No. 55
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 09. Juli
1867
siebenunddreißigster Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1867 Nr. 55 Seite 1]

- Mit großer Hartnäckigkeit hält sich in der Politik die Frage wegen der Rückgabe Nordschleswigs an Dänemark. Des Pudels Kern in diesem Streit ist, daß die Dänen Alsen und Düppel wieder haben wollen. Sie verlassen sich auf den französischen Hinterhalt und erklären es für ebenso unmöglich, daß Preußen Alsen und Düppel behalte, als Oesterreich das italienische Festungsviereck behalten konnte. Die Preußen dagegen sagen, es sei unmöglich, sie herauszugeben, sie seien mit theurem Blute erkauft. Daß Frankreich die Dänen heimlich unterstützt, ist sicher; 5 Pariser Zeitungen sammeln bereits öffentlich für die "Opfer preußischer Tyrannei in Schleswig".
- Die Rede Napoleons bei der Preisvertheilung am 1. Juli ist ein seltsames Aktenstück, ein beredtes Lob der Werke und Künste des Friedens, eine etwas bedenkliche Lobpreisung der öffentlichen Zustände in Frankreich und eine noch bedenklichere Hinweisung auf das unruhige Nationalgefühl der Franzosen. Der Kaiser hat eine große Gabe, den Dingen eine gute Seite abzugewinnen und doch den Stachel fühlen zu lassen. Sehen wir ab davon, wie er die nationalen Spiele der Alten und den Wettstreit der neuen Zeit mit beredten Worten vergleicht und theilen wir die Abschnitte der Rede mit, die auf das Verhältniß Frankreichs zu Deutschland handgreiflichen Bezug nehmen. Napoleon sagt: "Wünschen wir uns Glück zu dem Besuche der meisten Herrscher und Fürsten Europas und so vieler wißbegieriger Gäste. Seien wir auch stolz darauf, ihnen Frankreich gezeigt zu haben, wie es groß, gedeihlich und frei ist. Man muß jedes patriotischen Glaubens bar sein, um an seiner Größe zweifeln zu können, man muß vor dem Tageslichte die Augen schließen, um seine gedeihliche Entwickelung zu leugnen, und geradezu seine Staatseinrichtungen verkennen, die manchmal bis zur Zügellosigkeit die Dinge dulden, um darin nicht die Freiheit zu erkennen. Die Fremden konnten sich ein Urtheil über dieses Frankreich bilden, das ehemals so unruhig war und seine Unruhe über die Grenzen hinaus verbreitete und nun, arbeitsam und ruhig, sein Genie den mannichfaltigsten Wunderwerken zuwendet und sich niemals durch materielle Genüsse entnerven läßt. Aufmerksame Geister haben ohne Mühe errathen, daß bei aller Entwickelung des Reichthums und allen Versuchungen des Wohllebens die nationale Fiber stets in hohe Schwingung geräth, sowie es sich um Ehre und Vaterland handelt. Allein diese edle Empfindlichkeit vermag kein Gegenstand der Besorgniß für die Weltruhe zu sein. Mögen die, welche einen Augenblick unter uns verlebt, eine gerechte Meinung über unser Land mit nach Hause bringen, mögen sie von den Gefühlen der Achtung und der Sympathie überzeugt sein, welche wir von den fremden Nationen hegen, sowie auch von unserm aufrichtigen Wunsch, mit ihnen in Frieden zu leben. Die Ausstellung von 1867 wird, wie ich hoffe, die Eröffnung einer neuen Aera der Eintracht und des Fortschritts bezeichnen. Von der Gewißheit getragen, daß die Vorsehung die Bemühungen aller Derer segnet, die, wie wir, das Gute wollen, glaube ich an den endgültigen Sieg der großen Prinzipien der Sittlichkeit und Gerechtigkeit, die, indem sie allen gerechtfertigten Bestrebungen Befriedigung gewähren, einzig und allein die Throne befestigen, die Völker zu heben und die Menschheit zu veredeln vermögen."
Der Preisvertheilung, zu welcher Rossini eine Hymne mit Glockenklang und Kanonendonner komponirt hatte, wohnten der Kronprinz von Preußen, der Prinz von Wales, der Sultan und Prinz Napoleon bei, der sich zum erstenmal wieder zeigen durfte.
- Zu den politischen Stich= und Schlagwörtern gehört jetzt das Neutralisiren. Es ist der jüngere Bruder von Annexiren; wo das Annexiren allzu unverschämt und gefährlich wäre, da versucht man Land und Leute zu neutralisiren, d. h. man nimmts dem Eigenthümer, gibt's einem Andern und erklärts für neutral. Mit Luxemburg hat das Neutralisiren angefangen, mit einem Stück Rheinland möchten die Franzosen fortfahren und mit dem Neutralisiren von Alsen und Düppel möchten die Dänen ein vorläufiges Ende machen. Man sieht, daß überall Deutschland die Kosten des Neutralisirens bezahlen soll, man wird aber die Rechnung ohne den Wirth gemacht haben.
- Seit dem 28. Juni feiern die Katholiken in Rom den 1800sten Geburtstag der Kirche Christi. Der Jahrestag des Märtyrertodes der Apostel Petrus und Paulus, welche mit ihrem Blute die Begründung der Kirche besiegelt haben, wird mit allem kirchlichen und weltlichen Pompe begangen. 200,000 Fremde wohnten der Feier, 500 Bischöfe und Cardinäle aus aller Welt der Heiligsprechung im Vatikans bei. Wie viele Reiche sah die Welt entstehen und vergehen seit dem Tage, an welchem die Kirche Christi gestiftet wurde. Die Dauerhaftigkeit der römisch=katholischen Kirche ist eine gewaltige Erscheinung. Seit sie aber der weltlichen Macht zustrebte, eine weltliche Macht wurde, ist ihr ein gut Stück ihres ursprünglichen gewaltigen Geistes abhanden gekommen, und das weltliche Herrscherthum steht am Ende seiner Tage. Täglich und stündlich erschallen jetzt zur Feier in allen Kirchen Litaneien, Messen und Gebete für die Erhaltung des Statthalters Christi auf Erden und seine weltliche Macht, ein wahrer Gebetsturm. Wenn nur nicht dem lieben Gott der Lärm zu arg wird und er deshalb sein Ohr verschließt! - 450 Bischöfe haben dem Papste in einer Adresse unbedingt versprochen, alles zu glauben, was der Papst lehrt.
- Sultan Abdul=Aziz ist in Paris angekommen und von Napoleon auf dem Bahnhofe abgeholt worden. Er fuhr in europäischer Tracht, aber mit dem Fez auf dem hübschen Kopfe. Er soll etwas abgespannt aussehen, aber neugierig um sich blicken, er muß offenbar viel über Paris gehört haben. Jeden Tag wäscht er sich mit Nilwasser, das in einem großen Bassin aufbewahrt wird. Der Sultan gefällt den Parisern, und sie gefallen ihm. Er grüßt außerordentlich heiter und würdevoll und nur die vielen schönen Frauen, die frei umher ge=

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hen, setzen ihn in Verlegenheit; der Kaiserin darf er nicht seinen Arm geben, das wäre gegen die türkische Etikette, es scheint ihm aber sehr leid zu thun. Eins ärgert die Franzosen; der Sultan sitzt, wenn er speist, hinter einem durchbrochenen Schirm, er sieht sie und sie wissen nicht, was er hinter dem Schirm treibt. Sein Sohn fällt durch sein grundgescheidtes Gesicht und seine Ernsthaftigkeit auf.
- Aus Neustrelitz geht uns Nachstehendes über die von Sr. Königl. Hoheit dem Großherzog auf den 19., 20. und 21. August d. J. festgesetzte hundertjährige Jubelfeier der dortigen Schützengilde zum Abdruck zu.
Die Zunft verdankt ihre Entstehung einer Gnade der schönen und liebenswürdigen Königin Sophia Charlotta von Großbritannien und Irland, geb. Prinzessin von Mecklenburg=Strelitz, eine Zierde ihres Geschlechts, deren Andenken ebenso im Lande ihrer Geburt, als besonders im Lande ihrer zweiten Heimath noch heute in hohen Ehren gehalten wird. Als die in jugendlichem Liebreiz strahlende Fürstin am 17. August 1761 ihr Vaterland verließ, um dem Herrscher des stolzen England, dem Könige Georg III. die Hand zu reichen, schenkte sie eine ansehnliche Summe Geldes der Bürgerschaft unserer Residenzstadt, welche die letztere im Sinne der hohen Geberin nicht besser als zur Bestreitung der Kosten der ersten Einrichtung einer Bürger=Schützen=Compagnie zu verwenden glaubte. Nachdem inzwischen der Fond vergrößert und Statuten entworfen waren, erfolgte unterm 20. August 1767 die Allerhöchste Bestätigung des Zunft=Privilegiums durch des hochseligen Herzogs Adolph Friedrich IV. Durchlaucht, und erhielt die Zunft ein ferneres Zeichen der Gnade dadurch, daß die Königin von England eine kostbare Fahne, die die Zunft noch jetzt besitzt und benutzt, ihr zu verleihen geruhten.
Zur würdigen und angemessenen Feier dieses mit den schönsten Erinnerungen unseres hochverehrten Fürstenhauses verknüpften Jubiläums wird am 20. und 21. August d. J. auf dem hiesigen Schützenhause ein Festschießen veranstaltet werden, bei dem sowohl der Jubelkönig, als auch die beiden Jubelritter mit silbernen Pocalen und Medaillen bedacht werden sollen. Außerdem erhält jeder am Jubelschießen theilnehmende fremde Schütze ein silbernes Erinnerungszeichen.
Sämmtliche Schützen=Compagnien des Inlandes sowohl, als auch unseres mecklenburgischen Bruderlandes, sowie mehrere befreundete preußische Compagnien, wie z. B. die Berliner etc. werden mit besonderen Einladungen versehen werden und lebt man der zuversichtlichen Hoffnung, daß insbesondere die Compagnien sämmtlicher Mecklenburg=Strelitzscher Städte sich recht zahlreich an dem Jubelfeste betheiligen werden. Des freundlichsten Empfanges und der gastlichsten Aufnahme dürfen alle Eingeladenen sich um so mehr versichert halten, als unsere Residenzstadt stets eine vorzügliche Ehre darin gesucht hat, ganz besondere Beweise deutscher Gastfreundschaft zu geben.
In umfassender Weise werden die zu einer würdigen Feier erforderlichen Veranstaltungen vorbereitet; es werden weder Mühe noch Kosten gescheut werden, das Fest so glänzend wie möglich herzustellen. Seitens unserer Einwohnerschaft zeigt sich überall das regste Interesse und erwartet man mit Zuversicht, daß nicht nur die früheren Mitglieder unserer Zunft, sondern auch die sonstigen Einwohner ihre lebhafte Theilnahme an dem glücklichen Gelingen der Festesfeier durch freundliche Aufnahme von Gästen eben so sehr, als durch eine Beisteuer pecuniärer Mittel bethätigen werden. Daß unsere Residenzstadt an den Jubeltagen bis in die fernsten Straßen im festlichen Blumen= und Flaggenschmuck prangen wird, bedarf gewiß kaum noch der Erwähnung. So möge denn auch unserem Feste der Himmel sich gnädig erweisen und nicht durch Nässe oder kalte Witterung unsere Jubelfreude stören.
- Das Cultusministerium in Bayern hat bei dem Papste die Aufhebung zahlreicher Feiertage beantragt, es sollen nach seinem Vorschlage nur noch die Sonntage, die hohen Feste und Frohnleichnahm und Allerheiligentag öffentlich gefeiert werden. Da wird's einen schweren Stand geben.
- Die Berliner Zeitungen wollen bestimmt wissen, daß der zwischen den Zollvereinsstaaten abgeschlossene neue Vertrag erst mit dem 1. Januar 1868 zur Ausführung gelangen und das Zollparlament nicht vor dem nächsten Frühjahr zusammentreten könne.
- Zur Bewaffnung der sächsischen, württembergischen, darmstädtischen und badischen Truppen mit Zündnadelgewehren sind von Preußen bereits an die betreffenden Regierungen über 30,000 Zündnadelgewehre überwiesen worden, und wird für die Kriegsstärke dieser Heerestheile die Zahl dieser Waffen noch weit mehr als verdoppelt werden müssen.
- Aus Newyork heißt es, daß eine große Belohnung auf die Erlangung des Leichnams Kaiser Maximilians gesetzt worden ist.
- Die Papiere Maximilians sollen durch einen seiner Vertrauten in der englischen Bank deponirt worden sein.
- Jeden Tag gehen Abends mit dem Courierzuge 50-70 Körbe voll lebender Krebse von Berlin nach Paris. In Cöln machen die Sendungen Halt, weil die Krebse im Rheinwasser aufgefrischt werden.
- In Rom, wo gegenwärtig ca. 200,000 Priester und Pilger versammelt sind, herrscht die Cholera in sehr bedenklicher Weise; man fürchtet, daß die Krankheit bei Rückkehr der Priester sich weiter verbreiten werde.
- In Mailand hat General Pallavicini seine Frau im Bette erschossen.
- Die Lübecker Chronik erzählt, daß im Sommer 1547 in unserer Gegend eine so große Dürre herrschte, daß schier alle Teiche, Flüsse und Ströme ausgetrocknet seien und hat man etliche Wochen durch die Elbe gehen können. - Ein Jahr früher war zu Lübeck eine sehr theuere Zeit. Der Kornmangel war so groß, daß die Backhäuser schon Morgens 3 Uhr von Hunderten belagert wurden, von denen kaum der zehnte Theil befriedigt werden konnte. Auf dem Lande machte man Brod aus Birkenrinde. Viele Menschen starben eines schmählichen Hungertodes; viele vater= und mutterlose Waisenkinder liefen umher, schreiend nach einem Bissen Brod - Morgens fand man viele todt auf den Straßen. Da nahmen sich Lübecks Bürger der Armen an und gründeten das Waisenhaus. Durch den Genuß der ungesunden Nahrungsmittel entstand eine Pest, an der von Pfingsten bis Martine mehr den 16000 Menschen in Lübeck gestorben sein sollen.
- Am Ufer des Schifffahrtscanals in Berlin fiel am Montag Nachmittag ein dort Spielender etwa sechsjähriger Knabe in's Wasser und war der Gefahr des Ertrinkens nahe, als ein vorübergehender Herr seinen trefflich dressirten Pudel nachschickte, welcher den Kleinen noch rechtzeitig bei den Kleidern packte und wohlbehalten an's Land förderte.
- Am 28. v. M. wurde auf der Ober=Postdirection in Düsseldorf ein Packet geöffnet, welches die schon in Verwesung übergegangene Leiche eines Kindes enthielt. Das Packet war von Krefeld nach Schlesien adressirt, dort aber dessen Annahme verweigert worden.
- Die Traubenblüthe nimmt in allen Weingegenden Württembergs dieses Jahr einen so überaus günstigen Verlauf, und der Stand des Weinstockes ist ein so vortrefflicher, daß bei fernerer günstigen Witterung bis zum Herbste auf ein eben so reichliches als vorzügliches Erträgniß gehofft werden darf.
- Jedem Kinde steht ein schützender Engel zur Seite! Dies hat sich in wunderbarer Weise in einem Hause in der Oranienburger=Straße in Berlin wieder bewahrheitet. Auf einem Treppenflur des dritten Stockwerks spielten mehrere Kinder, von denen das eine, ein dreizehnjähriges Mädchen, ein anderthalbjähriges Knäbchen auf dem Arm trug. Ein von der Parterre=Etage heraufkommender Knabe ruft den oben spielenden Kindern zu; diese, und unter ihnen das Mädchen mit dem Kinde, beugen sich, um hinabzublicken, über das Geländer der Treppe; das auf dem Arm getragene Knäblein macht eine heftige Bewegung und, seiner Hälterin

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entgleitend, stürzt es hinab aus der dritten Etage. Ein einziger durchdringender Schrei ertönt und lockt die Bewohner des Hauses zusammen, und siehe da, an dem an der Treppe zum ersten Stockwerk angebrachten Gasarm hängt mit seinem Röckchen unversehrt das hinabgestürzte Kind und zappelt lachend und fröhlich mit Händchen und Füßchen. Auch nicht ein Härchen war dem Kinde verletzt worden.
- Eine Entführungsgeschichte macht in der Leopoldstadt in Wien die Runde. Fräulein Johanna B. eine 16jährige zierliche Brünette, die Tochter eines Fabrikanten, hatte eine zu moderne Erziehung erhalten, um nicht schon zahlreiche Entführungen in den Romanen gelesen zu haben. Es war ihre Sehnsucht, in einer lauen Sommernacht auch einmal von einem galanten Ritter entführt zu werden. Sie machte kein Hehl daraus: keine Heirath ohne Entführung! Und rasch ward ihr Ideal zur Wirklichkeit. Ein junger, ihrem väterlichen Hause befreundeter Bahnbeamter lernte sie kennen und - lieben; die Liebesbriefe flogen herüber und hinüber und endlich der letzte: genaue Instructionen zur Entführung. Abends harrt der Fiaker in der Nähe des Hauses, drinnen sitzt der gut vermummte Liebesheld, Fräulein Johanna huscht mit einem leichten Packetchen in den Wagen und fällt dem stummen Entführer um den Hals. Der Wagen führt das stumme Pärchen zum Bahnhof und bald geht's mit dem Zuge tief in's Land hinein nach Mähren. Schon wird's Tag, als sie in einem kleinen Städtchen aussteigen, um Rast zu halten. Um Gottes willen nicht hier, beschwört die Romanheldin ihren Helden, hier wohnt ja meine Tante! - Dennoch geht's in's Städtchen und der Wagen hält vor dem Haus - der Tante und drinnen "überreicht" der malitiös lächelnde Entführer das verblüffte Mädchen der Tante. Mit den Worten: Schaffen Sie nur alle Romane aus dem Wege! nimmt er Abschied. - Die ganze Geschichte war mit der Tante und den Eltern verabredet, eine homöopathische Cur, für deren Erfolg die Tante einstehen will.
- Ein Landmann, der in den letzten Tagen den zoologischen Garten in London besuchte, nahm großes Interesse an den Bären, vor deren Zwinger er sich längere Zeit aufhielt. In seiner Neugierde, den Bewegungen der Thiere zu folgen, hatte er seines Hutes nicht acht und beugte sich so weit vornüber, daß die Bedeckung seines Hauptes hinab in den Zwinger fiel. Einen Augenblick stand der Besitzer des augenscheinlich neuen Hutes oben eben so verdutzt wie die Bären da unten; als aber dann einer der jungen Bewohner des Zwingers Miene machte, sich der sonntäglichen Kopfbedeckung zu bemächtigen, da trug die Sorge für den theuren Cylinder über die angeborene Scheu vor den zottigen Höhlenbewohnern den Sieg davon, und mit einem kühnen Sprunge stand das Bäuerlein zwischen seinem Hut und dem jugendlichen "Braun". Letzterer war einigermaßen erstaunt über die Dazwischenkunft des fremden Eindringlings, während das Elternpaar mit ominösem Brummen sein Mißvergnügen über die Verletzung des in England so hoch gehaltenen Hausrechts äußerte. Doch bei dem Brummen blieb es nicht, und unser Landmann mußte es bald zu seinem Schrecken erfahren, daß Bären, selbst wenn sie im Käfig und Zwinger Jahre lang eingeschlossen sind, doch noch gewisse Reminiscenzen an die gesetzlosen Zustände der Heimath behalten. Die Bärengesellschaft nahm ihn in die Arme und zerrte ihn ihren Privatgemächern zu, und wenn nicht die Stimme des Wärters, der alsbald herbeigerufen, zu seiner Rettung erschien, einen mächtigen Einfluß auf die Bären an den Tag gelegt hätte, die alsbald ihr Opfer freiließen, so würde wohl kaum der biedere Landbewohner je wieder die kühne That erzählen, die er unternommen zur Rettung seines Cylinders.


Anzeigen.

Daß an Stelle des Schulzen Oldenburg zu Schlagbrügge der Büdner Jochen Jabs zu Schlagsdorf hinwiederum zum Districtstaxanten für die Vogtei Schlagsdorf ernannt und als solcher am 29. Juni c. beeidigt worden ist, wird den Eingesessenen der Vogtei Schlagsdorf zur Nachricht hiedurch bekannt gemacht.
Schönberg, den 1. Juli 1867.
Großherzogl. Justiz=Amt der Landvogtei des Fürstenthums Ratzeburg.
C. L. v. Oertzen.
(L.S.) A. Dufft.


Am Sonnabend, den 13. Juli d. J., Nachmittags von 2 Uhr an, sollen im Kruge zu Pahlingen nachstehende Sachen in öffentlicher Auction gegen gleich baare Zahlung meistbietend verkauft werden:

Betten, Leinwand, Frauenkleidungsstücke, ein Koffer u. s. w.
Kutzbach, Landreiter.


Am Donnerstag, den 11. Juli, Morgens von 9 Uhr an, soll im Hause des Krügers Hecht in Schlagsdorf in Öffentlicher Auction gegen gleich baare Zahlung verkauft werden:

2 paar goldene Ohrringe, 1 goldene Halskette, 1 vollständiges Bett, Frauenkleidungsstücke, 1 Kleiderschrank, 1 Commode, 6 Rohrstühle, 1 Spiegel, 2 eichene Koffer, 1 Lade, 36 1/2 Bolzen flächsene Leinwand, 12 Bolzen heedene Leinwand, 3 Bolzen Tischzeug, 2 Bolzen kleine heedene Handtücher, Leinenzeug, Flachs, etwas Küchengeräth, 5 Schafe.
Schlagsdorf, den 1. Juli 1867.
Krüger.


Torf=Auction.
Mittwoch, den 10. Juli, sollen auf dem Woitendorfer Torfmoore 600 Mille Soden=Stechtorf meistbietend gegen gleich baare Bezahlung verkauft werden. Kaufliebhaber wollen sich Morgens 10 Uhr auf dem Woitendorfer Torfmoore bei der Hütte einfinden.
Vitense, den 3. Juli 1867.
L. Wiegandt, Förster.


Vermischte Anzeigen.

Extrazüge z. Pariser Ausstellung.
Während der Dauer der Pariser Ausstellung finden regelmäßig wöchentlich zwei Extrazüge zwischen Berlin und Paris statt, welche von Berlin Dienstags und Freitags 8 1/2 Uhr Morgens und von Paris Montags und Donnerstags 2 Uhr Nachmittags abgehen.
Zur Benutzung dieser Extrazüge von Hannover ab werden vom 5. Juli an bei der Billetexpedition in Lübeck Billets zu bedeutend ermäßigten Fahrpreisen ausgegeben, welche eine Gültigkeitsdauer von 30 Tagen haben. Die Preise für die Fahrt von Lübeck nach Paris und zurück betragen:
für ein Billet II. Classe 23 Thlr. 7 Sgr. und für ein Billet III. Classe 16 Thlr. 16 Sgr.
Wer mit einem dieser Extrazüge nach Paris fahren will, muß Dienstags resp. Freitags den Morgens 7 Uhr von Lübeck nach Büchen gehenden Zug zur Fahrt nach Hannover benutzen, da nur dieser Zug an den in Hannover eintreffenden Extrazug anschließt.
Zwischen Hannover und Paris sind diese Billets nur zur Benutzung der Extrazüge gültig und ist eine Unterbrechung der Fahrt weder auf der Hin= noch auf der Rückreise gestattet.
Vor Antritt der Rückfahrt müssen die Billets in Paris zur Abstempelung vorgewiesen werden.
Das Gepäck wird direct nach Paris, bzw. von da nach Lübeck expedirt. Die zollamtliche Revision findet bei der Hinfahrt in Hohnstorf und Paris und bei der Rückfahrt in Köln statt.
Lübeck, den 2. Juli 1867.
Die Direction der Lübeck=Büchener Eisenb.=Gesellschaft.


Frischen gothländischen Kalk, sowie vorzüglich schöne neue Gußstahlsensen zu billigem Preise empfiehlt C. H. Vock.


[ => Original lesen: 1867 Nr. 55 Seite 4]

Am Donnerstag und Freitag, den 18. und 19. Juli wird unser diesjähriger
Königschuß,
die Ausloosung der Tombola am 19., Nachmittags 4 Uhr, stattfinden und laden wir ein geehrtes Publikum, sowie namentlich unsere Land= und Hauswirthe hierzu freundlichst ein.
Gleichzeitig erlauben wir uns, vielfach ausgesprochenen Wünschen gerne entgegen kommend, hiermit die herzliche Bitte auszusprechen, daß sich beim Aus= und Einmarsche auch außer den Mitgliedern der Schützenzunft zunächst die Ehrenmitglieder, unsere Ratzeburger Hauswirthe, überhaupt anständiges Publikum jeglichen Ranges und Standes im einfachen Civil=Anzuge recht zahlreich betheiligen möge, damit unser im Ganzen so beliebter und gemüthlicher Königschuß immer mehr ein allgemeines Ratzeburger Volksfest werde.
Die Aeltesten der Schützenzunft.


Durch gütige Mittheilung des Herrn Haedicke jun. (in Firma Gebr. Haedicke) erhalten wir das nachstehende, an dieselben gerichtete Schreiben, welches wir im Auszuge wiedergeben, und woraus abermals erhellt, wie das Hoff'sche Malzextract=Gesundheitsbier des Hoflieferanten Hoff, Neue Wilhelmsstraße 1, Berlin (Filiale Hamburg, Schauenburgerstraße 36), überall, wo es angewandt worden, von denselben günstigen und heilkräftigen Erfolgen begleitet ist.

"Allerton bei Bradford (Yorkshire), den 24. April.
Hochgeschätzter Herr! Das durch Ihre gütige Vermittlung an mich abgesandte Hoff'sche Malzextract=Gesundheitsbier habe ich zur Zeit erhalten und fühle ich jetzt, nach einem Gebrauch von 5 Wochen, die heilsamste Wirkung davon. Ich habe nicht Worte, die zulänglich sind, Ihnen, mein theuerster Freund, meine Gefühle der Dankbarkeit sprechend genug auszudrücken. Ich bin ein ganz anderer Mensch, die Unbehaglichkeit im Unterleibe, in Leber und Magen hat sich theils ganz verloren, theils bedeutend vermindert, mein Appetit ist sehr viel besser und meine Verdauung viel leichter, auch schlafe ich weniger unterbrochen. Leider ist mein rheumatischer Husten noch nicht beseitigt, indessen auch nicht mehr so alarmirend und an Ersticken grenzend, wie er war. Ich bin ganz fest überzeugt, daß bei ununterbrochenem Gebrauch des Extracts ich gänzlich wieder hergestellt werde. Dr. Stark."

Niederlage in Schönberg bei Herrn Wilhelm Heincke.


Den geehrten Schützen Schönbergs zur gefälligen Nachricht, daß ich jetzt billige und dabei gute weiße
waschlederne Handschuhe vorräthig halte zur geneigten Abnahme.
Achtungsvoll Emil Jannicke, Handschuhmacher.


Zu Michaelis ist eine Wohnung zu vermiethen bei Conditor Greiff Wittwe.


Am Sonntag, den 7. Juli, Abends, sind von einem ruchlosen Menschen meine Kühe von ihrer Weide fort und in mein Sommerkorn getrieben. Ich sichere demjenigen, der mir den Thäter zur gerichtlichen Bestrafung nachweist, 10 Thaler Belohnung zu.
Schulze in Wahlsdorf.


Meteorologische Beobachtungen.
1867
Juli
Barometer   Wärme   Wind Stärke  
Paris. Lin.
300 +
niedrigste
°R.
höchste
°R.
       
5.
6.
7.
8.
35.40
36.71
36.99
37.36
10.9
8.4
7.4
6.8
16.3
12.8
10.9
12.8
SSW
W
NW
NW
0
2
2
0
trübe.
wolkig.
ziemlich heiter.
heiter.

Am 5., 6. und 7. fielen 49, 21 und 2 Kubikzoll Regen auf 1 []'.


Backtafel für die Stadt Schönberg
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]
Schönberg, den 7. Juli 1867.
Bürgermeister und Rath.


Markt=Preise in Lübeck.
Butter, Meckl. d. Pfund11 - 11 1/2 Schilling (Mecklenburg).
Holst. d. Pfund12 - 12 1/2 Schilling (Mecklenburg).
Hühner, d. St.14 - 16 Schilling (Mecklenburg).
Küken, d. St.8 - 10 Schilling (Mecklenburg).
Tauben, d. St.4 - 5 Schilling (Mecklenburg).
Schinken, d. Pfund9 Schilling (Mecklenburg).
Wurst d. Pfund9 - 10 Schilling (Mecklenburg).
Schweinskopf, d. Pfund5 Schilling (Mecklenburg).
Häringe, - St.- Schilling (Mecklenburg).
Eier 8 St. für4 Schilling (Mecklenburg).
Kartoffeln, d. Faß7 - 8 Schilling (Mecklenburg).
Hamburger Blumenkohl, d. Kopf20 - 24 Schilling (Mecklenburg).
Hamb. Kirschen, d. Pfund3 - 4 Schilling (Mecklenburg).


Getreide=Preise in Lübeck.
(per Sack in Lüb. Crt.)
Weitzen26 - 27Mark (Lübeck)-Schilling (Mecklenburg)
Roggen17 1/2 - 18Mark (Lübeck)8Schilling (Mecklenburg)
Gerste14 - 15Mark (Lübeck)-Schilling (Mecklenburg)
Hafer10 3/4 - 11Mark (Lübeck)4Schilling (Mecklenburg)
Erbsen14 - 16Mark (Lübeck)-Schilling (Mecklenburg)
Wicken-Mark (Lübeck)-Schilling (Mecklenburg)
Buchweizen14 - 15Mark (Lübeck)-Schilling (Mecklenburg)
W.=Rapsaat-Mark (Lübeck)-Schilling (Mecklenburg)
Wint.=Rübsen-Mark (Lübeck)-Schilling (Mecklenburg)
Schlagleinsaat20 - 21Mark (Lübeck)8Schilling (Mecklenburg)


Herausgegeben unter Verantwortlichkeit der Buchdruckerei von L. Bicker in Schönberg.


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