No. 1
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Dienstags und Freitags

Schönberg, den 02. Januar
1866
sechsunddreißigster Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1866 Nr. 1 Seite 1]

- Das große Ereigniß in Paris ist die Veröffentlichung des Finanzberichts, des Budgets für 1866. Herr Fould, der Finanzminister, ist der größte Künstler Frankreichs, er malt in Zahlen, wie kein anderer in Farben. Jedes Jahr giebt er zwar nur ein Werk aus, aber ein unübertroffenes Kunstwerk. Bei aller vorzüglichen Ausstattung des Berichts kommt Herr Fould doch zu dem Schluß, daß die Einnahme Frankreichs für das Jahr 1866 50 Millionen Francs weniger beträgt wie die Ausgabe.
- Zwischen Nordamerika und Frankreich thürmen sich drohende Wolken auf; Napoleon mag bald für einen Blitzableiter sorgen. Die Nordamerikaner wollen in Mexiko keine Monarchie zum Nachbar haben und nöthigenfalls ihr Hausrecht brauchen. Diese Sprache führen wenigstens die Senatoren im Congreß zu Washington.
- Man liest von einer Allianz zwischen Frankreich und Oesterreich, worüber die Verhandlungen am Weihnachtstage in Paris zum Abschluß gelangt sein sollen.
- Nach Zusammenstellung der letzten Volkszählungen in Deutschland betrug die Bevölkerung 46,411,000, die der Zollvereinsstaaten 35,890,402 Köpfe.
- Wohl nie war ein Gottesdienst in der Schönberger Kirche so besucht, wie der am Sonntag abgehaltene Abendgottesdienst. Kein Stand der ganzen Kirche war unbesetzt und andächtig hörte jeder auf die zu Herzen gehenden Worte des Herrn Pastor prim. Kaempffer. Keiner der Andächtigen wird die Kirche ohne den Wunsch verlassen haben, daß ihm auch am Schlusse des eben begonnenen Jahres Gelegenheit gegeben werde, dasselbe so würdig zu beschließen, wie das abgelaufene.
- Der kaiserliche Prinz von Frankreich begab sich vor einigen Tagen in mehrere Kaufläden von Paris, um Einkäufe für seine Cameraden zur Weihnachtsbescherung zu besorgen. Man hatte ihm dazu 10,000 Francs in die Hand gegeben, er aber machte es seinem Vater gleich, indem er 1115 Francs mehr ausgab, wie ihm für den Zweck gegeben war.
- Unter vielen andern Sachen hat der Prinz auch auf seinem Weihnachtstisch einen echten Stephansorden gefunden. Der Kaiser von Oesterreich hat ihn geschenkt.
- Der alte König Ludwig von Bayern hat vor langen Jahren schon eine Blinden=Anstalt gegründet und reich ausgestattet. Jetzt hat er nachträglich daran erinnert, daß bei der Aufnahme Unglücklicher zwischen Katholiken und Protestanten kein Unterschied gemacht werden dürfe. Es muß also doch vorgekommen sein, daß die Behörden die Augen in katholische und protestantische eingetheilt und die einen bevorzugt haben
- (Egs.) Gibt es ein Schriftchen, worin die in Deutschland bestehenden Versicherungs=Anstalten gegen Feuersgefahr, Hagelschaden, sowie Lebensversicherungs=, Versorgungs= und Spar=Institute eine umfassende und unparteiische Darstellung finden, sodaß auch der weniger Kundige dadurch in den Stand gesetzt würde, die Wahl nach der daraus entnommenen Kenntniß zu treffen, und die Papiere zu prüfen, welche ihm von Agenten vorgelegt werden?
- Die Berliner erzählen, ihr Magistrat habe sich für das neue prächtige Rathhaus einen Tisch bauen lassen, der 1000 Thaler koste. Es sei dabei auf die Einführung von Berliner Bürgermeister=Essen abgesehen.
- Der Kaiser und die Kaiserin von Frankreich haben die Prinzessin Anna Mürat sehr lieb und statteten sie kaiserlich aus, als sie kürzlich den Herzog von Mouchy heirathete. Die Pariser versichern, nie ein so ungleiches Paar zum Traualtar haben gehen zu sehen; sie ist eine hohe volle königliche Erscheinung, er ein kurzes, kugelrundes Männlein. Er mußte sogar in die Kirche in eignem Wagen fahren, weil Niemand neben ihm Platz hatte. Die bösen Studenten im lateinischen Quartier haben in einem Hochzeitsgedicht die Schönheit der Prinzessin glänzend gefeiert, worauf die Kaiserin und der Herzog rasend eifersüchtig sind.
- In der amerikanischen Bundesarmee haben im Laufe des Krieges etwa 40,000 Juden Dienste genommen. Nach Beendigung des Krieges haben es die Juden in Sorge für ihre Invaliden, Wittwen und Waisen allen andern zuvor gethan; sie haben 5 größere Asyle gegründet, welche auch andern Glaubensgenossen offen stehen.
- Mit dem 1. Januar 1866 tritt ein zwischen Preußen und Frankreich abgeschlossener neuer Postvertrag in Kraft, dem auch die beiden Großherzogthümer Mecklenburg beigetreten sind. Die Briefportosätze bleiben dieselben, nur bei Werthsendungen tritt eine geringe Ermäßigung des Porto's ein.
- Es ist ein erstes glänzendes Beispiel vorgekommen, daß die Katze das Mausen lassen kann. Die Katze eines Bürgermeisters in Oberhessen fing im Felde ein lebendes Rothkehlchen, brachte es unbeschädigt nach Hause und ließ es in der Stube wieder frei, worin es Jedermann gesund und munter herumfliegen und laufen sehen kann. Die Sache selbst ist vollständig verbürgt. Zur Erklärung der vorstehend erwähnten Thatsache möchte der Umstand dienen, daß der Eigenthümer der Katze im vorigen Winter ein Rotkehlchen in der Stube hielt, an welches die Katze vollständig gewöhnt war. Die Katze mag aus diesem Grunde das Vögelchen geschont haben. Möglich daß die Katze auch das

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gefangene Vögelchen für das entflohene hielt, oder daß es dasselbe Rotkehlchen war, welches die Katze wiedererkannte.
- Vor etwa 70 Jahren erlitt ein Schiff an der Küste von Cornwall in England Schiffbruch. Das Schiff soll damals 27 Millionen Dollar an Bord gehabt haben. Die Zahl mag etwas übertrieben sein, in der Hauptsache aber ist diese Geschichte wahr, denn nach heftigen Stürmen wirft das Meer öfter einige Dollars ans Ufer. Ein solcher Schatz konnte nicht in Vergessenheit gerathen. Es hat sich jetzt eine Gesellschaft gebildet, welche Versuche zur Auffindung des Geldes machen will.
- Nach der Hoftafel in der Burg Ofen führte der Kaiser von Oesterreich mit einem ungarischen Deputaten ein Gespräch, das sehr interessant und lehrreicher ist, als mancher Leitartikel. Der Kaiser: Ist dies der erste Landtag, zu welchem Sie gewählt sind? - Der Ungar: Seitdem das Volk wählt, also jetzt zum drittenmale, bin ich Deputirter. - Sie sind also ein Volksmann? - Ja, Ew. Majestät. - Von wo? Aus Gran. - Von der Stadt Gran? - Ja. - So sind Sie Johann Besze? - Bis zum Grabe werde ich das Andenken daran bewahren, daß mein Name bis zu Ew. Majestät gedrungen ist. - Was hoffen Sie vom Landtage? - Nach den Trostworten, die wir heute in der Thronrede vernommen, werden wir vielleicht den Zweck (Einigung der Krone mit Ungarn) erreichen. - Vielleicht? Sie haben dieses Wort sehr betont; begründen Sie es. - Allerdurchlauchtigster Herr! Wenn die Diplomatie Europas Oesterreich um den Riesenschritt nach vorwärts und seine Wiedergeburt nicht beneidet und den Stein des Kampfes nicht vor der Zeit auf das Feld wälzt, so werden wir das Ziel bald erreichen; wenn aber das Gesagte dazwischen kommt, so wird das Ziel verschoben, aber erreichen werden wir's; denn der Monarch im Einvernehmen mit dem Volke ist allmächtig. - Es entstand eine kurze Pause, bis der Deputirte fortfuhr: Zum Dank für Ew. Majestät Thronrede kann ich nur sagen: "gelobt sei Jesus Christus! - In Ewigkeit, Amen!" erwiderte der Kaiser und schloß das Gespräch.
- Die dummen Kühe werden das Nicotin oder Tabaksgift niemals vertragen lernen. In einem Dorfe bei Leipzig wurde ein ganzer Stall voll Kühe mit Tabaksbeize abgewaschen, um das Ungeziefer zu vertilgen; was thaten die Kühe? Sie wurden alle krank und drei verendeten. Sie sind an Nicotin=Vergiftung gefallen, erklärte der Thierarzt, der sie secirt hatte.
- In London hat man sich entschlossen, bei dem durch die Viehseuche entstandenen Fleischmangel aus Oesterreich Fleisch zu beziehen, und zwar in schon fertigem Zustande, da dieses billiger zu stehen kommt als der Ankauf des Hornviehes selbst am ersten Bezugsorte. Der größte Fleischverkäufer von London war vor wenigen Tagen in Wien und ließ einen Ochsen der besten Qualität ankaufen und Schlachten; das gewonnene Fleisch wurde in einem Kasten verpackt. An einem Mittwoch ging der Kasten mit dem Fleisch fort, auf jeder Station wurde nach Bedarf und je nachdem es die Witterung erforderte, frisches Eis angelegt. Sonntags traf die Sendung in London ein, und Montags wurde nach Wien berichtet, daß das Fleisch in vorzüglichem Zustande sei. Die Probe war somit glücklich bestanden und man will nun wöchentlich am Wiener Platze 300-400 Stück des schönsten Mastviehs um jeden Preis ankaufen und nach London verschicken.
- Am 20. Decbr. wurde in Paris eine Geflügel= und Käse=Ausstellung eröffnet. Es sind viele Prachtstücke vorhanden Besonders anziehend für das Publikum ist trotz des Gestanks die Käsesammlung, zu welcher alle Erdtheile duftende Vertreter gesandt haben; man konnte kaum durchkommen. Aus allen Weltgegenden, selbst aus der Moldau und Walachei, war gemästetes Geflügel geschickt worden. Auch das Gänsegeschlecht ist stark vertreten und man streitet sich darüber, ob die Gänse des Nordens oder des Südens die besten seien. Hoch über den Gänsen und Hühnern thront der gallische Hahn.
- Seit einiger Zeit ist der französische Feuerstein in seinen verschiedenen hellen Farben in Stettin Einfuhrartikel geworden, indem derselbe in verschiedener Größe dort zur Fabrikation französischer Mühlsteine verarbeitet wird. In 3 Stettiner Werkstätten werden diese Feuersteine zu Mühlsteinen zusammengesetzt, welche letztere immer mehr die gewöhnlichen Sandmühlsteine verdrängen, da sie weit besseres Mehl liefern.
- Auf dem Pariser Fischmarkt ist jetzt ein junger Wallfisch zum Verkauf ausgestellt. Er ist ungefähr 6 Fuß lang und wurde an der französischen Küste gefangen.
- Schäfer Ens in Obbach bei Würzburg ist ein neues Exempel, daß das Gewissen ein strengerer Richter ist, als das Schwurgericht. Er hatte einen Geschäftsfreund in stiller Nacht getödtet und in den Main geworfen, nachdem er zuvor dessen Schafe getödtet und betrüglich verkauft hatte. In der Untersuchung läugnete er hartnäckig, obgleich die Schuld klar vorlag und auf seinem Gesichte zu lesen war. Als er verhaftet wurde, war er ein Mann in voller Kraft und Gesundheit, in der Untersuchung nahmen seine Kräfte sichtlich ab, und ehe noch die Geschwornen ihr schuldig sprachen, bat er, hinausgehen zu dürfen. Er starb wenige Stunden darauf im Gefängniß und ohne Geständniß.
- In Culm fand man bei einem Besitzer einer kleinen Ackerstelle im Kuhstalle einen kleinen Bretterverschlag und in diesem einen 17jährigen Knaben, den leiblichen Sohn des Besitzers jener Ackerstelle. Schon während seines Schulbesuchs zeigte der Knabe Spuren von Blödsinn; um ihn nun für alle Zeiten unschädlich zu machen, beschlossen Seine Eltern, ihm nach seiner Einsegnung im Viehstall eine bleibende Stätte zu geben. Zu diesem Behuf wurde jener Verschlag hergerichtet und der Knabe dort eingesperrt. Zwei Winter und zwei Sommer hindurch soll der Knabe die Bude nicht verlassen haben, die als Lager nur eine Quantität Stroh enthielt. Die Speisen sollen dem Unglücklichen zwar regelmäßig gereicht worden sein, aber nicht einmal ein Eßlöffel dazu. Die Kleidung des Jungen bestand bei seinem Vorfinden im Verschlage nur aus Lumpen. Eine Menge Excremente fanden sich auf der Lagerstätte vor, was darauf schließen läßt, daß der Junge seine Bude niemals verlassen durfte. Die Sprache soll er bis auf das Wort "ete" (essen) verlernt haben; seine Füße sind ihm wahrscheinlich in Folge des schlechten Lagers in der Bude, krumm gewachsen. Obschon das Haus der Rabeneltern noch von anderen Personen bewohnt wird, ist es doch möglich gewesen, diese unmenschliche That zwei lange Jahre verborgen zu halten. Dieselben Eltern werden bezichtigt, ihr zweites Kind fahrlässig getödtet zu haben. Die Anzeige ist bereits der Königlichen Staatsanwaltschaft zugegangen und es hat schon eine ärztliche Untersuchung des unglücklichen Jungen stattgefunden.

Aus dem Gerichtssaale.
Etwa zwanzig Jahre sind es, da kam auf einem Linzer "Kaiblwagen," dem Fuhrwerke, auf dem die Rohstoffe zu den berühmten "Wiener Schnitzeln" nach Wien befördert werden, Michael, der Sohn eines Viehhändlers in die Kaiserstadt und widmete sich dem Wirthsgeschäfte. Der kleine Michael, welcher als "Bierbub' im Winterbierhaus" seine Laufbahn begann, hatte sich rasch herangebildet, war zum Kellner vorgerückt und wenige Jahre später unter dem Namen Mischko als Zahlkellner eine bekannte Figur des alten Wien. Es verging ein Decennium und Mischko hatte es zum Gastwirthe und Hausherrn gebracht. Allerdings geschah das letzte Avancement nicht ganz frei von allen herben Zuthaten; denn Michael M., welcher nach dem Tode seines Dienstgebers dessen Geschäft und Vermögen übernommen hatte, mußte auch des letztern Wittwe, Frau Rosel, eine 60jährige "Bißgurn", wie man sich am "Grund" ausdrückte, mit in den

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Kauf nehmen. Michael M. trug sein Loos mit Geduld und ergab sich der schönen Hoffnung, falls er Wittwer werden sollte, in der Zukünftigen reichlichen Ersatz für die vor der Hand vermißten ehelichen Freuden zu finden. Doch der Mensch denkt und das Schicksal lenkt. Michael M. wurde vor drei Jahren Wittwer und wählte bald nach dem Tode seiner ersten Gattin zur Gefährtin eine 18jährige Gouvernante, welche er als Erzieherin bei den Kindern einer in feinem Hause wohnhaften Beamtenfamilie kennen gelernt hatte. Die Honigmonate der zweien Ehe waren für Michael M. nur von sehr kurzer Dauer; denn er und seine nunmehrige Gattin hatten ganz verschiedene Lebensanschauungen, standen auf ganz verschiedenen Bildungsstufen und konnten einander nichts recht thun. Der eheliche Zwist war bald so weit gediehen, daß beide Theile sich für die Trennung aussprachen. Bevor jedoch über diesen Prozeß endgültig entschieden war, kam es zwischen den Eheleuten wiederholt zu Streitigkeiten und Schimpfereien, und veranlaßte Frau Emilie, gegen ihren Gatten wegen Ehrenbeleidigung klagbar aufzutreten. In der dieser Tage geführten Verhandlung gelangte die Anklage der Gatten und deren Begehren zur Verlesung. Sie sagt in ihrer Klagschrift im Wesentlichen Folgendes: "Mein Gatte ist ein Tyrann, der mich mißhandelt und beschimpft: ich flehe den Schutz des Gerichtes an und bitte um dessen Bestrafung."
Richter (zum Angeklagten): Was können Sie gegen diese Beschuldigungen vorbringen? - Angeklagter: Euer Gnaden, mi hat unser Herrgott gestraft, weil i auf'n Tod meiner Seligen g'wart hab. Mei Selige war alt und als Bißgurn am Grund verschrieen, aber a Engel war's gegen das Täuberl, was i jetzt erwischt hab. Denken sich Euer Gnaden a Weib, derer i a Haus, a Geld, a G'schäft und mei Person zubracht hab und dö nix g'habt hat, als wie's gangen und g'standen ist, und die martert mich z'Tod.
Richter: Es ist sonderbar, während Sie von Ihrer Gattin angeklagt werden, beschuldigen Sie dieselbe gerade derjenigen Handlungen, um derentwillen eigentlich Sie angeklagt sind. Ich möchte doch wissen, wie sich das eigentlich zuträgt - Angeklagter: Euer Gnaden, i werd Ihnen dies, wenn Sie erlauben, auseinandersetzen und bitten, daß Sie selbst urtheilen.
Richter: Worin besteht denn eigentlich das Märtyrerthum, dessen Sie erwähnen? - Angeklagter: J hab mei Freud, wann i zu an Harfenisten oder zum Heurigen gehen kann; die Meinige möcht' in lauter Burgtheaterstuck gehen und alleweil a Gesellschaft haben, a paar junge Herrn dabei, und i kunnt den "Tödel machen. Aber dös gibt's nit.
Richter: Da würde ich als Mann meine Rechte, soweit dies anständig ist, geltend machen, aber nicht zu Mitteln greifen, wodurch Sie nicht blos Ihre Gattin, sondern auch sich selbst herabsetzen, und dem Gerede und Gespötte der Nachbarschaft preisgeben. - Angeklagter: Euer Gnaden sein gewiß nit verheirathet, oder haben a Frau, mit der was z'reden ist. Aus derer do brächtens a nix heraus.
Richter: Erinnern Sie sich der Ausdrücke, welcher Sie sich Ihrer Gattin gegenüber bedient haben? - Angeklagter: Was hab ich ihr denn g'sagt? I hab g'sagt, sie war a armer Dienstbot, wie ich's hab kennen g'lernt - dös is wahr. - I hab' g'sagt - sie ist a nixnutzig's Weib und möcht' nur alleweil 's Geld verputzen, weil's nit waß, wie mer's verdient - dös is a wahr. I hab g'sagt daß sie mir nur wegen mein Geld geheiratet hat - dös wird schier a wahr sein.
Richter: Haben Sie ihr sonst nichts gethan? - Angeklagter: A Watschen hab ich ihr antrag'n, aber geben hab ich ihrs nit.
Richter: Es kommt auch vor, daß Sie Ihrer Gattin eine Ohrfeige gegeben haben. - Angeklagter: Nichts Gewisses könnt' i da nit sagen, aber wenn's a wahr wär', so war ja dös noch ka Malheur, sie ist ja mein Weib.
Richter: Sie irren sich sehr, wenn Sie glauben, daß man als Gatte nur so geradezu das Recht hat, sein Weib zu mißhandeln. - Angeklagler: I bitt', dös kömmt in der Ehe tausendmal vor; wie viel Watschen hat mir mei Selige geben und i hab' doch kei Wort g'redt, viel weniger, daß is' wegen dem klagt hätt'.
Richter: Das war Ihr guter Wille, und in Privatbeleidigungen gilt der bekannte Grundsatz: wo kein Kläger ist, giebt's auch keinen Richter. Ihre Frau tritt nunmehr als Klägerin auf, und wenn es Ihnen nicht gelingt, dieselbe zu versöhnen, dann muß das Gericht dem Gesetz Genüge leisten. - Angeklagter: I bitt', was soll i machen, Sie werden mich doch nicht einsperren wollen?
Richter: Bitten Sie Ihre Frau, daß Sie Ihnen verzeiht; stellen Sie als Mann den Hausfrieden wieder her und es wird nicht nur mit keiner Verurtheilung gegen Sie vorgegangen werden, sondern Sie werden auch so am besten Ihre und Ihrer Gattin Ehre wahren. - Angeklagter: Euer Gnaden, i muß schon bitten, daß Sie so gut san und da a Wort d'rein reden, ich richt nix aus, da ist alles umasonst.
Richter (zur Privatklägerin): Ihr Gatte hat, wie Sie eben gehört, seine Fehler nicht blos zugestanden, sondern auch zu erkennen gegeben, daß er dieselben bereut, andererseits beschuldigt er auch Sie des Eigensinns, und ich möchte diese seine Beschuldigungen nicht für ganz unrichtig halten. Daher glaube ich, es wäre wohl das Beste, Sie würden sich gegenseitig verständigen und Eines dem Andern etwas nachgeben und so zusammen glücklich leben können. - Klägerin: Hohes Gericht! Es thut mir wehe an meiner Seele, wenn ich mit dem Dolche in das eigene Herz stoßen muß; doch nur gleiche Seelen können sich verstehen.
Richter: Das hätten Sie sich wohl bedenken sollen, ehe sie Ihren Gatten geheirathet haben. -Klägerin: Ich fiel in Hymens Fesseln, ein Opfer meiner Phantasie, die mir die Ehe so rosig malte.
Angeklagter: Sehen's, Euer Gnaden, so geschwollen redt's den ganzen Tag daher; da soll an nachher der Pitzel nit steigen! - Klägerin: O wie prosaisch!!
Richter: Lassen Sie Poesie und Prosa bei Seite; bleiben Sie beim Ernst des Lebens und Sagen Sie mir, ob Sie geneigt sind, sich zu versöhnen. - Angeklagter: I bin dabei, i will nachgeben. - Klägerin: Ich bleibe auch nicht zurück; doch das sage ich gleich, so oft die Wolter auftritt, geh' ich in das Burgtheater. - Angeklagter: Dös wegen meiner a no.
Richter: So reichen Sie sich die Hände und gehen Sie in Frieden nach Hause.
Das Ehepaar verließ den Gerichtssaal, und zum Staunen der Inwohner des M.'schen Hauses gingen noch am selben Abende Hausherr und Hausfrau auf "an g'sperrten Sitz" ins Burgtheater.


Vorladung.

Auf den Antrag der actenmäßigen vier Benefizialerben des am 18. März d. J. hieselbst verstorbenen Hauseigenthümers und Arbeitsmanns Carsten Gothknecht werden Zwecks Erforschung der Kräfte des Nachlasses Alle und Jede, welche aus irgend einem erdenklichen Grunde Ansprüche und Forderungen an den Nachlaß, insonderheit an das hieselbst neben der Kirche zwischen Hennings und Draeger belegene, zum Nachlasse gehörige Wohnhaus c. p. zu haben vermeinen, hiedurch auch für den Fall einer sich ergebenden Insufficienz und eines demnächstigen Concursverfahrens geladen, solche ihre Ansprüche in dem auf Dienstag, den 13. Februar 1866, Morgens 11 Uhr, vor Gericht hier angesetzten Liquidationstermin unter dem peremtorischen Nachtheil anzumelden und zu rechtfertigen, daß sie sonst damit von dem Nachlasse für immer ausgeschlossen sein sollen.
Schönberg, den 21. November 1865.
Großherzogl. Justizamt der Landvogtei des Fürstenthums Ratzeburg
C. L. v. Oertzen.
(L. S.) A. Dufft.


[ => Original lesen: 1866 Nr. 1 Seite 4]

Extract des neunzehnten Rechnungs=Abschlusses bei der Hagel=Assecuranz=Gesellschaft für das Fürstenthum Ratzeburg pro Ao. 1865.
[Tabelle siehe im Abbild der Originalseite]
Schönberg, den 2. Januar 1866.
Die Direction.


Heute morgen 10 Uhr entschlief sanft und nach schweren Leiden unsere liebe Mutter, die Töpferwittwe Bräme.
Diese Traueranzeige statt besonderer Meldung.
Die Hinterbliebenen.


Wir machen hiermit bekannt, daß der Krugtag der Schuhmacher=Gesellen=Brüderschaft am Montage nach Neujahr, den 8. Januar 1866, stattfindet, und werden die Gesellen aufgefordert, persönlich zu erscheinen.
Schönberg, den 27. December 1865.
Die Vorsteher und Altgesell der Schuhmacher=Gesellen=Brüderschaft.


Beste rheinische Wallnüsse und schöne Malaga Feigen empfiehlt Heinrich Otto.


W. Kolls, Juwelen-, Gold- und Silber-Waaren-Handlung
Lübeck, Sandstrasse 1006.
Reparaturen werden prompt und billig ausgeführt.


Zu Ostern 1866 wird auf dem Hofe Kl. Rünz ein tüchtiger, verheiratheter Vogt gesucht, der auch etwas Rademacherei versteht.
Die darauf Reflectirenden wollen sich, mit guten Zeugnissen versehen, persönlich bei mir melden.
H. Rusch.
Kl. Rünz, den 27. December 1865.

Mit Gewissenhaftigkeit werden die Interessen aller Derjenigen vertreten, welche mich mit ihren Aufträgen beehren. Der Zufall fährt immer wieder fort meine Devise: "Und wiederum hat Gertig Glück!" Zu bewahrheiten; ich empfehle daher Kaufloose zur Hamburger und Braunschweiger Lotterie bestens. Pläne werden gratis versandt. Loose=Listen und Gewinngelder den resp. Interessenten prompt zugestellt.
Julius Gertig in Hamburg grossen Burstah No. 15., (Ecke Bohnenstrasse.)


Ueber die viel tausendfach bewährte Heilkraft des L. W. Egers'schen Extracts ging Herrn Fr. Hornig, Depositeur für Elbing, folgendes Schreiben zu.
"Ew. Wohlgeboren statte hiermit im Namen meiner Mutter ihren herzlichsten Dank für den gesandten Extract ab, welcher derselben, einer Frau von 60 Jahren, die schon lange an heftigem Katarrh=Husten litt, so ausgezeichnete und überraschende Wirkung gethan, daß ich es nicht unterlassen konnte, Sie von dem erfreuten Resultate in Kenntniß zu setzen und Sie zu ersuchen, dieses mein wahres Zeugniß veröffentlichen zu lassen, damit sich ähnlich Leidende mit Zuversicht dieses Extractes bedienen können."
Carwinden p. Schlobitten, 13. September 1865.
Ernst Basner, Müllermeister.
Die alleinige Niederlage des L. W. Egers'schen Extracts aus der Fabrik von L. W. Egers in Breslau ist bei C. Sievers, Buchbinder in Schönberg. (Sattler Bohnhoff'sches Haus.)


Den Richtsteig über meine Hofstelle und über meinen Acker nach der Chaussee und nach der "Neuen Welt" verbiete ich hiermit, und werde alle unbefugterweise darauf Betroffenen dem Gerichte zur Bestrafung anzeigen.
Rieps, den 24. December 1865.
Hauswirth H. J. Böttger.


Militair-Stellvertreter
für Hamburg werden fortwährend unter ganz besonders günstigen Bedingungen engagirt durch J. Hollander & Co., neust. Fuhlentwiete 9. in Hamburg.
Es wird gebeten, genau auf die Adresse zu achten.


Getreide=Preise in Lübeck.
Weitzen19 - 20Mark (Lübeck)4Schilling (Mecklenburg)
Roggen14 - 15Mark (Lübeck)-Schilling (Mecklenburg)
Gerste13 - 13Mark (Lübeck)6Schilling (Mecklenburg)
Hafer11 - 11 Mark (Lübeck)4Schilling (Mecklenburg)
Erbsen15 - 17Mark (Lübeck)-Schilling (Mecklenburg)
Wicken-Mark (Lübeck)-Schilling (Mecklenburg)
Buchweizen12 - 13Mark (Lübeck)-Schilling (Mecklenburg)
Winter=Rapsaat-Mark (Lübeck)-Schilling (Mecklenburg)
Rübsen.-Mark (Lübeck)-Schilling (Mecklenburg)
Schlagleinsaat20 - 21Mark (Lübeck)8Schilling (Mecklenburg)


Meteorologische Beobachtungen.
1866
Decbr.
Barometer   Wärme   Wind Stärke  
Paris. Lin.
300 +
niedrigste
°R.
höchste
°R.
       
29.
30.
31.
1.Jan.
35.98
33.57
34.77
32.34
0.6
2.0
1.1
3.5
3.8
4.2
4.2
6.0
SW
SSW
SSW
SSW
1
2
3
3
heiter.
bedeckt.
trübe.
-


Markt=Preise in Lübeck.
Butter, Meckl. d. Pfund13 1/2 - 14 Schilling (Mecklenburg).
Holst. d. Pfund14 1/2 - 15 Schilling (Mecklenburg).
Hasen, d. St.32 - 36 Schilling (Mecklenburg).
Enten, d. St.20 - 28 Schilling (Mecklenburg).
Hühner, d. St.10 - 12 Schilling (Mecklenburg).
Küken, d. St.8 - 10 Schilling (Mecklenburg).
Tauben, d. St.3 - 4 Schilling (Mecklenburg).
Gänse, d. Pfund7 1/2 - 8 Schilling (Mecklenburg).
Schinken, d. Pfund7 1/2 - 8 Schilling (Mecklenburg).
Schweinskopf, d. Pf.4 1/2 - 5 Schilling (Mecklenburg).
Wurst d. Pfund8 - 10 Schilling (Mecklenburg).
Eier 5-6 St. für4 Schilling (Mecklenburg).
Kartoffeln, d. Faß.4 - 5 Schilling (Mecklenburg).
Karpfen d. Pfund10 - 12 Schilling (Mecklenburg).
Spickgans d. St.28 - 34 Schilling (Mecklenburg).
Flickgans d. St.18 - 20 Schilling (Mecklenburg).


Herausgegeben unter Verantwortlichkeit der Buchdruckerei von L. Bicker in Schönberg.


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