstücke zu haben vermeinen und deren Eintragung in das niederzulegende Hypothekenbuch verlangen, zu deren Anmeldung auf

Freitag den 19. Januar 1877,
Vormittags 11 Uhr,

peremtorisch und unter dem Nachtheil hiemit geladen, daß alle nicht angemeldeten und von der Anmeldungspflicht nicht ausgenommenen Realrechte an dem proclamirten Grundstücke sowohl gegen den jetzigen als auch gegen die zukünftigen Besitzer desselben erloschen sein sollen.
Ausgenommen von der Anmeldungspflicht sind jedoch diejenigen Gläubiger, welche ihre Forderung auf einem, mit dem Siegel des Gerichts versehenen, vor dem Liquidationstermine ihnen vorzulegenden und von ihnen zu unterzeichnenden Postenzettel vollständig und richtig aufgeführt gefunden haben.
Schönberg, den 26. October 1876.

Großherzogl. Justizamt der Landvogtei des Fürstenthums Ratzeburg.
H. Wohlfahrt.

A. Dufft.     


Unter Hinweis auf die regiminelle Bekanntmachung vom 21. December d. J., betreffend die Reichstagswahl, machen wir hiedurch bekannt, daß im 1. Wahlbezirk des Fürstenthums Ratzeburg (Stadt Schönberg mit der Ziegelei auf der Stadtfeldmark) der Kaufmann Asmus Wigger zu Schönberg zum Wahlvorsteher und der Kaufmann J. L. D. Petersen zu Schönberg zum Vertreter des Wahlvorstehers ernannt worden sind. Die Wahl geschieht am 10. Januar 1877 im Gastwirth Boye'schen Gasthause während der Zeit von Vormittags 10 Uhr bis Abends 6 Uhr.
Schönberg, den 31. December 1876.

Der Magistrat.
L. Bicker.


Neue Messina-Apfelsinen
empfiehlt                          
Aug. Spehr.
Schönberg.


Holzverkauf.

Am Donnerstag den 11. Januar, Morgens 10 Uhr, werden beim Gastwirth Lenschow zu Selmsdorf aus den Hohemeiler Tannen nachstehende Holzsortimente meistbietend verkauft:

     168 Rmtr. tannen Kluft,
     196 Rmtr. tannen Knüppel,
     4 1/2 Fuder birken Durchforstungsholz II. Cl.,
ca. 40 Fuder tannen Durchforstungsholz II. Cl.,
         4 Fuder tannen Durchforstungsholz III. Cl.
     und einige tannen Nutzholzblöcke.
Auf Ansuchen wird der Förster zu Hohemeile das betr. Holz vorzeigen.
Schönberg den 3. Januar 1877.

Der Oberförster.     
C. Hottelet.       


Holzauction.

Dienstag den 9. Januar d. J. sollen im Woitendorfer Holze, Vitenser Forste, meistbietend gegen gleich baare Bezahlung verkauft werden:

Buchen=Nutzholz=Drümme,
Buchen=Klafterholz,
Buchen=Zweigholz.
Die Auction beginnt Morgens 10 Uhr und wollen Käufer sich beim Holzwärterhause zu Woitendorf einfinden.
Vitense, den 3. Januar 1877.

L. Wiegandt.     


Ersparniß- und Vorschuß-Anstalt

Die zu Antonii k. J. auf die bei der Vorschuß=Anstalt belegt stehenden Capitalien fällig werdenden Zinsen werden wir bereits während der Woche

vom 2. bis 6. Januar 1877
täglich
von 8 Uhr Morgens bis 12 Uhr Mittags

auszahlen.
Schönberg, den 9. December 1876.

Das Directorium.     


Außerordentliche General=Versammlung

der Zimmergesellen Schönbergs und Umgegend am 7. Januar, Nachmittags 2 Uhr, im Hause des Gastwirths Herrn Krüger.
Tages=Ordnung: Wie richten wir uns ein zu dem neuen Hülfskassen=Gesetz?
Wer nicht erscheint, muß sich in die Beschlüsse fügen.

J. Grevsmühl, Schönberg.     


Allgemeine
Gesellen Krankenkasse.

Die Einzahlung des vierteljährigen Beitrages von Neujahr bis Ostern findet am Sonntag den 7. Januar, Nachmittags 3 Uhr, im Lokale des Herrn Gastwirth Krüger hieselbst statt.

Schönberg.                                                     Der Vorstand.


Sparkassenbücher und Geldeinlagen
nach Schwerin besorgt                                                    
                                                    L. Bohn, Demern.


Gut gegen bösen Husten!

     Herrn Fenchelhonigfabrikanten L. W. Egers in Breslau.

Warsleben bei Oschersleben, 24. September 1876.          

   Da meine Tochter an einem bösen Husten leidet und uns Ihr Fenchelhonig*) empfohlen (wir haben nämlich von einem Freunde eine halbe Flache bekommen und meine Tochter befindet sich sehr gut danach) so bitte ich Sie, mir recht bald für 9 Reichsmark auf Postvorschuß zu senden.

Heinrich Sievert.          

---------------

*) Warnung vor Nachpfuschungen! Die Veröffentlichung derartiger aus freiem Antriebe ertheilter Anerkennungen wird nur deshalb noch immer fortgesetzt, damit das Publikum auf die Echtheit des L. W. Egers'schen Fenchelhonigs sorgfältig achte und nicht sein Geld für nachgepfuschte Machwerke wegwerfe. Der L. W. Egers'sche Fenchelhonig, kenntlich an Siegel, Etiquette mit Facsimile , sowie an der im Glase eingebrannten Firma von L. W. Egers in Breslau ist in Schönberg allein echt zu haben bei Buchbinder C. Sievers.


[ => Original lesen: 1877 Nr. 2 Seite 4]

An die Wähler des Fürstenthums Ratzeburg!

Die Unterzeichneten, schon längst durchdrungen von der Überzeugung, daß die Wahl eines liberalen Abgeordneten zum Reichstage nun und nimmermehr den Interessen des Fürstenthums Ratzeburg förderlich sein könne, sind in dieser Ueberzeugung durch die am Mittwoch v. W. von dem Candidaten der liberalen Partei am hiesigen Orte gehaltenen Wahlrede nur noch mehr bestärkt worden. In derselben zeigt sich der Redner, ein sonst achtbarer und in seinen liberalen Anschauungen gemäßigter Mann von der Disziplin seiner Partei so vollständig beherrscht, daß er blindlings auf die Unfehlbarkeit der neueren Gesetzgebung schwört und kein Auge hat für die großen Schäden, die seinen Landsleuten und Berufsgenossen aus derselben erwachsen. Und das ist bedenklich für unser Fürstenthum! Denn mag diese Partei sich auch noch so sehr ihrer Erfolge auf dem politischen Gebiete rühmen, den Vorwurf wird sie niemals von sich abstreifen können, daß sie in volkswirthschaftlicher Beziehung einzig und allein für den Vortheil des Kapitals und der Großindustrie gewirkt, und von den Segnungen, die sie geschaffen haben will, fast Nichts abgefallen ist für den Landmann und den Handwerker. Von dieser Partei können wir kein Heil erwarten, für die Bevölkerung unseres Fürstenthums, die ja vorwiegend aus Grundbesitzern, Handwerkern und ländlichen Arbeitern besteht. Wenn wir also durch Wahl eines National=Liberalen zur Vergrößerung und Verstärkung dieser Partei beitragen, schädigen wir unser eigenes Interesse!
In Erwägung dieser Verhältnisse haben sich die Unterzeichneten entschlossen, zu einem Comite zusammenzutreten und nach besten Kräften zu wirken für den Candidaten einer andern Partei, die nach ihrer Ansicht besser und allein dem Interesse des Fürstenthums entspricht, ohne dabei das große glücklich geeinigte deutsche Vaterland außer Acht zu lassen - der conservativen. Das Programm dieser Partei ist schon in einem Extrablatt des Schönberger Anzeigen bekannt gemacht worden, scheint aber doch zu allgemein gehalten zu sein, um dem einzelnen Wähler ein klares Bild von den politischen Anschauungen des vorgeschlagenen Candidaten, des

Herrn Vice=Landmarschall von Dewitz auf Cölpin

zu gewähren. Um in dieser Beziehung keinem Zweifel Raum zu lassen, wird der genannte Herr (siehe untenstehende Annonce) persönlich hierher kommen, um sich den Wählern des Fürstenthums Ratzeburg vorzustellen und eine weitere Erläuterung des oben erwähnten Programms zu geben.
                                                    Wähler des Fürstenthums Ratzeburg!
Wir bitten Euch nicht: Wählet diesen Mann, sondern rufen Euch nur zu: Kommt und hört! Benutzt die Euch gebotene Gelegenheit nach eigenem Urtheil zu bestimmen, wer es gut mit Euch meint, und Euch nützen kann! -

Das conservative Wahl=Comite im Fürstenthum Ratzeburg.
Bürgermeister Bicker. Amtmann Breuel=Selmsdorf. Hörcher=Wahrsow. Pastor Kaempffer. A. Kaiser=Stove. Dr. M. Marung. Senior Dr. Masch. Amtmann Wicke=Demern. Wieschendorf=Stove.


Alle Wähler des Fürstenthums Ratzeburg, welche sich für die Wahl eines conservativen Abgeordneten zum deutschen Reichstage interessiren, werden zu einer Versammlung

am Montag den 8. Januar, Abends 6 Uhr,
in den Saale der Frau Gastwirthin Boye zu Schönberg,
in welcher der conservativer Seits aufgestellte Candidat für die bevorstehende Reichstagswahl, Herr
Vice=Landmarschall von Dewitz auf Cölpin,

sich vorzustellen beabsichtigt, eingeladen.

Im Auftrage des Wahlausschusses.
v. Oertzen=Leppien.


Diejenigen, welche noch Forderung an dem Nachlasse der Arbeitsfrau Lange zu haben glauben, werden ersucht, ihre Rechnungen binnen 14 Tagen, bis zum 17. Januar, an den Unterzeichneten abzugeben.
Schönberg, den 2. Januar 1877.

Im Auftrage der Erben       
J. Kloth, Tuchmacher.     

NB. Spätere Anmeldungen können Umstände halber nicht berücksichtigt werden.


Einem geehrten Publikum Carlow's und Umgegend erlaube ich mir die ergebene Anzeige zu machen, daß ich unterm heutigen Tage ein

Colonial-Waaren-Geschäft

eröffnet habe.

                          Hochachtungsvoll
                          W. Creutzfeldt.


Gesucht zu Ostern ein Lehrling in die Sattlerlehre.
Näheres in der Expedition der Anzeigen zu Schönberg.


W. Kolls,
Juwelen-, Gold- u. Silber-Waaren-Handlung Lübeck, Sandstrasse 1006.
Bestellungen werden billig und prompt ausgeführt.


Drei Dienstmädchen, Küchenmädchen, Stubenmädchen und Viehmädchen sucht zu Ostern.

Mühlenpächter Wieschendorf,
Stove.


Im Verlage von Richter's Verlagsanstalt in Leipzig ist erschienen u. in fast allen Buchhandlungen vorräthig: "Dr. Airy's Naturheilmethode", 32 Bogen, mit vielen in den Text gedruckt, anatom. Abbildung., Preis 1 Mark. - Dieses vorzügl. Werk kann allen Kranken, gleichviel an welcher Krankheit leidend, umsomehr dringend empfohlen werden, als das betreffende Heilverfahren sich als zuverlässig bewährt hat, wie die in dem Buche abgedruckten zahlreichen glänzenden Atteste beweisen.

Von Richter's Verlagsanstalt wird auf Wunsch ein Auszug aus diesem Buche Jedermann gratis und franco zur Einsicht zugeschickt


(Hierzu Off. Anz. Nr. 1 und eine Beilage.)


Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.


[ => Original lesen: 1877 Nr. 2 Seite 5]

Beilage
zu Nr. 2 der Wöchentlichen Anzeigen für das Fürstentum Ratzeburg.
Schönberg, den 5. Januar 1877.


Ein Lehrling in die Schuhmacherlehre zu Ostern gesucht. Näheres in der Exped. der Anz. zu Schönberg.


Eintragungen in die Standes=Register
des Standesamtsbezirks Schönberg.

Geboren d. 21. Dec. Dem Buchbinder Hempel zu Schönberg ein S. - D. 24. Dem Bahnwärter Scharnhorst zu Rupensdorf eine T. - D. 24. Dem Bahnwärter Kahl zu Lockwisch ein S. - D. 24. Dem Maurergesellen Busch zu Mahlzow eine T. - D. 25. Dem Hauswirth Bade zu Ollndorf ein todter S. - D. 29. Eine unehel. T. zu Kl.=Bünsdorf.

Gestorben d. 22. Hans Heinr. Schmidt, Maurergeselle zu Sabow, 60 J. alt. - D. 22. Joachim Heinr. Bleuß, Arbeitsm.sohn zu Schönberg, 7 J. 10 M. alt. - D. 27. Hans Peter Burmeister, Arbeitsm. zu Schönberg, 75 J. 1 M. alt. - D. 29. Marie Louise Caroline Elisabeth Bleuß, Arbeitsm.tochter zu Schönberg, 2 J. 4 M. alt. - D. 4. Jan. Trine Marie Niemann geb. Maaß, Arbeitsm.wittwe zu Schönberg, 60 J. 8 M. alt.

Eheschließung. 22. Dec. Arbeitsm. Johann Heinrich Wilhelm Hecht zu Lübeck und Wilhelmine Marie Christine Bleuß zu Schönberg.
Angeordnete Aufgebote. Advokat Ewald Theodor Ludwig Ferdinand Wohlfahrt zu Schönberg und Bertha Caroline Sophie Kaiser zu Stove. - Johann Peter Wiencke zu Sülsdorf und Marie Sophie Elisabeth Böckmann zu Schönberg.


Kirchliche Nachrichten.

Sonntag 7. Januar.
Vormittags=Kirche: Pastor Fischer.
Nachmittags=Kirche: fällt aus.
Amtswoche: Pastor Fischer.


Getreide=Preise in Lübeck.
Waizen16 M -Pfennig  bis 23 M -Pfennig.
Roggen17 M -Pfennig  bis 18 M 50Pfennig.
Gerste16 M -Pfennig  bis 17 M -Pfennig.
Hafer16 M -Pfennig  bis 18 M 50Pfennig.
Erbsen16 M -Pfennig  bis 18 M 50Pfennig.
Wicken- M -Pfennig  bis - M -Pfennig.
Buchwaizen15 M -Pfennig  bis 16 M 30Pfennig.
Winter=Rappsaat- M -Pfennig  bis - M -Pfennig.
Winter=Rübsen- M -Pfennig  bis - M -Pfennig.
Schlagleinsaat20 M -Pfennig  bis 21 M -Pfennig.


Markt=Preise in Lübeck.
Butter pr. 500 Gr. M1,30 .
Enten d. S. M2,50 .
Hühner d. St. M1,15 .
Hasen das Stück M3,50 .
Tauben d. St. M0,40 .
Küken d. Stück M0,90 .
Wurst pr. 500 Gr. M1,20 .
Eier 4 St. für M0,30 .
Kartoffeln pr. 10 Lit. M0,50 .
Spickgans d. St. M3,00 .


- In der Nacht vom 30. - 31. December ist in Fürstenberg im Hause der Rentier Zassenheimschen Eheleute ein Raubmord verübt. Die Zassenheimschen Eheleute lagen ermordet in ihren Betten, der Verbrecher hatte, um seine That zu verdecken, die Betten, in denen die Leichen lagen, in Brand gesteckt, was ihm jedoch nicht vollständig gelungen ist, indem die Betten nur zum Theil und der Oberkörper des Mannes verkohlt sind. Aus dem geöffneten Schreibsecretär in der Wohnstube neben der Schlafstube fehlen ca. 630 M., aus einer Kommode eine goldene Damenuhr, eine dazu gehörende lange goldne Perlhalskette mit Schieber, eine Herren=Cylinderuhr mit einer goldenen Schlangenkette und Medaillon in Buchform, in dem sich die Photographien der Kaufmann Michael'schen Eheleute in Röbel befanden. Die Angehörigen der ermordeten Eheleute haben eine Belohnung von 3000 M.ausgesetzt für den, der den Thäter so anzeigt, daß derselbe überführt und rechtskräftig verurtheilt wird.
- Ein furchtbares Bild menschlicher Verworfenheit ist Otto Floch in Wien. Er ist 26 Jahr alt, intelligent und hübsch und war Handlungsgehülfe, bis ihn seine Liederlichkeit und Schlechtigkeit zweimal ins Zuchthaus brachte. Er schiebt die Schuld seinem Vater, einem Gerichtsschreiber zu und kündigt diesem brieflich an, er werde ihn ermorden, wo er ihn finde und dann seinen Kopf unter das Beil des Henkers beugen. Wegen dieser Drohung stand er vorige Woche vor dem Landesgericht. Folgen wir der Verhandlung. Vorsitzender: Warum hassen Sie denn Ihren Vater? - Angeklagter: Mein Vater hätte mir helfen können und wenn er es gethan hätte, so wäre ich nicht so tief gesunken. Ich habe die Diebstähle, wegen deren ich verurtheilt wurde, nur aus Noth verübt. - Vors.: Es bedarf blos eines festen Willens und Sie können in einem andern Welttheile, wo Sie Niemand kennt, noch immer ein ordentlicher Mensch werden. - Angekl.: Nein, ich will es nicht mehr werden. - Vors: Sie haben also die Verbrecherlaufbahn gewählt und wollen auf derselben beharren? - Angekl.: Ich muß. - Vors.: Was zwingt Sie denn dazu? - Angekl.: Mein ganzes Leben, mein Vater, der an meinem Unglück Schuld trägt. - Vors.: Haben Sie wirklich den Vorsatz gehegt Ihren Vater zu ermorden: - Angekl.: Ja, ich hätte ihn auch in kürzester Zeit ausgeführt. - Vors.: (mit Nachdruck): In vollem Ernste? - Angekl.: Mit guter Ueberlegung. (Bewegung im Auditorium.) - Vors.: Würden Sie den Mord auch jetzt noch ausführen? - Angekl.: Soweit es Zeit und Umstände erlauben. Ich habe einen solchen Haß gegen meinem Vater, daß es mein fester Entschluß ist, ihn zu tödten, und ich werde dann beruhigt mein Haupt unter das Beil des Henkers legen. - Vors.: (mahnend): Sie scheinen nicht zu überlegen, was Sie sprechen. - Angekl.: Vollkommen. Für mich ist ohnehin Alles vorbei. - Der 64 jährige Vater des Angeklagten schildert die Aufführung seines verkommenen Sohnes als eine liederliche. Otto hatte eine gute Anstellung mit 50 Gulden monatlich und vollständiger Verpflegung, "er lebte wie ein Fürst, während ich wie ein Bettler lebte." Trotzdem machte der Junge schulden und verübte Diebstähle. - Vors.: Hat Sie der Brief in Furcht versetzt? - Zeuge: Ich fürchte den Burschen nicht, wenn er mir gerade entgegentritt, aber ich fürchte den Meuchelmord. - Vors.: Das hat er nicht geradezu gesagt, daß er Sie meuchlings überfallen will. (Zum Angeklagten:) Oder wollten Sie Das thun? - Angekl.: Nein, aber wo ich ihn treffe . . . - Vors.: (zum Vater des Angeklagten:) Wünschen Sie, daß das Gesetz gegen Ihren Sohn in vollster Strenge angewendet werde? - Zeuge: Meine Herren, machen Sie mit ihm was Sie wollen. Er war böse von Jugend auf und es ist nicht wahr, daß er Noth gelitten hat. Was soll ich mit dem 26 jährigen "Lackel" anfangen? Ich lebe ja vom Taglohn. - Vors.: (zum Angeklagten): Können Sie denn gar keinen besseren Vorsatz fassen? - Angekl.: Nein. - Vors.: Geben Sie sich doch nicht selbst auf; die Welt ist groß. Sie können sich ja noch immer eine Existenz erringen. - Der Angeklagte macht trotzig eine verneinende Geberde. - Der Vorsitzende sagt: "Das ist ein trauriges Sittenbild, wie es mir unter den mehr als zwölftausend Verhandlungen, die ich schon geführt habe, noch nie vorgekommen ist." Der Staatsanwalt stellt den Schlußantrag, worauf der Angeklagte gefragt wird, ob er zu seiner Vertheidigung noch etwas vorzubringen habe. - Er entgegnete trotzig: "Nein, gar nichts." Das Urtheil lautet auf vier Jahr schweren Kerkers.
- Der Hamburger Dampfer Goethe ist bei der Insel Lobos im südlichen atlantischen Ocean verloren gegangen, Mannschaft gerettet.
- Der Hof=Fischer in München hatte mehrere Prachtstücke zu dem Reichs=Fischessen in Berlin geschickt: einen 24 pfündigen Huchen aus der Isar, einen 16 pfündigen Waller aus dem Chiemsee und 5 Saiblinge von 14 Pfund aus dem Schliersee. Die Reichsboten bekamen allen Respekt vor den alten Mönchen im Bayerland, die diese Fische sich zur Fastenspeise erkoren.
- In Preußisch=Thüringen hat sich der allermodernste Verein gebildet, er nennt sich deutscher Hühnerhund=Prüfungs=Club.
- König Ludwig in München hatte die ganze königliche Familie, Groß und Klein, zur Weihnachtsbescheerung in sein Residenzschloß geladen und viele und prächtige Christbäume aufgestellt. Schlag Mitternacht stellte er sich mit seiner Mutter zur Christmette in der Frauenkirche ein, still und andächtig mitten unter dem Volke stehend bis zum Schluß der Feier.
- Die portugiesische Regierung hat 500,000 Franks für eine wissenschaftliche Entdeckungsreise nach Centralafrika bewilligt.
- Was Sturmzeit für England bedeutet, zeigen die letzten vierzehn Tage. In diesen wenigen Tagen sind wenigstens 250 Menschen und 120 Fahrzeuge verloren gegangen.

[ => Original lesen: 1877 Nr. 2 Seite 6]

- In Mühlhausen ist man auf die Sündfluth gestoßen, auf gewaltige Rhinoceroszähne und vorsündfluthliche Riesenknochen.
- Die starke Kälte in der Weihnachtszeit, sowie die großen Schneestürme haben außer bedeutenden Verkehrsstörungen, mehrere Menschenleben gekostet. In Schleswig=Holstein und namentlich in Dänemark scheint der Schneefall noch viel stärker gewesen zu sein wie bei uns. In Jütland sind Schneemassen von 12-17 Fuß gefallen, die allen Verehr auf den Straßen hemmten. Zwischen Schubye und dem Deckenkrug in Holstein haben Schneeschaufler eine Frau gefunden, die von Bittgängen zum Weihnachtsfeste erfroren im Schnee lag. Ein Sandberger Briefträger ist gleichfalls im Schnee stecken geblieben und erfroren. - In Kiel führte der starke Frost den sehr empfindlichen Uebelstand mit sich, daß fast alle Pumpen auf den Straßen gefroren sind und somit ihrem Dienst entsagten. Man denke sich die Noth der Hausfrauen. - Aber auch in Mecklenburg sind verschiedene Menschenleben der Kälte zum Opfer gefallen; so wurde der Dragoner Lembke, der von Ludwigslust auf Urlaub nach Hause ging und bis Blankenberg die Eisenbahn benutzt hat, am 24. Morgens bei Waschow hinter einer Gartenhecke erfroren gefunden.
- Wenn man mit dem Wetter nur auch einen Compromiß machen könnte - etwa auf 3-5 Grad Frost auf vier Wochen, da wir nun einmal Winter haben und das rasche Umspringen eben so ungesund als unangenehm ist. In Petersburg hatte man am 22. Dec. Morgens 37 Grad Celsius (32 Reaumur). Solche Kälte war dort seit 1753 unerhört; nur im Januar war es seit 120 Jahren einigemal kälter gewesen. Am 22. Januar fielen die Spatzen aus der Luft todt zur Erde. Die Schulen werden in Petersburg bei 20 Grad R. geschlossen.
"Was ist besser - betteln oder stehlen"? Vor einigen Tagen ging der Pfarrer aus K. gegen 10 Uhr Abends aus Solopisk, Bezirk Kuttenberg (Böhmen), nach Hause. Auf dem Wege gesellte sich ein unbekannter Mann zu ihm, küßte ihm ehrfurchtsvoll die Hand und fragte ihn: was besser sei, betteln oder stehlen. Der auf diese Weise angesprochene Herr Pfarrer zeigte keine Lust, sich mit dem Verdächtigen Manne in Disputationen über Gegenstände der Moral einzulassen, und suchte ihn abzuweisen. Dieser aber setzte sein Gespräch ungenirt fort und erklärte, daß es jedenfalls besser sei, zu betteln als zu stehlen, und bat deshalb den Herrn Pfarrer, seinen Rock auszuziehen und ihm denselben zu übergeben. Dem durch diese seltsame Zumuthung überraschten Herrn blieb nichts Anderes übrig, als dieser Bitte zu willfahren; der sonderbare Mann war jedoch noch nicht zufrieden, sondern bat noch um die Weste sammt der goldenen Uhrkette und Taschenuhr, ferner um die Unaussprechlichen und um die Stiefeln, worauf er sich mit dem Resultate seines "Bittens" rasch entfernte. Der wie ein Johannes Kantius ausgeplünderte Geistliche mußte dann noch eine Stunde Weges in dem größten Negligè zurücklegen. Die Forschungen nach dem romantischen Banditen blieben bisher ohne Erfolg.
- In Leipzig sind in mehreren Geschäften grüne Lampenschirme mit Beschlag belegt worden, weil sich gezeigt hat, daß sie mit Arsenik gefärbt waren und bei Gebrauch Krankheiten hervorgerufen hatten. Auch Wachsstöcke von hellgrüner Farbe, mit Schweinfurter Grün gefärbt, wurden von der Polizei mit Beschlag belegt.
- Rohrpost. Die Postbeamten in Berlin sind mit Anweisungen für die am 1. December beginnende Brief= und Telegramm=Beförderung mittelst Luftdruckes versehen worden. Das Röhrennetz für Berlin ist in zwei Betriebskreise zerlegt. Die zur Versendung mit der Rohrpost bestimmten Briefe müssen so geformt und beschaffen sein, daß sie in die zur Beförderung dienenden cylindrischen Briefbehälter eingelegt werden können. Sie dürfen daher in der Länge 12 1/2 Centimeter, in der Breite 8 Centimeter und im Gewichte 10 Gramm nicht übersteigen. Sie dürfen nicht mit Siegellack verschlossen sein; der Verschluß ist nur mittellst Oblate oder sonstigen Klebestoffes herzustellen. Steife oder zerbrechliche Einlagen dürfen Rohrpostbriefe nicht enthalten. Zur Versendung von zu Rohrpostbriefen geeignete gestempelte Briefumschläge werden bei den Postanstalten zum Verkauf gestellt. Die Briefe müssen, so weit gestempelte Briefumschläge nicht zur Verwendung kommen, auf der Vorderseite oben links mit der deutlichen und zu unterstreichenden Bezeichnung "Rohrpost" versehen sein, desgleichen die Postkarten. Die im Voraus zu entrichtende Gebühr für die Beförderung und Bestellung der Rohrpostsendungen beträgt a) für Briefe 30 Pfennige, b) für Postkarten 25 Pfennige. Als Ziel wird bei der Rohrpost vorläufig angestrebt, daß jede Rohrpostsendung spätestens eine Stunde nach der Aufgabe sich in den Händen des Empfängers befindet.
- Es ist doch noch nicht alle Romantik aus der Welt verschwunden! Vor etwa 3 Monaten half ein junger Mann einem schönen Mädchen aus der Verlegenheit, als dieses an einem Postschalter Berlins einen aufgegebenen Brief bezahlen wollte und dabei den Verlust ihres Portemonnaies bemerkte. Nach wenigen dabei gewechselten Worten erklärte die junge Dame in sichtlicher Angst, sie stehe im Begriff, in ihre Heimath nach Hamburg abzureisen, wisse aber nunmehr nicht, was sie anfangen solle, weil das verlorene Portemonnaie ihre ganze Baarschaft enthalten habe. Der junge Mann stutzte anfangs einige Augenblicke, dann ließ er sich durch das liebliche Gesicht bestimmen, auch noch das nöthige Reisegeld vorzuschießen. "Ich bin ein armer Teufel", sagte er mit einem gewissen Galgenhumor zu ihr, "hier ist meine Karte und schicken Sie mir bald das Geld zurück, sonst muß ich mein Letztes versetzen." Das Mädchen reichte ihm dankbar die Hand und beide trennten sich. Tag und Wochen vergingen ohne Nachricht; schon fing der edle Helfer in der Noth an, sich über seinen Verlust zu trösten, da kamen endlich Geld, eine Photographie des Mädchens und ein Briefchen, worin sie schrieb: "Sehen Sie mich noch einmal genau an, gefalle ich Ihnen, so reichen Sie mir die Hand für's Leben. Sie haben mir auf mein redliches Gesicht Ihre letzten paar Thaler gegeben; ich war damals so arm wie Sie, jetzt bin ich reich, denn ich habe in der Braunschweiger Lotterie ein nettes Sümmchen gewonnen, das ich mit dem liebenswürdigen "armen Teufel" gerne theilen will." - Der also Ueberraschte packte über Hals und Kopf seine Sachen zur Reise nach Hamburg und ist jetzt glücklicher Ehemann, auch Besitzer eines schönen Hauses in Berlin, nicht weit von der Poststelle, wo er das Herz seiner Frau gewonnen hatte.
- Ein Brudermord wurde dieser Tage vom Stadtschwurgericht in Berlin abgeurtheilt. Im Kellergeschoß eines Wohnhauses in der Burgstraße wohnte die Wittwe Müller, die sich mit ihren 7 zum Theil erwachsenen Kindern mühsam ernährt. Der 19jährige Sohn Gustav, ein Drechsler, war ein arbeitsscheuer Mensch. Schon seit Februar trieb er sich herum und verschaffte sich die nöthigen Geldmittel zu seinem bummeligen Leben, indem er seinen sehr fleißigen Geschwistern und seiner schon bejahrten Mutter ihre Ersparnisse entwendete. Am 21. Juli v. J. hatte Gustav Müller wiederum einer seiner jüngeren Schwestern 6 M.aus der Sparkasse gestohlen. Als er am späten Abend nach Hause kam und in die bereits verschlossene mütterliche Wohnung durch Klopfen und Rufen Einlaß begehrte, wurde ihm derselbe von seiner Mutter verweigert. Gustav polterte heftig an die Thür und drohte dieselbe einzuschlagen; in Folge dessen kam der ältere Bruder des Stürmenden, Namens Friedrich, und suchte ihn gewaltsam zu entfernen. Dadurch kam es zu einer Rauferei zwischen den beiden Brüdern, wobei Friedrich auf den schwächeren und jüngeren Gustav zu liegen kam. Die Schwester kam herbei, in demselben Augenblick schrie jedoch Friedrich: "Mutter ich blute, ich bin gestochen!" Mit diesen Worten stürzte Friedrich bewußtlos zu Boden und gab nach wenigen Sekunden seinen Geist auf. Wahrhaft erschütternd war es, als heute die eigene Mutter und Geschwister gegen ihren leiblichen Sohn und Bruder als Zeugen auftreten mußten. Obwohl die Gerichtsärzte konstatirten, daß der Stich nach dem Herzen des Bruders ein durchaus absichtlicher war, so bewilligten die Geschwornen dennoch dem Angeklagten mildernde Umstände. Demgemäß verurtheilte ihn der Gerichtshof zu 4 Jahren Gefängniß.


<< Ausgabe vorher>> Ausgabe danach
ZVDD