No. 26
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 26. Juni
1857
siebenundzwanzigster Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1857 Nr. 26 Seite 1]

- In Kiel wird die Ankunft des russischen Kaiserpaares am 27. mit Bestimmtheit erwartet. -
- Die Neuenburger Angelegenheit ist jetzt erledigt, und der Vertrag kürzlich in Paris ausgewechselt. In Bern hat der Regierungsrath einen Erlaß veröffentlicht, nach welchem sämmtliche September=Flüchtlinge aus dem Canton Neuenburg in ihre Heimathsorte zurückgeben und in den vollen Genuß ihrer politischen Rechte wieder eintreten können.
- Es scheint fast, als ob Napoleon das Amt eines Friedensrichters in einer deutsch=europäischen Frage übernehmen wolle. Sobald die Nachricht in Frankfurt einlief, daß der König von Dänemark auf die letzten Noten der deutschen Großmächte eine ablehnende Antwort in Sachen Holsteins und Lauenburgs gegeben habe, hat der französische Gesandte beim deutschen Bunde die Stadt verlassen und ist nach Paris geeilt, um sich Instructionen zu holen. Auch die Tscherkessen wollen sich an den europäischen Schiedsrichter in Paris wenden und um friedliche Vermittelung gegen den russischen Kaiser nachsuchen, damit endlich einmal Friede in ihren Bergen werde.
- In Frankfurt ist das Gesandtschafts=Personal in großer Bewegung, die zwar nicht von Kopenhagen, sondern von den Hauseigenthümern ausgegangen ist. Durch das Zuströmen von wohlhabenden Fremden sind die Wohnungen in der Stadt ungeachtet der vielen Neubauten so knapp, daß neuerdings mehrere ausländische Gcsandte ausgemiethet oder mit "verkauft" sind, wie man in Frankfurt sagt nach dem geltenden Rechtssatz: Kauf bricht Miethe. Andere wohnen bereits vor den Thoren; selbst die Bundesversammlung wohnt zur Miethe. - Auf dem Berliner Wollmarkt hat der diesjährige Umsatz 8 Millionen Thaler betragen; es waren über 100,000 Centner eingeliefert. Dem Lübecker Wollmarkt sind 15,000 Stein zugeführt, 6000 weniger wie 1856. Die Preise stellten sich bis anderthalb Thaler höher als voriges Jahr. Der Verkehr in Lübeck war in diesen Tagen nicht sowohl durch den Wollmarkt wie durch die mit den verschiedenen Dampfschiffen aus der Ostsee eingetroffenen zahlreichen Fremden sehr belebt. Trotz der bereits vermehrten Dampfschiffe, welche von Lübeck nach Petersburg in Fahrt gesetzt sind, ist das vorhandene Bedürfniß noch immer nicht befriedigt. - Im nächsten Monat wird in Lübeck ein Turnfest stattfinden, zu welchen von auswärtigen Turnvereinen zahlreiche Besuche erwartet werden. Von einem Russen sind daselbst falsche Silberrubel in Verkehr gebracht, die an dem Klang zu erkennen sind. In Tilsit hat man einen russischen Juden als Verbreiter falscher russischer Goldmünzen festgenommen. In der Berliner Münze wird bereits Geld nach dem neuen Münzfuß geprägt. - Die anhaltende Dürre vermindert den Wasserstand der Flüsse so sehr, daß die Schiffahrt auf denselben theilweise bereits aufgehört hat. - Im Norderditmarschen und Schleswigschen hat die bösartige Lungenseuche unter dem Rindvieh jetzt fast ganz aufgehört. - Am 13. Juni ist zu Grunau im Erzgebirge früh 6 Uhr Schnee gefallen und es herrschte selbst in der Mittagsstunde eine empfindliche Kälte.
- Der Berliner Feuerwerker Dobermon , der mit seinem Laboratorium in die Luft geflogen ist und noch drei Personen mitgenommen hat, arbeitete an einem Feuerwerk, mit dem er am 13. Juni den Untergang der Welt bildlich darstellen wollte und ist nun selbst dabei untergegangen.
- An der Universität zu Helsingfors, wo man in diesen Tagen das 700jährige Jubelfest der Einführung des Christenthums in Finnland beging, ist ein Student gestorben, welcher wohl der älteste seines Standes in Europa war. Er zählte 71 Jahre und konnte sich nicht zum Abgang von der Universität entschließen, bis ihn der Tod abrief. Eine Frau Studentin hatte er nicht. Nächst ihm dürfte der älteste Universitäts=Angehörige Mathusius in Königsberg sein, der 60 Jahre zählt.
- In Galizien glaubten die Bauern steif und fest, die Welt werde am 13. Juni untergehen. Sie überließen sich den rohesten Ausbrüchen wilder Lust, raubten und sengten, daß man sich genöthigt sah, das Militair aus Lemberg aufzubieten und die Tollsten in Gewahrsam zu bringen.
- In den vereinigten Staaten von Nordamerika wird es jetzt allgemein Sitte, auf den Grabsteinen die Bilder der Verstorbenen in Daguerreotypen anzubringen.
- Aus Newyork kommen jetzt erfreulichere Nachrichten über die Ernteaussichten in diesem Jahr. So schlecht sie bis Mitte Mai gewesen wären, so hätten sie sich doch von da an durch die günstige Witterung so gut gestaltet, daß man auf einen reichen Ertrag rechnen könne. Das Wintergetreide, so weit es nicht vom Nachwinter bedeutend gelitten hat, steht überall erwünscht, und die Sommersaaten hätten sich ohnedies eines kräftigen Wachsthums zu erfreuen. Der alte Bauernspruch "Mai kühl und naß, füllt den Bauern Scheune und Faß", scheint sich auch diesmal für die vereinigten Staaten bewähren zu wollen. - Ueber den Stand der Feldfrüchte laufen fast täglich aus allen Theilen Frankreichs telegraphische Berichte in Paris ein. Sie stimmen alle darin überein, daß die Erndteaussichten die besten sind. - In der ganzen Levante, an der untern Donau, in Italien und am mittelländischen und schwarzen Meere soll die Ernte sehr gut ausfallen, und ungeachtet des in Frankreich, Belgien und England herrschenden fruchtbaren Wetters, so

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wie der günstigen Ernteaussichten bleiben Getreidepreise nicht nur fest, sondern steigern sich im Weizen immer mehr, aus welchem Sachverständige abnehmen, daß England aus Amerika Erhebliches nicht mehr zu erwarten hat, um seinen fehlenden Bedarf bis zur Ernte decken zu können.
- Die norddeutschen Getreidemärkte bleiben fortwährend in animirter Stimmung, namentlich erlitt Roggen eine bedeutende Preissteigerung.


Ein thüringisches Volksfest.

Auf der Heimkehr aus Belgien und Frankreich führte uns der Weg durch die alte Bergstadt Saalfeld, dicht am Fuße des thüringer Waldes gelegen, dessen Berge kaum eine halbe Stunde von der Stadt entfernt, ihre grünen Häupter erheben. Es war am späten Herbstabend, als wir in dem Städtchen anlangten und Erschöpfung von der Reise und Müdigkeit ließen uns trotz des regen Lebens, das noch im Gasthof herrschte, sogleich den Schlummer suchen. Der Tag fing an zu grauen, als wir durch Hörnerklang und Trommelschall aus dem unruhigen Schlaf, den man stets hat, wenn man an nicht gewohnter Stätte zum ersten Male schläft, aufgeweckt wurden. Der Gedanke, daß dies Feuerlärm sei, brachte uns schnell aus dem Bett und an's Fenster, von wo aus wir den ganzen Marktplatz übersehen, zu unserm Erstaunen aber nichts bemerken konnten, als eine Musikbande, die in größter Ruhe und Gemächlichkeit rings um den Marktplatz marschirte, sich dann vor dem alten Rathhaus aufstellte und aus ihren Blechinstrumenten allerlei lustige Weisen und Märsche in die frische Morgenluft hinausschmetterte. Nach einer kleinen Weile wurde die Musik durch Generalmarsch wirbelnde Trommelschläger, die aus den Seitengassen hervorkamen, unterbrochen, und zugleich strömte aus allen Gassen und Gäßchen allerlei Volks, Männer, Frauen, Mädchen, Kinder, die ersteren fast sämmtlich mit Flinten und Büchsen jeden Kalibers bewaffnet, auf dem Marktplatz zusammen. Wenn man nicht dicht vor sich das ehrwürdige, altdeutsche Rathhaus mit seinen hervorspringenden Erkern, gothischen Fenstern und spitzen Thürmchen und die grün=weißen Cocarden an den Helmen einiger sächsisch=meiningschen Feldjäger, welche im Gedränge hier und da sichtbar wurden, gesehen, so hätte man glauben mögen, man wäre in einer amerikanischen Pflanzstadt des Westens, und aus den dunklen Waldbergen, die sich um die Stadt ziehen, wären die Rothhäute hervorgebrochen, lüstern nach dem Feuerwasser und dem Scalp der weißen Männer.
Rasch kleideten wir uns nun an und eilten hinab auf den Marktplatz, auf welchem eben zwei geordnete Züge, voran Musikchöre und junge Männer in schwarzer Kleidung, grün=weißen Schärpen und Säbeln, denen sich wieder mit Flinten Bewaffnete angeschlossen, erschienen. Dieser feierliche Habitus erregte nur noch mehr unsere Neugierde, und wir wendeten uns an einen der Umstehenden, der auf ein langes französisches Infanterie=Gewehr mit Feuerschloß gelehnt, gemüthlich seine kurze ulmer Pfeife rauchte, mit der Frage, was denn das Alles bedeute? Den Mann mochte jedenfalls unsere Unwissenheit befremden, denn er zeigte ein sehr verwundertes Gesicht und sprach, nachdem er sich von seinem Erstaunen erholt, indem er mit seiner kurzen Pfeife über die Menge wies: "Dos ist Flurumzug." Wir hatten keine Zeit, eine nähere Erklärung zu verlangen, denn Trommelwirbel und rauschende Fanfaren, die einem aus dem Rathhaus herauskommenden Zug, in dessen Mitte sich mächtig wehende Fahnen mit den Farben und Wappen der Stadt und des Landes und weiß gekleidete Mädchen, an der Spitze aber der Bürgermeister und die übrigen Väter der Stadt befanden, begrüßten - schnitten jede Erörterung ab. Nachdem sich der Zug gruppirt, trat eins der weißgekleideten Mädchen, mit jenem bekannten blonden thüringischen Gesichtstypus, hervor und überreichte einem ebenso blonden jungen Mann mit einigen uns unverständlichen Worten eine roth=goldene Fahne, worauf dreimaliger Tusch und Abmarsch der ganzen Versammlung; voran Musik, dann Fahnen mit Ehrenwachen, Magistrat, Weiber, Kinder, mit Flinten und Büchsen bewaffnete Männer, die Schulen mit ihren Lehrern, Bier=, Wurst=, Schnaps=Marketenderinnen, Alles bunt durch einander. Noch ehe der Zug das Stadtthor erreicht hatte, attachirten wir und einem gravitätisch hinter dem Zug einher wandelnden Bürger von mehr als behäbigem Aussehen, welchem sein collossaler Körperumfang es höchst wahrscheinlich unmöglich machte, eine Muskete zu schleppen und in der Colonne mit zu marschiren, mit der festen Absicht, ihn nicht eher wieder loszulassen, als bis wir wußten, was hier vor sich ginge. Der Mann wischte sich erst mit einem blau= und weißgewürfelten Taschentuch den Perlenden Schweiß, der ihm trotz des frischen Herbstmorgens auf die Stirn getreten, ab und antwortete dann in einigen Absätzen: Ja, sehen Sie, bester Herre, dös ist der Flurumzug, und den halten wir alle zehn Jahre, und da gehen wir um's Stadtweichbild und sehen nach, ob die Grenzstein' noch alle auf dem rechten Fleck stehen, und da zieht Alles mit was nur Bein' hat, und nun passen's auf, nun werden Sie sehen, was geschehen thut.
In dem Augenblick, wir waren während des Gesprächs vor das Thor hinaus in die freie Stadtmarkung gelangt, verging uns aber nicht nur das Sehen, sondern auch das Hören, denn aus mehr als ein Paar hundert Flinten krachte eine Salve, die das Echo in den hohen, steilen Sandbergen an der Saale tausendfach zurückdröhnte. Trommel= und Trompetenschall klang dazwischen und eine dichte Menschenmenge versammelte sich um einen Grenzstein, den ersten des Weichbildes, auf welchen der Zug nach seinem Austritt aus der Stadt gestoßen. Rechtzeitig gelangten wir noch durch's Gedränge in den Mittelpunkt des Kreises, wo der Magistrat, umgeben von Fahnenträgern, Musikchören und einer Masse Volks stand und der Stadtschreiber eben eine Urkunde verlas, durch welche dargethan wurde, daß besagter Grenzstein, ein Grenzstein des städtischen Weichbildes sei und sich Jeder dies merken möge zum ewigen Gedächtniß, wobei er schließlich aus der Menge auf gerade Wohl einen 15= bis 16jährigen Buben an den kurzgeschnittenen, semmelblonden Haaren ergriff und ihn kräftig abschüttelnd, eine dreimalige kräuselförmige Bewegung um den Marktstein machen ließ und ihn dadurch gewissermaßen zum Zeugen stempelte. Dem Burschen, der auf eine so eigenthümliche Stärkung seines Gedächtnisses höchst wahrscheinlich nicht vorbereitet war, traten vor Erstaunen oder auch vor Stolz über die ihm gewordene Ehre die Augen, wie einem nürnberger Nußknacker, aus den Höhlen, und mit weitgeöffnetem Mund sah er bald den Stadtschreiber, bald den Grenzstein und sich selbst an. Noch lange sahen wir ihn in tiefe Gedanken versunken auf demselben Stückchen Erde, wo mit ihm die merkwürdige Ceremonie vorgenommen, stehen, als sich der Zug schon längst wieder in Bewegung gesetzt. Jetzt löste sich indessen die Ordnung der Prozession auf und Alles gruppirte sich willkürlich zusammen, mit Ausnahme einer kleinen Schaar, die den Magistrat umgab. Im Nu waren die Gebirgskämme und die buschigten Ufer der Saale mit zahlreichen Trupps bedeckt, die nach allen Richtungen hin ein lustig knatternder Gewehrfeuer eröffneten. Aus jedem Busch, hinter jedem Felsenabhang hervor blitzte und knallte es, und jeder Schuß verkündete den scheel drein blickenden Dörflern, die am Saum ihrer Felder und Wiesen standen, daß die Bürger der ehrwürdigen Bergstadt ihr altes, verbrieftes, 100jähriges Weichbildrecht geltend machten. Mehrere Dorfgemeinden nämlich, die im Bezirk des städtischen Weichbild es, welches einen Umfang von vielleicht 4-5 Stunden hat, liegen, wollten diese, schon seit vielen hundert Jahren, alle zehn Jahre stattfindende Prozession der Weichbild=Umgebung nicht mehr dulden und hatten bei der Staatsregierung Beschwerde dagegen erhoben, in Folge dessen die Staatsbehörde die Prozession bei 25 fl. Strafe

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verbot; indessen die Stadt zahlte die Strafe und übte den alt=germanischen Brauch aus, und den Dörflern blieb nichts übrige als, in ihren langen, blauen Sonntagswämsern trotzig auf ihre lange Stecken gestützt und den Pfeifenstummel im Mund, von ihren Dörfern aus den lustigen Zug vorüberrauschen zu sehen. Denn lustig war die Prozession wahrlich, vollends nachdem gegen Mittag sich die ganze Karavane in einem weiten, grünen Waldthal, wie sie das thüringer Gebirge so reizende und viele hat, lagerte. Ringsherum um den Thalkessel dicht mit Eichen, Tannen, Buchen und Buschwerk bewachsene Hügel, unten im Thal eine weite große Waldwiese, mit jenem kurzen, frischen, grünen Rasen, wie man ihn nur in den thüringischen Wäldern trifft - murmelnde, zwischen den moosbewachsenen Felsen herabströmende Waldbäche mit köstlich klarem, kalten Wasser, und über diesem Thal, das wie abgeschlossen durch die dichten, grünen Waldberge von dem Staub der Heerstraße und dem Geräusch der Städte dalag, ein reiner, blauer Himmel, von dem die milde Herbstsonne ihre goldenen Strahlen durch das hier und da schon roth= und gelb=gefärbte Laub, herab auf das dunkelgrüne Moos und den hellen Rasen warf. Und nun auf diesem grünen Stückchen Erde diese nomadisirende Bevölkerung von vielleicht tausend Köpfen jeden Alters und Geschlechts! Hier um die Wagenburg, auf welcher die ungeheuren Bierfässer lagerten, eine zechende und lärmende Gruppe ehrsamer Stadtbürger, die heute einmal den Alltagsmenschen ausgezogen hatten und die, herausgerissen aus dem dumpfen, niedrigen Kramladen und der Werkstatt, mit der frischen würzigen Waldesluft auch frischeres, regeres Leben einathmeten und das Blut ihrer munteren Jugendzeit wieder durch die Adern rollen fühlten; dort am Abhang des Hügels eine bunte Schaar blondhaariger und blauäugiger Mädchen und junge Bursche, die trotz des unebenen Wiesengrundes einen Ball abhielten und ihre Tänzerinnen nach thüringischer Sitte mit kräftigem Arm hoch emporschwangen; um jenes qualmende Bivouac, an welchem auf dem Rost hunderte von Würsten schmoren, lag eine Schaar kauender, hungriger Musikanten, während um eine andre Musikbande, die drüben auf sonnigem Hügel sich niedergelassen, ein Chor junger Leute, die ihre Studentenjahre noch nicht ganz vergessen, sich gesammelt und um einen auf ein Bierfaß sitzenden Präses gruppirt, die alten lustigen Studentenweisen, von dem: "Stoßt an, Jena soll leben!" bis zu dem: "Bemooster Bursche ziehe ich alls," in die dunkle, grüne Waldesnacht hineinsangen und dabei den großen schäumenden Humpen voll braunen Gerstensaftes kreisen ließen. Unter jenen Haselnußbüschen aber träumten ein paar sanft Entschlummerte, die gar zu häufig dort an der Wagenburg von dem gambrinischen Quell gekostet, einen süßen Traum von Malz und Hopfen, ruhig und ungestört, trotz der knatternden Flinten= und Büchsenschüsse, von denen fortwährend die Waldung widerhallte.
So verflossen drei lustige Stunden, bis von der Wagenburg herüber, wo der Magistrat sein Zelt aufgeschlagen, Trompenklänge und Trommelwirbel zum Aufbruch riefen. Blitzesschnell wurde das Lager abgebrochen, die zerstreuten Gruppen ordneten sich, voran die Musikbanden mit dem Magistrat und den Fahnen, dann die Sectionen bewaffneter Männer, die Wagenburg mit den ungeheueren Bierfässern, die fahrenden Marketenderinnen mit ihren Bratspießen, Rosten und Kohlenbecken, denen die Mädchen und Frauen und schließlich wieder ein Trupp mit Flinten Bewaffneter, die die Arriergarde bildeten, sich anschlossen. Unter fortwährendem Gewehrfeuer stieg die Karavane die waldigen Höhen empor, und nach wenigen Minuten war sie zwischen den Felsen und Wäldern verschwunden, und einsam und schweigsam lag der Grund da, der eben noch einen so lustigen Anblick geboten. - So geht es fort drei volle Tage, bis das große weite Weichbild umgangen, bei jedem Grenzstein Halt gemacht, dieser ausgehoben, die darunter liegenden Urkunden und Zeichen untersucht, neue hinzugefügt und die oben beschriebene Zeugenerwählung zum ewigen Gedächtniß an einem Buben vollzogen worden ist. Da das Fest nur alle zehn Jahre wiederkehrt, so ist die Betheiligung daran eine allgemeine und man kann es im strengsten Sinne des Wortes ein Volksfest nennen.


Wo ist die Grenze der Produktion?

Als vor etwa 15 Jahren bei einer Versammlung deutscher Landwirthe von einem Professor der Landwirthschaft die Ansicht ausgesprochen wurde, daß eine Kuh im Durchschnitt 1500 Kannen Milch im Jahre producire, versuchte ein sächsischer Landwirth diesen Ertrag auf 1800 Kannen zu steigern. Er war sehr zufrieden, als er dies erreichte und nunmehr wird geklagt, wenn aus demselben Stalle nicht 2000 Kannen gewonnen werden. So haben sich die Ansprüche gesteigert und man hat gelernt, besser und richtiger zu füttern, milchreichere Stämme zu züchten und so erreicht, was man vor einer nicht langen Reihe von Jahren kaum für möglich hielt. Interessant ist die Vergleichung mit dem Milchertrage anderer Länder und es ist vorerst bekannt, daß man bei reichlicher Weideernährung und reiner Heufütterung in den hohen Gebirgslagen der Schweiz und des Allgaues einen Ertrag von 3-4000 Kannen Milch pro Kuh à Jahr als einen außergewöhnlichen nicht betrachtet. Wenn man aber nach Dr. Hartstein auf einer Farm in Schottland auf circa 24 Acker Land (à Acker circa 1 3/5 Magdeb. Morg. ) bei der Fruchtfolge: 1) Rüben, 2) Weizen, 3) und 4) iltalienisches Raigras und 5) Weizen und Hafer, 48 Kühe hält und für diese nur für 240 Thaler Futter zugekauft, dagegen aus Butter und Milch 7547 Thlr., also aus der Kuh 157 Thlr. gelöst hat, so ist, so wenig glaublich dies auch erscheinen mag, nicht allein die erforderliche Futtermenge zu erzielen möglich, wenn der Boden, wie es hier geschieht, in der möglichsten Dungkraft erhalten wird, sondern es ist auch der Milchertrag, welcher sich je nach dem Rahmgehalte der Milch, weil diese abgerahmt zum Verkaufe gelangt, auf 4000-4400 Kannen beläuft, wie nicht zu bezweifeln ist, erreichbar, zumal wenn, wie wahrscheinlich geschieht, öfter mit den Kühen gewechselt wird.
Nur dann, wenn die Landwirthe stets das höchst Erreichbare vor Augen haben, ist der mögliche Fortschritt gesichert; mögen sie darum die angegebenen Milcherträge erst dann bezweifeln, wenn zu deren Erzielung dieselben Mittel angewendet worden sind, wie da, wo jene erreicht wurden.          (Pr. Ldw.)


Vermischte Anzeigen.

Verlobungsanzeige.

        Die Verlobung ihrer Tochter Bertha mit dem Herrn Candidaten Fischer hieselbst zeigen Verwandten und theilnehmenden Bekannten statt besonderer Meldung hiedurch ergebenst an

                                                    Advokat Kindler und Frau.

    Schönberg, den 26. Juni 1857.


      Heute Abend gegen 7 Uhr verloren wir unsern Sohn Wilhelm im fast vollendeten zweiten Lebensjahre an der Bräune. Diese Anzeige allen Freunden statt besonderer Meldung.
  Bauhof Zarrentin, den 18. Juni 1857.

                                                    W. Hörcher.
                                                    A. Hörcher, geb. Beermann.


        Wir machen hiermit bekannt, daß der Krugtag der Schuhmachergesellen am 2. Montag nach Johannis den 6. Juli, stattfindet, und fordern sämmtliche Mitbrüder auf, am gedachten Tage zu erscheinen oder ihre Auflage zu schicken.
        Schönberg, 18. Juni 1857.

                                                    Die Vorsteher und Altgesell
                                                    der Schuhmacher=Gesellen=Brüderschaft.


[ => Original lesen: 1857 Nr. 26 Seite 4]

Eine hübsche Landstelle,

nicht weit von Hamburg, an einem bekannten großen Marktflecken, in bester Lage, nahe der Haupt=Chaussee belegen, soll mit dem guten neu durchgebauten Wohnhause (4 Zimmer, Küche etc.), angebauetem Landhause, Stallung, Nebengebäude etc., mit schönem Garten am Hause, mit vollständigem Inventar, 2 Wagen, Pflüge, Eggen etc., dann 2 gute Pferde, 6 Milchkühe, Schweine, Schaafe, Federvieh, mit completen Saaten, allen Kornvorräthen etc.; ferner mit 10000 Quadratruthen trefflichen Wiesen, Moor= und Ackerländereien, zu 3400 Thalern preuß. mit nur halber Auszahlung rasch verkauft werden. Abgaben nur 16 Thlr. Ueber dieses preiswürdige Grundstück, so wie über einige äußerst rentable Güter, Höfe, Mühlen, Gastwirthschaften, Krämereien und Hökereien, Bäckereien, Schmieden u. s. w, giebt auf portofreie Anfragen die genaueste Auskunft Madame Louise Seyfarth, geb. Schröder in Hamburg (Schauenburgerstraße Nr. 16.)


       Alle, sie noch Forderungen an das neu erbaute Kl. Mist= und Resdorfer Schulhaus haben, mögen dieselben binnen 14 Tagen bei uns einreichen.

                                                    Die Dorfschaften
                                                    Kl. Mist und B.=Resdorf.


Gußstahl=Sensen
von vorzüglicher Güte empfiehlt bestens                                                    
                                                    A. Wigger.


        In einer Vollstelle des hiesigen Fürstenthums sind zu Jakobi gegen gute hypothekarische Sicherheit noch

= 3000 Thlr. =

mit 3 1/2 pCt. Zinszahlung zu belegen. Das Nähere erfährt man bei dem Buchbinder Bade in Schönberg.


Echt englisches Gichtpapier,

vorzügliches Mittel gegen alle rheumatischen Leiden, wie z. B. gegen das Reißen in den Gliedern, bei Magen= und Brustbeschwerden, gegen Schnupfen, Kopf= und Zahnweh, bei Augen= und Halsentzündungen etc. - Der Bogen 4 Schilling (Mecklenburg).

bei                                 B. Büschel in Lübeck,
Holstenstraße 180.


Färberei und Druckerei
von
E. Braun in Rehna.

        Einem hochgeehrten Publikum die ergebene Anzeige, daß ich unter heutigem Datum meine Färberei und Druckerei eröffnet habe.
Ich empfehle mich mit allen in dies Fach einschlagenden Arbeiten, und werde stets bemüht sein, neben den solidesten Preisen, die dauerhaftesten Farben zu liefern.
    Im Juni 1857.


        Da meine Färberei etwas abgelegen von der Stadt liegt, so zeige ich meinen geehrten Kunden hierdurch an, daß die Waaren, welche gewalkt, gefärbt oder gedruckt werden sollen, nicht allein bei mir, sondern auch beim Kaufmann Heinrich Rohde am Markt zu jeder Zeit abgegeben und auch wieder abgeholt werden können. Für hübsche ächte Farben und schnelle Bedienung wird stets gesorgt werden.

                                                    Carl Schott, Färbermeister,
                                                    in Rehna.


        Unterzeichneter zeigt hiermit ergebenst an, daß bei ihm am Sonntag den 28. und Montag den 29. Juni d. J.

Scheibenschießen

stattfindet. Einsatz für 3 Schüsse 16 Schilling (Mecklenburg) pr. Cour. (für denjenigen, der keine eigene Büchse hat, 18 Schilling (Mecklenburg)). Das Schießen beginnt Nachmittags 2 Uhr, von 5 Uhr an Ball und von 7 Uhr an wird portionsweise gespeist.
        Die Gewinne bestehen in:
                          1) einem Potagelöffel,
                          2) einem Gemüselöffel,
                          3) einem Eßlöffel,
                          4) einem dito,
                          5) einem dito,
                          6) einem dito,
                          7) drei Theelöffeln,
                          8) zwei dito,
                          9) einem dito.
        Um gütige Theilnahme bittet ganz ergebenst

                                                    J. C. W. Wieschendorf.

    Schlutup, den 16. Juni 1857.
        Mit Hrn. Gastwirth F. Fick habe ich die Vereinbarung getroffen, daß dessen Omnibus am ersten Tage Personen für 4 Schilling (Mecklenburg) hierher fährt.

                                                    D. O.


        Zu dem am Montag den 29. Juni bei mir stattfindenden

Scheibenschießen

lade ich Freunde ergebenst ein.

                                                    Krüger Arndt in Neschow.


Backtafel für die Stadt Schönberg
vom 16. bis 30. Juni.

Weizen=Milch=Brod. Pfd. Loth.   Pfd.   Loth.
Ein 2 Schillings=Kreuz= oder Franz=Brod, mit dem Aufbrod auf einen Schilling eine Dreilings=Semmel, soll wägen - 15
Ein Schillings=Kreuz= oder Franz=Brod desgleichen -   7 1/2
Ferner:
fünf große Milch=Semmel oder für 2 Schillinge - 15
fünf kleine Milch=Semmel oder für 1 Schilling -   7 1/2
Roggen=Brod von gebeuteltem Mehl, mit dem Aufbrod auf einen Schilling eines halben Dreilings werth, soll wägen:
ein 8 Schillings=Brod 4   5
ein 4 Schillings=Brod 2   2 1/2
ein 2 Schillings=Brod 1   1 1/4
Grob Hausbacken=Brod ohne Aufbrod:
ein 8 Schillings=Brod 6 16
ein 4 Schillings=Brod 3   8
ein 2 Schillings=Brod 1 20

Schönberg, den 22. Juni 1857.                          
                                                    Bürgermeister und Rath.


Kirchliche Nachrichten.

Schönberger Gemeinde.
Vom 18. bis 25. Juni

Geboren: Den 21. dem Hauswirth Freitag in Kl. Bünsdorf ein Sohn; den 22. ein unehel. Kind in Schönberg.
Gestorben: Den 24. Elisabeth Maria Stegmann, Arbeitsmannstochter in Retelsdorf, 7 Jahr alt.


Getraide und Markt=Preise in Lübeck

Weizen 1 Taler (Mecklenburg) 28-40 Schilling (Mecklenburg),     Wicken - Taler (Mecklenburg) 36-40 Schilling (Mecklenburg),
Roggen 1- Taler (Mecklenburg)   6-10 Schilling (Mecklenburg),     Buchweizen - Taler (Mecklenburg) 48-50 Schilling (Mecklenburg),
Gerste - Taler (Mecklenburg) 48-50 Schilling (Mecklenburg),     Winter=Rapsaat 27-28 Mark (Lübeck)
Hafer - Taler (Mecklenburg) 38-42 Schilling (Mecklenburg),     Sommer=Rapsaat 25-26 Mark (Lübeck)
Erbsen - Taler (Mecklenburg) 44-52 Schilling (Mecklenburg),     Schlagleinsaat 18-20 Mark (Lübeck)
Butter 10 Schilling (Mecklenburg) pr. Pfund.      Kartoffeln, 6 Schilling (Mecklenburg).


                        Die in Bergedorf vor Hamburg 4 Mal wöchentlich erscheinende

Eisenbahn=Zeitung

ist abermals ansehnlich ohne jede Preiserhöhung vergrößert, so daß sie jetzt zu den größten deutschen Blättern gehört und an Vielseitigkeit und Reichhaltigkeit wieder bedeutend gewonnen hat.
                        Sie ist zu 40 Schilling (Mecklenburg) vierteljährig zu beziehen durch

                                                Wilh. Heincke.


(Hiezu: Officieller Anzeiger No. 12.)


Redaction, Druck und Verlag von L. Bicker.


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