No. 65
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 14. August
1868
achtunddreißigster Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
<< Ausgabe vorher>> Ausgabe danach
[ => Original lesen: 1868 Nr. 65 Seite 1]

Es wird hiedurch in Erinnerung gebracht, daß

die mit Führung der Stammrollen beauftragten Ortsbehörden nach § 92 der Militair=Ersatz=Instruction verpflichtet sind, dem Civil=Vorsitzenden die jedesmalige Anzeige zu machen, wenn Militairpflichtige bis zur Zeit des Departements=Ersatz=Geschäfts, welches in diesem Jahre wahrscheinlich im October sein wird, den Aushebungsbezirk verlassen oder Andere zugehen.
Schönberg, den 4. August 1868.

Der Civil-Vorsitzende der Kreis-Ersatz-Commission des Aushebungsbezirks Ratzeburg.
F. Graf Eyben.


In Folge des hohen Regiminal=Rescripts vom 10. August c. wird hierdurch das Nachstehende zur allgemeinen Kenntnis gebracht:

1. Die Anmeldungsformulare für die Nachversteuerung können entgegengenommen werden:
a) in der Vogtei Schönberg auf der hiesigen Landvogtei=Registratur,
b) in der Vogtei Rupensdorf bei dem Landreiter Kutzbach,
c) in der Vogtei Stove bei dem Landreiter Struck in Carlow,
d) in der Vogtei Schlagsdorf bei dem Landreiter Krüger in Schlagsdorf,
e) in Dodow bei der dortigen Gutsherrschaft.
2. Die Anmeldung nachsteuerpflichtiger Waaren darf nur nach dem - sub 1 beregten - vorgeschriebenen Muster erfolgen, und begründet die Unterlassung der Anmeldung innerhalb der gesetzlichen 8tägigen Frist nach Verkündigung der Nachsteuer=Verordnung die Strafe der Zolldefraudation.
3. Die Steuerbeamten sind angewiesen worden, den Nachsteuerpflichtigen bei Anfertigung der Anmeldungen auf Ersuchen ihren Rath zu Theil werden zu lassen. Die ausgefüllten Anmeldungen sind bei derjenigen für die neue Steuerverwaltung competenten Steuerstelle abzureden, zu deren Bezirk der Ort gehört, in welchem die Waaren lagern.
Schönberg, den 10. August 1868.

Großherzoglich=Mecklenburgische Landvogtei des Fürstenthums Ratzeburg.
Seip.


Mit der heutigen Nummer wird Nr. 27 des Bundes=Gesetzblattes versandt.


- Neustrelitz, 11. August. Heute früh 6 Uhr, rückte das hiesige Bataillon von hier aus, um über Mirow, Röbel etc. nach Schwerin zu gehen und an den in dortiger Gegend stattfindenden Mannövern theilzunehmen. (N. Z.)
- Am letzten Tage des Schützenfestes in Wien erschien Kanzler Beust beim Bankett und brachte ein Hoch auf Frieden und Versöhnung. Ueber die Spitze seiner Trinkspruch=Rede wird viel hin= und hergestritten, welches sie sei, wohin sie sich richte. "Oesterreichs Politik, - sagte er, - drängt sich heute nicht mehr in die Angelegenheiten Deutschlands und keine Gedanken der Wiedervergeltung sind es, welche die Geister in diesem Reiche erfüllen, aber kein (Prager) Vertrag hindert Oesterreich, durch das, was Volk und Regierung leisten und schaffen sich Achtung, Vertrauen und Zuneigung zu erwerben. Möge man uns in der freien Entwicklung aller geistigen und materiellen Kräfte nicht stören und uns diese Arbeit durch ehrliche Sympathie erleichtern; Deutschland wird, wenn es das thut, es nicht zu bereuen haben. Oesterreichs Fühlung mit Deutschland - das ist etwas, was keine Partei in Deutschland und keine Nationalität in der österreichischen Gesammtmonarchie zurückweist. Will man aber das deutsche Element in Oesterreich zum Träger dieses Gedankens machen, dann darf man es nicht von den andern Stämmen trennen, die mit gleicher Berechtigung, mit gleicher Treue, mit gleicherprobter Tapferkeit dem Reiche angehören." Also keinerlei Ausnahmestellung Deutsch=Oesterreichs vor den übrigen österreichischen Stämmen.
- Die Königin Olga von Griechenland hat einen Sohn geboren, der den Namen Constantin empfing.
- Schönberg. Die Leiche des seit längerer Zeit vermißten hiesigen Arbeitsmannes W. wurde am Mittwoch in der Maurine bei Schönberg gefunden, wo derselbe sich durch Ertrinken den Tod gegeben hatte. Bedenkt man die hohe Temperatur der letzten Woche, so wird man auf den Zustand des Körpers, der seit 9 Tagen im Wasser gelegen, schließen können. - Ein anhaltendes und heftiges Gewitter entlud sich am Donnerstag Morgen über unserer Gegend, glücklicherweise ohne Schaden verursacht zu haben. Es brachte uns den seit Monaten ersehnten durchdringenden Regen, doch hatten wir Nachmittags wieder heiteren Himmel. - Wie hier Lübecker Böter erzählten, liegen bei Mahlzow mehrere crepirte Schafe theils in der Maurine, theils am Ufer derselben und verpesten die Luft weit um=

[ => Original lesen: 1868 Nr. 65 Seite 2]

her. Im Interesse ihrer Mitmenschen sollten die Besitzer solchen crepirten Viehes sich wenigstens die Mühe machen, dasselbe einzuscharren, zumal dies gesetzlich geboten ist.
- Am 1. Mai 1869 wird in Wittenberg eine allgemeine deutsche Gewerbe und Industrieausstellung eröffnet werden.
- In Berlin beabsichtigt man, im Jahre 1872 eine Welt=Industrie=Ausstellung zu veranstalten.
- Das Deficit des deutschen Schützenfestes beträgt nicht weniger als 100 - 102,000 Gulden, davon gehen 66,000 Gulden Antheile, die nicht zurückgezahlt werden, bleiben übrig 34 - 36,000 Gulden Schulden; wer die bezahlen soll, ist bis jetzt noch ein Räthsel.
- Schreibt deutlich! Ein rheinischer Landmann verschrieb eine Nähmaschine (für seine Tochter) und erhielt eine Mähmaschine.
- Einer der reichsten und angesehensten Russen, Fürst Gagarin, hat in Ischl auf eigenthümliche Weises sein Leben verloren. Er spazierte Abends in die Redtenbachs Wildniß und stieg mit seinem 16jährigen Sohn und dessen Hofmeister in den fast ganz wasserleeren Bach, um Mineralien zu sammeln. Plötzlich aber öffnen sich die Schleußen, und eine furchtbare Wasserfluth sammt Holzblöcken stürzt nieder, reißen die Drei um und begraben sie unter sich. Sie kämpfen vergeblich mit Wasser und Holz und ertrinken, nur der Hofmeister kann sich retten. Die unglückliche Fürstin mit ihrer Tochter war Zeugin des schrecklichen Ereignisses.
- Ein Speculant folgte dem englischen Heere nach Abessynien und kaufte seltene Thiere, 30 Elephanten, von denen 16 auf der Rückkehr starben, Löwen, Gieraffen, Strauße und ein mächtiges Rhinoceros. Für das letztere Thier verlangte er 8000 Thaler, einen Preis den der zoologische Garten in Berlin, der dasselbe ankaufen wollte, nicht zahlen kann oder will.
- In Augsburg wurde dieser Tage eine Civilehe, die erste in Bayern, geschlossen. Das Brautpaar erschien mit zwei Zeugen vor dem Stadtrichter, wo die nötigen Urkunden feierlich verlesen wurden, und dann zeigte der Herr Stadtrichter, daß er auch eine schöne Traurede halten könne. Er sprach gar beweglich davon, daß auch die Civilehen für das ganze Leben geschlossen werden, daß für sie dieselben Rechte und Pflichten gelten, wie für andere und daß die Kinder zu ebenso tüchtigen Mitgliedern der menschlichen Gesellschaft erzogen werden müßten. Nachdem Braut und Bräutigam durch ein lautes Ja ihren Entschluß bezeugt hatten, einander anzugehören, erklärte der Richter die Ehe für rechtsgültig. Das Protokoll wurde aufgenommen und von dem Ehepaar und den Zeugen unterschrieben. Für Leute, die nicht schreiben können, kommt freilich sogleich ein Kreuz in das Eheprotokoll.
- Das schottische Schiff "Arran" segelte im April d. J. nach Quebek ab, unterwegs kamen sieben Knaben zum Vorschein, die sich eingeschlichen hatten. Der grausame Capitain setzte sie sofort auf Hungerskost und quälte sie fürchterlich, und als das Schiff auf Eisschollen stieß, setzte er sechs Knaben, jeden nur mit einem Schiffszwieback versehen, auf einer großen Eisscholle aus, rief ihnen zu: nun geht selber an's Land! und fuhr davon. Drei Knaben wurden von einem vorüberfahrenden Schiffe gerettet, die andern waren todt. Es ist eine Untersuchung gegen den Unmenschen eingeleitet.
- In Manchester hat 26 Menschen die Kopflosigkeit das Leben gekostet. Es entstand im Theater falscher Feuerlärm, der sofort widerrufen wurde. Alles drängte nach den Ausgängen und verstopfte sie. 26 Todte wurden aus dem Knäuel gezogen und noch viel mehr Verwundete.
- Kürzlich hat man von Lüttich nach Rom Brieftauben gesandt, um sie von dort zurückfliegen zu lassen. Die ersten sind glücklich heimgekommen. Man hatte sie, 180 an der Zahl, am 28. Juli in Rom auffliegen lassen, und die erste kam am 3. Aug. Mittags, die zweite an demselben Tage Abends und die dritte am 4. August Morgens in Lüttich wieder an.
- Die Bevölkerung Oesterreichs vertheilt sich nach einer eben von Brachelli herausgegebenen Skizze wie folgt: Der Nationalität nach zählt man 8,782,000 Deutsche, 6,512,400 Czechen, Mährer und Slovaken, 2,380,000 Polen, 2,985,000 Ruthenen, 1,203,600 Slovenen, 2,916,000 Croaten und Serben, 5,400,800 Magyaren, 589,100 Italiener, Friauler und Ladiner, 2,884,000 Rumänen, 1,121,100 Juden, 152,800 Zigeuner 26,500 Bulgaren, 17,000 Armenier, 35,000 Albanesen, 3100 Griechen und Mazedo=Walachen, anderer Nationalität 3700. Cisleithanien zählt somit 19,603,000, Transleithanien 14,830,000 Einwohner. Unter je 1000 Einwohnern der Monarchie sind 254 Deutsche, 186 Czechen, Mährer, Slovaken, 154 Magyaren, 85 Ruthenen, 83 Croaten und Serben, 82 Rumänen, 68 Polen, 34 Slovenen, 32 Juden, 16 Italiener, 6 anderer Nationalität.
- Zu den diesjährigen ungewöhnlichen Naturerscheinungen dürfte auch die zu zählen sein, daß am 4. d. Mts. Abends gegen 9 Uhr in einem Garten bei Löwenbrücken (bei Trier) eine Nachtigall, wie eine Menge Zuhörer bezeugt, aus jubelvoller Kehle ihr Lied erschallen ließ, also ca. 4 Wochen nach dem naturgemäßen Verstummen dieser Sänger. Am 5. d. Mts., Morgens gegen 4 Uhr, soll man daselbst wiederum den Schlag einer Nachtigall vernommen haben.
- Im Schwedischen Lappland ist ein einziges Kirchspiel oft so groß wie ein ganzes Königreich. Das Kirchspiel Gellivare z. B. enthält 352 []M. Viele Lappen wohnen in einer solchen Entfernung von ihrer Kirche, daß sie sich schon am Donnerstage auf den Weg begeben müssen, um am Sonntage dem Gottesdienste beiwohnen zu können. Deswegen wird auch nur an jedem zweiten oder dritten Sonntage vollständiger Gottesdienst gehalten. Die Gemeinde findet sich dann auch stets zahlreich ein. Bei dieser Gelegenheit werden zugleich auch weltliche Dinge abgemacht, Verabredungen getroffen, Käufe geschlossen, ja förmliche Jahrmärkte gehalten.
- Ist Alkohol der menschlichen Gesundheit schädlich oder nicht?" Diese Frage hat ein englischer Arzt, Dr. Thudicum, in einem ausführlich und geistreich behandelten Versuch zu Gunsten des Alkohols entschieden. Dr. Thudicum veröffentlicht in seiner Schrift die Resultate der verschiedenen Experimente, welche er mit Alkohol bei gesunden Personen, bei Trunkenbolden und bei Typhuskranken in Anwendung gebracht hat. Mit Bezug auf die letztgenannte Klasse hegt er nicht den mindesten Zweifel, daß die Verabreichung von ansehnlichen Quantitäten Wein und alkoholischen - nicht concentrirten, aber erfrischenden, reizenden und wohlschmeckenden Getränken an Typhuskranke von der wohlthätigsten Wirkung begleitet war. Den allgemeinen Gebrauch von Alkohol anbetreffend, so bemerkt Dr. Thudicum, daß das Zusichnehmen von großen Quantitäten der sogenannten rohen spirituosen Getränke allerdings viele Krankheiten erzeuge, namentlich in London, wo der enorme Consum von Porter unter den arbeitenden Klassen stark aufräumt. Das Trinken von großen Massen Bier und geistigen Getränken ist als höchst gefährlich zu verabscheuen, sagt Dr. Thudicum. Aber daraus sei keineswegs der Schluß zu ziehen, den Alkohol gänzlich preiszugeben und sich desselben in keiner Weise zu bedienen. Wenn wir viel und stark gearbeitet haben und ermüdet sind, ist Alkohol eines der stärkendsten Nahrungsmittel und eines der größten Bedürfnisse des menschlichen Lebens. Es gibt wohl keine Zeit und keine Nation, in welcher nicht irgend eine Gattung Alkohol, und zwar mit den wohltätigsten Wirkungen, zur Geltung gelangt ist.
- Der zweite Band des geographischen Jahrbuches von J. Perthes enthält interessante statistische Notizen über die Bevölkerungsverhältnisse von London, Paris, Berlin und Wien. Eine Vergleichung ergibt, daß Paris die schwächste, Wien die stärkste allgemeine Fruchtbarkeit, Paris die schwächste, London die stärkste legitime Fruchtbarkeit hat; London die schwächste, Wien die stärkste Sterblichkeit; Berlin die größte, Wien die kleinste Zahl der Verheirathungen; Paris die meisten, Wien die wenigsten Todtgebornen; London die geringste, Paris die stärkste Dichtigkeit der Bewohner (auf eine Hectare Flächenraum Paris 234, Berlin 254, Wien 84, London 36 Bewohner); London die wenigsten, Wien die meisten Bewohner auf ein Haus (London 7,7; Berlin 28,8, Paris 31, Wien 56,7); endlich consumirt London am meisten, Berlin am wenigsten Fleisch (London 109, Wien 87, Paris 75, Berlin 58 Kilogramm).
- Vor einigen Tagen langte in Berlin ein junger Mann an, der soeben durch einen königlichen

[ => Original lesen: 1868 Nr. 65 Seite 3]

Gnadenerlaß von der Festung in Magdeburg, auf welcher er vier Monate als Militairgefangener zugebracht hatte, entlassen worden war. Derselbe war, nachdem er in Triest bei der Lloydgesellschaft als Maschinist gearbeitet, mit dem Kaiser Maximilian und zwar in dessen unmittelbarer Nähe und zu seiner persönlichen Dienstleistung nach Mexiko gegangen und hatte dort schließlich in der letzten Zeit in dem Dragonercorps Dienste genommen. Seiner Militairpflicht in Preußen hatte er als Marinesoldat Genüge geleistet, war aber im Jahre 1866 zur Landwehr einberufen worden, doch hatte er die Einberufungsordre, welche der Feldwebel an den preuß. Consul in Marseille zur Weiterbeförderung abgeschickt, nicht erhalten; wahrscheinlich war dieselbe in Mexiko verloren gegangen, wie vieles Andere. Als nun der Rest der Maximilianischen Truppen nach Europa und der ehemalige preußische Marinesoldat in seine Heimat zurückkehrte, wurde ihm hier der Prozeß gemacht, weil er sich als Landwehrmann nicht gestellt habe, und das Kriegsgericht verurteilte ihn zu zwei Jahren Festungsstrafe. Der junge Mann spricht fließend Englisch, Französisch und Spanisch. Von seinem Landsknechtsleben hat er nichts als Unglück gewonnen, was andern abenteuerlustigen jungen Leuten zur Warnung dienen möge!
- Auf der "Zeil" in Brunn wohnte seit vielen Jahren ein dem Greisenalter sich nähernder Bäckermeister mit seiner sehr schönen 25jährigen Tochter, und zwar im besten Einvernehmen. Plötzlich wandelte das Mädchen die Lust an, das Vaterhaus zu verlassen und in der Fremde das Glück zu versuchen. Der Vater bat und beschwor die Tochter, ihn im Alter nicht zu verlassen; er sagte ihr, daß es ihm das Leben kosten würde, und drohte ihr sogar, sie zu erschießen, wenn sie Ernst machen würde. Kürzlich nun machte die Unglückliche wirklich Ernst, sie packte ihre Sachen zusammen und ging zur Thür - der Vater bat noch einmal - Alles umsonst, da ergriff er in der Verzweiflung sein scharfgeladenes Gewehr, legte an und sein Kind stürzte mit einem Schrei todt zu Boden. Als der Vater die Leiche erblickte, verlor er die Besinnung, er lud sein Gewehr noch einmal und wollte sich selbst erschießen, doch rissen es ihm die auf den ersten Schuß herbeigeeilten Hausbewohner aus den Händen und überlieferten ihn dem Gerichte.
- Kleine pikante Schützengeschichten erzählen die Wiener Zeitungen in Menge und verbürgen sie. Ein biederer Altbayer aus einem kleinen Städtchen langt an, ein alter Herr, der seine ebenfalls schon alterthumsgraue Ehehälfte mitgenommen, um ihr auch einmal die Welt zu zeigen. Sie fanden in einer westlichen Vorstadt freundliches Quartier, und da sie hungrig und durstig waren, erkundigten sie sich bei ihren freundlichen Quartiergebern um ein gutes Gasthaus in der Nähe. Der Hausherr wies sie an das nächste, das zufällig das beste war, und das würdige Ehepaar, das sich ein Wiener Vorstadtgasthaus wahrscheinlich wie eine bayerische Kneipe dachte, war ganz verblüfft, als es in einen mit blühenden exotischen Pflanzen gezierten, gasbeleuchteten Garten trat, an den sich ein offener Salon mit Tapetwänden, Broncelustern, riesigen Spiegeln und Bildern in vergoldeten breiten Rahmen anschließt. Und dazu die elegante lustige Gesellschaft, die dem alten Schützen zunickte von allen Seiten, während dienstbeflissene Kellner herbeiflogen, auf dem weißgedeckten Tische mit Silber und Porzellan zu serviren. "Das ist ein Wiener Vorstadtgasthaus? - sagte der Bayer zu seiner "Alten" - Du, da gehen wir gar nicht in die Stadt hinein, da bleiben wir." Und er hat Wort gehalten, der wackere Biedermann. Seit jenem Tage sitzt er zum Frühstück, zum Mittagsmahl, zur Vesper und zum Nachtmahl sammt der Gattin an demselben Tisch, auf demselben Sesseln, wo sie am ersten Tage gesessen, und Beide lesen die sämmtlichen Wiener Zeitungen von oben bis unten und unterbrechen diese Lectüre nur, wenn der Kellner frisches Bier oder etwas zu essen bringt. Sie haben weder den Festzug noch den Festplatz und von den Merkwürdigkeiten Wiens noch nichts als den Stephansthurm gesehen, auch diesen nur vom Fenster ihrer Wohnung. Auf die Fragen ihrer neuen Freunde, die sie im Gasthaus erworben, antwortet der Alte: "Wir werden schon dazu kommen, uns Alles anzusehen, s' ist ä mal hier gar zu gut." Und lächelnd setzt die Alte hinzu: "Zeit haben wir und Geld haben wir auch, wir versäumen's nicht."
- In der Nähe der Schützenhalle in Wien fand eine Patrouille der Schützenwache einen steierischen Schützen stöhnend liegen. "Was ist Ihnen zugestoßen?" fragte sie. "Ach, der Magen thut mi gar so stark drucken!" "Wovon denn?" (die Patrouille fürchtete, von den vielen Reden). "Weiß ich's? Es kann doch nit von den 28 Paar Schützenwürstel mit Kraut sein?"
- Ein höchst possirlicher Vorfall hat sich kürzlich in Lüttich zugetragen. Bei einem Kaufmann, der mehrere erwachsene Töchter hat, hatte sich ein Mädchen als Dienstmagd vermiethet, welches sehr schönes Haar, aber etwas männliche Manieren hatte. Diese Dienstmagd kam ihren Pflichten mit großer Sorgfalt und Treue nach, während sie zugleich in ihrer Kleidung und im Benehmen gegen ihre Herrschaft außerordentlich sauber und aufmerksam war. Deshalb wurde sie auch gerne gesehen und war sehr geachtet. Vor einigen Tagen aber besetzte die Gendarmerie das Haus, in welchem das Mädchen diente und verkündete, daß sie besagtes Mädchen verhaften müsse, weil sie sich dem Militairdienste entzogen habe. Man kann sich denken, in welches Staunen alle Bewohner des Hauses versetzt wurden! Sie war auf ihrer Kammer und die Hinaufgehenden trafen sie an, wie sie gerade damit beschäftigt war, eine herrliche Perrücke auf den Kopf zu setzen und ihren durchaus männlichen Körper mit weiblichen Unterröcken zu umgeben. Allerdings war diese Magd ein hübscher junger Mann, der, um nicht Soldat zu werden, sich mit weiblichen Kleidern geschmückt, und um nicht erkannt zu werden, als Mädchen für Alles vermiethet hatte. Die Gendarmen kümmerten sich um die Verkleidung nicht und nahmen den Soldaten mit sich. Jedenfalls hatte der Jüngling schon einen amusanten Feldzug mitgemacht, und Entsetzen herrscht in der guten Stadt Lüttich ob der Unsicherheit der Hausfrauen, wie viel andere Dienstmädchen vielleicht auch noch Militairflüchtlinge sein mögen.


Anzeigen.

Vorladung.

Antragsmäßig soll über das dem Handelsmann Friedrich Hein zu Schönberg gehörige, daselbst an der Ratzeburger Chaussee sub Nr. 129 belegene Wohnhaus c. p. ein Hypothekenbuch niedergelegt werden, und werden daher alle Diejenigen, welche Realrechte an diesem Grundstücke zu haben vermeinen und deren Eintragung in das niederzulegende Hypothekenbuch verlangen, zu deren Anmeldung auf Freitag den 4. September d. J., Vormittags 11 Uhr, peremtorisch und unter dem Nachtheile hiemit aufgefordert, daß alle nicht angemeldeten und von der Anmeldungspflicht nicht ausgenommenen Realrechte an dem proclamirten Grundstücke sowohl gegen den jetzigen als künftigen Besitzer desselben erloschen sein sollen.
Ausgenommen von der Anmeldungspflicht sind jedoch diejenigen Gläubiger, welche ihre Forderungen auf einem mit dem Siegel des Gerichts versehenen, vor dem Liquidationstermine ihnen vorzulegenden und von ihnen zu unterzeichnenden Postenzettel richtig und vollständig aufgeführt gefunden haben.
Schönberg, den 8. Juni 1868.
Großherzogl. Justizamt der Landvogtei des Fürstenthums Ratzeburg.
C. L. v. Oertzen.
(L. S.) A. Dufft.


Verkaufs=Anzeigen.

Auf Antrag der Weberwittwe Trems, Maria geb. Möller hieselbst sollen nachstehende, zum Nachlass ihres verstorbenen Mannes, des Webermeisters Johann Peter Trems hieselbst gehörige, allhier belegene Grundstücke, als:

1) das sub Nr. 145 an der Siemzer Straße belegene Wohnhaus mit dahinter befindlichem massiven Backhaus, Stall, Hofplatz, einem Garten von ca. 1/2 Scheffel und einem Ackerstück von ungefähr 4 Scheffel Aussaat, sowie dem dazu

[ => Original lesen: 1868 Nr. 65 Seite 4]

gehörigen Erbpachtackerstück auf dem Osterfelde von ungefähr 3 Scheffel Aussaat Größe;
2) zwei Kirchenstände in der hiesigen Kirche, nämlich der Mannsstand Nr. 86 und der Frauenstand Nr. 65;
3) das im Galgenmoor belegene Ackerstück Nr. 12, ca. 3 Scheffel Aussaat groß, und
4) die an der Neuenwallstraße belegene Wiese, ca. 6 Scheffel Aussaat groß,
öffentlich meistbietend verkauft werden. Es ist zu dem Ende ein einziger Licitations=Termin auf Dienstag, den 22. September d. J., Vormittags 10 Uhr, anberaumt worden, wozu daher Kaufliebhaber hiemit vor Gericht geladen werden.
Bemerkt wird, daß das vorstehend sub 1 bezeichnete Wohnhaus mit den Pertinenzien zusammen, die sub 3 und 4 vermerkten Grundstücke aber, wie auch die Kirchenstände sub 2 besonders verkauft werden sollen.
Die Besichtigung der Grundstücke nach zuvoriger Meldung bei der Wittwe Trems hieselbst ist jederzeit gestattet, und sind die Verkaufsbedingungen auf der Registratur des unterzeichneten Gerichts, sowie beim Sachwalte der Wittwe Trems, Herrn Advocat Rackow hieselbst einzusehen, auch gegen die Gebühr in Abschrift zu erhalten.
Schönberg, den 27. Juli 1868.
Großherzogl. Justiz=Amt der Landvogtei des Fürstenthums Ratzeburg.
Seip.
(L. S.) A. Dufft.


Vermischte Anzeigen.

Todes=Anzeige.
Am 3. Juli starb in Great Island in Nordamerika mein lieber Sohn Johannes Sick am Sonnenstich.
C. Sick.
Schlagsdorf.


Soeben trafen wieder bei mir ein:
Zolltarif und das amtliche Waarenverzeichniß mit Tara= und Zollberechnungstabellen etc. Herausgegeben von Steuerrath Zinnow. Preis 1 Thlr.
Gesetze und Regulative des deutschen Zollvereins. Herausgegeben von Steuerrath Zinnow. Preis 1 Thlr. 6 Sgr.
Zolltarif des deutschen Zollvereins vom 1. Juni 1868 ab gültig. Herausgegeben von Dr. G. Hirth. Preis 4 Sgr.
Ich versende diese für jeden Geschäftsmann jetzt unentbehrlichen Bücher auf gef. Bestellung franco nach auswärts.
F. Grautoff, Buch= und Landkartenhandlung.
Lübeck, den 13. August 1868.


W. Kolls,
Juwelen-, Gold- u. Silber-Waaren-Handlung
Lübeck, Sandstrasse 1006.
Reparaturen werden billig und prompt ausgeführt.


Wichtig für Bierbrauereibesitzer!
--------------
Nur was ächt ist, bewährt sich!
Schaal sauer und trübe gewordene Lager=, sowie auch neue Schenkbiere werden längstens in 24 Stunden durch ein unschädliches Mittel, unter Garantie, glanzhell, fein mousirend und schmackhaft wieder hergestellt. Bei Bestellung bitte um genaue Angabe der Zahl der Fässer und des Maaß=Inhaltes jedes einzelnen Fasses. Versendungen nehme der Kürze wegen nach.
Einsendung von einer Flasche des kranken Bieres wäre erwünscht. Mustersendung sowie Briefe bitte zu frankiren. Nähere Auskunft ertheilt

Aug. Sigerist, Mengen (Württemberg).

Amtliche Urkunde.
Dem Kaufmann und Fabrikanten, Herrn August Sigerist von hier, wird hiermit bezeugt, daß derselbe der unterzeichneten Stelle über 10,895 Stück Zeugnisse, authentische Schriftstücke, von Anbeginn seines Geschäfts bis heute vorgelegt hat.
Stadtschultheißen=Amt:
(L. S.) Kopp.


Meinen Sohn Carl Bade habe ich von jetzt an als Theilnehmer meiner sämmtlichen Geschäfte, in welchen mir derselbe seit 14 Jahren treu zur Seite gestanden, mit unbeschränkter Vollmacht aufgenommen, welches ich hierdurch zur öffentlich Kenntniß bringe.
Schönberg, den 8. August 1868.
J. P. Bade.


Mit der Anfertigung allerlei Schmucksachen aus Haaren, z. B. Blumen, Flechten, Litzen, Ketten, Armbänder, Ringe etc. empfiehlt sich unter Versicherung prompter und billiger Bedienung bestens
Leonore Schrep.
Schönberg, den 10. August 1868.


Die einzig preisgekrönte Anilin=Schreib= & Copir=Dinte aus der privilegirten Königl. Sächs. Fabrik von Carl Haselhorst in Dresden ist in Schönberg
1/1 Fl.    1/2 Fl.    1/4 Fl.    1/8 Fl.
à 10 Sgr. 6 Sgr. 3 Sgr. 2 Sgr.
nur ächt vorräthig bei J. P. Bade.


Am Montag und Dienstag, den 17. und 18. August, beide Tage Nachmittags, wird bei mir ein Scheibenschießen nach Gewinnen stattfinden, wozu ich ein geehrtes Publikum hiedurch freundlich einlade.
Büchsen, Pulver und Blei wird von mir gehalten. - Auf ein Loos von drei Schüssen fällt nur ein Gewinn.
Bäckermeister Krüger Hülsmann in Herrnburg.


Hiedurch mache ich die ergebene Anzeige, daß ich am Sonntag den 16. August beim Gastwirth Seeler in Sahmkow und am Montag den 17. Aug. bei der Gastwirthin Boye in Schönberg einen Transport hannöverscher Säugefüllen zum Verkauf stellen werde.
Beckmann aus Propst=Jesar.


Auf dem Wege von Lindow nach Schönberg ist am Dienstag Nachmittag von einem Dienstmädchen ein Umschlagtuch verloren worden. Der Finder wird gebeten, dasselbe gegen eine Belohnung in der Exped. d. Bl. abzugeben.


Meteorologische Beobachtungen.
1868
Aug.
Barometer   Wärme   Wind Stärke  
Paris. Lin.
300 +
niedrigste
°R.
höchste
°R.
       
11.
12.
13.
34.90
34.83
35.07
12.5
15.0
13.7
21.0
20.6
20.6
ONO
SSW
ONO
1
1
1
zieml. heit.
-
heiter.

Am 11. u. 13. Gewitter und Regen: 56 und 155 Cubikz. Regen auf 1[]'.


Markt=Preise in Lübeck.
Butter, Meckl. d. Pfund15 - 15 1/2 Schilling (Mecklenburg).
Holst. d. Pfund15 1/2 - 16 Schilling (Mecklenburg).
Enten, d. St.16 - 18 Schilling (Mecklenburg).
Hühner, d. St.12 - 14 Schilling (Mecklenburg).
Küken, d. St.8 - 10 Schilling (Mecklenburg).
Tauben, d. St.4 - 5 Schilling (Mecklenburg).
Schinken, d. Pfd.9 Schilling (Mecklenburg).
Schweinskopf, d. Pfd.6 Schilling (Mecklenburg).
Wurst d. Pfd.10 Schilling (Mecklenburg).
Eier 7 - 8 St.4 Schilling (Mecklenburg).
Kartoffeln, d. Faß7 - 8 Schilling (Mecklenburg).
Hamb. Kirschen, d. Pfd.1 1/2 - 2 Schilling (Mecklenburg).


Getreide=Preise in Lübeck.
(per Sack in Lüb. Crt.)
Weizen24 - 25Mark (Lübeck)-Schilling (Mecklenburg)
Roggen17 1/2 - 18Mark (Lübeck)4Schilling (Mecklenburg)
Gerste14 - 15Mark (Lübeck)-Schilling (Mecklenburg)
Hafer12 - 13Mark (Lübeck)-Schilling (Mecklenburg)
Erbsen18 - 20Mark (Lübeck)-Schilling (Mecklenburg)
Wicken-Mark (Lübeck)-Schilling (Mecklenburg)
Buchweizen-Mark (Lübeck)-Schilling (Mecklenburg)
Winter=Rapssaat21Mark (Lübeck)-Schilling (Mecklenburg)
Winter=Rübsen20Mark (Lübeck)4Schilling (Mecklenburg)
Schlagleinsaat19 - 20Mark (Lübeck)-Schilling (Mecklenburg)


Hiezu Officieller Anzeiger Nr. 32.


Herausgegeben unter Verantwortlichkeit von L. Bicker in Schönberg.


<< Ausgabe vorher>> Ausgabe danach
ZVDD