No. 30
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 24. Juli
1857
siebenundzwanzigster Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1857 Nr. 30 Seite 1]

Der Grenadier, Knecht Johann Joachim Carl Fick von der Bäk (aus dem Einstellungs=Jahrgang 1853) wird befehligt, sich zur Dienstleistung bei der Fahne auf einen Monat am 9. August d. J. Abends bei der 4. Compagnie in der Caserne zu Neustrelitz zu melden.
      Schönberg, den 21. Juli 1857.

                          Großherzogl. Mecklenb. Landvogtei des Fürstenthums Ratzeburg.
                          F. Graf Eyben.


- Kaiser Napoleon ist sehr ärgerlich, daß seine Pariser Bürger Republikaner in die gesetzgebende Versammlung gewählt haben. Dieselben Leute, rief er, werden auf den Knien um Rettung winseln, wenn ihnen die Republik über den Kopf wächst. Die Bürger nämlich, nicht die Arbeiter, sollen für die republikanischen Abgeordneten den Ausschlag gegeben haben.
- Der Kaiser von Rußland kann kaum seinen Maxbrunnen in Kissingen trinken, so wird er beständig umlagert und begafft. "Das habe ich gar nicht gewußt", sagte er, "daß man mich in Deutschland so gern sieht und so bewundert." - Die Kaiserin=Wittwe ist am preußischer Hofe zu Sanssouci eingetroffen. Dieses Sanssouci macht den Politikern manche Sorge. Sie wüßten jetzt schon gern, wie viele der mächtigen Persönlichkeiten, die in Europa gebieten, dorthin noch kommen, und noch lieber, was sie dort sprechen und verhandeln werden. Daß Kaiser Alexander kommt ist sicher. Kommt der Kaiser von Oestreich? Das Gerücht antwortet: ja, der König von Preußen hat bei seinem Besuche in Wien an einer Aussöhnung Oestreichs und Rußlands gearbeitet und einer persönlichen Begegnung der beiden Souveräne vorgearbeitet. - Wird Kaiser Napoleon kommen? Die Politiker haltens nicht für ganz unwahrscheinlich und deuten die Reise, welche der Großherzog von Darmstadt, der Schwager des russischen Kaisers, unerwartet am 11. Juli zu Kaiser Napoleon in Plombieres angetreten hat, zu Gunsten einer Zusammenkunft resp. einer vertraulichen Vermittelung.
- Die preußische und die östreichische Regierung sollen sich dahin geeinigt haben, der letzten dänischen Note in der Herzogthümerfrage gegenüber zunächst eine abwartende Stellung einzunehmen. Es sind in dieser Beziehung übereinstimmende Antwortschreiben der beiden Mächte nach Kopenhagen erlassen worden.
- Für beide Großherzogthümer Mecklenburg ist neuerdings eine Verordnung erlassen, betreffend das Verhalten beim Ausbruch der Lungenseuche unter dem Rindvieh. Nach derselben wird für dasjenige getödtete Vieh, das nach dem Erachten der Thierärzte mit der Lungenseuche behaftet war, dem Eigenthümer kein Ersatz geleistet. Ist dagegen zur Unterdrückung der Krankheit auch das von der Seuche noch nicht ergriffene Vieh von Obrigkeitswegen getödtet worden, so erhält der Eigenthümer als Ersatz zwei Drittheile des Werthes der getödteten Thiere nach einem zu bestimmenden Durchschnittspreise. Zur Aufbringung der hierzu erforderlichen Mittel soll eine verhältnißmäßige Abgabe von allem Rindvieh erhoben werden, wobei die aufzubringende Summe auf das gesammte Rindvieh beider Landestheile nach der Kopfzahl zu repartiren ist. Ersatz wird überall nicht geleistet, wenn der Eigenthümer eines erkrankten Viehes die Anzeige davon bei seiner Ortsobrigkeit unterlassen und wenn der Inhaber des getödteten Viehes aus dem Auslande, den landesherrlichen Verordnungen zuwider, Rindvieh eingeführt hat. Wer die vorgeschriebenen Anzeigen der Erkrankung bei seiner Ortsobrigkeit oder eine der sonstigen vorgeschriebenen Vorsichtsmaßregeln zur Verhütung der Weiterverbreitung der Seuche unterläßt, verfällt in eine Geldstrafe von 10 bis 100 Thaler.
- In Frankreich geht der Kriegsminister mit gutem Beispiel voran. Er hat die Erlaubniß gegeben, daß die Soldaten, die sich dazu eignen, für die Erntezeit zu Feldarbeiten verwendet werden können. Aus allen Garnisonorten ziehen täglich große Schaaren aufs Feld.
- Aus Paris wird über den wunderbaren Erntesegen berichtet; im nördlichen Frankreich steht alles wie im gelobten Lande. - In Spanien haben sie gleich für drei Jahre Getreide geerntet, wenn die Ausfuhr nicht gar zu stark wird. - In England lassen die Felder nichts zu wünschen übrig; die Weizenähren sind voll, Bohnen und Erbsen stehen vortrefflich, die Heuernte ist ergiebig ausgefallen, Kartoffeln stehen erwünscht. - Aus Plön: Das gegenwärtige Jahr dürfte, trotz aller Befürchtungen, eins der sieben fetten werden. Zweifler fordern wir auf, hinzuwandern nach den Getreidekammern unserer Umgegend; obgleich nicht in Abrede zu stellen, daß einzelne Aecker durch die Dürre gelitten haben. - In Mecklenburg glaubt man ziemlich allgemein, daß der Weizen= und Roggenertrag besser ausfallen wird, als man unter den anscheinend höchst nachtheiligen Witterungseinflüssen hätte erwarten sollen. Das Sommerkorn steht freilich etwas dünner, hat sich indeß nach dem Regen bedeutend gebessert. Aus verschiedenen Gegenden des Landes klagt man über das Wiedererscheinen der

[ => Original lesen: 1857 Nr. 30 Seite 2]

Kartoffelkrankheit und daß die Stauden bis jetzt nur erst sehr wenig und kleine Knollen angesetzt haben. - In Rußland hat, wie fast in allen nördlichen Theilen Europas während des Frühlings und bis vor kurzem ebenfalls Dürre mit kalten Winden geherrscht, die für die Sommersaaten gleich nachtheilig gewesen ist. Die Ostseeprovinzen sind theilweise noch mit einigem Regen begünstigt, aber aus dem Innern des Landes lauten die Berichte über den Stand der Saaten betrübend, gleichwie selbst in den südlichen Gouvernements des Reichs, die ihren Ueberfluß nach dem schwarzen Meer auszuführen pflegen. - Die Erfahrung warnt dergleichen Ernteberichte als untrüglich hinzunehmen; sie sind eins der schwierigsten Capitel für die Zeitungen, welche es nur selten treffen und bald zu hell, bald zu schwarz sehen, bald zu sehr in die Nähe, bald zu sehr in die Ferne, wobei alle Einseitigkeiten und Uebertreibungen schaden.
- Bei Eisenbach in Baiern fuhr ein Bauer seinen hochbeladenen Heuwagen in die Scheune; oben auf saßen seine zwei Kinder und lagen Sensen. Eine der aufgesteckten Sensen wurde am Griffe vom Thorbalken festgehalten und Schnitt eins der darunter hinfahrenden Kinder entzwei. Das Kind war auf der Stelle todt, das andere ist tödtlich verletzt.
- Wie die Flensburger Zeitung aus Tönning meldet, so sind dort die Fleischpreise bedeutend gefallen. Man kauft jetzt recht gutes Rindfleisch, das früher 7-8 ßl. kostete, jetzt für 3-4 ßl.


Aus dem Storchleben.
(Schluß.)

Hat das Weibchen Eier gelegt, so wechseln sie im Brüten ab sobald die Störchin ihren Hunger stillen will, und sind endlich die Jungen da, so sorgen beide Alten gemeinschaftlich für die junge Gesellschaft. Ist dann die ganze Familie satt, so laufen die Eltern nicht davon und lassen die Kinder ohne Aufsicht, sondern Vater und Mutter bleiben hübsch fein zu Hause und unterrichten die Kinder. Da kann man das spaßhafte Geklapper mit den Schnäbeln oft Stunden lang beobachten; auch wie ein Söhnchen trotz vielen Probirens und Exercirens nichts Gescheidtes herausbringt, bis endlich der Vater ärgerlich ihn niedersetzen heißt, und nun ein Töchterchen seine größere Fähigkeit und Geschicklichkeit produciren darf. Sind sie endlich so weit, daß sie ihre Flügel gebrauchen können, so ist der unermüdliche Eifer der Mutter sehenswerth, mit dem sie die Jungen auffordert, den stolzen Flug des Vaters nachzuahmen, der nicht allzu hoch über dem Neste in schön gezogenen Kreisen dahin schwebt, fast regungslos, nur dann und wann einigen Schwung mit den Flügeln sich gebend. Und prächtig ist es, wenn endlich nach langem Zagen die Kleinen es wagen. Tage lang haben sie sich schon im Neste stehend geübt im Flügelschlage, noch aber hatten sie ihre Geburtsstätte nicht verlassen. Jetzt geht die Mutter voran, nicht gleich hoch in die Luft, nur erst heraus auf den First des Daches. Da kommt ein Sohn; ängstlich und wackelig steht er anfangs da, dann aber, sobald er etwas sicherer fußt, freudig die Flügel schlagend und seinen Geschwistern stolz zuklappernd, froh das Gefürchtete unternommen und ausgeführt zu haben, während jene noch zaudern. Das flößt diesen Muth ein, und bald bestehen auch sie mit Hülfe der ausgebreiteten Flügel den kühnen Sprung aus dem Neste auf's Dach. Nun lassen ihnen die Alten keine Ruhe mehr, sie müssen mit ihnen sich in die Luft erheben. Freilich nimmt sich dieser erste Ausflug etwas lächerlich aus. Die kleine Schaar flattert noch ängstlich hierhin und dorthin, mit dem Fliegen will es sich nicht gleich machen. Sie weiß nicht, soll sie das Kühne unternehmen, den Flug nach oben zu erheben, oder soll sie nicht lieber in die Tiefe sich wenden, wo der feste Erdboden eine sicherere Stütze bietet, als die balkenlosen Räume der Luft. Wie mag ihnen in dieser Unbeholfenheit das kleine laufen lernende Kind, von sorgsamer Mutterhand geleitet, beneidenswerth erscheinen! Doch es hilft nichts, sie müssen vorwärts nach oben, so wollen es die Eltern. Und versucht nun Eins den Kreis des Vaters nachzufliegen, so ist es doch gerade, als ob überall Ecken dem kleinen Ungeschick im Wege wären, an denen er ohne Anstoß nicht vorüber gelangen könnte. Es mag wohl dieser prächtige majestätische Flug bald in weit, bald in eng gezogenen Cirkeln, wie wir ihn an den Störchen und einigen andern Vögeln so gern betrachten, nicht ganz leicht sein, wenigstens müssen ihn die Jungen Wochen lang studiren, ehe sie so weit Fortschritte machen, daß die Alten die häufigen und strengen Uebungen einstellen, und die Jugend sich mehr selbst überlassen. Streng aber sind in ihrem Unterricht Vater und Mutter. So ein kleiner Bursche mag nun mehrere Male den begonnenen Kreisbogen durch eckige Bewegungen nach rechts oder links ungehörig vergrößern oder verkleinern, schnell ist Mama oder Papa bei der Hand, den kleinen Tölpel mit Hülfe einer Flügelspitze in die richtige Bahn zu schieben. Versieht er sich nach wiederholter Zurechtweisung dennoch, so geht es nicht mehr so glimpflich ab, es setzt dann wohl zur Strafe einen Klapps mit dem Flügel, und wie stark ein solcher ausfallen kann, werden wir später sehen. In dieser Weise führen sie ihr Familienleben fort, fast bis zur Abreise. Während der Sammelzeit lockern sich die verwandschaftlichen Bande und lösen sich mit dem Aufbruch ganz, indem nun das ehelose Völkchen nach einem Gatten sich umschaut, mit dem es im neuen Vaterlande eine eigene Familie begründe. Auf diesen Wanderzügen, die gleichzeitig für die Jungen Reisen auf Freiersflügeln sind, mag es nicht selten treffen, daß ein junges, von der Natur besonders ausgestattetes Storchenfräulein das Herz von mehr als einem wackern Jüngling sich erobert. Wenigstens haben wir einen solchen Fall und sein tragisches Ende zu beobachten Gelegenheit gehabt. Wir haben auf zwei Scheunen drei fest gebaute und wohl angelegte Storchnester, die alljährlich von ihren alten oder neuen Insassen ohne Streit mit fremden Eindringlingen bezogen wurden. Wie in dem vorhergehenden Jahre, so wiederholte sich in jedem neuen dieselbe Scene: an einem heiteren Aprilmorgen richteten sich unsere Blicke, wie schon Tage lang vorher, nach den Scheunendächern und freudig rief eins dem andern zu: die Störche sind da. Im Frühling vor mehreren Jahren trat aber die längst erwartete Ankunft unserer lieben Sommergäste unter einem ganz ungewöhnlichen neuen Bilde auf. Zum ersten Mal trafen am Morgen nach ihrer nächtlichen Ankunft unsere Augen sie nicht in dem Neste, sondern erblickten sie hoch über unseren Häuptern kreisend. Ungewöhnlicher Weise waren es statt der gewöhnlichen sechs an Zahl sieben. Ließen sie sich nieder, so geschah es, um an den ihnen bekannten Sumpfstellen die nöthige Nahrung zu suchen. Vergebens erwarteten wir ihren Einzug in die Nester, sie kamen dem Hofe nicht nahe. Da wir am ersten Tage außer der ungleichen Anzahl und der scheuen Entfernung von ihren alten Nestern nichts Auffallendes an ihnen gewahr wurden, so suchten wir den Grund des gestörten Einzuges der Störche nicht bei ihnen, sondern bei uns. Doch war weder an den Gebäuden noch auf dem Hofe irgend eine Veränderung eingetreten, die ihnen unbekannt gewesen wäre, die sie ängstigend von uns hätte verscheuchen können. Dasselbe Federvieh lief gackernd und schnatternd auf dem Hofe umher, dieselben Kühe, Pferde, Schafe und Schweine gingen aus den Ställen heraus und wieder hinein. Selbst der Kettenhund war noch derselbe und lag noch auf demselben Flecke, wo er im vergangenen Jahre gelegen hatte. Es blieb nichts anderes übrig, als die Nester in Augenschein zu nehmen, ob da eine die Störche störende Veränderung vor sich gegangen sei. Ein wagehalsiger Hirtenjunge wird hinauf beordert, jedes Nest genau zu untersuchen. Er kletterte von einem Nest zum andern und kam mit der Meldung zurück, er habe alles in Ordnung gefunden. Und so muß=

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ten wir es den Langbeinen selbst überlassen, das Räthsel zu lösen. Der Abend war angebrochen, die Störche hatten schon längst das Kreisen in der Luft aufgegeben, sie waren zur Erde zurückgekehrt und ruheten - wo? das wußten wir freilich nicht, ihre Nester auf unseren Dächern blieben leer. Dasselbe Schauspiel vom vorigen Tage wiederholte sich am folgenden. Ehe sie sich jedoch heute zu ihrem Mittagsschmause begaben, senkten sie sich zwar nicht in die Nester, doch neben dieselben auf die Dächer. Sie waren im höchsten Grade unruhig, sie flogen hinüber und herüber, bald standen diese, bald jene neben einander. Da marschirten plötzlich zwei im Schnellschritt auf einander los, spreizten die Flügel aus und fingen an sich gegenseitig mit Schlägen zu tractiren, daß es eine Art hatte. Nach manchem herzhaften auf beiden Seiten gefallenen Schläge flog plötzlich die ganze Gesellschaft wieder auf und davon und kreiste so ruhig, als ob der Friede weder vorher noch jetzt auch nur im mindesten eine Störung erlitten hätte. Abermals ließen sie sich auf die Dächer herab und wiederum klatschte sich ein Paar, wahrscheinlich dasselbe wie vorhin. Bisweilen versuchte ein Dritter sich hinein zu mengen, doch da er von den Kämpfern nicht weiter beachtet wurde, zog er sich alsbald wieder zurück. Eine öftere Wiederholung dieser Scenen, die übrigens zu keinem Resultat geführt zu haben Scheinen, wurde durch den Hunger unterbrochen und zerstreuten sie sich nach allen Seiten hin. Nachmittags begann von neuem das Kampfspiel, das uns nicht wenig ergötzte. Es war aber inzwischen ein gemeinsamer Rath abgehalten, worin ein gemeinsamer Beschluß gefaßt sein mußte, denn kaum war der ganze Kreis einige Minuten von den Dächern entfernt gewesen, so kehrte er wieder zurück und während zwei von ihnen auf den Dächern Fuß faßten, nahmen die andern fünf auf dem gegenüberstehenden Platz. Ohne Zaudern gingen jene mit einer solchen Heftigkeit auf eilender los, daß man wohl sah, wie hier ein Kampf auf Tod und Leben ausgefochten werden sollte. Gewiß eine Viertelstunde lang fiel Schlag auf Schlag, ohne daß einer auch nur einen Schritt zurückgewichen wäre. Zwar erhoben sie sich mehrmals ein klein wenig und flogen in kurzen Bogen etwas zurück, doch geschah dies anscheinend aus steigendem Kampfesmuth. Mit unbeschreiblichem Ingrimme und wachsender Wuth stürmten sie von neuem gegen einander, da klatscht es noch einmal schallend nieder und schwer getroffen rollte der eine das Dach herab in den Hof. Schnell nahmen die zuschauenden Störche den siegreichen Helden in ihre Mitte und führten ihn mit sich fort hoch in die Lüfte, wo sie das Siegesfest feierten. Von diesem Augenblick an kehrte Ruhe und Frieden in unsere Storchkolonie zurück, denn nicht lange nachher Senkten sie sich langsam und weite Kreise beschreibend nieder und bezogen je ein paar die bisher unbenutzten Nester. Den gefallenen Kämpfer aber nahmen wir in Empfang, leider ohne alle Aussicht, ihn ins Leben zurückzurufen. Keine Wunde, kein Tropfen Blut war zu sehen, aber regungslos war er vom Dache niedergefallen. Sein Gegner, befreit von dem verhaßten Nebenbuhler, führte das schwer errungene Liebchen heim, und dieses, stolz auf den Heldengatten, nährte und erzog mit ihm die junge Brut nach Storchenart. Einen ähnlichen Ausgang nahm ein Liebeshandel anderer Art, der uns gleichzeitig den Beweis liefert, wie theuer dem Storch die Gattenehre gilt, deren Verletzung er nicht ungerächt läßt. Auf dem abgestutzten Gipfel eines Pappelbaums nistete ein Paar. An einem wunderschönen Vormittag stand die Störchin allein im Neste und durch unaufhörliches Klappern unsere Aufmerksamkeit auf sich zog. Dabei war das Tempo ihrer Rufe nicht gleichmäßig: bald schien sie über das lange Außenbleiben des Gatten zu zürnen, bald wieder, als ob sie mit Liebesworten ihn lockte. Das hatte auch ein Storch gehört, der meinen mochte, jene Liebesrufe gälten ihm. So hatte er sich denn aufgemacht und nahm wie in seinem eigenen Hause, neben der Hausfrau Platz. Diese empfing ihn kalt und wich schnell vor ihm aus, sobald er ihr nahen wollte. Das fiel uns auf, als auch schon schnell wie ein Pfeil ein anderer Storch auf das Nest zueilte, und als jener bei dessen Ankunft dasselbe verließ, folgte er ihm auf dem Fuße nach. Zornig bliesen sich seine Halsfedern auf, als er neben seinem Gegner auf der Wiese stand, und mit schnellen Schritten ging er auf ihn los, mit den Flügeln ihn peitschend. War dieser von Natur dem beleidigten Feind an Kraft nicht gewachsen, oder raubte ihm das Schuldbewußtsein dieselbe, genug er setzte sich nicht zur Wehr, sondern beschränkte sich darauf, die hageldicht auf ihn fallenden Hiebe seines Gegners mit dem Flügel abzuwehren, plötzlich ließ er denselben sinken und suchte den weiteren Angriffen durch die Flucht zu entgehen. Der andere erhob sich stolz als Sieger in die Luft und eilte in mächtigen Bogen an die Seite der geängstigten Gattin. Wir aber liefen dem armen Schächer, der mit zerschlagenem Flügel für seine Liebeslust büßen mußte, zu Hülfe und trieben ihn langsam vor uns her nach dem Hofe. Es verging einige Zeit, ehe er sich wieder erholte, sein Flügel aber ward nicht wieder gesund, traurig mußte er ihn neben sich her schleppen. Den Sommer über lebte er munter unter dem Federvieh, als aber der Herbst kam und die Nester auf den Scheunen wieder leer wurden, da mochte doch die Sehnsucht nach dem Süden und die gänzliche Verlassenheit mit Gewalt über ihn kommen. Eines Morgens fanden wir ihn im Stalle todt. Die Frauen beweinten seinen Tod als einen am gebrochenen Herzen Gestorbenen, die Männer nannten es Heimweh.


Vaterländisches.

In kurzer Zeit erscheint bei F. Sievers in Grevesmühlen ein großes kunstvoll lithographirtes Tableau: "Das Vaterunser", zum Besten des Stifts Bethlehem in Ludwigslust. Bei allen Herren Predigern im Lande werden demnächst Probe=Exemplare nebst einer Subscriptionsliste ausgelegt sein. Das in Rostock erscheinende "Mecklenburgische Volksblatt" Nr. 54 vom 18. Juli d. J. schreibt darüber:

Den Freunden christlicher Kunst.

Wir können nicht unterlassen, die Freunde christlicher Kunst, sowie alle, welche die Familienstube mit einer würdigen Zier ausgestattet zu sehen wünschen, auf ein Unternehmen aufmerksam zu machen, welches ihre Theilnahme in hohem Grade verdient. Der Buchdruckereibesitzer Herr F. Sievers in Grevesmühlen beabsichtigt, eine mit Bildern und Randverzierungen geschmückte kalligraphische Darstellung des heiligen Vaterunsers in Steindruck herauszugeben. Die Schrift nebst den Randverzierungen sind vom hiesigen Maler Herrn Puschkin, die Bilder vom Hofmaler Herrn Lenthe entworfen. Wir hatten Gelegenheit, die Zeichnung zu sehen, und freuen uns des wohlgelungenen Werkes. Hr. Lenthe, dessen kunstreicher im Dienste des Herrn und seiner Kirche unausgesetzt thätiger Hand schon so manche Kirche unseres Vaterlandes eine erhebende Zierde verdankt, Hr. Lenthe, der das Heilige darstellen kann, weil es in ihm selber Gestalt gewonnen hat, hat in dem erwähnten Werke die ihm gestellte Aufgabe wohl gelöst. Die Mitte des Blattes nimmt selbstverständlich der Text des Vaterunsers ein. Darüber und darunter und zu beiden Seiten sind innerhalb der vom Hrn. Puschkin wacker ausgeführten Randzeichnungen die bildlichen Darstellungen angebracht, welche den sieben Bitten des Vaterunsers in sinniger und zugleich treffender Weise entsprechen. Zu oberst sehen wir Gott den Vater von anbetenden Engeln umgeben, unter ihm den heiligen Geist in Gestalt einer Taube, und unter diesem den Sohn Gottes, der mit erhobenen Händen, als Hohepriester und Fürsprecher seiner Erlösten, emporblickt. Ihm zur Rechten und Linken schweben Engel mit den Emblemen des Wortes und der Sacramente hernieder. Dieses trefflich gruppirte Bild eignet den beiden ersten Bitten. Der durch den heiligen Geist mit dem Vater vereinigte Sohn Gottes erscheint zugleich als der alle Sieben Bitten Zusammenfassende, sie auf sein hohepriesterliches Herz Nehmende und dem Vater Darbringende, und so ihre Erhöhung verbürgende. Den folgenden vier Bitten entsprechen die vier Bilder, welche den Text von beiden Saiten umgeben. Jedes enthält ein passendes Moment aus dem Leben Jesu. Zu unterst sehen wir die auferstandene, von allem Uebel erlöste mit dem verklärten Leibe überkleidete Seele emporschweben zu dem Herzen des Herrn der Herrlichkeit und eingehen zu seiner Freude. - Möchte das schöne Werk in recht viele Häuser Eingang gewinnen und in denselben die Herzen kräftig emporziehen helfen zu Dem, der uns beten heißt und der überschwänglich thun kann und will über alles unser Bitten und Verstehen.

Schwerin.                                                     S.


[ => Original lesen: 1857 Nr. 30 Seite 4]

Vorladungen.

      Auf Antrag des Herrn Pensionärs Breuel zu Hof Selmsdorf, als Curators des, mittelst heute publicirten Bescheides gerichtlich für einen Verschwender erklärten Hauswirths Heinrich Oldörp zu Lockwisch, ist das gegenwärtige Proclam - und zwar zur eventuellen vollen Wirkung eines Concursproclams - erkannt worden, kraft dessen hiermit alle Diejenigen, welche aus irgend einem Rechtsgrunde Ansprüche und Forderungen an den gedachten Hauswirth Heinrich Oldörp und dessen Vermögen haben, oder zu haben vermeinen, peremtorisch geladen werden, solche in dem deshalb auf

Donnerstag den 24. September d. J.,
Vormittags 11 Uhr,

präfigirten Termine vor unterzeichnetem Justizamte anzumelden und zu bescheinigen, oder zu erwarten, daß sie mit ihren Ansprüchen von der vorhandenen Heinrich Oldörpschen Vermögens=Masse für immer alsbald werden ausgeschlossen und abgewiesen werden.
    Von der Anmeldungspflicht werden indeß die Oldörpschen Gläubiger - und zwar bezüglich der Kapitalien und laufenden Zinsen - ausgenommen, deren Forderungen in das über die Oldörpsche Bauerstelle niedergelegte Hypothekenbuch eingetragen sind; wenigstens haben dieselben, wenn sie sich dennoch melden werden, auf Erstattung der Liquidations=Kosten keinen Anspruch.
    Decretum Schönberg, den 19. Juli 1857.

                          Großherzogl. Justizamt der Landvogtei des Fürstenthums Ratzeburg,
                          C. L. v. Oertzen.
                          (L. S.)                                                     A. E. C. Zimmermann.


Verkaufsanzeigen.

        Auf Antrag des Schulzen Faasch in Selmsdorf, als im Zimmergeselle Woisinschen Debitwesen interimistisch bestellten Güterpflegers, soll die, zu dieser Concursmasse gehörende, zu Selmsdorf belegene Woisinsche Büdnerei öffentlich meistbietend verkauft werden, und sind zu dem Ende Licitationstermine auf
                          den 13ten,
                          den 20sten,
                          den 27sten k. M. Juli,
jedesmal Morgens 11 Uhr, anberaumt worden. Es werden daher Kaufliebhaber hiemit geladen, sich sodann vor Gericht einzufinden und zu erwarten, daß dem im letzten Termin Meistbietenden, mit Vorbehalt der Ansetzung eines Termins zur Ausübung des creditorischen Gleichgebotsrechts, das Grundstück in Grundlage der, im ersten Licitations=Termin zu regulirenden Verkaufsbedingungen - wobei sich zu betheiligen, den Woisinschen Gläubigern unbenommen bleibt - zugeschlagen werden wird.
    Auch ist die Besichtigung des Grundstücks nach vorgängiger Meldung beim curator bonorum, Schulzen Faasch, gestattet.
    Schönberg, den 30. Juni 1857.

                          Großherzogl. Justizamt der Landvogtei des Fürstenthums Ratzeburg.
                          C. L. v. Oertzen.
                          (L. S.)                                                     Reinhardt.


        Daß mittelst am 13. v. M. ergangenen Erkenntnisses, der Hauswirth Heinrich Oldörp zu Lockwisch gerichtlich für einen Verschwender erklärt und für ihn definitiv der Herr Pensionair Breuel zu Hof Selmsdorf zum Curator bestellt worden ist, wird - unter Bezugnahme auf das notificatorium vom 6. Mai d. J. - hierdurch zur Kenntniß des interessirenden Publicums gebracht.
        Decretum Schönberg den 19. Juli 1857.

                          Großherzogl. Justizamt der Landvogtei des Fürstenthums Ratzeburg.
                          C. L. v. Oertzen.
                          (L. S.)                                                     A. E. C. Zimmermann.


Vermischte Anzeigen.

Eine gute gesunde Amme
kann sogleich Dienst erhalten bei                                                           
                                                    C. L. Creutzfeldt.
Schönberg den 23. Juli 1857.                                                    


Gußstahl=Sensen
von vorzüglicher Güte empfiehlt bestens                                                    
                                                    A. Wigger.


Eine mit der besten Kundschaft versehene
Schmiede

ist auf 5 Jahre zu verpachten.
    Reflectanten wollen sich persönlich oder in portofreien Briefen bei dem Unterzeichneten melden.
  Dassow, den 13. Juli 1857.

                                                    Karpf, Actuar.


        Auf der Fischerei zu Lankow, hier im Fürstenthum, stehen noch

3000 Rohrschöwe

zum Verkauf.


Zwei Ziegen,

davon eine milchgebend, sind zu verkaufen. Näheres in der Exp. d. Bl.


Bekanntmachung.

        Am 26. Juli findet das Verloosen meines Stuhlwagens beim Krüger Räsenhöft in Petersberg statt. Der Gewinner zahlt 50 Taler (Mecklenburg). Loose sind noch bei mir für 24 Schilling (Mecklenburg) zu haben.
    Schönberg, den 16. Juli 1857.

                                                    F. Bäer, Sattler.


In meiner Collecte wurden                                                    
in Hamburger 233. Lotterie
2. Cl. den 3. Juni Ct. Mark (Lübeck) 1000 auf No. 22257.
3. Cl. den 2. Juli Ct. Mark (Lübeck) 6000. auf No. 22259.
gezogen.
Lübeck, den 2. Juli 1857.                                                        
                                                    F. A. Gusmann.


Backtafel für die Stadt Schönberg
vom 16. bis 31. Juli.

Weizen=Milch=Brod. Pfd. Loth.   Pfd.   Loth.
Ein 2 Schillings=Kreuz= oder Franz=Brod, mit dem Aufbrod auf einen Schilling eine Dreilings=Semmel, soll wägen - 15
Ein Schillings=Kreuz= oder Franz=Brod desgleichen -   7 1/2
Ferner:
fünf große Milch=Semmel oder für 2 Schillinge - 15
fünf kleine Milch=Semmel oder für 1 Schilling -   7 1/2
Roggen=Brod von gebeuteltem Mehl, mit dem Aufbrod auf einen Schilling eines halben Dreilings werth, soll wägen:
ein 8 Schillings=Brod 4   3 1/2
ein 4 Schillings=Brod 2   1 3/4
ein 2 Schillings=Brod 1   1
Grob Hausbacken=Brod ohne Aufbrod:
ein 8 Schillings=Brod 6 12
ein 4 Schillings=Brod 3   6
ein 2 Schillings=Brod 1 19

Schönberg, den 18. Juli 1857.                          
                                                    Bürgermeister und Rath.


Kirchliche Nachrichten.

Schönberger Gemeinde
Vom 17. bis 23. Juli

Geboren: Den 17.: dem Büdner Oldörp in Petersberg eine T., eine unehel. Tochter in Schönberg. Den 18.: dem Arbm. Hundt in Kl. Siemz eine T., dem Hausw. Bohnhoff in Gr. Siemz eine T., dem Büdner Schumacher in Gr. Siemz ein S.
Gestorben: Den 22. eine unehel. Tochter in Niendorf. 7 Mon. alt, am Keuchhusten.


Getraide und Markt=Preise in Lübeck

v
Weizen 1 Taler (Mecklenburg) 20-28 Schilling (Mecklenburg),     Wicken - Taler (Mecklenburg) 42-44 Schilling (Mecklenburg),
Roggen 1- Taler (Mecklenburg)   2-  8 Schilling (Mecklenburg),     Buchweizen - Taler (Mecklenburg) 48-50 Schilling (Mecklenburg),
Gerste - Taler (Mecklenburg) 48-52 Schilling (Mecklenburg),     Winter=Rapsaat 26-27Mark (Lübeck)
Hafer - Taler (Mecklenburg) 43-46 Schilling (Mecklenburg),     Sommer=Rapsaat 24-25 Mark (Lübeck)
Erbsen - Taler (Mecklenburg) 52-56 Schilling (Mecklenburg),     Schlagleinsaat 19-20 Mark (Lübeck)
Butter 12 Schilling (Mecklenburg) pr. Pfund.      Kartoffeln, 6 Schilling (Mecklenburg).


Redaction, Druck und Verlag von L. Bicker.


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