No. 45
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 13. Juni
1876
sechsundvierzigster Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1876 Nr. 45 Seite 1]

Bekanntmachung.

Das diesjährige Ober=Ersatz=Geschäft zur Aushebung der Militärpflichtigen des hiesigen Aushebungs=Bezirks findet statt

in Schönberg
im Boye'schen Gasthofe
am
Freitag den 22. Juni.

Zu demselben haben sich diejenigen Militärpflichtigen, welche nach Ausweis ihrer Loosungsscheine eine endgültige Entscheidung über ihre Militärpflicht zu erwarten haben und den übrigens noch besondere Ladungen zugehen werden, Morgens präcise 7 Uhr einzufinden. Nicht verpflichtet zum persönlichen Erscheinen sind die bei der letzten Musterung für dauernd untauglich befundenen und die zur Ersatz=Reserve zweiter Classe angesetzten Militärpflichtigen, sofern sie nicht speciell beordert sind; jedoch ist jeder in den Grundlisten des Aushebungs=Bezirks enthaltene Militärpflichtige berechtigt, im Aushebungstermine zu erscheinen und der Ober=Ersatz=Commission etwaige Anliegen vorzutragen.
Die bei der Musterung für diensttauglich befundenen Mannschaften gelangen zuerst zur Vorstellung. Im Anschluß an das Ober=Ersatz=Geschäft findet die Superrevision der Temporär=Invaliden statt.
Militärpflichtige, welche zum Termine nicht pünktlich erscheinen, haben, sofern sie nicht dadurch zugleich eine höhere Strafe verwirkt haben, auf Grund des § 24,7 der Ersatz=Ordnung (Deutsche Wehrordnung vom 28. September 1875) eine Geldstrafe bis zu dreißig Mark oder Haft bis zu drei Tagen zu gewärtigen, und können denselben die Vortheile der Loosung entzogen werden. Ist diese Versäumniß in böslicher Absicht oder wiederholt erfolgt, so werden sie dem Befinden nach als unsichere Heerespflichtige zur sofortigen Einstellung gebracht werden.
Die Ortsvorsteher haben für die pünktliche Gestellung der betreffenden Militärpflichtigen aus ihrer Ortschaft Sorge zu tragen.
Schönberg, den 1. Juni 1876.

Der Civil=Vorsitzende der Ersatz=Commission des Aushebungs=Bezirks für das Fürstenthum Ratzeburg.
F. Graf Eyben.


Politische Rundschau.

Deutschland. Se. Majestät der Kaiser und König war am 7. Juni, am Sterbetage des Königs Friedrich Wilhelm III. mit den in Berlin anwesenden Mitgliedern der Königlichen Familie, wie alljährlich, zu einer Gedächtnisfeier im Mausoleum zu Charlottenburg vereinigt. Der Kronprinz und Prinz Friedrich Carl kamen dazu von Potsdam herüber. Den übrigen Theil des Tages brachte der Kaiser in stiller Zurückgezogenheit zu.
Der gegenwärtig in Ems weilende Kaiser von Rußland wird, soweit bis jetzt bestimmt, zwischen dem 19. und 21. d. M. nach St. Petersburg zurückkehren, wo er den Besuch des Kronprinzen Humbert von Italien und der Gemahlin erwartet, zu deren Ehren große Festlichkeiten veranstaltet werden sollen. Kronprinz Humbert beabsichtigt, auf der Rückreise aus Rußland, wo er sich bis Anfang August aufhalten wird, auch dem Berliner Hof seinen Besuch zu machen.
Der gegenwärtige Reichstag ist am 10. Januar 1874 gewählt worden, sein Auftrag läuft daher am 9. Januar 1877 ab. Im Herbste dieses Jahres wird er aber noch einmal tagen und die großen Justizgesetze für das deutsche Reich berathen und beschießen. Dazu gehört auch die Organisation der Gerichte. Die Wahlen zum nächsten Reichstag werden wahrscheinlich in der ersten Hälfte des Januar 1877 stattfinden.
Am 7. d. Mts., Abends, war bei Fürst Bismarck zu Ehren des scheidenden Ministers Delbrück große Tafel.
Mehrfach wird die Fortdauer des guten Einvernehmens der 3 Kaisermächte hervorgehoben, mit dessen Anschauungen in der türkischen Frage auch Frankreich und Italien einverstanden waren; England stehe allein, und es sei ihm nicht gelungen, Bundesgenossen zu erlangen. - In dem gemeinsamen Vorgehen der Mächte sehen wir, schreibt der R.=B., noch die beste Garantie, daß die orientalische Frage nicht nach einseitigen Gesichtspunkten und Rücksichten entschieden wird, insbesondere scheint uns es auch die beste Art, zu verhüten, daß Rußland zu weit greife, wenn die andern Mächte es nicht allein wirthschaften lassen. Wir haben uns neulich schon darüber ausgesprochen, daß wir eine Machtvergrößerung Rußlands durch Besitz eines großen Theils der Türkei nicht im Interesse Deutschlands halten, aber wir können auch nicht wünschen, daß England, welches bereits die Straße von Gibraltar und den Suezkanal besitzt, auch noch der Dardanellen sich bemächtige, und es also in der Hand hätte, für das übrige Europa Asien auf= oder zuzuschließen. Die englische Politik, die Türkenwirthschaft durch einen

[ => Original lesen: 1876 Nr. 45 Seite 2]

modernen Aufputz von europäischem Constitutionalismus aufrecht zu halten, halten wir für ein eitles Spiel, bei dem nur so viel herauskommt, daß die alte Wirthschaft unter neuer Firma fortgeht, und England nach wie vor in dem Lande, welches viel braucht, aber wenig producirt, ein gutes Absatzgebiet für seinen Handel behielte. Für eine solche Politik können wir uns nicht erwärmen.
In der brennenden orientalischen Frage weht eine wohltuende kühlere Brise. Die beabsichtigte Drei=Kanzler=Konferenz unterbleibt (A. A. Z.) in Folge des Eintretens einer friedlichen Wendung. Das Widerspiel zwischen Rußland und England ist durch Vermittelung der neutralen Mächte abgeschwächt. Serbien und Montenegro werden durch Rußland und Oesterreich von Uebereilungen abgehalten.
In Regierungskreisen in Constantinopel wird behauptet, England habe einen förmlichen Allianzvertrag mit der Pforte abgeschlossen und sich zur Garantie der Integrität des türkischen Reiches verpflichtet.
Eine Nachricht, welche behauptet, England habe durch Vermittelung seines Consuls in Ragusa an Mukthar Pascha 30,000 Pfund Sterling übersendet und englische Kriegsschiffe hätten Waffen und Munition für das türkische Heer in Albanien ausgeschickt, könnte, wenn sie auf Wahrheit beruht, bedenkliche Folgen haben. Denn wenn England so offen für die Türken und gegen die Insurgenten auftritt, so wird Rußland wahrscheinlich eben so offen für die Insurgenten auftreten.
Der deutsche Anwaltstag hielt in den ersten Tagen des Juni in den festlich geschmückten Räumen des Gürzenich=Saales zu Köln seine Sitzungen ab, zu welchen sich gegen 250 Juristen eingefunden hatten. Schon in der ersten Sitzung gab es über einige Fragen heiße Debatten, so über eidliche Verpflichtung der Anwälte und über die Frage der Localisirung der Anwaltschaft, in welchen die Interessen der rheinischen und süddeutschen Anwälte auseinander gingen. Fast einstimmig sprach sich die Ueberzeugung aus über die Nothwendigkeit, die Anwaltschaft für das deutsche Reich einheitlich und vollständig durch eine reichsgesetzliche Anwaltsordnung zu regeln, und daß die erlangte Fähigkeit zum Richteramte in einem Bundesstaate ohne Weiteres genügen müsse, um bei jedem Gerichte innerhalb des deutschen Reiches als Rechtsanwalt zugelassen zu werden.
Frankreich. Louis Philipp kehrt nach Frankreich zurück, aber nur im Sarge. In 10 Särgen wird er mit den anderen Todten seiner Familie aus England nach Dreux in Frankreich, dem Familiensitze der Orleans, übergeführt. Der Graf von Paris leitet die Ueberführung, die spurlos an Frankreich vorübergeht.
Wie französische Blätter melden, hat der Marschall Bazaine, der sich bekanntlich gegenwärtig in Spanien aufhält, in diesen Tagen ein Buch veröffentlicht, welches die merkwürdigsten Enthüllungen über den Krieg von 1870 und die Uebergabe von Metz enthält.
In Stockholm ist die Mutter des Königs von Schweden, verwittwete Königin Josephine, geb. Prinzessin von Leuchtenberg, am 8. Juni früh 3/4 4 Uhr gestorben.
In Spanien rumorts auch wieder. Die bevorstehende Aufhebung der alten Vorrechte (Fueros) der nordwestlichen Provinzen bringt dort große Aufregung hervor, und es regen sich wieder die alten carlistischen Elemente, als ob sie den Bürgerkrieg wieder anfachen wollten. Es ist deshalb auch in der Provinz Santander der Belagerungszustand erklärt worden.
Türkei. Der Scheich ul Islam hat, wie aus Konstantinopel berichtet wird, in einem Erlaß den Softas das Tragen von Waffen und alle Zusammenrottungen auf öffentlicher Straße untersagt.
In Constantinopel hält man aus gewissen Gründen auf die alte Sitte, daß sich die Vasallen=Könige dem neuen Sultan persönlich vorstellen und Gold, Weihrauch und Myrrhen mitbringen, die letzteren erläßt man den Vasallen nöthigenfalls. Der Khedive von Egypten kennt diese Sitte, trägt aber großes Bedenken, persönlich sich einzustellen; denn da der neue Sultan auf ihn einen Zahn hat, so fürchtet er, die 19 Aerzte möchten nochmals zusammenberufen werden, um zu bezeugen, daß er, der Khedive, sich selber die Adern geöffnet oder die seidene Schnur um den Hals gelegt habe. Er will lieber Gold und Weihrauch schriftlich überschicken.
Afrika. Während Californien die Chinesen wieder los zu werden sucht, bemüht man sich in Capland, das starken Mangel an Arbeitskräften hat, diese unermüdlichen Arbeiter anzulocken. Im letzten halben Jahre sind versuchsweise ihrer Tausend herübergeholt worden. England versteht mit Chinesen umzugehen und verdanken seine Colonien der chinesischen Arbeit überhaupt viel. Man fängt an, der Colonisation Afrikas durch Chinesen große Bedeutung beizumessen.


- Neustrelitz, 6. Juni. I. K. H. die Großherzogin und S. K. H. der Erbgroßherzog sind gestern aus England hierher zurückgekehrt. S. H. der Herzog Georg Alexander (Sohn Sr. H. des Herzogs Georg) ist heute aus Petersburg und I. H. die Prinzessin Hilda von Anhalt aus Dessau hier eingetroffen.
- Neustrelitz, 8. Juni. Bei der gestrigen Ueberführung der Leiche der Herzogin Caroline nach Mirow fungirten, der "Nstr. Ztg." zufolge, als Vertreter Sr. M. des Deutschen Kaisers der Vice=Oberstallmeister v. Rauch und als Vertreter I. M. der Deutschen Kaiserin der Kammerherr Graf v. Schwerin=Göhren.
- Neustrelitz, 9. Juni. I. K. H. die Frau Großherzogin Mutter erläßt in der "Nstr. Ztg." folgende Danksagung: "Meinem Herzen ist es Bedürfniß, allen Einwohnern von Neustrelitz, dem ganzen lieben Lande für die rührenden und wohlthuenden Beweise sowohl der Anerkennung und Liebe für meine unvergeßliche Tochter, die Herzogin Caroline, als auch des Schmerzes um ihren Verlust meinen innigsten und wärmsten Dank auszusprechen. Diese so allgemeine Theilnahme hat meinem trauernden Herzen unendlich wohlgethan. Gott segne Sie Alle dafür! Marie, Großherzogin=Mutter."
- Mirow, 7. Juni. Heute Mittag bald nach 12 Uhr meldete Glockengeläute die Ankunft des Trauerzuges aus Neustrelitz, welcher in folgender Ordnung durch den Ort nach der Kirche zog. Vorauf ritt ein Detachement Husaren; dann folgten die Trauermarschälle Kammerherr Drost v. Oertzen hieselbst und Kammerherr v. Both, ferner der Hofprediger Superintendent Dr. Ohl und die Geistlichen der Landeskirche, der Kammerherr v. Petersdorf die Orden tragend, der Reisemarschall v. Steuber die Krone tragend und der Hofmarschall v. Bülow. Hierauf kam der fürstliche Leichenwagen von 6 schwarz behangenen Pferden gezogen; 6 Stalldiener führten die Pferde, rechts ritt der Stallmeister Kannengießer, zu beiden Seiten des Wagens gingen Großherzogliche Kammerherrn, neben ihnen 24 hiesige Ortseinwohner und neben diesen die Großherzogliche Livreedienerschaft. Dem Wagen folgten zunächst die Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften mir ihren dienstthuenden Cavaliren, die Vertreter der Kaiserlich Deutschen und der Königl. Dänischen Majestäten, die Excellenzen und Oberchargen, die Landstände, die Angestellten, viele Fremde, Officiere, Deputationen und die Großherzoglichen Officianten. Den Schluß machte ein Detachement Husaren. Beim Eintritt des Sarges in die Kirche begann Orgelspiel und Gesang, worauf der Pastor Becker die Weihrede hielt. Als dann der Sarg in die Begräbnißstätte getragen und dort beigesetzt wurde, folgten nur die Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften, nach deren Rückkehr die Collecte gesungen und der Segen gesprochen wurde, womit die kirchliche Feierlichkeit beendigt war. (Nstr. Ztg.)
- Neustrelitz, 8. Juni. Bezüglich der Ueberführung der Leiche Ihrer Hoheit der Hochseligen Herzogin Caroline von hier nach Mirow ist noch nachzutragen, daß Seine Königliche Hoheit der Erbgroßherzog dieselbe während des ganzen Weges zu Pferde geleitete. An der Grenze der Feldmark der Stadt Wesenberg ward der Hochfürstliche Leichenzug von dem Magistrat, der Schützengilde und einem Gesangverein empfangen, um demselben über das städtische Weichbild das Geleite zu geben. In Vertretung der Dänischen Majestäten waren ans Kopenhagen folgende Herren erschienen: für Se. Majestät den König Christian IX. der Contre=Admiral Irminger, für Ihre Majestät die Königin der Kam=

[ => Original lesen: 1876 Nr. 45 Seite 3]

merherr von Castenskiold, für des Kronprinzen Königl. Hoheit der Adjutant Capitän Lund. Seine Majestät der König der Hellenen hatte den Admiral Sachturis aus Kopenhagen gesandt. Außerdem waren bei der Beisetzung fast sämmtliche Mitglieder der Ritterschaft des Herzogthums und Deputationen der Magistrate verschiedener Städte zugegen. Etwa dreißig der hiesigen Kammerherrn trugen, unterstützt von 24 Flecknern, die hohe Leiche zu ihrer letzten Ruhestätte in die fürstliche Gruft.


Anzeigen.

Holzverkauf.

Am Mittwoch den 14. Juni Morgens 9 Uhr, sollen im Kruge zu Schlagbrügge nachstehende Holzsortimente meistbietend verkauft werden:

1. aus dem Schlagbrügger Holze:

    5 fichten Klassenbäume,
157 do. Stangen 1. 2. u. 3. Klasse.

2. aus dem Bahlen:

86 fichten Stangen 1. 2. 3. Klasse.
Schönberg, den 7. Juni 1876.

Der Oberförster.
C. Hottelet.


Auction.

Am Dienstag den 13. Juni d. J., Vormittags 10 1/2 Uhr, soll auf der Haltestelle Lüdersdorf das interimistische Empfangshaus daselbst - Fachwerk mit Ziegelausmauerung und Pappdach - öffentlich meistbietend gegen sofortige Baarzahlung auf Abbruch verkauft werden.
Die Bedingungen werden vor dem Termine bekannt gemacht.
Schwerin, den 31. Mai 1876.

Der Eisenbahn=Baumeister.
H. Loycke.


Verpachtung.

Die Landstelle, 4 bis 5 Last Acker mit Wiesen und bedeutendem Torfmoor, des verstorbenen Hauswirths Oldenburg in Herrnburg, Amt Schönberg, eine Stunde von Lübeck entfernt, soll von Seiten der Vormünder unter sehr günstigen Bedingungen mit Inventar auf 12 Jahre im Ganzen oder parcellenweise am 21. Juni
an Ort und Stelle öffentlich verpachtet werden.
Die näheren Bedingungen sind vorher bei den unterzeichneten zu erfahren.

Herrnburg bei Lübeck.                                                    E00398.
J. Hagen.        P. Grube.
Vormünder der
Oldenburg'schen Minorennen.


Ersparniß- u. Vorschuß-Anstalt.
Während des Johannistermins
vom Sonnabend den 24. Juni d. J.
bis
Sonnabend den 1. Juli d. J.
ist die Anstalt
täglich
von 7 Uhr Morgens bis 12 Uhr Mittags
geöffnet.

Das Directorium.


Schweriner Sparkassen=Bücher.

Diejenigen, welche im bevorstehenden Johannis=Termine Sparkassenbücher durch mich besorgen lassen wollen, ersuche ich, solche schon jetzt bei mir abzugeben.

Schönberg.                                                    W. H. Schacht.


Zu Johannis d. J. habe ich noch 2 Posten von

Rmk. 1500 und
Rmk. 2000
gegen hypothekarische Sicherheit zu begeben.
Schönberg, im Juli 1876.

E. Wohlfahrt,     
Advocat.          


Bekanntmachung.

Die unterzeichnete Kommission macht auf die nachstehend im Auszuge abgedruckten Bestimmungen der §§ 89 und 91 der Ersatz=Ordnung:

§ 89.
Nachsuchung der Berechtigung.

1) Die Berechtigung zum einjährig=freiwilligen Dienst darf nicht vor vollendetem 17. Lebensjahre nachgesucht werden. Der Nachweis derselben ist bei Verlust des Anrechts spätestens bis zum 1. April des ersten Militairpflichtjahres zu erbringen.
2) Die Berechtigung wird bei derjenigen Prüfungs=Kommission nachgesucht, in deren Bezirk der Wehrpflichtige gestellungspflichtig ist.
3) Wer die Berechtigung nachsuchen will, hat sich bei der unter Nr. 2 bezeichneten Prüfungs=Kommission spätestens bis zum 1. Februar des ersten Militairpflichtjahres schriftlich zu melden.
  Dieser Meldung sind beizufügen:
a. ein Geburtszeugniß,
b. ein Einwilligungs=Attest des Vaters oder Vormundes mit der Erklärung über die Bereitwilligkeit und Fähigkeit, den Freiwilligen während einer activen Dienstzeit zu bekleiden, auszurüsten und zu verpflegen,
c. ein Unbescholtenheits=Zeugniß, welches für Zöglinge von höheren Schulen (Gymnasien, Realschulen, Progymnasien und höheren Bürgerschulen) durch den Direktor der Lehr=Anstalt, für alle übrigen jungen Leute durch die Polizei=Obrigkeit oder durch ihre vorgesetzte Dienstbehörde auszustellen ist.
Sämmtliche Papiere sind im Original einzureichen.
4) Außerdem bleibt die wissenschaftliche Befähigung für den einjährig=freiwilligen Dienst noch nachzuweisen. Dies kann entweder durch Beibringung von Schulzeugnissen oder durch Ablegung einer Prüfung vor der Prüfungs=Kommission geschehen.
5) Der Meldung bei der Prüfungs=Kommission sind daher entweder die Schulzeugnisse, durch welche die wissenschaftliche Befähigung nachgewiesen werden kann, beizufügen, oder es ist in der Meldung das Gesuch um Zulassung zur Prüfung auszusprechen.
Die Einreichung der Zeugnisse darf bis zu dem unter Nr. 1 genannten äußersten Termin ausgesetzt werden.
In dem Gesuche um Zulassung zur Prüfung ist anzugeben, in welchen zwei fremden Sprachen der sich Meldende geprüft sein will. Auch hat der sich Meldende einen selbst geschriebenen Lebenslauf beizufügen.

§ 91.
Nachweis der wissenschaftlichen Befähigung durch Prüfung.

1) Wer die wissenschaftliche Befähigung für den einjährig=freiwilligen Dienst durch eine Prüfung nachsuchen will, hat sich auf Vorladung der Prüfungs=Kommission persönlich im Prüfungs=Termin einzufinden.
2) Alljährlich finden zwei Prüfungen statt, die eine im Frühjahr die andere im Herbst.
Das Gesuch um Zulassung zur Prüfung muß für die Frühjahrsprüfung spätestens bis zum 1. Februar, für die Herbstprüfung spätestens bis zum 1. August angebracht werden.
hierdurch mit dem Hinzufügen aufmerksam, daß es der in § 89,3 b. geforderten Erklärung nur bei Freiwilligen der seemännischen Bevölkerung, sofern sie in der Flotte dienen wollen, nicht bedarf.
Bei der unterzeichneten Prüfungs=Kommission werden in der Regel die Frühjahrsprüfungen in der ersten Hälfte des März, und die Herbstprüfungen in der zweiten Hälfte des September abgehalten.
In den Fällen, wo der Nachweis der wissenschaftlichen Befähigung durch Beibringung von Schulzeugnissen geführt werden kann, werden die eingehenden Gesuche nach wie vor auch außerhalb jener Prüfungs=Termine erledigt werden. Den betreffenden jungen Leuten kann aber, da nicht stets

[ => Original lesen: 1876 Nr. 45 Seite 4]

eine sofortige Erledigung der Gesuche thunlich ist, nur empfohlen werden, ihre Meldungen nicht bis zu einem Zeitpunkte hinauszuschieben, wo sich für sie an eine schleunige Erlangung des Berechtigungsscheins ein Interesse knüpft.
Schwerin, den 1. Juni 1876.

Großherzoglich Meckl. Prüfungs-Kommission für Einjährig-Freiwillige.
Das Militair=Mitglied: Baron Stenglin.
Das Civil=Mitglied: Dippe.


Eichler & Bosselmann,
Schwerin i. M.,

empfehlen ihre Kornsäcke, 110 Kilo haltend, angelegentlichst, als die billigsten. Nr. 1 à Dtz. 24 M. Nr. 2 à Dtz. 21 M. Nr. 3 100 Kilo haltend 18 M. à Dtz., Nr. 4 110 Kilo haltend à Dtz 15 M., Nr. 5 à Dtz. 11 M. ab Schwerin, ferner Erntewagenlaken zu 15 Thlrn. und Rappslaken zu 40 Thlrn. Die Laken sind von dem schwersten Stoffe.


Eichler & Bosselmann
Schwerin i. M.,

empfehlen geaichte Decimalwaagen mit Garantie franco Magdeburg 4 Ctr. Tragkraft 30 M., 5 Ctr. 35 M. 6 Ctr. 40 M. 8 Ctr. 50 M, 10 Ctr. 63 M., 15 Ctr. 76 M., 20 Ctr. 96 M., 25 Ctr. 112 M., 30 Ctr. 137 M., 40 Ctr. 172 M., 50 Ctr. 207 M., Viehwaage, geaicht, 15 Ctr. Tragkraft, 180 M., 30 Ctr. 195 M.


Eichler & Bosselmann
Schwerin i. M.,

empfehlen Molkereimaschinen der berühmten Fabrik von Lefeldt & Lentsch zu Fabrikpreisen und stehen Preiscourante franco zur Verfügung. Diese Fabrik hat seit 1866 31 Medaillen und erste Preise errungen und sind seit diesem Jahre beinahe 13000 Stück Maschinen verkauft.


Segelschiff     Täglich frischen Kalk
und echt englischen
Portl.=Cement
bei
W. J. Heymanson,
Lübeck.


Füllen=Schau u. Markt
auf dem Schützenhofe zu Lübeck
am 24. August 1876.
Programm.

Zur Schau werden nur gelassen Saug= und 1 1/2 jährige Füllen und zwar ausschließlich Hengst= und Stutfüllen.
Hinsichtlich der Zulassung zum Markte findet keine Beschränkung statt.

Als Preise sind ausgesetzt:

  I. Für Saugfüllen 3 Prämien von 40, 30 und 20 M.
II. Für 1/2 jährige Füllen 2 Prämien von 40 und 20 M.
Die Füllenschau beginnt um 9 Uhr und endet um 1 Uhr. Zwischen 12 und 1 Uhr werden die ertheilten Prämien proclamirt. Eine etwaige Versteigerung von Füllen findet nach der Preisvertheilung statt.
Die Aussteller sind verpflichtet, ihre Füllen bis 1 Uhr auf dem Schützenhofe zu lassen.
Das Eintrittsgeld beträgt 50 Pfennig (Mecklenburg) à Person.
Die Führer der Füllen sind von demselben befreit. Standgeld wird nicht erhoben.
Lübeck, den 18. Juni 1876.

Das Comité.     


Drains

von Nr. 1 bis 6 sind wieder aus der Ziegelei des Herrn A. Capell=Hammer eingetroffen und empfiehlt solche

W. Holldorff,       
Schönberg i. M.     


Mais und Futter=Hafer

empfiehlt

W. Holldorff.     


Auf dem Hofe Neuhof (bei Ratzeburg) werden zu Michaelis

2 Deputat=Pferdeknechte, sowie
1 Schäfer
gesucht; auch können daselbst
Tagelöhner bei gutem Verdienst
Wohnung finden.


3 steinerne Thorpföste,

8 Fuß lang, 10/12 Zoll dick, à Stück 24 M., sind zu verkaufen beim

Steinhauer Freitag,
Mallentin
zwischen Dassow und Grevesmühlen.


Zu unserem am 19. Juni d. J. stattfindenden Quartal laden wir sämmtliche Amtsmeister ein sich an selbigem Tage Nachmittags 2 Uhr im Amtshause einzufinden; ebenfalls fordern wir alle, die noch Quartalsgeld schuldig sind, auf, dasselbe alsdann zu entrichten.
Schönberg, im Juni 1876.

Der Vorstand der Schneiderzunft.
Maaß.           Freitag.


Fried. Matz.
Lübeck,
Breitestrasse 804.
Lager von Tapeten, Borden, Goldleisten Rouleaux & Teppichen.


Für einen Hof in der Nähe Schönbergs suche ich zu Michaelis mehrere

Tagelöhner=Familien.

Weitere Auskunft zu ertheilen bin ich gerne bereit.

W. Holldorff.
Schönberg.


Vor dem Wohnhause meines Lehrherrn Herrn E. Hauschild hat vor geraumer Zeit Jemand eine Wagenkette niedergelegt, welche ich ins Haus genommen. Ich ersuche den sich als rechtmäßig ausweisenden Eigenthümer, dieselbe bis zum 20. d. Mts. gefl. gegen Erstattung der Insertionskosten bei mir abholen zu wollen.
Schönberg, im Juni 1876.

J. Schmalfeld, Tischlerlehrling.


Beim Feuer in Pogetz ist mir ein ledernes Feuereimer abhanden gekommen, in demselben ist mein Name eingenäht. Der jetzige Inhaber wird ersucht, mir dasselbe wieder zuzustellen.

Hauswirth Freitag in Pogetz.


Der Weg von Kl. nach Gr. Mist und Duvennest ist wegen Besserung desselben auf 8 Tage gesperrt.

Die Dorfschaft Kl. Mist.     


Hiemit erlaube ich mir die ergebene Anzeige, daß ich, nach erfolgter glücklicher Entbindung von einem Mädchen, nunmehr so weit wieder hergestellt bin, daß ich meinen Geschäften als Hebamme wieder nachgehen kann.
Schönberg den 8. Juni 1876.

Marie Eckmann,     
Hebamme.        


Den ungenannten Einsender eines zur Aufnahme nicht geeigneten Inserats mit dem Poststempel Schönberg fordern wir hierdurch auf, den mitgesandten Baarbetrag ehestens von uns wieder abzufordern.

Die Redaktion der Anzeigen
zu Schönberg.


Markt=Preise in Lübeck.
Butter pr. 500 Gr. M1,10 .
Enten d. St. M1,80 .
Hühner d. St. M1,80 .
Tauben d. St. M0,45 .
Schinken pr. 500 Gr. M0,82 .
Wurst pr. 500 Gr. M1,10 .
Eier 6 St. für M0,30 .


(Hierzu eine Beilage.)


Redigirt, gedruckt und verlegt von L. Bicker in Schönberg.


[ => Original lesen: 1876 Nr. 45 Seite 5]

Beilage
zu Nr. 45 der Wöchentlichen Anzeigen für das Fürstentum Ratzeburg.
Schönberg, den 13. Juni 1876.


- England ist der Führer der Türkei geworden und sein Vertrauter. An England auch hat der neue Sultan die Erklärung gerichtet, daß er die Integrität seines Reiches mit allen Kräften aufrecht erhalten werde d. h., daß er keine Provinzen abreißen lassen werde, und England hat diesem Entschlusse zugestimmt. England hats u. a. fürchterlich übel genommen, daß es s. Z. nicht zu den Berliner Conferenzen hinzugezogen wurde. Minister d'Israeli sagte: Ihr behandelt uns Engländer ja, als ob wir Montenegriner wären! Wir werden Europa nächstens ins höchste Erstaunen versetzen! - Und er hat Wort gehalten.
- Der Leichnam des Sultans Abdul=Aziz ist am 5. Juni mit großem Gepränge und unter Theilnahme aller Minister im Grabgewölbe des Sultans Mahmud in Constantinopel beigesetzt worden.
- Sultan Abdul=Aziz war ein Muster sinnloser Verschwendung. Man höre, was sein Haushalt kostete. Derselbe zählte 5-6000 Angestellte. In den Ställen standen 625 Zug= und Reitpferde, zu deren Wartung 935 Stallmeister, Kutscher und Reitknechte angestellt waren. Durchschnittlich wurden jährlich 25 Wagen von den berühmtesten Fabriken in Europa angekauft, manche dieser Wagen kosteten 100,000 Francs. Die Ausgaben für Wagen und Pferde beliefen sich jährlich auf 2 1/2 Mill. Francs. Der Sultan hatte keine Vorliebe für die Jagd, eine desto größere aber für wilde Thiere, er gab mehr als eine Million jährlich für den Unterhalt seiner Menagerie aus. Dieselbe enthält über 150 Löwen, Tiger, Panther, Giraffen, Zebras etc.; jedes der wilden Thiere verzehrt durchschnittlich 8 Pfund Fleisch zu 1 1/2 Francs das Pfund. Der Harem ist noch weit zahlreicher bevölkert als die Menagerie und enthält die anständige Zahl von 1200 Frauen, und obgleich keine specificirten Rechnungen über deren Ausgaben vorliegen, müssen im Vergleich zu den Damen die wilden Thiere sehr ökonomisch genannt werden. Obgleich die Haremsdamen wohl nicht jede acht Pfund Fleisch täglich verzehren, so haben sie doch eine ausgesprochene Vorliebe für Süßigkeiten; die Ausgaben für Pile=Zucker, der in der Zuckerbäckerei des Harems jährlich verbraucht wird, erheben sich bis zu einer Summe von 400,000 Francs. Die Kosten der Lebensmittel für den ganzen Palast betrugen mehr als 12 Mill. Dem großherrlichen Haushalt sind ferner 48 Aerzte und Apotheker zugetheilt, welche eine Besoldung von 657,000 Francs jährlich beziehen, aber blos 12 Almoseniere und Muezzim (Gebetsausrufer), deren Unterhalt die bescheidene Summe von 62,000 Fr. nicht übersteigt. Vergessen wir auch nicht einen Hof=Astrologen, dessen Amt darin besteht, gegen eine Entschädigung von 13,800 Francs jährlich die Niederlagen der Feinde des Halbmondes vorauszusagen, dann ein Musikcorps, bestehend aus 300 Personen, welche doppelten Sold und doppelte Ration vom Kriegsministerium beziehen. Der Sultan hatte auch einen ausgesprochenen Geschmack für Bau=Unternehmungen; mit den großen Ausgaben hierfür erhebt sich die Totalsumme für die Bedürfnisse des kaiserlichen Haushalts auf etwa 50 Mill. Francs, ungefähr ein Zehntel des gesammten Einkommens der Türkei.
- Der Schatz des Sultans ist merkwürdig wegen seiner ungeheuren Masse von Edelsteinen und der unkünstlerischen Art, mit der sie theils zu Ziergegenständen verwendet, theils in großen, tiefen Schüsseln übereinander aufgespeichert wurden. Da kann man Möbelstücke sehen, deren Urstoff vor lauter Perlen und Edelgestein unsichtbar ist, Pferdegeschirr und Schabracken, denen sich ein Gleiches nachrühmen läßt, breite, tiefe Schüsseln von sagenhaft großer Smaragde, Rubinen, Türkise, Saphire und Topase, die sämmtlich ungeschliffen, aber hoffentlich nicht alle längst durch unächte ersetzt worden sind, und - inmitten dieser Kostbarkeiten unnennbaren Werthes - hin und wieder ein höchst werthloses, aber prunkhaftes Ding, z. B. einen Operngucker mit blauschimmerndem Email, wie man sie in französischen Läden 2. Ranges, aber niemals in europäischen Händen auch nur 3. Ranges findet. Gegenstände von wirklichem Kunstwerth bilden die verschwindende Minderzahl. Das Ganze macht den Eindruck orientalisch=despotischen Barbarenthums, und unwillkürlich drängt sich der Gedanke auf, um wie viel ersprießlicher es wäre, dieses ganz rohe, ungeschliffene, nichtsnutzige Edelstein=Gesindel zu verkaufen, um aus dem Erlös den hungrigen Soldaten und Gläubigern Sr. Majestät eine Abschlagszahlung zu reichen.
- Der neue Sultan Murad hat seinem Finanzminister die nicht beneidenswerthe Aufgabe gestellt, das türkische Schuldenwesen alsbald in Ordnung zu bringen. Der Minister machte sich gleich an die Arbeit und seinen Aufzeichnungen verdanken wir folgende Zusammenstellung: Abdul=Aziz erbte von seinem Bruder eine Schuldenlast von ungefähr 375 Millionen Franks, wofür jährlich ungefähr 15 1/2 Millionen an Zinsen und 8 1/2 Millionen für Amortisation aufzubringen waren. Unter der Regierung von Abdul=Aziz kamen hinzu:
        1862 200    Millionen Franks,
        1863 120    Millionen Franks,
        1864   50    Millionen Franks,
        1865 909,1 Millionen Franks,
        1865 159    Millionen Franks,
        1868 150    Millionen Franks,
        1869 555,6 Millionen Franks,
        1870 792    Millionen Franks,
        1871 142,5 Millionen Franks,
        1872 278,2 Millionen Franks,
        1873 694,4 Millionen Franks,
               ------------------------
        in Sa. 4041,8 Millionen Franks.
Diese Summen mußte der Sultan verschreiben, obwohl er in der That viel weniger erhielt. Im September 1874 wurde eine neue Anleihe von einer Milliarde Franks verfügt zur Consolidirung der schwebenden Schulden. - Der arme Finanzminister schlägt vor Entsetzen die Hände über dem Kopfe zusammen und setzt seine einzige Hoffnung auf den Rath und den Beutel der guten Freunde in England.
- Keine Tambours mehr in der österreichischen Armee. Die "Grazer Ztg." schreibt: Zufolge kriegsministeriellen Rescripts werden die Tambours abgeschafft und in der gesammten Infanterie= und Land=Infanterie durch Hornisten ersetzt; als Gründe für die Abschaffung werden angegeben, daß die Abrichtung eines nicht musikalisch gebildeten Mannes zum guten Tambour schwieriger und zeitraubender ist als die zum Trompeter; daß ferner der Tambour im Kriege fast nutzlos, da die Trommel nicht gehört wird und auch deren Träger fast ganz kampfunfähig macht. Der Hauptgrund jedoch ist, wie man vermuthet, daß die Trommel, die überdies eine viel kürzere Benützungsdauer hat, pro Stück 22 fl., das Signalhorn bloß 6 fl. 20 kr. kostet. Die durchschnittliche Ersparniß dadurch wird pro Jahr 68,500 fl. betragen.
- Auf ihrem Landsitz Nohant ist die weltberühmte französische Schriftstellerin George Sand, 71 Jahre alt, gestorben. Sie hat eben so viele Romane gelebt als geschrieben.
- Auf Einladung der Stadt Wiesbaden werden die deutschen Journalisten am 19., 20. und 21. August eine Generalversammlung daselbst abhalten.
- In Stuttgart hat sich der 17jährige Baron Reischach erhängt, - der vierte auffallende Todesfall in der Cotta=Reischach'schen Familie seit wenigen Wochen.

[ => Original lesen: 1876 Nr. 45 Seite 6]

- Die Kaiserin von Oesterreich, wie bekannt selbst eine vollendete Reiterin und Liebhaberin eleganter Reitkünste, ließ vor ein paar Tagen Herrn Carre, den Director des Circus Carre, zu sich in die Campagne=Reitschule rufen, wo mehrere Pferde aufgestellt wurden, und fragte Carre, welches von diesen ihm am besten gefalle. Ohne eine Ahnung über den Zweck der Frage, entschied sich derselbe für einen prachtvollen arabischen Schimmelhengst und bezeichnete ihn als das schönste Pferd von allen. "Nehmen Sie ihn als Geschenk!" sagte die Kaiserin zu dem Ueberraschten und verließ, noch ehe er danken konnte, mit leichtem Gruße die Reitschule.
- Die Tiroler, denkt man, sind geborene Soldaten, die Aushebungs=Commission aber weiß es besser. Von 100 Militärpflichtigen sind durchschnittlich nur 30 zum Dienst bei den Kaiserjägern tauglich, die andern müssen ausgeschlossen oder zurückgestellt werden. Freilich sind die Anforderungen an Kaiser=Jäger sehr hoch, sie dürfen kaum ein "Untädelchen" haben. Die besten Rekruten liefert das Passeyerthal, das Oetz= und Unter=Inn=Thal.
- Nach Angaben des Dr. Barella hat der Sattler Ingels zu Brüssel einen Apparat construirt, bei dessen Anwendung durchgehende Zugpferde augenblicklich zum Stehen gebracht werden sollen. Er beruht nach dem "Phönix" darauf, daß ein Pferd, welchem die Nasenöffnungen plötzlich zusammengedrückt werden, in Folge Luftmangels stehen bleiben muß. Der kleine sehr hübsche Apparat wird an dem Zaume angebracht, und ein Zug an dem Zügel reicht hin, um durch Federkraft zwei kleine Zügel in Bewegung zu setzen, welche die Nasenöffnungen zudrücken. Beim Nachlassen des Zügels hört der Druck auf. Zahlreiche Versuche in Brüssel haben das Instrument als praktisch erwiesen. Der Direktor der Thierarzneischule zu Brüssel, Thiernesse, hat einzelne Modificationen angebracht und erklärt den Apparat für durchaus zufriedenstellend.
- Herr Bebel, der bekannte Sozialist. Drechslermeister und Reichstagsabgeordnete, hat sich entschlossen, seiner Thürklinkenfabrik durch Vergrößerung des Betriebskapitals einen Aufschwung zu verleihen. Zu dem Behuf ist er mit einem reichen Privatier, einem Herrn Ißleib, dessen Bekanntschaft Bebel seiner agitatorischen Thätigkeit verdankt, ein Sozietätsverhältniß eingegangen. Die neue Firma "Ißleib und Bebel" läßt gegenwärtig zu Reudnitz bei Leipzig ein neues, großes Fabrikgebäude aufführen.
- Die Indianerbevölkerung. Nach amtlichen Berichten ist die Zahl der in den Vereinigten Staaten von Nordamerika noch lebenden Indianer auf 316,000 herabgesunken, von denen etwa 100,000 mehr oder minder civilisirt und 135,000 halbcivilisirt sind, während 81,000 sich noch die ganze Urwüchsigkeit und Wildheit ihrer Sitten bewahrt haben. Gerade die durch Coopers Romane so bekannt gewordenen Stämme sind aber entweder ganz erloschen oder zu kümmerlichen Ueberresten zusammengeschmolzen. Die Delawaren zählen beispielsweise noch 110, die Comanchen 3000, die Pottowatonies 2060 und die Pawnees 3000 Köpfe. Am zahlreichsten sind auch jetzt noch die Stämme der Apachen, der Chippeways, der Choktaws, Creeks, Utes, sowie der jüngst wieder sich aufrührerisch zeigenden Sioux, welche in Dakota Wyoming und Montana zerstreut leben.
- Die s. Z. in der Gartenlaube abgebildeten und beschriebenen Hundemenschen aus Rußland lassen sich gegenwärtig in München für Geld sehen. Andriam Joflichjuo ist eine große stämmige Figur mit einem recht spitzfindigen Affenpintscher=Gesicht und spricht, seitdem er ans Licht des Tages gezogen ist, schon russisch. Sein Sohn "Fedorchen," ein recht munteres Bürschchen von gleicher Race, hat es sogar noch weiter gebracht, er spricht schon so viel französisch, um (sich recht artig vorzustellen) seinen Namen und sein Alter etc. nennen zu können. Die Kleidung ist, wie bei solchen Schaustellungen gebräuchlich, phantastisch. Im Ganzen macht es einen sehr komischen Eindruck, wenn man von einem Hundemenschen die Sprache der grando Nation verarbeiten hört.
- Wie die Newyorker "Handelsztg." erzählt, wurde am 18. v. M. ein Mann in Philadelphia, welcher - wahrscheinlich nicht ohne Grund - sein Fräulein Tochter geohrfeigt hatte, zu 2 Monaten Gefängniß verurtheilt, weil, wie ihn der Richter belehrte, das "väterliche Züchtigungsrecht" auf erwachsene Kinder keine Anwendung finde.
- Des Lebens Unverstand mit Wehmuth zu genießen. - Dieses bekannte Prototyp eines Satzes voll blühenden Unsinns stammt von dem Wiener Komiker Scholz. Der Spruch des alten Scholz, mit welchem er tragische Bühnenhelden ironisirte, lautet vollständig also: "Wenn sich der Schwäche Kraft in der Erreichung dunkler Ziele hat gesondert, und wie auch des Gelingens Huld erwärmender Nachsicht dünkt, so ist dennoch des Strebens zaghaft Spiel, in banger Schüchternheit der Gewährung, des Lebens Unverstand mit Wehmuth zu genießen, die Ehre gehabt zu haben."
- Auf einem mit Planken eingeschlossenen Bauplatze in der Blumengasse in Wien ereignete sich am 1. d. M. das entsetzliche Unglück, daß ein 11jähriges Mädchen, die Tochter einer Handarbeiterin, Nachts von 4 Hunden buchstäblich zerrissen wurde. Die Kleine war Tags zuvor ausgeschickt worden, um einen Geldbetrag einzukassiren, hatte jedoch 20 Kreuzer davon verloren und getraute sich aus Furcht vor Strafe nicht nach Hause zurückzukehren. Um ein Unterkommen zu suchen, war sie über die Einplankung gestiegen und dort von den Wachhunden überfallen worden. Als der Bauwächter, durch wüthendes Hundegebell herbeigerufen, das Kind fand, röchelte es kaum noch und verschied nach kurzer Zeit.
- Der junge Maschinenbauer Günther in Berlin war ein fleißiger und solider junger Mann, aber schon seit Januar außer Arbeit, weil ihn und viele Kameraden sein Herr wegen fehlender Bestellungen entlassen hatte. Nachdem der junge Mann alles umsonst aufgeboten hatte, um neue Arbeit zu bekommen, mußte er nach und nach alles verkaufen, was er hatte und obendrein Schulden machen, zuletzt litt er sogar Hunger. Da sagte er am Pfingstfeiertag zu seinem Hausherrn: Heute werde ich etwas thun, das mir Brod verschaffen soll! - sprachs und gab dem ersten Schutzmann, der ihm begegnete, eine furchtbare Ohrfeige. Er wurde sofort verhaftet, widersetzte sich wie unsinnig und wurde gebunden an das Gericht abgeliefert.
- Ein Justizbeamter in Berlin rief, wie das Tageblatt erzählt, seinen Sohn, welcher ein auswärtiges Gymnasium besucht, telegraphisch an das Krankenbett der in Todesgefahr schwebenden Mutter, und der junge Mann traf am Abend ein. Die Mutter hatte die Krisis glücklich überstanden und war außer Gefahr, so daß der Sohn mit freudiger Beruhigung sein Nachtlager aufsuchen konnte. Als er am Morgen erwachte, fiel ihm auf, daß es, obwohl er nach der Reise prächtig und anscheinend sehr lange geschlafen, im Zimmer noch so dunkel war, daß er keinen Gegenstand wahrnehmen konnte. Dennoch vernahm er andererseits die Stimmen der jüngeren Geschwister, von denen eines an sein Bett trat, um dem Langschläfer mit einem Kusse zu wecken. Eine furchtbare Ahnung beschlich des Jünglings Herz und die Gewißheit raubte ihm fast den Verstand. Sein Augenlicht war erloschen - er war blind. Voller Entsetzen ließ er den Vater ans Bett rufen und machte ihm Mittheilung von der schrecklichen Wahrnehmung. Dieser ließ natürlich sofort alle Mittel anwenden, welche geeignet sein können, das Uebel zu heilen, hoffentlich mit bestem Erfolg. Für Eisenbahnreisende ist der Fall aber unter allen Umständen beachtenswerth. Der junge Mann hat nämlich dem Arzte gestanden, daß er fast während der ganzen Reise aus dem Coupeefenster gelehnt und nicht achtend den starken Zug, welcher durch jeden Eisenbahntrain entsteht, hinausgeschaut habe. Bis jetzt ist lediglich dieser Umstand als die Ursache der Erblindung zu betrachten.


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