No. 69
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Dienstags und Freitags

Schönberg, den 28. August
1868
achtunddreißigster Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1868 Nr. 69 Seite 1]

- Graf Bismarck ist in Varzin mit dem Pferde gestürzt; beim Reiten trat das Pferd mit den Vorderbeinen in ein Loch, überschlug sich und fiel mit dem Rücken auf seinen Reiter. Gebrochen hat Bismarck nichts, aber jedes Glied am Leibe thut ihm weh. Ein Omen? Die Zeitungen aller Sprachen versichern verblümt und unverblümt, der Graf sitze nicht mehr fest im Sattel. Eine Wiener Zeitung (N. Pr. Pr.) sagt: "Bismarck ist ein überwundener Standpunkt."
- Drei französische Generalstabsoffiziere haben im August auf deutschem Grund und Boden Terrainstudien gemacht, Einer in Schlüchtern, der Andere in Hersfeld, der Dritte in Tauberbischofsheim in Baden. Der Dritte wurde in Wittighausen festgenommen. Man fand bei ihm viele Spezialkarten und sehr genaue eigene Aufnahmen, er gab Punkte an, die zu befestigen seien und berichtete über die Wohlhabenheit und Leistungsfähigkeit der Gegend bei Einquartirungen u. s. w. Er wurde, da sein Paß nicht in Ordnung war, über die Grenze gewiesen.
- Die Bayern sind gespannt, ob die Verlobung ihres jungen Königs mit der russischen Großfürstin Marie zu Stande kommt. Sie wünschen, daß er mehr Antheil an dem öffentlichen Leben nehme und offen diese Umwandlung von einer Vermählung mit einer Prinzessin, die für alles Schöne so reges Interesse hat und ihn vielleicht mit den Anforderungen seines schweren Berufes und dem Ernst des Lebens mehr zu befreunden versteht. Die Auflösung seiner früheren Verlobung mit einer bayerischen Prinzessin erfolgte, weil die Braut dem romantischen Gedankenfluge des Bräutigams gegenüber materielle Anschauungen kundgab, wenn derselbe in Entzücken über Stellen aus Schiller oder aus der Wagner'schen Musik versank.
- Der Pfarrer in Pohrlitz schien den 18. August, den Geburtstag des Kaisers Franz Joseph, vergessen zu haben, denn er hielt kein Hochamt, wie's seither gebräuchlich war. Um seinem Gedächtnisse nachzuhelfen, brachten ihm Abends die Leute ein Ständchen, die Musik mußte die Volkshymne spielen und sie selber ließen den Kaiser und seine Minister leben und dem Concordat brachten sie ein Pereat.
- Die Ernte in Nordamerika wird als außerordentlich günstig geschildert. In Iowa ist Getreide und Gras seit langer Zeit nicht mehr so reichlich gewesen. Die Nachfrage nach Erndtemaschinen konnte von den Händlern nicht befriedigt werden. Ebenso lauten die Nachrichten aus Minnesota, wo die Aehren 10 Zoll lang sind und man auf einzelnen Acres mehr als 75 Bushel Weizen geerntet hat (d. i. 8 bis 9 Tonnen vom Scheffel Aussaat). Auch Illinois hat noch nie ein so gesegnetes Jahr gehabt. - In diesen Tagen ging eine Ladung von 1200 Ballen Heu nach England ab, wo die Heuerndte gänzlich mißrathen ist. Dies ist seit 9 Jahren das erste Mal, daß aus den Vereinigten Staaten Heu nach England ausgeführt wird.
- In Berlin und Marburg gab's Pistolenduelle zwischen Studenten und Offizieren; in Berlin fiel der Student, in Marburg der Offizier. Wird doch dieser eingerostete Unfug einmal aufhören?
- Unter den Bergen in der Schweiz machten sich der Rigi und der Pilatus förmlich Concurrenz, der Rigi blieb aber Sieger. Er wimmelt ganz von Fremden aller Völker und die fünf Gasthöfe oder Stationen sind überfüllt. Der theuerste Gasthof ist Rigi=Kaltbald, der billigste das Klösterli; den Rigi=Culm besteigt jeder Fremde einmal, um die Welt sich zu Füßen liegen zu sehen.
- Wem's in der Schweiz nicht theuer genug ist, der gehe nur nach Schottland; die Wirthe dort verstehen sich aufs Prellen. Für ein Ei muß der lumpigste Engländer 9-12 kr. bezahlen, für ein Cotelett 1 Thaler. Die "Times" wimmelt von Klageliedern.
- In Waldbüttelheim, einem Dorfe in Bayern, das 1866 so viel durch Einquartirungen und Cholera gelitten, sind am 18. August 60 Häuser, die Hälfte des Dorfes, darunter viele Scheunen mit reichem Erndtesegen, niedergebrannt.
- Die Meere sind in ihrer Tiefe ebenso verschieden wie die Berge in ihrer Höhe. Der Ostsee gesteht Humboldt eine mittlere Tiefe von 200 Fuß zu; ihre tiefste Stelle an der Insel Gothland beträgt 1000 Fuß. Die Nordsee hat eine mittlere Tiefe von 500 Fuß, diese steigt dann bis zu 1000 Fuß und darüber. Die tiefsten Stellen des schwarzen Meeres südlich von der Krim betragen 3000 Fuß, diejenigen des Mittelmeeres östlich von Malta 15,000 Fuß. Die höchsten Wellen der Ostsee betragen 12 Fuß, diejenigen des atlantischen Oceans 30 Fuß.
- Die Herren Wirth & Co. in Frankfurt haben eine der besten Gasmaschinen aus Amerika importirt und bauen dieselbe jetzt in Deutschland. Nach angestellten Versuchen gibt ein Argandbrenner von 36 Löchern eine Lichtstärke von 18 Wallrathkerzen. Bei einem Preis des Gasolins von 10 Thalern erhält man aus einer Gasolinmenge, welche ca. 3 Gulden kostet, gerade so viel Licht wie aus 1000 Cubikfuß des besten Steinkohlengases.
- Die Hausfrauen in Lübeck waren bisher der Meinung, keinen andern als ächten Colonial=Zucker zu ihrem Kaffee genossen zu haben. Sie jammerten sehr, als bekannt gemacht worden war, daß Lübeck zum deutschen Zollverein getreten sei, denn nun mußten sie auf diese ächte Süßigkeit verzichten. "Tröstet euch, ihr lieben Frauen von Lübeck, - schreiben die Kaufleute aus Hamburg, - der Zucker, den ihr seit Jahren von uns bezogen, war ächter deutscher Runkelrübenzucker aus Magdeburg."
- Im August des Jahres 1866 machte ein der Domkasse zu Frauenburg in Westpreußen zugefügter Diebstahl von 10,000 Thalern in baarem Gelde und Banknoten viel von sich reden. Es ließ sich keine sichere Spur des geschickt ausgeführten Diebstahls auffinden. Doch haftete ein unbestimmter Verdacht an zwei Einwohnern Frauenburgs, von denen der eine bereits verstorben ist, der andere noch lebt und ein kleines Geschäft betreibt. Als Letzte=

[ => Original lesen: 1868 Nr. 69 Seite 2]

rer nun in diesem Jahre bedeutende, viel Geld erfordernde Dinge unternahm und baar bezahlte, wozu seine bisher bekannten Vermögensverhältnisse nicht ausreichend erschienen, wurde der Versuch gemacht, den Verdächtigen zu fangen. Ein gewandter Polizeibeamter aus Berlin traf als Handlungsreisender, nachdem Avise ihn als solchen den Geschäftsleuten Frauenburgs und auch dem bewußten Herrn empfohlen hatten, kürzlich dort ein, machte seine Besuche der Reihe nach, schloß auch mit dem Verdächtigen einige Waarenlieferungen ab und fragte ihn im Laufe des Gesprächs, ob er ihm nicht Papiergeld einwechseln möchte, das er bei seiner baldigen Weiterreise leichter transportiren könne, was bereitwilligst zugesagt wurde. Der Pseudoreisende brachte nun Silbergeld im Betrage von mehreren hundert Thalern herbei, der Frauenburger zählte dagegen Papiergeld auf, unter dessen Nummern der Polizeibeamte einige sofort als übereinstimmend mit denjenigen erkannte, welche der Domkasse gestohlen wurden. Der Verdächtige ist daraufhin sogleich zur Haft gebracht worden.
- Ein genialer Engländer in Florenz hat eine neue Methode erfunden, sich die Hitze vom Leibe zu halten. Sein Studirzimmer ist mit Zink ausgeschlagen wie ein riesiger Kessel und in Brusthöhe mit Wasser gefüllt. Ein Schreibtisch, einige Stühle und ein wohlbesetztes Bücherbrett erheben sich auf eisernen Gestellen über dem Wasser. In diesem Aquarium bringt der Mann die heißen Stunden des Tages zu, empfängt Freunde, studirt und taucht von Zeit zu Zeit unter. Die Bücher, die er gerade braucht, liegen aufgeschlagen auf verschiedenen Bänken, und es soll einen sehr interessanten Anblick gewähren, wie er zwischen seinen Grammatiken und Wörterbüchern umherschwimmt, um zugleich den Körper und den Geist zu erfrischen.
- Der Räuber Fränkel war wiederum aus dem Zuchthaus entsprungen und setzte mit seiner Bande die Umgegend von Ragnit in Schrecken. In Wolullen entdeckte ihn ein Gensd'arm und brachte ihn auf 30 Schritte zum Stehen; näher kam er nicht heran, denn der Räuber hielt ihm eine Pistole entgegen und war ein guter Schütze, die Bauern standen umher und wagten nicht zu helfen. Da taumelte ein reisender Müllergeselle aus dem Kruge quer über den Weg, den Knotenstock lustig schwingend und das Felleisen auf dem Rücken; er war offenbar stark angetrunken und in lustigster Laune, er sang und stolperte und lachte lustig mit, als die Bauern lachten, sogar der Räuber verzog das Gesicht, aber der Gensd'arm rief ihm grimmig zu, aus dem Wege zu gehen. Der Geselle hörte es nicht, taumelte noch einmal die Kreuz und Quer, aber plötzlich ein mächtiger Sprung und er hatte den Räuber von hinten gepackt. Zwei Schüsse feuerte der Räuber nach hinten ab, keiner traf, und im Nu war er alsdann von dem Gensd'armen und dem Müller niedergeworfen und überwältigt; er trug 2 siebenläufige Revolver und 2 Dolche bei sich.


Weibliche Verschwiegenheit.
(Schluß.)

Diesen unerwarteten Ausgang seiner Notwehr hatte indessen der unglückliche Todtschläger wohl nicht vermuthet; lange versuchte er, ihn durch wiederholtes Rütteln und Schütteln in's Leben zurückzurufen, und da diese Versuche ohne Erfolg blieben, schöpfte er aus einer nahen Bergquelle seine beiden Holzschuhe voll Wasser und gießt sie dem Entseelten über das bleiche Antlitz. Aber auch dieses Mittel bleibt ohne Wirkung. Fast eine Viertelstunde steht er, den Erschlagenen betrachtend, vor ihm, und nachdem er endlich durch die sich auf seinem Angesichte verbreitende Todtenfarbe und das Einsinken der Augen die sichern Symptome erhält, faßt er plötzlich den Entschluß, sich so gut als möglich des todten Körpers zu entledigen. Er läuft zu dem Ende tiefer in den Wald hinein, ersieht sich seitwärts in der Gegend einer alten Eiche eine ihm angemessen dünkende Stelle, gräbt mit Hülfe seiner Harke eine Grube in die Erde, nur eben tief und geräumig genug, einen menschlichen Körper fassen zu können, geht alsdann zurück, schleppt den Erschlagenen an den ihm bestimmten Verwesungsort, legt ihn hinein, indem er zugleich Säbel und Pistolen, sowie den Hut die Grube wirft, dann bedeckt er Alles mit Erde, Rasen, Moos, sowie mit abgefallenen Reisern und Laub, sieht sich, wie er an die lichte Stelle des Waldes kömmt, wo der Todtschlag geschehen, noch einmal um, und kehrt sodann auf dem nämlichen Wege zu seiner Arbeit und der verlassenen Heerde zurück.
Es war natürlich, daß das lange Ausbleiben des jungen Lieutenants, dessen erwartete Rückkunft auch am Abend nicht erfolgte, in der Garnisonsstadt, bei seinem Chef, sowie bei seinen Kameraden nicht geringe Besorgniß erregte; noch mehr aber wurde die Bestürzung vermehrt, als der am nächsten Morgen nach A . . . . abgefertigte Expresse mit der Nachricht zurückkam, es habe sich am vorigen Tage dort nirgends ein Offizier sehen lassen, noch weniger habe man dort irgend eine Auszahlung erhalten. Der Bote versicherte zugleich, daß von Allen, die gestrigen Tages des Weges gekommen wären, keiner einen Offizier bemerkt haben wollte, und somit konnte es um so weniger fehlen, daß das Verschwinden eines mit einer ansehnlichen Summe Geldes ausgesandten Offiziers zwei Tage vor dem bestimmten Ausmarsch zu allerhand ihm eben nicht günstigen Deutungen und Muthmaßungen Anlaß gab. Der Oberste ließ indeß den Vorfall auf militärische Art zur allgemeinen Kunde bringen. Die Landes=Regierung wurde zu einer strengen Nachforschung über den Vermißten aufgefordert und von Regimentswegen demjenigen eine Belohnung von 200 Pistolen zugesichert, der über das Leben oder den Tod des so plötzlich Verschwundenen genaue Auskunft zu ertheilen im Stande sein werde. Diese Maßregeln zur Aufklärung eines so unerwarteten Vorfalles wurden auch mit dem großen Eifer und mit der lobenswerthesten Genauigkeit durchgeführt, die das damals zwischen Preußen und Frankreich eingetretene freundschaftliche Verhältniß schon voraussetzen läßt, ja sogar auf Befehl des Königs die angegebene Belohnung um 100 Pistolen vermehrt. Jedoch alle Nachforschungen, das wiederholte Durchsuchen der ganzen Gegend, alle Bekanntmachungen in den Kirchen und Landesblättern, ja selbst die auf ergangene Aufforderung der preußischen Regierung an die Landesherrschaft des Waldes, wo der Todtschlag begangen war, angestellte wiederholte Durchsuchung desselben, kurz, alle Mittel und Wege, die man einschlug, nur irgend eine Spur zu entdecken, waren vergeblich, bis endlich von diesen ganz erfolglosen Anstrengungen abgeschreckt, die so eifrig betriebenen Nachforschungen erkalteten, die ganze Sache auf sich beruhen blieb und zuletzt sogar in Vergessenheit gerieth.
So vergingen zehn Jahre. Niemand dachte mehr an den vermißten Franzosen, als mit einemmale das Andenken an ihn in der ganzen umliegenden Gegend erneuert wurde. Durch einen besondern Zufall hatte man die wenigen noch vorhandenen Ueberreste des Unglücklichen entdeckt, und durch genaue Untersuchung der aufgefundenen Hirnschale die unumstößliche Gewißheit seiner gewaltsamen Todesart erhalten. Die Entdeckung hatte sich auf folgende Art zugetragen. Mehrere junge Kaufleute aus der Stadt, die sich auf einer Schwarz= und Hochwildjagd in diesem Walde befanden, lagerten sich mit ihren Jägern in der Gegend des Baumes, wo der Erschlagene verscharrt lag, in der Absicht, ihr Mittagsmahl zu verzehren. Sie bemerkten bald, wie ihre Hunde sich auf einer gewissen Stelle versammelten und durch unaufhörliches Bellen, Scharren und Kratzen zu erkennen gaben, daß hier etwas Ungewöhnliches verborgen sein müsse. Aufmerksam dadurch gemacht, verfügen sich einige von ihnen an den bezeichneten Ort und werden eine Menge von den Hunden an's Tageslicht gebrachter rother und grüner Lappen gewahr, die, obgleich beinahe verwest, dennoch kenntlich waren. Bei weiterer Untersuchung entdeckten sie Knochen und mehrere Ueberbleibsel eines hier verscharrten menschlichen Körpers. Auf die bei ihrer Rückkunft der Stadt=Obrigkeit davon gemachte Anzeige, mit welcher, wie zu erachten ist, ihre Vermuthung wegen des vor 10 Jahren vermißten Franzosen in Verbindung stand, wurde die Untersuchung vorgenommen. Außer einigen Ueberbleibseln des Körpers und der Bekleidung fand man zwei lederne Geldbeutel, und zwar in jedem eine

[ => Original lesen: 1868 Nr. 69 Seite 3]

Summe von mehr als 200 Pistolen, eine Uhr, ein Taschenbuch mit größtentheils gut erhaltenen Papieren, zwei Sackpistolen, einen Säbel u. dgl.; mit einem Worte, die erste vorläufige Ansicht ließ keinen Zweifel mehr übrig, daß es die Ueberreste jenes unglücklichen Offiziers seien, der hier auf eine unerklärbare Art seinen Tod gefunden hat. Soviel ergab sich jedoch augenscheinlich, daß Raubgierde nicht die Veranlassung gewesen sei, ob man gleich über die Möglichkeit zweifelhaft blieb, wie ein mit Waffen wohl versehener Soldat habe überwältigt und ein so trauriges Ende nehmen können. Jetzt begann die Untersuchung über diesen, in jener Gegend unerhörten Vorfall auf's Neue; die schon vor 10 Jahren angelobte Belohnung wurde wiederholt, und man glaubte jetzt um so eher einen gewissen Erfolg sich versprechen zu dürfen, da man die Vermuthung hegte, es müßten ohne Zweifel mehrere an diesem Verbrechen Theil genommen haben. Allein es schien, als ob die That in ein undurchdringliches Dunkel gehüllt bleiben sollte. Wahrscheinlich auf Veranlassung der zur Untersuchung beauftragten Regierung und in der mutmaßlichen Voraussetzung einer stattgefundenen Notwehr wurde jetzt dem oder den Thätern auf Befehl des Königs eine gänzliche Befreiung von aller Strafe an Gut, Ehre und Leben versprochen, im Fall sie sich freiwillig stellen, und über die Veranlassung zu dieser That ein aufrichtiges Bekenntniß ablegen würden.
Kaum war dies königliche Wort in der umliegenden Gegend bekannt geworden, als sich zwei betagte Bürgerfrauen aus der nämlichen Stadt, wohin der Unglückliche bestimmt war, bei dem dortigen Landrichter meldeten und ihn um eine geheime Unterredung ersuchten. Sie hatten, - erklärten sie, - vernommen, daß die Thäter des an dem vor 10 Jahren vermißten Franzosen verübten Mords von aller Strafe befreit sein sollen, und daher glaubten sie es ihrer Pflicht gemäß, nunmehr ihr seit dieser ganzen Zeit unverbrüchlich beobachtetes Stillschweigen brachen und dem Herrn Richter die Anzeige machen zu müssen, daß sie beide auf einer nach dem Stadtchen Balen begriffenen Wanderung in einer nur mäßigen Entfernung Augenzeugen des ganzen Vorfalles gewesen wären. Darauf erzählten sie die bei dem Todtschlag angeführten Umstände und Thatsachen ganz genau, die allerdings zu Gunsten des Thäters sprachen. Sie hätten sich, versicherten sie, dann gegenseitig das Wort gegeben, über das, was sie gesehen, keine Silbe verlauten zu lassen, sondern es als ein ewiges Geheimniß in ihrem Herzen zu bewahren, auch die feste Abrede getroffen, desselben nie gegen einander zu erwähnen, und diesem ihrem freiwillig gefaßten En Schluß, wären sie auch bis dahin getreulich nachgekommen, ob ihnen sowohl die damals als auch die neuerdings ausgebotenen ansehnlichen Belohnungen recht wohl bekannt wären. Allein sie selbst, als sehr unbemittelte Bürgersfrauen, würden es für eine Sünde gehalten haben, ein solches Blutgeld verdienen zu wollen, welches den armen Menschen ohne Zweifel auf das Schaffot gebracht haben würde. Sie wiederholten auch nochmals dem Herrn Landrichter die feierliche Versicherung, daß sie auf keinen Pfennig von dem ausgesetzten Preise Anspruch machen würden, sondern ihre Angabe blos in der Absicht geschehen sei, um den unglücklichen Mann gegen alle künftigen Angriffe und Verfolgungen in Sicherheit zu setzen. Der Landrichter, erstaunt über die unerwartete Aussage zweier ihm so unbekannten Frauen, sowie nicht weniger über ihre Verschwiegenheit, erkundigte sich jetzt vor allen Dingen, wer der Thäter sei, wo er sich aufhalte und auf welche Weise es ihnen möglich gewesen sei, aber seine Person Gewißheit zu erhalten. Ihre Vermuthung, daß er im Walde zu Hause gehören müsse, - erwiederten sie, habe sie nicht betrogen. Bei ihrer Rückkunft seien sie bei dem Waldbauer eingekehrt, wo sie ihn auch richtig erkannt hätten; er sei damals 17 bis 18 Jahre alt und Kuhhirte gewesen, jetzt Vater von mehreren Kindern und ein fleißiger und ordentlicher Mann, der das Seine zu Rathe halte. Sein Name sei Johann Melcherts, und sein Wohnort in D., einem preußischen Grenzdorfe. Der Landrichter legte den beiden Frauen darauf ein fortgesetztes Stillschweigen auf, indem er ihnen die Versicherung gab, im Falle übereinstimmender Aussage, sich des unglücklichen Todtschlägers aus allen Kräften annehmen zu wollen. Obgleich Maßregeln genommen waren, daß er nicht entwischen konnte, so wunderte der Landrichter sich doch nicht wenig, ihn auf die erste Aufforderung erscheinen zu sehen. Gleich im ersten Verhöre bekannte er den an dem Franzosen verübten Todtschlag unverholen und mit allen den Umständen, wie wir sie bereits erzählt. Nur gegen einen vorsätzlichen Mord verwahrte er sich auf's Kräftigste, und zeigte die noch vorhandenen Narben an seinen Füßen als einen Beweis, wie unmenschlich ihn der Franzose behandelt habe. Auf die Frage: ob er nicht in Versuchung gerathen sei, die Taschen des Erschlagenen zu durchsuchen? antwortete er: ein solcher Gedanke wäre ihm nie eingefallen, er wäre weder Räuber noch Mörder, sondern bloß die Absicht, seinem Begleiter den Säbel aus der Hand zu bringen, habe ihn zu dem Schlage veranlaßt. Ob er denn nie etwas von den Nachsuchungen, die man angestellt, oder den Belohnungen, die man ausgesetzt, gehört habe? Er erwiederte: niemals, er habe fast beständig im Walde gelebt und selten Menschen gesehen; übrigens sei er des Lesens unkundig und beschäftige sich bloß mit seiner Wirtschaft. Ob er sich denn nie ein Gewissen aus diesem Todtschlag gemacht, und nicht zu Zeiten unruhig gewesen wäre? Antwort: Das könnte er eben nicht sagen, zumal, da es durchaus nicht sein Wille gewesen sei, den Menschen zu tödten. Dann hätte er auch wieder bedacht, es sei ja ein Franzos, der ohnehin den Leuten Drangsal und Schabernack genug angethan hätte, auch sei wenig daran gelegen, ob sich einer mehr oder weniger davon in der Welt befände. Die auf erstatteten Bericht erfolgten königlichen Befehle lauteten dahin: daß bewandten Umständen nach die Sache niedergeschlagen und der Thäter freigelassen werden sollte. Den beiden verschwiegenen Frauen bewilligte der Monarch jeder ein Gratial von 50 Thalern mit der Bedingung, daß sie über den Empfang dieses Geschenkes reinen Mund halten sollten, damit ihre Verschwiegenheitsgabe in Uebung erhalten werde.
Die gefundenen Objecte wurden nach Berlin gesandt, von wo aus die Sache mit dem betheiligten Gouvernement des unglücklich Erschlagenen wahrscheinlich freundschaftlich beigelegt worden ist.


Anzeigen.

Verkaufs=Anzeigen.

Am nächsten Montag den 31. d. Mts., Mittags um 1 Uhr, soll im Hause beim Herrn Gastwirth Köster hieselbst eine noch vor Michaelis d. J. milchwerdende Kuh öffentlich meistbietend gegen gleich baare Bezahlung verkauft werden.
Schönberg, den 27. August 1868.
Kutzbach, Landreiter.


Vermischte Anzeigen.

Auf Veranlassung des patriotischen Vereins, District Gadebusch, hat das Großherzoglich Mecklenburgische Ministerium des Innern folgende Bekanntmachung erlassen:

Es wird hierdurch zur öffentlichen Kenntniß gebracht, daß am Montag, den 7. Sept. d. J. zu Gadebusch ein allgemeiner Markt für Jungvieh wird abgehalten werden.
Schwerin, am 19. April 1868.
Großherzogl. Mecklenb. Ministerium des Innern.
                      Wetzel.
welches hiemit zur weiteren Kenntnißnahme mitgetheilt wird.
                           Das Districts-Directorium.


W. Kolls,
Juwelen-, Gold- u. Silber-Waaren-Handlung
Lübeck, Sandstrasse 1006.
Reparaturen werden billig und prompt ausgeführt.


[ => Original lesen: 1868 Nr. 69 Seite 4]

Zu dem am Sonntag den 30. d. M. von mir auf vielfaches Verlangen veranstalteten Vogelschießen nach Industrie=Gewinnen auf dem hiesigen Schützenplatze erlaube ich mir, meine verehrten Gönner und Freunde freundlichst einzuladen - Nachmittags Harmonie= und Abends Tanz=Musik.
Wittwe Krüger.


Herrmann Berendsohn-Hamburg.
Hierdurch beehre ich mich, den hochgeschätzten S. T. Damen anzuzeigen, daß in Folge der veränderten Geschäftsverhältnisse, die durch den Zollanschluß entstanden, ich mich entschlossen, um den bisher erzielten bedeutenden Umsatz in beiden Großherzogthümern auch ferner zu erhalten, resp. zu vergrößern, für die Folge sämmtliche Artikel des Seiden-, Mode- & Manufacturwaarenfaches zu gleich niedrigen Preisen wie in dem auch ferner zollfrei bleibenden Hamburg den S. T. Auftraggebern und zwar zollfrei zu liefern, indem künftig an der in Hamburg etablirten Zollabfertigungsstelle für das ins Ausland reisende Publikum von mir der Zoll für zu versendende Waaren getragen und berichtigt wird, daß also den S. T. resp. Auftraggebern weder Kosten noch Weitläufigkeiten beim Empfang der Waaren verursacht werden. - - Da mithin nach wie vor die geehrten Besteller ihre Waaren zu solchen billigen Preisen, wie sie nur in Hamburg, als Stapelplatz französischer, englischer und deutscher Manufacturen, gestellt werden können, beziehen können, so schmeichle ich mir, das mir bewiesene langjährige Vertrauen bei vorkommendem Bedarf erhalten zu sehen und werde auch ferner durch sorgfältige, reelle und billige Bedienung allen Ansprüchen zu genügen suchen, indem ich die Ehre habe zu zeichnen
mit größter Hochachtung
Hamburg, im August 1868.
Herrmann Berendsohn.
P. S. Mein Herbst=Preis=Courant wird demnächst in diesem Blatte erscheinen.


Baugewerkschule Schwerin.
Der Unterricht für Maurer, Zimmerer. Tischler, Schlosser, Maschinenbauer etc. beginnt am 2. November d. J. Die Anmeldungen für's Casernement werden zeitig erbeten.
Schwerin i. M. den 6. August 1868.
Die Direction der Baugewerkschule.


Volksfest in Rehna
am Sonntag, den 6. September 1868.
Versammlung auf dem Markte 1 Uhr. - Festzug 2 Uhr.
Volksspiele, als: Stangenklettern, Sacklaufen, Schweinegreifen, Eselrennen. Freitanz - Harmonie - italienische Nacht und Feuerwerk - Ball.
Hiezu wird freundlichst eingeladen von dem Comité.


Gesucht zu Michaelis: eine Köchin und ein Stallknecht auf Hof Stove.


Bei mir können sofort 12 - 16 Arbeiter zum Rammen bei der Eisenbahnbrücke bei Schönberg angestellt werden.
C. Egert.


Zum Arbeiten mit einer zweiten Ramme können sofort noch 24 Arbeiter eintreten bei C. Egert.


Die einzig preisgekrönte Anilin=Schreib= & Copir=Dinte aus der privilegirten Königl. Sächs. Fabrik von Carl Haselhorst in Dresden ist in Schönberg
1/1 Fl.    1/2 Fl.    1/4 Fl.    1/8 Fl.
à 10 Sgr. 6 Sgr. 3 Sgr. 2 Sgr.
nur ächt vorräthig bei J. P. Bade.


Gesucht wird zu Michaelis ein zuverlässiger junger Mann oder Knecht gegen hohen Lohn zu allen häuslichen und ländlichen Arbeiten in der Stadt.
Nähere Auskunft ertheilt Heinr. Creutzfeldt.


Gußeiserne Keller= und Stallfenster, Dachfenster, Ofenthüren, Ofenröhren, Grabkreuze, Gartenbänke, Rosten und Ofenplatten und emaillirtes Kochgeschirr empfiehlt C. Schwedt.


Meteorologische Beobachtungen.
1868
Aug.
Barometer   Wärme   Wind Stärke  
Paris. Lin.
300 +
niedrigste
°R.
höchste
°R.
       
25.
26.
27.
36.09
38.97
37.09
9.3
8.9
9.8
14.5
15.8
15.4
SW
SW
SSW
2
1
2
wolkig.
zieml. heit.
trübe.


Markt=Preise in Lübeck.
Butter, Meckl. d. Pfund15 - 15 1/2 Schilling (Mecklenburg).
Holst. d. Pfund15 1/2 - 16 Schilling (Mecklenburg).
Enten, d. St.16 - 18 Schilling (Mecklenburg).
Hühner, d. St.12 - 14 Schilling (Mecklenburg).
Küken, d. St.8 - 10 Schilling (Mecklenburg).
Tauben, d. St.4 - 5 Schilling (Mecklenburg).
Schinken, d. Pfd.9 Schilling (Mecklenburg).
Wurst d. Pfd.10 Schilling (Mecklenburg).
Eier 8 St.4 Schilling (Mecklenburg).
Kartoffeln, d. Faß7 - 8 Schilling (Mecklenburg).


Getreide=Preise in Lübeck.
(per Sack in Lüb. Crt.)
Weizen22 - 22Mark (Lübeck)12Schilling (Mecklenburg)
Roggen18 - 18Mark (Lübeck)2Schilling (Mecklenburg)
Gerste15 - 15Mark (Lübeck)8Schilling (Mecklenburg)
Hafer12 - 13Mark (Lübeck)-Schilling (Mecklenburg)
Erbsen18 - 20Mark (Lübeck)-Schilling (Mecklenburg)
Wicken-Mark (Lübeck)-Schilling (Mecklenburg)
Buchweizen-Mark (Lübeck)-Schilling (Mecklenburg)
Winter=Rapssaat-Mark (Lübeck)-Schilling (Mecklenburg)
Winter=Rübsen-Mark (Lübeck)-Schilling (Mecklenburg)
Schlagleinsaat19 - 20Mark (Lübeck)-Schilling (Mecklenburg)


Herausgegeben unter Verantwortlichkeit von L. Bicker in Schönberg.


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