No. 9
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Dienstags und Freitags

Schönberg, den 26. Februar
1858
achtundzwanzigster Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1858 Nr. 9 Seite 1]

- Es könnte sich Einer um die Engländer wirklich sehr verdient machen, wenn er ihnen durch einen guten Rath aus ihrer Verlegenheit hinsichtlich der Flüchtlinge zu helfen wüßte. Ihr sollt, ruft man ihnen zu, das Asylrecht nicht aufgeben, denn es ist eine gar köstliche Sache um dasselbe, die den Verbannten aller Parteien zu Gute kommt, aber ihr sollt es gefahrlos für andere Staaten machen. Hierin aber eben liegt die Schwierigkeit. Lord Palmerston beantragte deshalb eine Complott=Bill im englischen Unterhause, die verworfen wurde und in Folge dessen das gesammte Ministerium seine Entlassung einreichte und von der Königin angenommen wurde. Die Times bemerkt hierüber: Die Folgen müssen gewichtiger werden, gewichtiger als man denkt. Es läßt sich nicht läugnen, daß das Asylrecht jetzt unserer Beständigkeit eine starke Prüfung unterzieht; es setzt uns drei Feuern auf einmal aus. Auf der einen Seite unser besorgter Nachbar, auf der andern Seite ein Haufe Flüchtlinge, die sich auf unser Gesetz berufen, aber dessen Bedingungen verletzen. Und zu Hause endlich unser eigenes Volk, das stolz auf sein eigenes Asylrecht ist, aber kaum weiß, ob es mehr gegen die Monarchen, die es beschränkt sehen möchte, oder die Flüchtlinge die es zu mißbrauchen wünschen, erbittert sein soll. Keiner dieser drei Parteien kann es die Regierung recht machen. Denn sie will die Flüchtlinge nicht aus dem Lande jagen oder auf Schritt und Tritt durch Spione verfolgen. Sie will aber auch aus England keine Freistätte für Meuchelmörder machen. Am allerunzufriedensten von den dreien ist das Volk, das keine Gesetzgebung auf Veranlassung eines dritten will. - Eine andere englische Zeitung fürchtet deshalb einen Bruch der französischen Allianz. Das Resultat der Abstimmung laßt sogar das Gespenst einer möglichen französischen Invasion in England auftauchen.
- Bisher war es Engländern gestattet, ohne Pässe in französischen Hafen am Canal zu landen, sobald sie vor den dortigen Behörden erklärten, daß sie nicht weiter ins Innere reisen wollten. Diese Begünstigung hatte zur Folge, daß zahllose Engländer einzelne Sommermonate in Diepe, Calais, Boulogne etc. verlebten, um dort Seebäder zu nehmen. Fiel es ihnen dann später ein, einen Ausflug nach Paris zu machen, so ertheilte ihnen der betreffende dortige Consul ohne weiteres einen Paß, der überall von den französischen Behörden respectirt wurde. Diese Bequemlichkeit für die Engländer hat jetzt aufgehört, nachdem die französische Regierung auf die Anfrage des brittischen Gesandten, ob es englischen Unterthanen ferner gestattet sei, ohne Paß in Frankreich zu landen, denselben zur Antwort ertheilt hat, daß man Niemandem, er sei wer er sei, gestatten werde, in Frankreich zu landen. Auch werde ein Consularpaß, der einem ohne Paß Gelandeten verabfolgt worden sei, nicht anerkannt werden.
- Der Prinz von Preußen ist am vorigen Sonnabend auf der Straße gefallen und hat sich das linke Fußgelenk verstaucht. Er war ohne alle Begleitung, auch war sonst Niemand zur Stelle, um hilfreiche Hand bieten zu können. Es gelang demselben indeß mit der größten Anstrengung und unter heftigen Schmerzen sich zu erheben und in das gegenüber liegende Palais zu begeben. Das allgemeine Befinden desselben ist vollständig zufriedenstellend.
- Der König von Dänemark, von einem Brustkatarrh noch nicht ganz genesen, ist an der Gesichtsrose erkrankt.
- Die Polizei in London fahndet auf einen Thomas Allsop, welcher des Mordes an mehreren Personen während des Attentats zu Paris am 14. Januar angeschuldigt ist. Man hat einen Preis von 200 Pfund auf dessen Habhaftwerdung gesetzt. Der nach London geflüchtete Franzose Bernard, der an dem Attentat gleichfalls betheiligt sein soll, ist daselbst verhaftet.
- In Ostindien heitert sich der Himmel allmälig für die Engländer wieder auf. Campbell und seine Unterfeldherren haben seither kein Unglück mehr gehabt, die Rebellen weichen überall zurück. Der Generalgouverneur hatte verordnet, daß die Helden von Lacknau, die Frauen, Kinder und Kranken der Garnison, bei ihrer Rückkehr nach Calcutta mit einem königlichen Salut von den Wällen des Forts empfangen werden und daß alle Kriegsschiffe des Forts flaggen sollten. Bei ihrer Ankunft, welche am 9. Januar erfolgt, werden sie von dem Generalgouverneur in Person empfangen. Da sie am 10. Novbr. von Lacknau abzogen, so hat ihre Reise bis Calcutta, über 100 deutsche Meilen, 7 Wochen gedauert.
- Tag für Tag kommen jetzt durchschnittlich 15 Wagen voll Kaffee zu Berlin auf der Potsdamer Bahn an. Amsterdam spedirt sie hierher und in vielen Kaffeezirkeln entsteht die brennende Frage: ob diese massenhafte Zufuhr nicht eine Ermäßigung des Preises nach sich ziehen werde.
- Die Elbüberbrückung nebst Fortsetzung der Lübeck=Büchener Eisenbahn bis Lüneburg wird, wie der H. C. meldet, endlich zu Stande kommen. Die Verhandlungen darüber sind zwischen den Contrahirenden bis zum definitiven Abschluß gediehen und erwartet man deshalb in diesen Tagen in Lauenburg die Zusammenkunft der Conferenzmitglieder. Die Bahn würde von der Palmschleuse quer über die große Halbinsel, die Aue, bis an die Elbe fortgeführt werden. Um diese macht die Elbe von der Gegend Boitzenburgs her einen weiten Bogen; der Strom ist hier am schmalsten an der ganzen Unterelbe. Die Brücke muß am südlichen Ende des Bogens über die Elbe gelegt werden, weil hier die Stärke des Eisganges schon gebrochen ist, und oberhalb Hohnstorf setzte dann die Bahn ihren Weg nach Lüneburg fort.

[ => Original lesen: 1858 Nr. 9 Seite 2]

- In Köln, wo die diesmalige Carnevalsfeier ungewöhnlich glänzend und unter der lebhaftesten Betheiligung aller Stände gefeiert wurde, haben die herbeigeströmten zahlreichen Taschendiebe eine große Ausbeute gemacht. Es sind wohl gegen 100 Taschenuhren und Geldbörsen ihren Besitzern abhanden gekommen. Gewöhnlich erregen die sonst anständig gekleideten Gauner durch irgend ein Manöver ein Gedränge und Wirrwar, wobei der kühne Griff gethan wird, und das Gestohlene wandert augenblicklich aus der Hand des Diebes in die seiner Cameraden. Einem Bürger z. B. wurde beim Vorüberziehen des Maskenzuges empfindlich auf den Fuß getreten. Es wurden natürlich heftige Worte gewechselt, die Urheber der Ungezogenheit verloren sich im Gedränge und mit ihnen war die goldene Uhr des Bürgers sammt Kette verschwunden. Einem andern wurde zu demselben Zweck der Hut über das Gesicht geschlagen.
- Im königlichen Schlosse zu Hannover sind jetzt die von England requirirten Krondiamanten dem Publicum zur Schau ausgestellt. Man schätzt den Gesammtwerth auf 800,000 Thaler.
- Die Berliner Taschendiebe haben sich am Tage des Einzugs das Wort gegeben, keine langen Finger zu machen und es ist auch kein Diebstahl bei der Polizei zur Anzeige gekommen. Sie wollten auch einmal das Gefühl ehrlicher Leute theilen und den allgemeinen Freudentag nicht durch Gaunerstreiche beflecken.
- (Ungarische Viehzucht.) Durch die Eisenbahnen ist besonders für die ungarischen Schweine eine günstige Conjunctur entstanden. Man versendet große Massen dieser Thiergattung, regelmäßig nach Nord= und Süddeutschland. Die in ganz Ungarn vorhandene Zahl wird auf 4 Millionen Stück angegeben, und die Ausfuhr auf 2500 St. pr. Woche.
- In Pesth versammelt eine Schneefigur, die Schneejungfer genannt, ganze Schaaren von Bewunderern um sich. Die Statue, nur aus reinem weißen Schnee geformt, steht mitten im Hofe eines stockhohen Hauses. Der Kopf, die Gesichtszüge mit einem Anflug von sanfter Röthe, der Hals, die classisch geformte Brust und die noch auffallend schönere Taille sind blendend weiß; um das Haupt ein Blumenkranz und die Crinoline erscheint mit einigen Rosen zart aufgeputzt. Die Schneejungfer steht bereits seit 14 Tagen, ist aber noch immer so plastisch schön, daß jeder Zuschauer den Wunsch in sich rege fühlen muß: wenn sie nur belebt wäre! Und dieses Meisterstück ist das Werk eines höchst bescheidenen Schneidergesellen.


Ein Carnevalschwank.

"Erlaubst du mir, mich zu dir zu setzen, schöne Bäuerin?" - "Mit Vergnügen! Und ich weiß dir's Dank, daß du den Platz an meiner Seite wählst, während soviel Schönheiten im Saale glänzen. Kennnst du mich vielleicht?" - "Nein, bis jetzt nicht, und ich würde dich wahrscheinlich ebenso wenig kennen, wenn du deine Maske abnähmst! Aber was liegt daran? Wir können heut' Abend den Anfang machen, uns kennen zu lernen, wenn dir's recht ist. Die Bekanntschaften, die man auf einem Maskenballe macht, pflegen nicht die schlimmsten zu sein." - "Sie führen nur oft zu großen Enttäuschungen." - "Das will ich nicht bestreiten, denn freilich hab' ich's mitunter erfahren." - Und ebenso werden andere sich in dir getäuscht haben." - "O nein! Wer sich nie anders zeigt, auch im Carneval nicht, als ohne Maske, über den wird niemand sich täuschen!" - "Du hast aber auch keinen Grund, dein Gesicht zu verstecken, und das läßt sich nicht von jedem behaupten." - "Sehr verbunden, schöne Hirtin! Du kennst mich also?" - "Ja, von Ansehen! Ich höre, du bist Dichter; willst du mir schöne Worte sagen?" - "Sehr gern, wenn du's verlangst! Ich habe mich von jeher bemüht, den Damen gefällig zu sein. Vorher aber möchte ich deinen Namen wissen." - "Nenne mich wie dir's gefällt. Wähle den Namen nur ganz nach deinem Gutdünken ." - "Wie soll ich aber, ohne die Züge zu sehen, deren Schönheit ich besingen möchte, ohne den reizenden Gegenstand meiner Bewunderung zu kennen -" - "Das sagt mir ein Dichter? Wer wie ihr fortwährend in den schrankenlosen Regionen der Idee schwebt, wozu bedarf der eines Gegenstandes für seine Verehrung? Ich halte deine Phantasie für zu erfinderisch und traue überdies meinem Gesicht so wenig, daß ich nicht den Muth habe, meine Maske abzunehmen."
"Freilich lassen wir Dichter, wenn du mich wirklich zu ihnen zählen willst, unsern Geist in höheren Räumen schweben; aber von mir kann ich dich versichern, daß ich, was Frauenschönheit betrifft, mich immer an die Wirklichkeit halten werde."
- "Und was versprichst du dir davon, mein Gesicht zu sehen?" - "Das Vergnügen, es zu bewundern, wenn es hübsch ist, wie ich voraussetze; es anzubeten -" - "Immer sprecht ihr gleich von Anbetung! Ihr Schwärmer verdientet, daß man euch aus jedem ehrbaren und wohlgeordneten Staate verbannte." - "Warum, schöne Maske?" - "Wenn ihr sagt, was ihr wirklich fühlt, als leichtfertige Götzendiener, und wenn ihr's nicht fühlt, als Heuchler. Du thust ganz recht daran, keine Maske zu tragen; ihr Schwärmer bedürft ihrer nicht, um zu lügen; ihr seid unaufhörlich verlarvt."
- "Wenn dem so ist, so will ich mir mit Vergnügen einen Fehler gefallen lassen, der mich dem schönen Geschlecht so gleichstellt." - "Sind wir Frauen so entschieden Komödiantinnen?" - "Ja, meine kleine Maske! Was das betrifft, könnt ihr nicht leugnen, daß die Tyrannei und das Mistrauen der Männer alle Schuld an euerm Mangel an Aufrichtigkeit trägt, und daß wir um so mehr Nachsicht für eure Verstellung haben müssen, als sie fast immer auf dem Wunsche beruht, uns zu gefallen. Ist es denn aber nicht möglich, daß ich dein Gesicht sehe?" - "Unmöglich! Der Wunsch, dir zu gefallen, räth mir, ich solle meine Maske behalten."
"Deine Unterhaltung entzückt mich und jedes Wort von dir erhöht meine Ungeduld, dich kennen zu lernen." - "Ist es denn so nothwendig, mein Gesicht zu sehen, um es sich schön zu denken? Hast du mich nicht gleich zu Anfang den reizenden Gegenstand deiner Begeisterung genannt? Glaube mir's, in deinem eigenen Interesse, wie in dem meinigen, widersetze ich mich der Nachgiebigkeit, die du von mir verlangst. Solange ich verschleiert bleibe, bin ich sicher, aus deinem Munde Schmeicheleien zu hören, wie sie mir nicht immer geboten werden; verschwände aber die schützende Hülle, dann fahr' wohl, liebliche Teuschung! Dann würden steife Höflichkeit und trockener Ernst an die Stelle der Lobsprüche, der hübschen Worte, der feinen Aufmerksamkeit treten, mit denen du mich auf das angenehmste unterhältst." - "Diese Bescheidenheit ist mir der sicherste Beweis deines Werthes." - "Nun ja; wenn kein anderes, hab' ich das Verdienst, bescheiden zu sein, oder richtiger gesagt, aufrichtig und wahrhaft." - "Wenn mir's möglich wäre, dich mit anderen gewöhnlichen Frauen zusammenzustellen, so könnte ich versucht sein, dir zu glauben. Der Carneval ist ja nur die Rückseite der Schaumünze, welche die Welt vorstellt, und gewiß sind die Damen unterm Schutz der Maske sehr oft wahrhafter als ohne Maske. Haben sie doch so selten Gelegenheit, ungestraft die Wahrheit zu sagen! Aber du? Du bist nicht häßlich, das will ich beschwören! Ich habe mich so oft geirrt und bin so oft angeführt worden, daß ich endlich einen gewissen Takt, eine gewisse Erfahrung in der Kunst erlangt habe, Masken zu beurtheilen. Nein, ich täusche mich nicht so leicht, - ich habe eine feine Nase!" -
(Als ich dies Wort gesprochen, machte meine Schöne eine Bewegung, als fühlte sie sich durch etwas verletzt. Ich kam auf den Gedanken, die eben von mir gebrauchte Redensart habe ihr einen Unangenehmen Eindruck gemacht, und fing an, mich

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zu entschuldigen, daß ich nicht in so gewählten Ausdrücken gesprochen, als sich's für sie gezieme; meine Hirtin aber fing an zu lachen, reichte mir die Hand und erklärte sie nehme nicht den geringsten Anstoß an meinen Worten. Ich fuhr demnach fort:=)
"Nur eins wird mir leid sein, wenn du die Maske abnähmst." - "Und das wäre?." - Daß mir's dann nicht länger erlaubt wäre, mit dir zu reden wie mit einem Landmädchen, wie mit einer Maske. Wäre es denn nicht ein Schmerz dieser lieben, vertraulichen Plauderei, diesem reizenden Vorrecht, dich du nennen zu dürfen, entsagen zu müssen? Jetzt rede ich mit dir, wie vertraute Freunde, wie Geschwister, Verheirathete oder Liebende miteinander reden." - "Nun, und wenn ich die Thorheit beginge, und mir die Larve abzunehmen, so würdest du nicht schnell genug aufstehen können und etwa ein zögerndes und verstörtes "Ich küsse die Hand! hervorstottern." - "Welch ein Vergnügen du daran findest, mich zu kränken! Hältst du mich denn einer solchen Undankbarkeit für fähig? Ich will einmal einen Augenblick denken, du seist wirklich häßlich, abschreckend. Könntest du denn mit der abscheulichen Maske, die mich in Verzweiflung bringt, den Unmuth deiner Unterhaltung entsagen? Dem Zauber deiner Stimme, die mich entzückt? Der Liebenswürdigkeit und Grazie, die mich fesseln und verwirren? Wem könnte eine Dame mit solchen Vorzügen und Gaben mißfallen? Wenn dein Gesicht häßlich ist - ich verzeihe dir's!" - " Gib wohl Acht, was du sagst! Solltest du nachsichtiger sein als alle andern Männer, oder weniger von Eigenliebe beherrscht? Häßlichkeit gilt bei euch allen als das größte Verbrechen, das man einer Frau vorwerfen kann." - "Entweder gehöre ich zu den Ausnahmen, allerliebste Maske, oder du verläumdest die Männer. Binde die neidische Maske los und du wirst sehen, wie mein Entzücken sich erhöhen wird! Du weißt ja, daß meine Bitte keine vorwitzige. Wie kommst du zu der Häßlichkeit, die mich erschrecken soll? Sehe ich denn nicht die Feinheit deiner schlanken Taille, die Schönheit deiner Hand? Entzückt mich nicht dein niedliches Füßchen? Treffen mich nicht die Strahlen deiner zauberischen schwarzen Augen? Diese Locken, die so schön gegen den warmen Schnee deines Nackens abstecken, wem gehören sie als dir? Verstehe ich mich so schlecht auf die anmuthigen Bewegungen deines Kopfes, daß ich nicht wissen sollte, wie verführerisch deine süßen Lippen lächeln? - "Und dennoch, trotz all der Vorzüge, die du so hoch überschätzest, versichere ich dich, daß wenn ich mich entlarve, du vor Entsetzen zurückschaudern wirst." - "O nein! Nimmermehr! Deine Figur, deine Züge -". - "Hast du denn meine Züge gesehen?" - "Ich darf behaupten, ja! Deine Nase ist das Einzige - "(hier hörte ich die Schöne kichern). - "Du lachst? Hättest du vielleicht eine Stumpfnase? - "Wer weiß? Fange es nicht darauf an, es zu ergründen!" - "Nein, es ist nicht denkbar, daß eine widrige Nase die schöne Harmonie so vieler Reize stören sollte! Sei's aber wie es wolle, ich will alle Folgen der Gunst, um die ich bitte, tragen. Mit diesem Munde, diesen Augen, mit dieser unvergleichlichen Figur erlaube ich dir die Nase einer Negerin!" - "Unvorsichtiger! - "Nun also, nimm die Maske ab! Laß mir die Sonne hier im Saale aufgehen!" - "Verwegener! Genug, es mag denn geschehen, du sollst mich ohne Maske sehen! Du hast's gewollt! Aber wenigstens sollen meine Hände das Geheimniß nicht lüften! Empfange denn durch deine eigenen die Strafe für deine thörichte Ungeduld!" - "Auch das noch! In diesem Moment bin ich der Glücklichste!" - "In diesem Moment bist du ein Thor!" - "Verwünschte Bänder, ich werde nicht fertig mit diesen Knoten, ich zerreiße ihn! Ach, jetzt hab ich's! Allerschön-" Mir erstarb das Wort auf den Lippen, so groß war mein Erstaunen, mein Schrecken, mein Entsetzen. Diese Nase! Welche Nase! Ich hatte die Natur nie für fähig gehalten, ein solches Monstrum bilden zu können. Nein, das war keine menschliche Nase, das war eine Rübe, ein Meilenstinn, eine ägyptische Pyramide! O Himmel, mitten in dem Grauen, das mir dieser entsetzliche Decorationswechsel verursachte, hätte ich mich doch gar zu gern von meiner Elephantin ohne gar zu große Unhöflichkeit verabschiedet; ich machte übermenschliche Anstrengungen, um einige gelernte Phrasen zusammenzubringen - unmöglich! Zu meinem Glück fing die Gebirgsnymphe, die gewiß schon längst mit allen Wirkungen ihrer Mißgestalt vertraut war, ungezwungen und herzlich an zu lachen, ich weiß nicht ob über mich oder über sich selbst. Das gab mir Muth aufzustehen. Unter dem Verwand, einen Freund begrüßen zu müssen, und ohne das Herz zu haben, sie noch einmal anzusehen, empfahl ich mich mit einem trockenen und verdrießlichen "Ich küsse Ihnen die Hand. Die Beschämung beflügelte meine Schritte, der Aerger machte mich blind; ich fand kaum Platz für meine eilige Flucht, stolperte über Sessel, über Menschen, über meine eignen Füße und wäre nach Hause geeilt, hätte nicht meine Gemüthsbewegung mir einen Hunger zugezogen, der eben so gewaltig war als die unselige Nase. Ich dränge mich demnach ins Speisezimmer, bemächtige mich eines Tisches, greife zur Speisekarte, verlange was man mir am schnellsten bringen könne, esse, schon nicht mehr hungrig, aber noch immer im vollen Zorn, von drei Schüsseln, und eben bringt man mir die vierte, als sich mir gegenübersetzt - o Himmel! - jene nämliche Bäuerin, oder besser gesagt, jene nämliche Nase, die mich eben noch mit Grauen erfüllt hatte. Meine erste Bewegung war, aufzuspringen und die Flucht zu ergreifen; aber die durchtriebene Schöne machte mir das Blut erstarren, als sie mir mit einer diabolischen Freundlichkeit sagte: "Wie, Sie stehen auf, um mich nicht einladen zu müssen, mit Ihnen zu soupiren?" Ich ward roth wie ein Schulknabe. Die Nase lachte und zu meinem Unglück lachte ihr Begleiter, der ihr den Arm gab, nicht; mir wär's ein Fest gewesen, hätte ich meinen Zorn an ihm auslassen können. - "Fräulein -". - "Ich werde Ihnen keine großen Unkosten machen; ein Glas Eispunsch, weiter nichts." - So viel Unbefangenheit war mir denn doch zu viel. Ich nahm mir vor, Spott mit Spott zu vergelten und sagte: "Ich wäre allzuglücklich, Ihren Wunsch zu erfüllen, Fräulein, aber ich fürchte, diese Nase wird es unmöglich machen; denn ich sehe nicht ein, wie sie ein Glas -" - "Zum Munde bringen können? Sehr richtig! Aber ich wollte auch nicht mit dieser Nase trinken; ich werde sie wegthun." - "Was? Was sagen Sie? Also -" -
Indem führte sie die Hand an die Nase und nahm sie ab. O ich blöder Tropf! sie war falsch, war von Carton, und unverhüllt blieb die wirkliche, nicht minder vollkommen und reizend als alle übrigen Züge ihres Gesichts. Wie soll ich meine Verwirrung, meine Verzweiflung schildern, als ich die wunderliebliche Schöne vor mir sah und mich an die Leichtgläubigkeit, die Unhöflichkeit, die Ungerechtigkeit meines Betragens erinnerte? Ich wollte sie tausendmal um Verzeihung bitten, meinen Irrthum mit Tränen bereuen und den Boden zu ihren Füßen küssen; aber die Grausame gab ihrem Begleiter den Arm, warf mir einen strengen Blick zu und verschwand, indem sie mir mit kühlstem Ausdruck nachrief: "Ich empfehle mich Ihnen!"


Anzeigen.


Präclusivbescheid.

In Sachen, betreffend die Errichtung eines Hypothekenbuchs über das, dem Bäckermeister Wilhelm Groth gehörende, am Markt hieselbst belegene Wohnhaus c. pert., giebt

die Großherzogliche Hypothekenbehörde des Fürstenthums Ratzeburg

auf das am 11. d. Mts. abgehaltene Liquidationsprotokoll, nachdem die vorschriftsmäßigen Proclamata zu den Acten docirt worden, hiermit zum

[ => Original lesen: 1858 Nr. 9 Seite 4]

Bescheide:

daß, unter Vollstreckung des ladungsmäßig angedrohten Nachtheils, alle bisher nicht angemeldeten Realansprüche und Forderungen, soweit sie von der Anmeldungspflicht gesetzlich nicht ausgenommen, sowohl gegen den jetzigen, als auch gegen alle künftigen Besitzer des vorbezeichneten Grundstücks hiermit für erloschen erklärt werden.

Von Rechtswegen!

C. L. v. Oertzen.
(L. S.)                                                     Reinhardt.


Aufforderung.

Diejenigen, welche geneigt sein sollten, verwais'te und andere ihren Müttern entzogene Kinder von resp. 1 bis 7 Jahren, imgleichen auch vereinsamte alte Leute in Kost zu nehmen, werden hiermit freundlich aufgefordert, mit den resp. Vorstehern wegen jährlich ihnen dafür zu bewilligender Vergütungen, und zwar recht bald, in Unterhandlung zu treten.
Schönberg den 15. Februar 1858.

                                                    Die Armenbehörde.


Vermischte Anzeigen.

Bekanntmachung.

Es wird den Theilhabern der Hagel=Versicherungs=Gesellschaft für das Fürstenthum Ratzeburg hiedurch in Erinnerung gebracht, daß, nachdem am 7. und 8. December v. J. die erste Hälfte des Beitrags zur Gewährung des Ersatzes für die durch die Hagelschläge am 6. und 21. Juli Beschädigten, so wie zur Bestreitung der Kosten des Instituts mit 1 Taler (Mecklenburg) 2 Schilling (Mecklenburg) von je 100 Taler (Mecklenburg) Versicherungswerth erhoben worden, nunmehr, in Gemäßheit des 15ten Paragraphs der Statuten, der Abtrag der zweiten Hälfte im kommenden Monat März in gleicher Weise mit 1 Taler (Mecklenburg) 2 Schilling (Mecklenburg) Preuß. Courant erforderlich werden wird.
Der Zahlungstag wird den einzelnen Ortschaften besonders angesagt werden.
Schönberg den 26. Februar 1858.

Direction der Hagel=Versicherungs=Gesellschaft des Fürstenthums Ratzeburg.


Bekanntmachung.

Am 3. März, Vor Beginn der Versammlung des landwirthschaftlichen Vereins,

auf dem großen Keller in Ratzeburg
Versammlung der Mitglieder des 2ten Districtes
der Schleswig=Holstein=Lauenburgischen
Hagel=Versicherungs=Gesellschaft.


Auf dem Hofe Lockwisch stehn zum Verkauf oder Eintausch von volljährigen Ackerpferden: eine sechs= und eine neun=jährige Fuchsstute, für deren Gesundheitszustand eingestanden wird, und welche, gedeckt von hiesigen Landbeschälern, innerhalb 8 Wochen ihre Füllen werfen.


Zum bevorstehenden Ostern, besonders für Confirmanden, empfiehlt sich mit billigen Tuchen, Hosenzeugen, Westen und Tüchern aller Art, mit sehr schönen schwarzen Taffttüchern, einer großen Parthei neuer echter Cattune von 3 Schilling (Mecklenburg) an, ferner mit billigen 6/4 und 8/4 breiten Seidenzeugen und Atlas, mit Tuch=, Atlas= und seidenen Mantillen, verschiedenen Kleiderzeugen, schwarzem Orlean und Paramatta, so wie mit Bändern aller Art, u. s. w.

                                                    Ludwig Creutzfeldt,
                                                    Siemserstraße.

Schönberg.


W. Rothe's Dampfmühle,
untere Fleischhauerstraße Nr. 232/233
in Lübeck,

empfiehlt schönes Weizen=Mehl bei Partheien in drei verschiedenen Qualitäten zu den billigsten Preisen.
  No. 0 2 1/2 Schilling (Mecklenburg) pr. Pfund,
  No. 1 2 1/4 Schilling (Mecklenburg) pr. Pfund,
  No. 2 2 Schilling (Mecklenburg) pr. Pfund.
Grobe Weizenkleye zu 3 Mark (Lübeck) 2 Schilling (Mecklenburg) pr. 100 Pfund.
Feine Weizenkleye (Rollmehl) zu 4 Mark (Lübeck) 8 Schilling (Mecklenburg) pr. 100 Pfund.


Rohr=Verkauf.

Auf dem Gute Lütgenhof bei Dassow sind
15000 Schoof Dachrohr

unter der Hand zu verkaufen. - Kaufliebhaber wollen sich an den Herrn Inspector Möller daselbst wenden.


Verlobungs=Anzeige.
Doris Wigger.
Wilhelm Heincke.
Dassow                                                     Schönberg.


Lehrlings=Gesuch nach Lübeck.

Zu Ostern d. J.: Ein Sohn achtbarer Eltern in die Uhrmacherlehre. Näheres in der Expedition dieses Blattes.


Wir zeigen hiermit an, daß wir den Peter Clasen hieselbst als Aufseher über unsere Holzkoppeln, Hecken und Zäune bestellt haben, und werden wir daher Jeden, den derselbe dort ohne Befugniß trifft, zur gerichtlichen Bestrafung anzeigen.

                                                    Die Dorfschaft Gr. Bünsdorf.


Unter meinen Schaafen befindet sich seit 5 Wochen ein fremdes, das sich jetzt schon durch ein Lamm vermehrt hat. Das rechte Ohr ist ab, dem linken vorne und hinten ein Stück herausgeschnitten; am Hals trägt es ein grünes Halsband. Der Eigenthümer desselben wird gebeten, es gegen Erstattung der Kosten bei mir abzuholen.

Rieps.                                                     H. H. Böttcher, Krüger.


Kirchliche Nachrichten.

Schönberger Gemeinde.
Vom 19. bis 25. Febr.

Geboren: D. 23sten dem Arbeitsm. Pöhls in Ollendorf ein Sohn - D. 25sten dem Arbtsm. Rickert in Westerbeck Zwillings=Knabe und Mädchen. Dem Arbeitsm. Renzow in Schönberg ein Sohn.
Gestorben: Den 20sten Joach. Friedr. Dierk, Weberlehrling in Schönberg, 15 J. 8 M. alt. Schlagfluß. - Den 22sten Johann Maaß, Knecht in Schönberg, 32 J. 8 M. alt, Nervenfieber. - Den 25sten des Arbeitsm. Rickert in Westerbeck Zwillingskinder, einige Stunden alt.
Copulirt: D. 19ten Matthias Heinrich Ollrogge, Klempnermeister in Schönberg und Cathar. Marie Margarethe Dettmann in Schönberg.


Getraide und Markt=Preise in Lübeck
am 24. Februar 1858.

Weizen 1 Taler (Mecklenburg) 14-19 Schilling (Mecklenburg),     Wicken 1 Taler (Mecklenburg) 10-20 Schilling (Mecklenburg),
Roggen - Taler (Mecklenburg) 44-48 Schilling (Mecklenburg),     Buchweizen - Taler (Mecklenburg) 44-46 Schilling (Mecklenburg),
Gerste - Taler (Mecklenburg) 44-46 Schilling (Mecklenburg),     Winter=Rapsaat 23-24 Mark (Lübeck)
Hafer - Taler (Mecklenburg) 40-44 Schilling (Mecklenburg),     Rübsen 20-21 Mark (Lübeck)
Erbsen 1 Taler (Mecklenburg)   8-16 Schilling (Mecklenburg)     Schlagleinsaat 16-17 Mark (Lübeck)
Butter 11 Schilling (Mecklenburg) pr. Pfund.     Kartoffeln 4 Schilling (Mecklenburg).

Altona=Hamburger Viehmarkt.

Fette Schweine, 100 Pfund 33-36 Mark.


(Hiezu: Officieller Anzeiger No. 3)


Redaction, Druck und Verlag von L. Bicker.


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