No. 16
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 16. April
1858
achtundzwanzigster Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1858 Nr. 16 Seite 1]

Neustrelitz. Des Großherzogs Königl. Hoheit haben nach erfolgtem Ableben des zweiten Justizbeamten, Gerichtsraths Friedrich Reinhold in Schönberg, den Kammerjunker Karl Friedrich Wilhelm von Engel, welcher seither mit der interimistischen Verwaltung des Großhzgl. Amts=Gerichts in Mirow betraut gewesen ist, von Ostern d. J. an hinwiederum zum zweiten Justizbeamten bei dem genannten Justizamte und zum dritten Mitgliede der Großherzoglichen Landvogtei in Schönberg zu ernennen geruht.
- Aus Petersburg vom 2. April berichtet die Wiener Zeitung: Eine Erkrankung der Großfürstin Katharina Michailowna, kais. Hoh., Gemahlin des Herzogs Georg von Mecklenburg=Strelitz, welche einige Tage als sehr gefährlich geschildert wurde, hat hier den allgemeinsten Antheil hervorgerufen. Glücklicherweise scheint es sich zum Bessern gewendet zu haben.
- Nach dem Gutachten der Leibärzte des Königs von Preußen, vom 3. April, ist in dem Krankheitszustand desselben allerdings die Besserung fortgeschritten, auch hoffen sie, daß ein wahrscheinlich günstiger Ausgang des Leidens des Königs denselben ermöglichen werde, die Regierungsgeschäfte demnächst wieder zu übernehmen. Jedoch wagen die Leibärzte auch jetzt noch kein sicheres Urtheil darüber auszusprechen, heben vielmehr hervor, daß der König auch nach erfolgter Genesung zur Sicherung des erzielten Kurerfolges noch mehrere Monate hindurch von den Regierungsgeschäften werde entfernt bleiben müssen. In Folge dieses Gutachtens hat der König die Regierungsgeschäfte dem Prinzen von Preußen auf fernere 3 Monate wiederum übertragen.
- Die Nachrichten aus der Lombardei sind sehr ernster Natur, die Oestreich feindliche Nationalparthei zeigt eine neue Rührigkeit. Aus Mailand heißt es, daß die Aufregung unter den vornehmen Klassen mit jedem Tage bedenklicher werde, und daß der Augenblick vielleicht nicht fern sei, wo Oestreich sich veranlaßt sehen werde, den revolutionairen Heerd an seinen Grenzen durch einen derben Schlag zu vernichten. Auch zwischen Neapel und Sardinien wird das Verhältniß immer gespannter.
Indien. Die Engländer haben in den Tagen vom 10. bis 15. März fast die ganze Stadt Lacknau im Königreich Auhd eingenommen und besetzt. Der Feind floh nach dem letzten Sturm in Masse aus der Stadt und wurde von starken Abtheilungen Cavallerie und Artillerie verfolgt. Am 19. ist der übrige Theil der Stadt genommen; 2000 Feinde sind getödtet, 50,000 sind entkommen und wurden verfolgt. Die Engländer erbeuteten 117 Kanonen.
- Der von den verbündeten Engländern und Franzosen ziemlich leicht gewonnene Besitz der Stadt Canton macht neuerdings größere Vorsichtsmaaßregeln und umfangreichere militairische Kräfte, als worüber man augenblicklich gebietet, erforderlich, um diese Eroberung behaupten zu können. Es finden nämlich bedrohliche Zusammenrottungen von Chinesen aus der Nachbarschaft um Canton statt, welche in Masse versuchen wollen, dem Feinde entgegen zu treten. Alle Jünglinge und Männer von 16 bis 60 Jahren sind aufgefordert, die Waffen zu ergreifen, und obgleich ihre militairischen Einrichtungen und die Noth ihrer Finanzen eine solche Bewaffnung nicht leicht werden läßt, so können sie doch durch ihre Menge sehr gefährlich werden. Das chinesische Volk vermag, wenn es sich aufrafft, jeden Tausend englischen und französischen Soldaten eine Million entgegenzustellen. - Wie es in China, dem himmlischen Reiche, zugehen mag, kann man daraus erkennen, daß Yeh, als er noch Statthalter von Canton war, binnen zwei Jahren 70,000 Menschen köpfen und schinden ließ. Die Scharfrichter zeigen eine solche Fertigkeit bei ihrem Handwerk, daß einer binnen einer Minute 25 Köpfe abschlagen kann.
- Die in allen Stadtteilen Berlins vorkommende Pocken=Epidemie wird im Ganzen als eine gutartige bezeichnet; es starben nur wenige Personen daran. Neben den Pocken waren auch die Masern vorherrschend. - Einem Chemiker, Namens Baldamus, in Berlin, soll es gelungen sein, eine Erfindung zur Selbsterzeugung des Gases in so geringem Raum zu machen, daß das Behältniß an jeder Laterne angebracht und so die kostspielige Einrichtung einer Gasanstalt und die Röhrenleitung erspart werden kann. - In Berlin wurden im Jahr 1857 verzehrt: 19,235 Wispel Weizen, 23,606 W. Roggen, 3211 W. Gerste, 30,172 W. Hafer und 3335 W. Erbsen, dann 162,481 Centner Weizenmehl, 336,380 Ctr. Roggenmehl und 178,848 Ctr. auswärtiges Brod. - Es ist ein gewiß seltener Fall, daß ein Mensch nach Verbüßung von fünfzigjähriger Zuchthausstrafe gesund in seine Heimath zurückgekehrt ist. Ein Mitschuldiger einer Räuberbande, der zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe verurtheilt und nunmehr begnadigt worden, soll gesund und mit einer Ersparniß von 200 Thalern, welche er sich im Zuchthaus erworben, in seinem Wohnort Leutersdorf angekommen sein.
- Aus Adelaide in Australien heißt es unterm 11. Februar: Wir sind hier Alle halb gebraten, denn seit 10 Tagen setzt uns die Hitze in unerhörter Weise zu. Mittags hatten wir im Schatten 50 Grad Reaumur und die Nacht fiel das Thermometer nie unter 30 Grad im Innern der Häuser. Dabei wehte ein warmer Wind ohne Unterbrechung und Tödtungen durch Sonnenstich gab es ohne

[ => Original lesen: 1858 Nr. 16 Seite 2]

Zahl. Die Fremden wissen jetzt, was es heißt, die Aepfel auf den Bäumen braten zu sehen.
- London beherbergt hunderttausende der armseligsten Proletarier in seinen Mauern; es sind dort zwei Stadtteile, in welchen an 70 Tausend Menschen die jämmerlichsten Baracken bewohnen, in Schlamm, Sumpf und Moder verkommen, an epidemischen Krankheiten sterben und sich überhaupt in solchem Zustande befinden, daß sie selbst von der Polizei ihrem Schicksale überlassen werden und diese dort nichts befiehlt und nichts verbietet, weil sie machtlos gegen das ungeheure Elend ist.
- Nach der neuesten Volkszählung in Lübeck von 1857 hat die Stadt einschließlich der Vorstädte 30,717 Einwohner, in den Landbezirken 12,508. Seit der Zählung im Jahr 1851 vermehrte sich die städtische Bevölkerung um 825 Personen, in den Landbezirken dagegen verminderte sie sich um 325 Personen; die Zunahme betrug also im Ganzen während dieses Zeitraums 540. In der Stadt wohnen 26,672, in den Vorstädten 4045 Bewohner.


Drei Tage aus Gellerts Leben.
(Fortsetzung.)

Die Mutter und die zwei ältesten Kinder nahmen Körbe, um vor das Thor zu gehen, wo die Zimmerleute an den Balken eines neuen Hauses arbeiteten und den Armen es nicht zu versagen pflegten , wenn sie die kleinen Spänlein und Abfälle sorgfältig auflasen; die drei jüngeren Kinder gingen aus nach Brod an die Thüren der Barmherzigen, und das jüngste blieb beim kranken Vater, daß es ihm eine Handreichung thue, wenn er deren bedürfen sollte. Es war der Morgen des Tages, an dem der alte Neidhardt zu dem Aeußersten schreiten wollte. - Der Himmel war klar und wolkenlos. Aus dem tiefen Blau schien die Morgensonne hell und klar auf die hartgefrorne Erde, und der Ostwind blies mit schneidender Schärfe durch die Straßen und die dünne, arme Kleidung der Drei, die hingingen, die Spänlein aufzulesen, nach denen sich die Zimmerleute nicht bücken mochten. Sie zitterten vor Frost, denn keine Speise hatte sie heute noch erquickt.
Gerade an diesem Morgen war es dem edlen Gellert, als ziehe ihn etwas hinaus ins Freie. So kalt auch der Morgen war, er konnte dem Zuge nicht widerstehen, zog einen warmen Rock an, nahm Hut und spanisches Rohr und ging eben nach jenem Thor, dahin auch die drei Armen ihre Schritte richteten. Die Kindlein aber klagten über den scharfen Wind gegen die Mutter. Laufet voraus, sagte diese, ihr wisset ja den Ort, dann wird's euch warm. Da liefen die Kindlein raschen Fußes dahin, daß ihnen die Mutter nicht ebenso rasch folgen konnte, denn Kummer und Sorgen gehen langsam. Und als sie vor das Thor trat und die Kindlein aus ihren Augen waren, da fiel die ganze schwere Bürde ihres Jammers auf das arme Herz und die Thränen, die ihr daheim gefehlt, die stürzten stromweise aus ihren Augen und sie mußte sich niedersetzen auf einen Prellstein, denn ihre Beine trugen sie nicht mehr.
So saß die Arme da, als Gellert des Weges kam und die still weinende Frau dasitzen sah, die ihr Antlitz in ihre Schürze barg und in ihrem Leid nicht auf die achtete, die etwa des Weges gingen. Gellert kannte Kummer und Noth. Im Vaterhause, wo bei kärglichem Einkommen, dreizehn Kinder mit dem Vater und der Mutter am Tische saßen, waren sie auch keine seltenen Gäste gewesen, und sein eigenes Leben wußte auch davon zu erzählen, wie sich ein Armer durch das Leben drücken müsse, und wie wehe das Leid thue. - Gellert stand da, betrachtete die weinende Frau und manche Erinnerung flog durch seine Seele. Die Straße war ziemlich leer an diesem kalten Morgen. Er trat leise zu der Armen, legte die Hand auf ihre Schulter und sagte: Weib weine nicht! Die Frau, die in ihrem Schmerz Alles um sich her vergessen hatte, fuhr bei dieser Berührung und solchem Wort erschrocken auf und sah mit thränenschweren Augen in des Mannes Antlitz, der vor ihr stand; aber der Schrecken wich, denn dies Antlitz war so mild, so theilnehmend. Als sie dennoch schwieg, bat Gellert sie mit so rührenden Worten um Vertrauen zu ihm, daß unwillkürlich die Frau ihn noch einmal ansah. Es war ihr, als müsse sie diesem Manne, den sie doch gar nicht kannte, Alles sagen, was sie drückte. Sie fühlte eine gewaltige, eine unwiderstehliche Macht, die ihr solches gebot, wider ihren Willen. Da lös'te sich das Siegel ihrer Lippe, und sie erzählte ihm die Geschichte ihres Jammers bis zur Stunde, aber was ihnen heute noch drohe, das sei das Härteste. Und sie sagte es ihm, was Neidhardt zu thun entschlossen und jedenfalls ausführe, da sie keinen Heller für Brod habe, keinen für ihren leidenden Mann, zu geschweigen, daß sie die Schuld von dreißig Thalern tilgen könne, die auf ihnen laste. Ach, rief sie schmerzlich aus, mein Mann wird der Krankheit erliegen und meine Kinder und ich dem Hunger! O, wär's nur schon vorüber, denn für uns ist nur Rettung im Grabe! - Der Herr lebt noch, der der Menschen Herzen lenket, wie Wasserbäche! sagte feierlich Gellert, und das Wort ergriff des Weibes Seele gewaltig. Sie sprang auf und faßte seine Hand krampfhaft und rief: Glaubt Ihr, daß er uns helfen werde? - Ich glaube es! versetzte noch kräftiger Gellert, denn in seinem Herzen war ja die Macht des Herrn offenbar; er hatte schon die Hülfe beschlossen. Es galt seine ganze Habe hinzugeben, aber er dachte nicht daran; er dachte nicht an das, was für ihn folgen könnte, nur daran dachte er, zu helfen, zu retten die Verzweifelnden. Kommt mit mir in meine Wohnung, sagte er, und Ihr sollt sehen, daß der Herr noch lebet, der vom Tode errettet und vom Verderben. Und er wandte sich zum Heimgang. O Herr, rief das arme Weib, wunderbar getröstet, daß ich es meinen Kindern sage! Und sie eilte hin, wo die Kinder schon ihre Körbe mit Spänen gefüllt hatten, und kehrte dann wieder und folgte ihm.
Als Beide in Gellerts Wohnung angekommen waren, öffnete dieser sein Pult, nahm die Rolle und legte sie in des Weibes Hand und sagte: Es sind dreißig Thaler und es ruht kein Fluch darauf! Im Uebermaß ihres Glückes dankte die Frau, aber Gellert wies ihren Dank zurück und sagte: Danket dem Herrn, der Euer Gebet erhöret und mich gesendet hat. Ihn sollt Ihr preisen! Aber, sagte er dann noch, gehet nicht eher zum alten Neidhardt, als wenn es eilf geschlagen hat, dann kommt und bringet das Geld. Merket's Euch wohl! Endlich ging das glückselige Weib, das nicht aufhören konnte, zu danken. Gellert aber faltete seine Hände und dankte dem Herrn, der ihn gewürdigt, seine heilige Absicht zu vollziehen. Er flehte, daß er seinen Segen gebe, das Werk ganz zu vollenden, das er beabsichtige. Und als er gebetet, eilte er zu dem alten Neidhardt, da es nicht ferne von eilf Uhr war.
Innerlich hoffnungsvoller ging Gellert nie durch Leipzigs Straßen, als an diesem Morgen. Er empfand die volle Wahrheit des Heilandwortes: Geben ist seliger, denn Nehmen. - Er klopfte an des alten Neidhardts Thür an und trat auf ein mürrisches, ärgerliches "Herein!" in die Stube. Der alte Wucherer stand eben an einem Tische und zählte Haufen Geldes. Man sah es ihm an, daß ihm Gellert sehr ungelegen kam. Er zog das Schubfach des Tisches heraus, strich das Geld hinein, schob zu, schloß ab und wollte eben eine recht mißmuthige Frage an seinen Besuch thun, als ihn Gellert höflich grüßte und mit seinen treuen, heute vor innerer Seligkeit strahlenden Augen ansah. Dieser Blick bannte den Grimm des Alten. Er fühlte, einem so geachteten und so allgemein verehrten Manne dürfe er nicht unartig begegnen. Daher richtete er die Frage an ihn: was ihm die Ehre dieses Besuches bereite? Dann nöthigte er den Professor sich niederzulassen. Gellert, froh, daß die Falten des Unmuths auf dem steinernen Gesichte des Alten sich glätteten, setzte sich und begann, ohne die Anrede des Alten einer Gegenrede

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zu würdigen, das Gespräch mit den Worten: Von Ihnen, werther Herr Neidhardt, kann ich gewiß viel Gutes lernen; denn ein Mann, den der Herr so reich gesegnet hat, als Sie, wird es nicht unterlassen, von seinem Reichthume den gesegnetsten Gebrauch zu machen. Sie kennen gewiß die große Kunst, Anderen wahrhaft wohlzuthun?
Der alte Neidhardt, der mit seinen Gedanken noch halb bei seinem Gelde sein mochte, fühlte dennoch das Kitzliche dieser Frage, und eine Stimme inwendig in der Brust, die gut deutsch redet, mochte zu ihm sagen: ist das wahr, alter Sünder? Was wirst du nun antworten? - Der Alte entfärbte sich etwas; die Antwort vertrocknete auf der Zunge, weil sie eine Lüge würde gewesen sein, und eine andere wußte er doch nicht zu finden, darum brummte er in der Verlegenheit etwas in den Bart, was etwa so klang, als: Ach ja! - Ganz recht! - Hm! Hm! - Ob es Gellert, dem es immer wärmer ums Herz wurde, nicht verstand oder nicht verstehen wollte? Kurz er begann mit der ihm eigenen Wärme und Innigkeit von der Freude und dem überschwänglichen Segen des Wohlthuns zu reden. Die Worte quollen mit so hinreißender Begeisterung aus Gellerts Rede und wirkten mit so überwältigender Macht, daß der Alte in seinem Innersten zuerst erbebte, dann mehr und mehr fühlte, wie diese Worte ihn innerlich erwärmten und Empfindungen in ihm weckten, wie er sie nie in seiner Brust beherbergt hatte.
Da schlug es eilf, und mit dem Schlage der Uhr klopfte es an die Thüre und die arme Frau trat mit freudestrahlendem Gesichte in das Gemach und legte Gellerts Geldrolle auf den Tisch, indem sie sagte: Hier bring' ich Ihnen das Geld; aber nun geben sie mir auch das Brieflein wieder, das mein sterbenskranker Mann Ihnen auf seinem Schmerzenslager geschrieben hat, daß Sie uns doch nicht möchten aus dem Hause werfen lassen! Der Alte wechselte die Farbe, und die Hand zitterte, die er nach der Geldrolle ausstrecken wollte. Gellert gegenüber, dessen ergreifende Worte einen so tiefen Eindruck auf seine Seele gemacht, waren die Worte der unglücklichen Frau dem Alten eine Demüthigung, die ihn niederdrückte, und ein Urtheil für ihn, dessen Gewicht er in dieser Stimmung doppelt schwer fühlte. Scham, Verlegenheit, Reue bestürmten ihn mit nie gekannter Macht. Endlich gewann er so viel Sammlung, daß er in abgerissenen Worten sagen konnte: Ach, das - hätte - ja - so - nicht geeilt! Wie kann Sie nur so reden? Es war ja so schlimm nicht - gemeint! Nur Drohung nichts weiter-! Doch - geh' Sie nur, Sie sieht, daß - ich - Besuch habe!
Allein während dieser Worte hatten seine Knochenfinger die Geldrolle umklammert und in die Seitentasche seines Schlafrocks geschoben. Gellert hatte ihn beobachtet und jede Regung seiner Seele auf seinem Gesichte gelesen.
Ja, ja, sagte die arme Frau, jetzt sagen Sie, es hätte noch Zeit, weil Sie sich Ihrer Hartherzigkeit vor diesem milden, frommen Herrn schämen. Wissen Sie noch, wie Sie mich gestern, ohne mich anzuhören, mit den Worten fortjagten: All' Euer Gewinsel hilft nicht. Geld, Geld muß da sein, sonst werf' ich Euch mit all' Eurem Plunder auf die Gasse ohne alle Rücksicht! Wissen Sie's noch? Ich hab' Ihnen nicht geflucht. Gott verließ uns nicht im Augenblicke der größten Noth! Dieser gute Herr fand mich so in meinem Elend und schenkte mir die dreißig Thaler. - Gellert hatte ihr vergeblich zugewinkt, daß sie doch davon schweigen solle. Ja, fuhr sie fort, winken Sie nur nicht, zu schweigen, ich muß es sagen, sonst drückt's mir das Herz ab.
Sie haben das gethan? rief der Alte mit Erstaunen. Die Hand des Herrn hatte ihn ergriffen. Das harte Herz wurde weich, und er fühlte in sich eine Regung, wie noch nie. Er trat zu seinem Pulte, nahm ein Papierchen heraus und reichte es der Frau. Hier hat Sie das Briefchen Ihres Mannes, aber auch hier die dreißig Thaler. Pflege Sie Ihren Kranken dafür, und kaufe Sie Brod für Ihre Kinder, Ihre Schuld ist bezahlt. Er wandte sich zu seinem Buche, schlug das Blatt auf, wo sie eingetragen war, und löschte den Posten mit einem raschen, kräftigen Federstrich. Da trat er zu Gellert und faßte mit Rührung seine Hand. Vortrefflicher Mann, sagte er, Sie können nicht bloß schön reden, sondern noch schöner handeln Gott lohn' es Ihnen! Um aber mein Unrecht an der armen Familie einigermaßen zu sühnen, so erlauben Sie mir die Bitte, daß Sie mich zu der armen Familie begleiten. Sie sollen mich von einer anderen Seite kennen lernen! - Die Frau stand da wie eine Bildsäule. Endlich kam Leben in sie. Thränen stürzten aus ihren Augen.
O, nun seh' ich wohl, rief sie aus, daß das Gebet des Gerechten viel vermag, wenn es ernstlich ist! Ach, Herr Neidhardt, vergeben Sie mir, daß ich schlimm von Ihnen gedacht! Gott segne Sie! - Sie aber, sprach sie zu Gellert, Sie sind unser guter Engel, den uns Gott zur Rettung gesandt; wie könnten wir Ihnen das Alles danken?
Sie brachen auf und traten bald in das zerfallene Haus, in die Stube, wo ein erschütterndes Bild menschlichen Elends vor ihre Augen trat. - wie ein Sonnenblick nach trüben Tagen, so wirkte die Erzählung der Frau auf den kranken Mann und die Kinder. Alle streckten freudig ihre Hände den Wohlthätern entgegen und des Dankes war kein Ende. - Von den Augen des alten Neidhardt rannen Thränen, so ergriff ihn der Dank der Armen. Gellert redete Worte des Trostes zu dem Kranken, die ihn erquickten und mit neuer Hoffnung belebten. Er versprach ihm, den ihm befreundeten Arzt zu schicken. - Neidhardt blieb später noch ein Wohlthäter der Familie des Schusters und war bis an sein Ende Gellerts Freund und wärmster Verehrer.
So war Gellert um seine dreißig Thaler gekommen. Aermer war er geworden, aber innerlich um Vieles reicher, und im stillen Kämmerlein dankte er dem, der sein Wort und Werk also gesegnet hatte.

(Fortsetzung folgt.)


Anzeigen.


Vorladungen.

Die Curatel der Kinder und Erben des zur Römnitz verstorbenen Pensionairs Weltner hat das gegenwärtige Proclam erwirkt, kraft dessen hiermit alle diejenigen, welche aus irgend einem Rechtsgrunde Ansprüche an den wailand Pensionair Weltner oder dessen Nachlaß haben oder zu haben vermeinen, hiermit peremtorisch aufgefordert werden, solche in dem deshalb auf

Freitag, den 14ten Mai d. J.,

Morgens 11 Uhr, anberaumten Liquidations=Termin anzumelden und zu bescheinigen, oder zu erwarten, daß sie mit denselben durch den alsbald zu erlassenden Präclusiv=Bescheid von der Nachlaßmasse für immer werden ausgeschlossen werden.
Schönberg, den 13. März 1858.

                          Großherzogl. Justizamt der Landvogtei des Fürstenthums Ratzeburg,
                          C. L. v. Oertzen.
                          (L. S.)                                                     Reinhardt.


Verkaufsanzeigen.

Am Donnerstag den 29. April, Morgens um 9 1/2 Uhr, sollen im Holländerhause zu Menzendorf

100 Milchbütten, Eimer, Trageimer, Käsegeschirr, Trachten, 70 gläserne Milchsatten und was sich sonst noch vorfindet; ferner einige Bauwagen, 13 große Schweine und zwei tragende Sauen,
öffentlich meistbietend gegen Baarzahlung verkauft werden.
Schönberg, den 15. April 1858.

                                                    Seegert, Landreiter.


[ => Original lesen: 1858 Nr. 16 Seite 4]

Auction auf dem Hofe Lauen
bei Schlutup.
Dienstag den 4. Mai, Morgens 10 Uhr:                                                    
18 frischmilchende Kühe,
1 Bolle, 3 Jahr alt.


Am Montag den 19. April, Nachmittags 5 Uhr, sollen auf dem Hofe des Krämers Herrn Wieschendorf

20 Scheffel Kartoffel und
1/2 Faden eichen Knüppelholz
meistbietend gegen Baarzahlung verkauft werden.
Schönberg den 15. April 1858.

                                                    Die Armenbehörde.


Vermischte Anzeigen.

Am Freitag, den 4ten Juni dieses Jahres, wird der landwirthschaftliche Verein für das Fürstenthum Ratzeburg eine Thierschau zu Schönberg veranstalten.
Zur Concurrenz um die ausgesetzten Prämien werden alle inländischen Vieh=Besitzer zugelassen.
Das Genauere wird demnächst veröffentlicht werden.
Schönberg d. 15. April 1858.

                                                    Der Vorstand des landwirthschaftlichen Vereins.
                                                    F. Graf Eyben.


Ausverkauf.

Vorigjährige feine durchbrochene Damenhüte, St. 32 Schilling (Mecklenburg) und 1 Taler (Mecklenburg), Werth 2 und 3 Taler (Mecklenburg).
Vorigjährige schlichte 12 Schilling (Mecklenburg), Werth 32 Schilling (Mecklenburg).
Woll=Mouseline von 4 Schilling (Mecklenburg) die Elle an.
Breite bunte seidene Bänder, die Elle 1 u. 2 Schilling (Mecklenburg),

bei                                                     Ludwig Creutzfeldt.

Schönberg 1858.


Zu Neuvorwerk bei Dassow ist ein massives, mit Steindach versehenes Wohnhaus, in welchem sich 4 Wohnungen befinden, nebst dazu gehörigen 75 []Ruthen Land unter der Hand zu verkaufen.
Reflectirende wollen sich persönlich oder in frankirten Briefen an den Unterzeichneten wenden.
Dassow, den 3. April 1858.

                                                    Actuar Karpf.


Die Magdeburger
Hagelversicherungs=Gesellschaft.
Grundcapital: 3 Millionen Thaler pr. Ct.,
in 6000 Stück Actien à 500 Thaler,
wovon bis jetzt 3001 emittirt sind,

- nicht zu verwechseln mit der Hagelschäden=Versicherungs=Gesellschaft "Ceres" in Magdeburg, welche im vorigen Jahre durch Verfügung der hiesigen Königlichen Regierung wegen unzureichender Garantie=Mittel aufgelöst worden ist -
versichert auch in diesem Jahre gegen billige Prämien Bodenerzeugnisse aller Art gegen Hagelschaden. Die Prämien sind fest; Nachzahlungen finden also unter keinen Umständen statt. Die Entschädigungen werden prompt und spätestens binnen Monatsfrist nach Feststellung des Schadens baar und voll ausgezahlt.
Seit ihrem vierjährigen Bestehen schloß die Gesellschaft 136,047 Versicherungen ab, auf welche 1,399,700 Thlr. Entschädigung gezahlt worden sind.
Der unterzeichnete Agent nimmt Versicherungs=Anträge gern entgegen, und wird jede weitere Auskunft bereitwilligst ertheilen.
Schönberg, den 15. April 1858.

                                                    Egert,
                                                    Agent
                                                    der
                                                    Magdeburger Hagelversicherungs=
                                                    Gesellschaft,
                                                    zugleich Agent der
                                                    Magdeburger Feuerversicherungs=
                                                    Gesellschaft.


Am Donnerstag den 8. April wurde auf dem Wege von Wahlsdorf nach der Maurienmühle eine zweigehäusige silberne Taschenuhr mit Wasserschluß, und einer Tombak=Kette verloren. Der ehrliche Finder wird gebeten, selbige beim Schulzen Freitag in Wahldorf gegen eine Belohnung wieder abzugeben.


Durch bedeutende Zufuhren ist mein Lager von Casinett und Sommerbukskin, ganz wollenen Rocks= und Hosenzeugen, den neuesten Pique= und seidenen Westen, neuen eleganten Sonnenschirmen, schwarzseidenen Umschlagetüchern, grauem und schwarzem Tuch, seidenen und Atlas=Mantillen u. s. w. vollständig assortirt und empfehle mich damit zu billigen Preisen.

Schönberg.                                                    Ludwig Creutzfeldt.


Einem hochverehrten Publicum hiesiger Stadt und Umgegend die ergebene Anzeige, daß ich mich hieselbst als

Bäckermeister

etablirt habe und empfehle mich mit allen gangbaren Brodsorten mit dem Bemerken, daß auf gefällige Bestellungen auch jede Art feinerer Backwerke auf das Beste und Billigste angefertigt werden, - Kaffebrod ist stets vorräthig.

                                                    Carl Oldenburg,
                                                    untere Siemzerstraße in Schönberg.


Russischen Säeleinsaamen
empfiehlt                                                     Aug. Spehr.


Mit frischem Rüdersdorfer Kalk
empfiehlt sich bestens
                                                    A. Wigger.


Saat=Hafer, Saat= Wicken und Saat=Bohnen,

so wie auch einige tausend Pfund Heu sind zu haben bei

                                                    C. Vock.


Am Sonntag d. 18. April werde ich in Schönberg eintreffen, um das für mich zum Bleichen bestimmte Leinen abzuholen, welches ich beim Gastwirth Herrn Fick abzugeben bitte. Zugleich bemerke ich, daß das Leinen mit reiner buchen Asche gebleicht wird.
Ratzeburg, d. 1. April 1858.

                                                    J. C. Wihe, Bleicher.


Kirchliche Nachrichten.

Schönberger Gemeinde
Vom 9. bis 15. April

Geboren: Den 9. dem Steinhauer Riemann vor Schönberg ein S. Den 9. dem Hausw. Freitag in Kl. Siemz eine T. Den 14. dem Schneiderm. Kummerow vor Schönberg eine todte T. Dem Schneiderm. Lenschow vor Schönberg ein S.
Gestorben: Den 14. der Bauhofspächter Drews hieselbst, 34 Jahr alt, am Schlagfluß.


Getraide und Markt=Preise in Lübeck
am 14. April 1858.

Weizen 1 Taler (Mecklenburg) 14-18 Schilling (Mecklenburg),     Wicken 1 Taler (Mecklenburg) 32-36 Schilling (Mecklenburg),
Roggen - Taler (Mecklenburg) 46-52 Schilling (Mecklenburg),     Buchweizen - Taler (Mecklenburg) 52-56 Schilling (Mecklenburg),
Gerste - Taler (Mecklenburg) 42-46 Schilling (Mecklenburg),     Winter=Rapsaat 25-26 Mark (Lübeck)
Hafer - Taler (Mecklenburg) 40-46 Schilling (Mecklenburg),     Rübsen 21-22 Mark (Lübeck)
Erbsen 1 Taler (Mecklenburg) 16-32 Schilling (Mecklenburg)     Schlagleinsaat 16-17 Mark (Lübeck)
Butter 13 Schilling (Mecklenburg) pr. Pfund.     Kartoffeln 4 Schilling (Mecklenburg).


Redaction, Druck und Verlag von L. Bicker.


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