No. 24
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 13. Juni
1856
sechsundzwanzigster Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
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[ => Original lesen: 1856 Nr. 24 Seite 1]

- Der Kaiser Louis Napoleon hat sich nach Lyon begeben, um sich persönlich von der durch die Ueberschwemmung angerichteten Verheerung zu überzeugen; er hat bedeutende Summen für die am meisten Betroffenen gespendet. Die Kaiserin hat 20,000 Frcs. für sich und 10,000 Frcs. für den kaiserlichen Prinzen geschenkt. - Aus Lyon schreibt man: Als das Wasser gefallen, begab sich ein Theil der Bevölkerung nach den überschwemmten Stadtvierteln. Es war ein herzzerreißendes Schauspiel, der Anblick der vielen eingestürzten Häuser, von deren Bewohnern ein Theil unter den Trümmern begraben, noch mehr in den Fluthen umkamen, andere wieder ohne Obdach und ohne Nahrung umherirrten. Ueberall in der ganzen Umgegend, wo irgend ein Plätzchen von der Ueberschwemmung frei blieb, liegen Mobilien und Effecten und um diese traurigen Reste lagern wehklagende Unglückliche. Wenigstens 20,000 Menschen sind obdachlos; die Größe des Verlustes wird auf 600 Millionen Frcs. geschätzt. Alle Berichte aus den Flußgebieten lauten gleich betrübend; ganze Ortschaften, sowohl im Süden wie im Westen, und Felder und Gärten sind weithin verheert. Wie viele Menschen umgekommen, weiß noch Niemand; indem Maße wie das Wasser fällt, werden uns die Leichen zurückgegeben werden; mehr noch dürften unter den Häusertrümmern gefunden werden. Die Ueberschwemmung hat viele Opfer gefordert, aber sie hat auch Anlaß zu den schönsten Thaten der aufopfernden Liebe gegeben. Eine Frau, welche ein dreijähriges Kind auf den Armen hielt, konnte sich nicht aus einem Strudel befreien, vergebens arbeiteten die Soldaten in dem nahe kommenden Boot, sie warf ihr Kind weit von sich, so weit, daß es die Soldaten ergreifen und in's Boot ziehen konnten. Als dies die treue Mutter gesehen, stieß sie einen lauten Ruf aus und verschwand in den Fluthen! Auf dem Platz Napoleon in La Guillotiere suchte eine Frau durch das Wasser zu waten, aber der Strom ergriff sie, riß sie um und spülte sie fort, sofort sprang ein kaum 15jähriger Gamin in die Fluth, ergriff das arme Weib bei den obenauf schwimmenden Haaren und zog es so mit sich fort bis auf's Trockene. Auf einem Balken holte an der Port=Dieu ein schon bejahrter Steuerbeamter vier Frauen aus einem Hause, welches eben zusammenstürzen wollte; die Steine des zusammenbrechenden Gebäudes verletzten den edlen Mann blutig, aber sie hinderten ihn nicht, sein Rettungswerk zu beenden. Solche Thaten werden noch mehrere bekannt werden. Man sieht ganze Züge von Frauen mit Bouillon und andern Nahrungsmitteln nach den Kirchen von La Guillotiere und des Brotteaux ziehen, wo Tausende von Ueberschwemmten lagern. In der Kirche Saint Pothin waren über 800 Unglückliche versammelt, als auch da die gierige Woge eindrang, doch retteten sie sich noch Alle. Die Geistlichen verließen ihre Kirchen nicht einen Augenblick. Die Directoren und Aufseher des Waisenhauses Saint Enfant Jesu retteten alle ihre Kinder, indem sie eines nach dem andern durch das Wasser trugen. Einer der Brüder kehrte zuletzt noch einmal zurück, um das heilige Sacrament zu retten, er trug es auf dem Haupte, als er schwimmend ankam. Ein junger Arbeiter wird besonders gerühmt, unerschrocken rettete er mehrere Unglückliche und blieb 36 Stunden im Wasser .... Leider finden sich auch hier genug Erbärmliche, welche diese Gelegenheit zum Stehlen benutzten, darum verdoppelt die Polizei ihre Thätigkeit; es haben viele Verhaftungen stattgefunden. Die Zahl der eingestürzten Häuser beträgt wenigstens 300. - In Avignon fuhr der Kaiser Louis Napoleon zu Schiff ein, zwei Drittheil der Stadt standen noch unter Wasser. In die benachbarten Ortschaften mußten Kähne mit Matrosen geschafft werden, um die Rettung Hülfloser zu versuchen. - Eine Subscription für die Ueberschwemmten ist eröffnet, auf welche ansehnliche Summen von einzelnen Personen gezeichnet wurden, und welche am 6. Juni bereits eine Summe von 2 Mill. Frcs. nachwies. - Die französische Kammer hat einen Credit von 2 Millionen Frcs. für die Ueberschwemmten bewilligt. - Das Regenwetter hat in Paris am 5. Juni auf's neue begonnen und währte 23 Stunden.
- Aus Regensburg wird über einen Gewittersturm mit Hagelschlag berichtet, der ungemeine Verwüstungen, sowohl an Häusern, Bäumen, wie an Feldfrüchten, angerichtet hat; letztere sind vollständig vernichtet. Nachdem der Sturm die Dächer abgedeckt und die Fenster zertrümmert, drang der Hagel in der Größe wie Taubeneier in die Gebäude, wo selbst Möbel von der Wucht des Sturmes zerschmettert wurden. Auch in Dessau hat dieses Gewitter ungemeinen Schaden angerichtet.
- Am Bundestage machte der preußische Gesandte die Mittheilung, daß auf Anordnung des Königs von Preußen das in dem obern Bodenraum der Franziskanerkirche zu Wetzlar aufbewahrte vormalige Reichskammer=Gerichts=Archiv künftig wieder in dem ehemaligen Archivgebäude daselbst aufbewahrt werde, das neu restaurirt wird.
- In Rom sollte kürzlich eine öffentliche Lotterie stattfinden; um diese ohne Benachtheiligung des Publikums ausführen zu können, ließ der Polizeidirektor sämmtliche als Diebe bekannte und schon bestrafte Individuen einstecken, wodurch die Gefängnisse so gefüllt wurden, daß andere Lokalitäten zur Unterbringung der Ergriffenen zu Hülfe genommen werden mußten. Die Lotterie ging dann auch ohne Störung vor sich. Allein die schon am andern Tage wieder losgelassenen Gefangenen rächen sich nach Herzenslust bei der stattgehabten Frohnleichnams=Procession durch 108 größere Diebstähle, die sie beim Erbrechen von Hausthüren etc. während der Procession begingen, ohne die kleinern, bei welchen das gestohlene Gut ohne viele polizeiliche Scherereien vor=

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aussichtlich doch nicht wieder zu bekommen war. Dies ist hinlänglich Beweis, wie schlecht es in Rom mit der öffentlichen Sicherheit beschaffen ist.
- In Berlin feierte am 2. Juni die Schuhmacher=Innung den 572sten Jahrestag ihrer Gründung durch ein Gewerksfest, an welchem mehr als 2000 Genossen Theil nahmen. Ihr Innungsbrief ist vom 2. Juni 1284, auf Pergament und aufbewahrt im Archiv des Rathhauses.
- Aus der Umgegend von Boitzenburg, Berlin etc. klagt man über die große Menge Maikäfer, welche sich dort eingefunden haben.


Johann Wittenborg und seine Tochter.
(Schluß.)

Wie ward Katharina, da sie diesen Brief gelesen! Zuerst preßte sie ihn an ihre Lippen, dann an das klopfende Herz - das Gefühl des unaussprechlichen Entzückens der Liebe faßte sie mit seiner ganzen Allgewalt, hob sie in den seligsten Himmel mit Sturmesflügeln empor - um sie im nächsten Augenblick in den höllischen Abgrund der Entsagung stürzen zu lassen. Der Brief war an demselben Tage geschrieben, an dem der dänische Ueberfall der Hansaflotte geschehen war - Erich konnte noch nichts davon wissen. Katharina konnte nur den Trost daraus schöpfen, daß er dabei unbetheiligt und fern von diesem Schauplatz war, wenn nun auch auf keinem von minderer Gefahr - eindringend in Feindesland, im Rücken einen siegreichen Feind und die Rückkehr zur See abgeschnitten. Katharina warf sich auf ihr Betpult nieder und rang unter tausend Schmerzen und Aengsten die ganze Nacht. Wie freudig wäre sie für ihren Vater in den Tod gegangen, aber es war mehr, was heilige Kindespflicht ihr gebot, wenn sie versuchen wollte, seine Freiheit, sein Leben zu retten: ihr ganzes Leben, ihr ganzes Liebesglück sollte sie opfern und das des Geliebten mit, eine Untreue an ihm begehen, eine Untreue auch an den heiligen Gesetzen der Natur, indem sie dem verhaßten Manne zum Altar folgen sollte.
Die höchste Bundesgewalt der Hansa lag in den Händen der städtischen Abgeordneten, wenn sie auf den Hansatagen gesetzlich versammelt waren. Daselbst wurden alle für die Gesammtheit geltenden Beschlüsse gefaßt, Gesetze gegeben, Urtheile gefällt, Streitigkeiten entschieden und alle Verfügungen getroffen, welche den Bund betrafen. Allmälig war es üblich geworden, daß Lübeck als das Haupt der Hansa angesehen ward und man daselbst auch die Hansatage abhielt. Lübeck rief in größter Eile einen außerordentlichen Hansatag, um in Sachen des Bürgermeisters Johann Wittenborg Recht und Urtheil zu sprechen.
Die Sache des Bürgermeisters stand schlimm genug. Zwar, ein Landesverräther in dem Sinne, daß er absichtlich die Flotte in Dänemarks Hände gespielt, war er nicht - und es bekümmerte ihn am Meisten, daß man ihm eine solche Niederträchtigkeit, eine solche Arglist wider deutsche Brüder auch nur zutrauen konnte, aber seinem Mangel an Feldherrntalent und seiner siegesfrohen Nachlässigkeit war es allerdings zuzuschreiben, daß die Flotte überfallen und halb vernichtet werden konnte. Wittenborg war ein eitler und hoffärtiger Charakter. Als die erste Person in Lübeck und mit einem nicht unbedeutenden Verwaltungstalent in städtischen und friedlichen Verhältnissen begabt, schmeichelte er sich in der Behäbigkeit eines stolzen Bürgerthums auch zu jeder andern Würde der passende Mann zu sein. Wo Alles zu den Waffen rief und dem Feind entgegendrängte, wollte er am Wenigsten zurückbleiben, er wollte an der Spitze stehen - und dachte nicht daran, daß dies im Felde Etwas mehr zu bedeuten hatte, als daheim auf dem lübecker Rathhaus. Der erste glückliche Sieg über den Feind, den er hauptsächlich seinen Fähigkeiten und Anordnungen zuschrieb, obwohl er in Wahrheit einen sehr geringen Antheil daran hatte, sondern ihn nur der Begeisterung der kampflustigen Mannschaft dankte, die sich lange danach gesehnt hatte, den übermüthigen Feind Deutschlands zu züchtigen - bestärkte ihn in seiner hohen Meinung von sich und zugleich in seiner Sorglosigkeit. Nach der ersten glücklichen Landung an den dänischen Küsten, indeß der Graf von Holstein mit seiner Heeresabtheilung weiter vorrückte, veranstaltete er nach heimischer lübecker Gewohnheit eine Art Siegesfest. Ein munteres Gelag, wo es an übermüthigen Toasten nicht fehlte - und indeß sie zu Lande zechten und jubilirten, machte sich der listige verschlagene Däne die passende Gelegenheit zu Nutze, überfiel die fast wehr= und mannenlose Flotte und vernichtete sie zur Hälfte. Mit Mühe konnten noch einige Schiffe einen Theil der Gelandeten aufnehmen und die Heimfahrt wagen. Darunter der Bürgermeister - aber nicht als Führer, sondern als Gefangener. Denn einige der untern Führer hatten vergeblich schon vorher gewarnt vor seinem übermüthigen Gebahren, Andere hatten ihn beneidet, und noch Andere wollten dadurch, daß sie alle Verantwortlichkeit auf ihn wälzten, sich selbst von derselben befreien.
Die Untersuchung war in Lübeck geführt worden; nicht der absichtliche Verrath, aber die Schuld der Nachlässigkeit war erwiesen, und der Hansatag war einberufen, den letzten Spruch zu fällen. Der Angeklagte hatte nichts zu seiner Vertheidigung zu sagen - die Thatsache war erwiesen. Er schrieb sie einem unglücklichen Ohngefähr zu - aber das half ihm nichts, denn seine Sache wäre es gewesen, ein solches vorauszusehen oder doch auf alle Fälle gefaßt zu sein. Seine Berufung auf frühere Verdienste nutzte eben so wenig - sie waren vergessen vor der letzten Handlung, welche Schmach über die Hansa gebracht hatte. Zudem fühlte sich Lübeck, das den Vorsitz führte, zu einem um so strengern Gericht verflichtet, um sich von jeder Mitschuld und Mitschmach rein zu waschen, und die Abgeordneten der andern Orte, eifersüchtig auf die Vorrechte Lübecks, freuten sich, eine Gelegenheit zu finden, diese stolze Stadt zu demütigen und Rache an seinem ersten Bürger zu üben.
An einem gewitterhaften Sommertage zogen die Abgeordneten ein. Wie immer wurden sie bei ihrer Ankunft von den Lübeckern festlich bewillkommnet und mit Ehrenwein aus silbernen Pokalen beschenkt. Wenn dies sonst geschah, war Katharina die Krone dieser Festlichkeiten. Alle huldigten ihr und Jeder fühlte sich hochgeehrt, dem sie selbst den Becher reichte oder für den sie sonst einen freundlichen Blick, ein aufmerksames Worte hatte. Jetzt waren die Fenster ihres Hauses dicht verhangen, es dufteten keine Blumen, weheten keine Fahnen und Teppiche von ihrem Balkone - wie ein bleiches Marmorbild stand sie in ihrem dunklen Gemache. - Anfangs hatte sie ihren Vater noch ein paar Mal wieder sehen dürfen, jetzt war es ihr seit Wochen nicht mehr gestattet. Seit sie erfahren hatte, daß an seine Freisprechung nicht zu denken sei, hatte sie versuchen wollen, ihn durch einen Fluchtplan zu befreien, aber ehe derselbe zur Reife gediehen, war er entdeckt und vereitelt worden. Man hatte keine Beweise dafür. Aber sie hatte sich verdächtig gemacht, und seitdem durfte sie weder zu ihrem Vater noch ihr Haus verlassen - es war mit Wachen umstellt. Dies Letztere war ein Werk Bertram's. Er wollte es verhindern, daß sie einen der heimischen Richter oder fremden Abgeordneten spreche und für ihren Vater bitte. Er selbst kam zuweilen unter dem Vorwande, ihr von ihrem Vater Nachricht zu bringen, im Dunkeln zu ihr, und sie mußte seine Gegenwart unter unaussprechlichen widrigen Empfindungen und Aengsten ertragen. Er stellte sich immer als ihren Beschützer, ihren Bräutigam dar, und wenn er zudringlich ward, so rief sie nach Elsa und versprach ihm zum Altar zu folgen, wenn ihr Vater sie segnen könne. - So kam Bertram auch am Abend vor dem Hansatag, vor der letzten Entscheidung. Halb trunken vom Wein hatte er sich leise vom Fest der Abgeordneten fortgeschlichen und taumelte in Katharina's Zimmer. So hatte sie ihn noch nie gesehen. Hatte er zuvor noch eine Spur von Mitleid und

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Achtung gezeigt, so herrschte jetzt nur das Thier in ihm. Er plauderte aus, was er längst gewußt und beschlossen, aber bisher verschwiegen: ihr Vater sei zum Tode verurtheilt, und es sei keine Frage, daß die meisten Abgeordneten das Urtheil bestätigen würden; vielleicht könne noch seine verneinende Stimme einen günstigen Ausschlag herbeiführen, und dann werde er Mittel finden, ihm zur Flucht zu verhelfen. Und als sie unter Jammern ihm erklärte, daß sie ja dann sein werden wolle, aber erst müsse sie die Gewißheit haben, daß es ihm Ernst sei mit seiner Hülfe - da fragte er sie lachend, ob sie denn wirklich glaube, er werde die Tochter eines Verurtheilten zu seiner Gemahlin machen? Die ärmste Dirne sei sie dann, denn des Geächteten Vermögen falle der Hansa zu - und bei diesen Worten wagte er es, frech das arme Mädchen zu umarmen. Da trat Elsa ein, die an der Thür gehorcht, entriß ihm Katharina und schrie: "Nein, wer so niederträchtig sein kann, dem ist es auch nicht Ernst darum, etwas für den armen Gefangenen zu thun!" - Und ohne zu wissen, wie ihm geschah, fühlte er sich von den starken Armen eines wüthenden Weibes zur Thür hinausgeworfen und dieselbe hinter sich verriegelt. Entsetzt fragten sie Katharina's starre Augen um Aufklärung.
An einen der Comptoiristen Herrn Bertram's war von seinem frühern Collegen Erich ein Brief an ihn und an Katharina gekommen. Erich hatte gehört, daß Wittenborg gefangen in Lübeck sitze, und obwohl er nicht die ganze Schwere seines Geschickes ahnte, so trug er doch Sorge um die Geliebte. Er gestand darum nun dem ehemaligen Genossen sein Verhältniß zu ihr und bat ihn um seinen Schutz für sie - insonderheit gegen Bertram. Er sollte die Schritte seines Prinzipals bewachen und Alles aufbieten, daß Katharina nicht von ihm zu leiden habe. Erich's Freund, dem Bertram's Betragen längst verdächtig vorgekommen, spähte ihm jetzt weiter nach und brachte es bald heraus, daß hauptsächlich er es war, welcher im Stillen die Bürgerschaft von Lübeck mehr und mehr gegen Wittenborg zu erregen wußte, dabei Alles vorbereitend, daß er zu seinem Nachfolger gewählt werde; daß er es war, welcher Wittenborg's Schuld vergrößert darzustellen und das harte Urtheil durch allerlei Machinationen vorzubereiten suchte, das nun seiner wartete. Dem Comptoiristen ahnte von Betram's heimlichen Gängen zu Katharina nichts Gutes - er suchte endlich Elsa darüber auszuhorchen und öffnete derselben über Bertram's Nichtswürdigkeit die Augen, da er dem trunkenen Bertram heimlich in das Haus nachgeschlichen war, so daß die Wache ihn für einen Begleiter desselben hielt. Aber er vermied von seinem Herrn gesehen zu werden, Elsa genügte zu Katharina's Rettung, und er selbst floh durch den Garten über die Mauer, die sonst so oft die Liebesleiter seines Freundes gewesen war. Erich's Trostbrief an Katharina fand er erst diesen Abend Gelegenheit an Elsa abzugeben.
Zu Katharina's Rettung hatte der Comptoirist das Möglichste gethan - aber für ihren Vater war es ihm nicht beschieden! - Das Urtheil des Hansatages lautete: "Tod durch das Schwert" - und da gab es keinen Widerspruch, keinen Instanzenweg, keine Gnade. Das Urtheil war und blieb gefällt und mußte am dritten Tage vollzogen werden. - Jetzt wagte der Comptoirist noch das Aeußerste. Er hatte einem Bekannten im Rath, dem er vertraute, mitgetheilt, wie schändlich Bertram an Katharina gehandelt, und der Rathsherr bewirkte es, daß die Tochter am Vorabend der Hinrichtung ihren Vater noch einmal sehen durfte, ohne einen andern Zeugen als den Priester, der ihn zum Tode vorbereitete. Es war eine erschütternde Scene. Johann Wittenborg hatte sich mühsam gesammelt und ging dem Tod mit erzwungener Würde entgegen. Am Meisten schmerzte es ihm, daß er sich in Bertram so getäuscht, und daß er nun sein Kind elend und geächtet allein im Leben zurücklassen mußte, denn all' sein großes Gut fiel an die Hansa als Sühnopfer für das, was er ihr verloren. Katharina beichtete ihm das Geheimniß ihrer Liebe - aber wie sie, um sein Leben zu erhalten, bereit gewesen, dieselbe zu opfern, so hielt sie jetzt die Hand des Vaters auf, die sie zur Braut des würdigen Heldenjünglings segnen wollte. "Nicht doch, mein Vater", sagte sie still. "Nicht der Braut Erich's - der Braut des Himmels gieb Deinen Segen, der sie in die Klosterräume begleiten soll." Und der Vater segnete weinend auch diesen Entschluß, denn er wußte wohl, daß es noch eine Zeit war, in welcher die Sünden der Väter auch an ihren Kindern gestraft wurden- und daß wohl auch der von Stufe zu Stufe schnell gestiegene Erich nun die Hand der Enterbten und Geächteten verschmähen würde, um seinen reinen Ruf nicht dadurch zu beflecken, daß er die Tochter eines hingerichteten Missethäters heimführe. - Katharina blieb standhaft bis zum letzten Augenblick. Als aber am folgenden Morgen ein entsetzlicher Trommelwirbel ihr verkündete, daß der Henker sein Werk an ihrem Vater vollzogen, sank sie leblos zusammen. -
Wie sie es schon vorher angeordnet, brachte sie Elsa unter sicherm Geleit des lübecker Rathes in ein Kloster zu Rostock. Wochenlang lag sie hier in einem hitzigen Fieber. Nur langsam erholte sie sich von ihm. Monate vergingen, und obwohl sie noch Novize war, lag sie doch schon allen Pflichten der Ordensschwestern mit Sorgfalt ob. Da ward sie eines Tages in das Sprachzimmer beschieden - und Erich stand vor ihr. Durch das Sprachgitter streckte er ihr flehend die Hand entgegen und rief: "O nimm sie und folge mir an ihr hinaus in das Leben der Liebe!" Sie berührte die theure Hand - und wie ein elektrischer Strom zuckte Wonne und Leben durch ihr ganzes, fast erstarrt erschienenes Wesen - aber sie weigerte sich noch lange, ihm zu folgen, gedachte des Kummers um ihren Vater und der Schmach, die man im Leben um des Todten Willen auf sie häufe - aber Erich wies jedes Bedenken zurück und versicherte ihr, daß er sie nicht nach Lübeck zurückführen werde, sondern nach Schleswig, wo er eine Liegenschaft erworben, von der aus er Handel und Schifffahrt treiben und in seliger Ungestörtheit mit ihr leben könne. Da willigte sie endlich ein, entsagte dem Schleier und zog nach Jahresfrist als sein holdes Weib in die neue Heimath. Und ob sie auch das Geschick des Vaters nie vergaß, so erblühte ihr doch das süßeste Glück an der Seite des treuesten Gatten, wie ihm in ihrem Besitz.
Herr Bertram ward nicht Bürgermeister von Lübeck. Wie fein er sie auch verhüllte, man durchschaute doch seine arglistigen Handlungen, und ob auch davon nicht genug an den Tag kam, ihn gesetzlich zu bestrafen, so war es für ihn doch die entsetzlichste Strafe, daß er bei der neuen Wahl sich gar nicht beachtet sah.


Vorladungen.

Auf den Antrag des Webermeisters Lenschow in Schönberg und des Hauswirths Karsten in Rupensdorf, als gerichtlich bestellte Vormünder der minorennen Kinder des verstorbenen Schustermeisters Heinrich Lenschow in Schönberg, ist das gegenwärtige Schuld=Proclam, welchem, im Falle sich ergebender Insufficienz, die Wirkung eines Concurs=Proclams beigelegt sein soll, erkannt worden, vermöge dessen alle Diejenigen, welche aus einem Rechtsgrunde an dem Nachlaß dieses Verstorbenen Ansprüche und Forderungen zu haben glauben, hierdurch peremtorisch geladen werden, solche in dem zu diesem Zwecke auf Montag

den 21. k. M. Juli,
Vormittags 11 Uhr,

vor unterzeichnetem Justiz=Amte anberaumten Termin genau anzumelden und zu bescheinigen, und zwar unter dem ein für alle Mal angedroheten Nachtheil, daß sie sonst von dieser Nachlaßmasse damit für immer abgewiesen und ausgeschlossen sein sollen.
Schönberg, den 6. Juni 1856.

                          Großherzogl. Justiz=Amt der Landvogtei des Fürstenthums Ratzeburg.
                          C. L. v. Oertzen.
                          (L. S.)                                                     Reinhardt.


[ => Original lesen: 1856 Nr. 24 Seite 4]

Verkaufs=Anzeigen.

Am Mittwoch den 18. Juni
und an den folgenden Tagen

von Morgens 9 Uhr an, sollen auf der ersten Pfarre hieselbst öffentlich meistbietend gegen baare Bezahlung verkauft werden:

Zwei Büchersammlungen, resp. von 1049 und 640 Exemplaren; verschiedene Mobilien, als: Schränke, Tische, Stühle, Sopha's, Kommoden, Bettstellen und ein Schneiderscher Badeschrank; Glas und Porzellan; Silberzeug; Betten u. Bettfedern; Leinenzeug, darunter ein Damast=Tafellaken mit 24 Servietten; Küchengeräthe; Brennholz; 4 Kühe und 1 Schwein.
Die Auction beginnt mit dem Bücherverkauf.
Das Vieh wird am Donnerstag Vormittag 12 Uhr versteigert werden.
Schönberg den 29. Mai 1856.


Am                                                    
Montag den 16. u. Dienstag den 17. Juni dieses Jahres,
jedesmal von Morgens 8 Uhr an,

sollen auf dem Kayatz'schen Gehöfte hieselbst:

8 Pferde, 3 Fohlen, 12 Kühe, 1 Chaisewagen, mehrere Stuhl= und Bauwagen, zwei Schlitten, instrumenta rustica aller Art, darunter eine Ackerwalze, Sielengeschirre, Leutebetten, Hausgeräthe aller Art u. s. w.
gegen sofortige baare Zahlung meistbietend verkauft werden. Das Vieh kommt am ersten Tage, Vormittags 11 Uhr, auf den Bot.
Rehna, den 7. Mai 1856.

                                                    Schwetzky, Stadtsecetair.


Vermischte Anzeigen.

Alle diejenigen, welche in diesem Johanni=Termin durch mich Geld und Sparkassenbücher an die Schweriner Sparkasse zu besorgen gedenken, wollen solche entweder an mich oder an den Herrn Buchbinder Bade in Schönberg, spätestens bis zum 24. Juni d. Js. abgeben lassen.
Siechenhaus bei Dassow, den 3. Juni. 1856.

                                                    J. P. Oldörp, Siechenmeister.


Da das Zunftquartal wie gewöhnlich am Sonntag nach Johannis abgehalten wird, so machen wir hiermit bekannt, daß den neuen Privilegien gemäß, im bevorstehenden Quartal alle Rückstände, die Beiträge, so wie die Zinsen der rückständigen Einkaufsgelder, zu entrichten sind, im entgegengesetzten Falle würden wir uns genöthigt sehen, diejenigen, welche selbige nicht entrichten werden, aus der Zunft zu streichen.
Schönberg, den 12. Juni 1856.

                                                    Die Aelterleute der Todtenzunft.
                                                    Boye, Sölbrand.


Wir beabsichtigen, den hiesigen noch fast neuen Schulkathen, mit zwei Wohnungen nebst einem Garten von ungefähr 1 Scheffel Aussaat, zu Michaelis d. J. zu verkaufen.

                                                    Die Dorfschaft Kl. Mist.


Geburtsanzeige.

Die heute Morgen 5 Uhr erfolgte glückliche Entbindung meiner lieben Frau Johanna, geb. Greif, von einem gesunden und kräftigen Knaben zeige ich hiermit ergebenst an.
Schönberg, den 12. Juni 1856.

                                                    C. L. Creutzfeldt.


Hierdurch beehre ich mich einem geschätzten Publikum anzuzeigen, daß ich mich hieselbst als

Kupferschmidt

niedergelassen habe, und empfehle mich dessen gütigem Wohlwollen zu allen in mein Fach einschlagender Arbeiten, welche außer den hierzu gehörenden, besonders noch in Anfertigung von Pumpen=, Brennerei=, Deck=, Wasserleitungs= und Klosett=Arbeiten bestehen. Meine Wohnung ist beim Herrn Straßmann, Siemzerstraße.
Schönberg, den 5. Juni 1856.

                                                    C. Mess, Kupferschmidt.


Am Donnerstag den 17. Juli wird unser
Königsschuß

und am Freitag den 18. das Schießen um Silbergewinne stattfinden, und erlauben wir uns Freunde und Gönner dieses Volksfestes zur Theilnahme ergebenst einzuladen.
Schönberg im Juni 1856.

                                                    Capitain und Aeltesten
                                                    der Schützenzunft.


Am Montag und Dienstag den 23. und 24. Juni wird bei mir ein

Scheibenschießen

nach Gewinnen stattfinden, wozu ich ein hochgeehrtes Publikum mit dem Bemerken ergebenst einlade, daß der Einsatz für 3 Schüsse 16 Schilling (Mecklenburg) beträgt und jeder Satz nur einen Gewinn erhalten kann.

Lockwisch.                                                     Stein.


Einem geehrten Publikum hieselbst und der Umgegend zeige ich ergebenst an, daß vom 3. Juni an jede Woche Dienstags und Sonnabends mein

Personenwagen

von hier nach Lübeck und an demselben Tage von dort zurückfahren wird. Personen, welche diese Gelegenheit benutzen wollen, wollen sich hieselbst bei mir, in Selmsdorf beim Herrn Gastwirth Michaelsen, in Schlutup beim Herrn Müller Wieschendorf, in Lübeck beim Hrn. Benthien in "Im Schwan" am Kaufberg melden.
Abgangszeit von hier Morgens 7 Uhr und von Lübeck Nachmittags 4 Uhr.
Preis für die Person von hier nach Lübeck 12 Schilling (Mecklenburg) - Sperrsitz 16 Schilling (Mecklenburg).

Schönberg 1856.                                                     F. Fick.


Aachener und Münchener Feuer-Versicherungs-Gesllschaft.
--------------------
Rechnungs=Abschluß von 1855.

Grundkapital Thlr. 3,000,000.  --
Prämien und Zinsen=Einnahme für 1855 (excl. der Prämien für spätere Jahre) Thlr. 1,530,259. 25
Prämien=Reserven Thlr. 2,308,934. 20
----------------------------
Thlr. 6,839,194.   5
Versicherungen in Kraft während d. J. 1855 Thlr. 766,159,814.  --

Schönberg, den 7. Juni 1856.

                                                    Die Agentur.
                                                    Joh. Pet. Heinr. Spehr.


Kirchliche Anzeige.

Vierter Trinitatis.
        Frühkirche: Pastor Gerling.
        Hauptkirche: Consistorialrath Rüdiger.


Getraide und Markt=Preise in Lübeck

Weizen 2 Taler (Mecklenburg) 6-16 Schilling (Mecklenburg),     Wicken 1 Taler (Mecklenburg) 4-12 Schilling (Mecklenburg),
Roggen 1 Taler (Mecklenburg) 28-32 Schilling (Mecklenburg),     Buchweizen 1 Taler (Mecklenburg) 2-  8 Schilling (Mecklenburg),
Gerste 1 Taler (Mecklenburg) 6-10 Schilling (Mecklenburg),     Winter=Rapsaat - Mark (Lübeck)
Hafer 1 Taler (Mecklenburg) 2-  4 Schilling (Mecklenburg),     Sommer=Rapsaat - Mark (Lübeck)
Erbsen 1 Taler (Mecklenburg) 20-24 Schilling (Mecklenburg),     Schlagleinsaat 15-16 Mark (Lübeck)
Butter 10 Schilling (Mecklenburg) pr. Pfund.      Kartoffeln, a Faß 8 Schilling (Mecklenburg).


Redaktion, Druck und Verlag von L. Bicker.


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