No. 8
Die Anzeigen erscheinen wöchentlich zweimal.
Dienstags und Freitags

Schönberg, den 22. Februar
1839
neunter Jahrgang
Preis vierteljährlich 20 Schilling (Mecklenburg) jährlich 1Mark (Lübeck) 32Schilling (Mecklenburg).
Jahrgang
<< Ausgabe vorher>> Ausgabe danach
[ => Original lesen: 1839 Nr. 8 Seite 1]
Verordnung,
betreffend die Publication und Gültigkeit des Gesetzes wegen der Erkenntnisse und Rechtsmittel in Criminal=Sachen, vom 8. Januar 1839, im Fürstenthum Ratzeburg.

Wir Georg von Gottes Gnaden
Großherzog von Mecklenburg, Fürst zu Wenden, Schwerin und Ratzeburg, auch Graf
zu Schwerin, der Lande Rostock und Stargard Herr etc. bzw. usw.etc. bzw. usw..
Geben hiemit öffentlich zu vernehmen: daß, nachdem die angeheftete gedruckte Verordnung vom 8. Januar d. J., betreffend betreffend die Erkenntnisse und Rechtsmittel in Criminal=Sachen, in Unserm hiesigen Herzogthume publicirt worden, selbige, mit Ausnahme der wenigen Bestimmungen, welche in Unserm Fürstenthume Ratzeburg nicht anwendlich sind, sonst aber in allen übrigen Puncten, auch in Unserm Fürstenthume Ratzeburg zur Anwendung gebracht und befolgt werden soll.
                Urkundlich unter Unserer eigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Großherzoglichen Regierungs=Insiegel. Datum Neustrelitz den 26sten Januar 1839.
        Georg, G. H. v. M.               
(L. S.) v. Dewitz.        

Großherzoglich Mecklenburg=Strelitzsche Verordnung vom 8. Januar 1839,
betreffend die Erkenntnisse und Rechtsmittel in Criminal=Sachen;

insbesondere

I. die Anzahl der Erkenntnisse in einer Sache (§. 1. bis §.4.);
II. die erkennenden Gerichte und die Spruchbehörden (§. 5. bis §. 11.);
III. die Beschleunigung und Form der Erkenntnisse (§. 12. bis §. 15.);
IV. das Rechtsmittel der Revision (§. 16. 17.);
V. die Vertheidiger (§. 18. bis §. 24.);
VI. die Querel (§. 25. 26. 27.);
VII. die Aufhebung früherer Gesetze und sonstige Nebenbestimmungen (§. 28. 29.)
[ => Original lesen: 1839 Nr. 8 Seite 2]
Georg von Gottes Gnaden
Großherzog von Mecklenburg, Fürst zu Wenden, Schwerin und Ratzeburg, auch Graf zu Schwerin,
der Lande Rostock und Stargard Herr etc. bzw. usw.etc. bzw. usw..
            Zum Zwecke möglichster Gleichförmigkeit der Justiz=Einrichtungen für gesammte Mecklenburgische Lande finden Wir Uns bewogen, hinsichtlich der Erkenntnisse und Rechtsmittel in Criminal=Sachen hiedurch, im Einverständnisse mit Unsern getreuen Ständen, zu verordnen, wie folgt:
§. 1.
            Jedes erste Erkenntniß, bei welchem sich der Angeschuldigte beruhiget, ist sofort vollstreckbar, insoferne es nicht auf Todesstrafe lautet.
            Ist gegen einen in Haft befindlichen Inculpaten eine Freiheitsstrafen auf längere Zeit erkannt, wogegen er von dem zuständigen Rechtsmittel noch Gebrauch machen will, so ist, auf sein Verlangen dennoch, vorbehältlich des Verfolgs des Rechtsmittels, mit der Vollstreckung zu verfahren.
            Gegen rein freisprechende Erkenntnisse, in denen auch sonst keine beschwerenden Bestimmungen gegen den Angeschuldigten enthalten sind, desgleichen gegen Lossprechung von der Instanz, wenn der Angeschuldigte schon wegen eines gleichartigen Verbrechens verurtheilt worden, finden keine Rechtsmittel statt.
§. 2.
            Ein zweites Erkenntniß ist
a) unbedingt nothwendig, wenn das erste die Todesstrafe ausspricht;
b) auf Antrag des Verurtheilten zulässig, wenn das erste Erkenntniß irgend eine Strafbestimmung oder irgend einen sonstigen Nachtheil gegen ihn enthält. In letzterer Beziehung begründen die Berechtigung zu einem zweiten Erkenntnisse namentlich auch: die Entbindung von der Instanz, wenn der Angeschuldigte nicht schon wegen eines gleichartigen Verbrechens verurtheilt wurde, die Zuerkennung eines Verweises, die, auch nur auf bestimmte, kürzere oder längere Zeit beschränkte Amtsentsetzung oder Entziehung der Praxis und die Verurtheilung in die Kosten.
§. 3.
            Ein drittes Erkenntniß ist
a) unbedingt nothwendig, wenn das zweite Urtheil es bei der in erster Instanz erkannten Todesstrafe belassen hat;
b) auf Antrag des Verurtheilten zulässig, wenn das zweite Erkenntniß eine zweijährige oder längere Freiheitsstrafe bestimmt, oder auch auf gänzliche Amts=Entsetzung und was derselben gleichzuachten, z. B. auf Entziehung der Praxis für immer, mit oder ohne anderweitige Strafbestimmung, gerichtet ist.
§. 4.
            Wenn eine geschlossene Untersuchung, in welcher das End=Erkenntniß noch nicht erfolgte, aus Veranlassung eines Zwischen=Erkenntnisses, oder aus sonstigen Gründen fortgesetzt ist, und sich daraus neue Umstände ergeben haben, welche gegen den Angeschuldigten ein nachtheiligeres Urtheil, als das bisher gesprochene, begründen können, so hat das Gericht, von welchem das erste Erkenntniß abgefaßt war, auch über das Ergebniß der fortgesetzten Untersuchung zu erkennen, und ist solches Urtheil sodann als erstes in der Sache zu betrachten.
            Sollte aber, nach beendigtem Spruchverfahren, die Wieder=Aufnahme der Untersuchung rechtlich nothwendig werden, so tritt in diesem Fall unbeschränkt ein neues
[ => Original lesen: 1839 Nr. 8 Seite 3]
Spruchverfahren ein, und das sodann erfolgende Erkenntniß ist als das erste in der Sache anzusehen.
§. 5.
            1) Alle Gerichte des hiesigen Landes sprechen in den von ihnen untersuchten Sachen die ersten Erkenntnisse selbst.
            2) Ein jedes zweite Erkenntniß ist von einer der fünf allgemeinen Spruchbehörden, nämlich der Justizcanzleien zu Neustrelitz, Schwerin, Güstrow und Rostock und der Juristen=Facultät zu Rostock, abzugeben, welche nicht etwa schon in erster Instanz in der Sache gesprochen hat.
            3) Alle dritten Erkenntnisse spricht das Ober=Apellationsgericht zu Parchim.
§. 6.
            Von diesen Regeln (§. 5.) sind nur die folgenden Ausnahmen zulässig:
            1) Ist das Ober=Appellationsgericht aus allgemeinen Rechtsgründen an der Abfassung des dritten Erkenntnisses behindert, so ist es berechtiget, eine der fünf allgemeinen Spruchbehörden, welche in den voraufgegangenen Instanzen noch nicht in der Sache gesprochen hat, damit zu beauftragen.
            2) Findet sich eine solche Behinderung bei einer der fünf allgemeinen Spruchbehörden in Abgabe der ersten und zweiten Erkenntnisse, so gelangt die Sache zum Spruch an eine der übrigen allgemeinen Spruchbehörden, von welcher darin noch nicht gesprochen ist.
In einem solchen Fall sind die eingegangenen Untersuchungs=Acten von der behinderten Spruchbehörde, mit Anführung der Behinderungsgründe, an das Untersuchungs=Gericht zurückzusenden, und von diesem an eine der andern Spruchbehörden zu befördern.
            3) Ist die Justiz=Canzlei zu Neustrelitz als Untersuchungs=Gericht aus solchen Gründen am ersten Spruch behindert, so hat sie gleichfalls mit Anführung der Behinderungsgründe die Acten an eine der vier übrigen allgemeinen Spruchbehörden gelangen zu lassen.
            4) Tritt eine solche gehörig begründete Behinderung bei einem der übrigen Gerichte des hiesigen Landes ein, so gelangen die Acten zum ersten Spruch an die Justiz=Canzlei zu Neustrelitz.
            5) Sollten bei den Untersuchungs=Gerichten, wo nicht wenigstens drei rechtsgelehrte Richter an der Abfassung des ersten Erkenntnisses Theil nehmen, in besonders schwierigen Fällen sich solche Bedenken hervorgeben, die das Untersuchungs=Gericht nach seiner Überzeugung bestimmen, von der Abfassung des ersten Erkenntnisses abzustehen, so soll bis auf anderweitige Vorschrift dann ausnahmsweise gestattet seyn, die Acten zum Spruch an die Justiz=Canzlei in Neustrelitz zu senden.
§. 7.
            Diejenigen, das erste Erkenntniß sprechenden Untersuchungs=Gerichte, bei welchen nicht mindestens drei rechtsgelehrte Richter an der Urtheilsfassung Theil genommen haben, sind verpflichtet, am Schlusse eines jeden Jahres ihre abgegebenen Erkenntnisse, mit den dazu gehörigen vollständigen Urtheilsgründen, in einer mit der Beglaubigung des Actuars versehenen Abschrift, welche auch die Zeit des erfolgten Actenschlusses und die der Publication des Erkenntnisses nachweisen muß, bei Unserer Justiz=Canzlei zu Neustrelitz einzureichen.
§. 8.
            Den in einer Untersuchungssache betheiligten Angeschuldigten steht, in Bezug
[ => Original lesen: 1839 Nr. 8 Seite 4]
auf die in den §§. 5. 6. bestimmten Spruchbehörden, eine Wahl oder Exceptionsbefugniß überall nicht zu.
            Nur in dem einzigen Fall, wenn ein Inculpat aus der, während der Untersuchung ihm vom Untersuchungs=Gerichte widerfahrenen Behandlung actenmäßige triftige Gründe zur Verbittung des Untersuchungs=Gerichts als Spruchgericht anzuführen vermag, ist dieses berechtiget und verpflichtet, sich der Abgabe des Erkenntnisses zu enthalten, und mit Hervorhebung solcher vorgebrachter Gründe die Sache zum ersten Spruch an die Justiz=Canzlei zu Neustrelitz, oder falls letztere selbst die Untersuchung geführt hätte, an eine der vier übrigen allgemeinen Spruchbehörden abzugeben.
            Wegen der Perhorrescenz und deren Zulässigkeit auch in Criminalsachen, bewendet es bei den darüber bestehenden allgemeinen Grundsätzen.
§. 9.
            Da, wo nur ein rechtsgelehrter Richter der Criminal=Justizverwaltung vorsteht, kann bei persönlicher oder fachlicher Behinderung desselben, der substituirte Richter sich auch der Abfassung des ersten Erkenntnisses nicht entziehen.
§. 10.
            In den Fällen, in welchen nicht schon nach den vorstehenden Bestimmungen (§. 6. Nr. 4, 5, und §. 8.) die Justiz=Canzlei zu Neustrelitz als zuständige Spruchbehörde besonders bezeichnet ist, und die Acten an eine der allgemeinen Spruchbehörden zum Erkenntnisse in erster oder zweiter Instanz gelangen müssen, haben die Untersuchungsgerichte unter solchen die Wahl zu treffen.
§. 11.
            Wird von den städtischen Obergerichten in Rostock und Wismar die Abfassung erster oder zweiter Erkenntnisse bei Unserer Justiz=Canzlei zu Neustrelitz als allgemeiner Spruchbehörde beantragt, so hat dieselbe solchem Ansuchen zu entsprechen.
            Die Gerichtsbehörden Unsers Fürstenthums Ratzeburg sollen, in Bezug auf die gegenwärtige Verordnung, den Untergerichten des hiesigen Landes gleich gestellt seyn.
§. 12.
            Die Spruchbehörden haben die Criminalerkenntnisse vorzugsweise zu befördern, und dies insbesondere dann, wenn die Sache mit Untersuchungshaft der Betheiligten verbunden ist.
            Ist das Erkenntniß von einer der altgemeinen Spruchbehörden nicht spätestens innerhalb zwei Monaten von Zeit des Empfanges der Acten an gerechnet, und von dem selbstsprechenden Untersuchungsgerichte nicht spätestens innerhalb vier Wochen nach dem Actenschlusse abgegeben, so ist dies in der Regel schon für eine Versäumniß zu halten.
§. 13.
            Jedes Erkenntniß ist in der Form abzufassen, daß das Untersuchungsgericht als die erkennende Behörde erscheint, und daß in den Fällen, in welchen eine der allgemeinen Spruchbehörden für ein anderes Gericht das Erkenntniß abgefaßt hat, dies durch die Formel: "auf eingeholten Urtheilsspruch der etc. bzw. usw.. ersichtlich ist.
            Es haben daher die allgemeinen Spruchbehörden, so wie auch das Ober=Appellationsgericht die von ihnen eingeholt werdenden Erkenntnisse in solcher Form so vollständig ausfertigen und den Remissions=Rescripten oder Promemorien beilegen zu lassen, daß das Untersuchungsgericht nur noch die beglaubigende Unterschrift des Gerichtspersonals und das Publicatum hinzuzufügen hat.
[ => Original lesen: 1839 Nr. 8 Seite 5]
§. 14.
            Einem jeden Erkenntnisse sind davon getrennt ausgefertigte, vollständige Urtheiltsgründe freizugeben.
            Solche Gründe müssen in gedrängter Kürze, in einer natürlichen, leicht übersichtlichen Ordnung enthalten:
die für die Entscheidung wichtigen Personen= und Sachverhältnisse mit ausdrücklicher Bezeichnung der zur Frage stehenden Verbrechen nach ihren rechtlichen Merkmalen -die für den Beweis der That und der Verschuldung entscheidenden Umstände; also im zutreffenden Fall namentlich auch speciell die Belastungs= und Entlastungsanzeigen mit deren rechtlichen Würdigung und Abwägung gegen einander, und endlich in Bezug auf den Inhalt des Urtheils die denselben speciell rechtfertigenden Gründe, mithin namentlich da, wo eine Strafe erkannt ist, die Zumessungsgründe, wie sie zur Findung der schwereren oder geringeren Strafe benutzt sind.
§. 15.
            Dagegen ist in die Entscheidungsgründe nichts aufzunehmen, was nach den vorliegenden besondern Umständen zur Kenntniß des Inculpaten zu bringen, etwa unangemessen erachtet werden kann. Dergleichen ist in besondern Promemorien dem Erkenntnisse beizufügen, die jedoch der Kenntniß des Defensors oder eines sonstigen Rechtsbeistandes des Inculpaten nur dann entzogen werden können, wenn dies von der Spruchbehörde ausdrücklich bemerkt ist.
§. 16.
            Die zulässigen zweiten und dritten Erkenntnisse (§§. 2, b. 3, b.) kann der Verurtheilte mittelst Einwendung des Rechtsmittels der Revision beantragen, und im Fall zuerkannter Todesstrafe (§§. 2, a. 3, a.) ist dasselbe auch ohne solchen Antrag und selbst gegen einen Verzicht des Verurtheilten durchzuführen.
§. 17.
            Sofort nach der Publication des Erkenntnisses ist der Inculpat darüber zum Protocoll zu befragen, ob er sich bei dem Erkenntnisse beruhigen wolle.
            1) Erklärt derselbe dann, oder doch spätestens innerhalb drei Tagen nach der Publication, seine Absicht, von dem zuständigen Rechtsmittel der Revision, welches ihm nöthigenfalls näher zu erklären, Gebrauch zu machen, so sind nach vierzehn Tagen die Acten mit der etwa eingehenden Vertheidigungsschrift des Inculpaten zum ferneren Spruch zu versenden. Auf gehörig begründeten Antrag kann die Einsendungsfrist angemessen verlängert werden.
            2) Lautet das also angefochtene Erkenntniß auf Zuchthausstrafe (gleichviel von welcher Dauer), oder auf Festungsarrest über ein Jahr, oder auf Amtsentsetzung und was der letzteren gleichzuachten (§. 3, b.), so ist dem unvermögenden Verurtheilten auf sein Verlangen ein Vertheidiger auf Kosten der Gerichtskasse zu bestellen; jedoch mit der Einschränkung, daß, wenn schon gegen das erste Erkenntniß eine solche Vertheidigung gewährt ist, diese nicht zum zweiten Male gegen das zweite Erkenntniß gefordert werden kann.
            3) Auch ist es dem Verurtheilten immer gestattet, gegen jedes Erkenntniß, welches nicht das letzte ist, seine Vertheidigung zum Protocoll vorzutragen.
            4) Sowohl gegen das erste als gegen das zweite auf Todes= oder lebenslängliche Freiheitsstrafe lautende Erkenntniß muß dem Verurtheilten unbedingt und nöthigenfalls auf Kosten der Gerichtskasse ein Vertheidiger bestellt werden.
            5) Schriftliche Vertheidigung des Angeschuldigten durch einen Defensor soll vor dem ersten Erkenntnisse in keinem Falle mehr zugelassen werden.
[ => Original lesen: 1839 Nr. 8 Seite 6]
§. 18.
            Als Vertheidiger sind nur die bei einer der vier Justizcanzleien immatriculirten Advocaten zulässig. Diese dürfen sich aber auch der ihnen übertragenen Vertheidigung ohne erhebliche Gründe nicht entziehen, und sind im Fall einer begründeten Ablehnung verpflichtet, bei Vermeidung einer Strafe von fünf Thalern Gold, davon dem Untersuchungsgerichte innerhalb acht Tagen nach empfangener Bestellung die Anzeige zu machen.
§. 19.
            Ist ein Verteidiger auf Kosten der Gerichtskasse zu bestellen, so sind von dem Gerichte dem Inculpaten drei Advocaten zu benennen, unter welchen ihm die Wahl freizustellen ist; die einmal getroffene Wahl kann derselbe nur dann verändern, wenn er dafür sachliche, vom Gerichte für genügend erklärte Gründe anzuführen vermag.
            Wünscht ein Inculpat aus erheblichen Gründen von einem andern, ihm nicht vorgeschlagenen Advocaten vertheidigt zu werden, so hat das Untersuchungsgericht, nach pflichtmäßigem Ermessen, darauf billige Rücksicht zu nehmen.
§. 20.
            Sind zu einer und derselben Untersuchungssache mehrere auf Kosten des Gerichts zu vertheidigende Inculpaten, deren Interesse sich nicht entgegensteht, vorhanden, so ist die Vertheidigung durch einen und denselben Advocaten zu beschaffen. Können die mehreren Inculpaten sich in solchem Fall über die Wahl nicht vereinigen, so bestellt das Gericht ohne Weiteres den gemeinschaftlichen Vertheidiger.
            Liegt aber in derselben Sache gegen mehrere Verurtheilte ein Todesurtheil vor, so ist jedem derselben ein besonderer Vertheidiger zu bestellen.
§. 21.
            Die Vertheidigungsschrift ist innerhalb einer vom Untersuchungsgerichte zu bestimmenden Frist von vier bis acht Wochen, welche jedoch aus erheblichen Gründen verlängert werden kann, zu den Acten zu bringen.
            Die säumigen Vertheidiger sind mit Geldstrafen von zwei bis zehn Thalern Gold zu belegen, und wenn dies fruchtlos bleibt, ist die Vertheidigung einem andern Advocaten auf Kosten des Säumigen zu übertragen.
§. 22.
            Die Unterredung des Vertheidigers mit dem in Haft befindlichen Inculpaten ist auch ohne Beiseyn einer Gerichtsperson zu gestatten.
            Sind die Kosten der Vertheidigung aus der Gerichtskasse zu bestreiten, so kann nicht mehr als eine Unterredung auf deren Kosten gefordert werden.
§. 23.
            Das Honorar für eine Vertheidigungsschrift ist von dem Untersuchungsgerichte nach dem Umfange der Acten und nach der größern oder geringern Schwierigkeit des Falls in seiner Behandlung zu fünf bis fünfundzwanzig Thalern, und nur in besonders wichtigen Fällen höher, doch nie über fünfzig Thaler zu bestimmen.
            Für die Einsicht der Acten sind nach gleichem richterlichen Ermessen zwei bis zehn Thaler, bei ungewöhnlich starken Acten bis sechszehn, höchstens zwanzig Thaler zu bewilligen.
            Die nothwendigen Copialien und etwanigen sonstigen Auslagen sind besonders zu vergüten, und die Kosten der Unterredung mit dem Inculpaten diätenmäßig zu berechnen.
            Zur Anhörung der Erkenntnisse ist die Gegenwart des Vertheidigers nicht erforderlich. Rotulations=Termine finden überall nicht statt.
[ => Original lesen: 1839 Nr. 8 Seite 7]
§. 24.
            Die Vertheidiger haben sich ihrer Obliegenheit hinsichtlich einer geförderten und sorgsamen Vertheidigung mit allem Fleiße und Umsicht zu entledigen, und den Anordnungen und Auflagen des Untersuchungsgerichts gehörig nachzukommen, und zwar bei Vermeidung der von solchem nöthigenfalls - wie namentlich in den §. 18. 21. bezeichneten Fällen - zu erkennenden Ordnungsstrafen.
            Mißbrauch der Acten oder Collusionen der Vertheidiger sollen dem ordentlichen Richter der letzteren zur Untersuchung und Bestrafung, mit welcher nach Umständen die Suspension oder Remotion von der Praxis zu verbinden ist, vom Untersuchungsgerichte angezeigt werden.
§. 25.
            Seine vermeinten Beschwerden gegen das Untersuchungsgericht kann der Inculpat, wenn sie auf seinen Antrag von demselben keine Abhülfe finden, mittelst der an keine Nothfristen und sonstige Förmlichkeiten gebundenen, auch ohne erfolgende Inhibitorien das Verfahren nicht aufhaltenden Querel an die Justiz=Canzlei zu Neustrelitz, oder, wenn letztere selbst das Untersuchungsgericht wäre, an das Oberappellations=Gericht bringen.
            Dem in Haft befindlichen Inculpaten kann die Registrirung seiner Beschwerde und seines Antrags auf Einsendung der Acten an das für die Beschwerde zuständige Gericht nicht versagt werden.
            Der auf solche Querel erfolgenden richterlichen Bestimmung hat der Inculpat sich zu unterwerfen.
§. 26.
            Auch das Untersuchungsgericht kann ohne besondere Förmlichkeit bei dem Ober=Appellationsgerichte queruliren:
1) gegen die auf die Querel des Inculpaten erfolgte, dasselbe gravirende Entscheidung der Justiz=Canzlei zu Neustrelitz; und
2) gegen die allgemeinen und besondern (§. 6. Nr. 4. 5, §. 8.) Spruchbehörden, wenn es vermeinen sollte, daß von diesen, der Leitung der Untersuchung wegen, insbesondere auch in Bezug auf die Spruchreife, dem Gesetze und den Acten nach, unzutreffende Zwischenerkenntnisse oder ihre Zuständigkeit überschreitende Weisungen erlassen wären. Bei den in diesen Fällen vom Ober=Appellationsgerichte erfolgenden Bestimmungen bewendet es schließlich.
§. 27.
            Findet sich die Justiz=Canzlei zu Neustrelitz als Untersuchungsgericht durch eine eigene Verfügung des Ober=Appellationsgerichts beschwert, so kann sie dagegen von der einmaligen Repräsentation Gebrauch machen.
§. 28.
            Die bisherigen gesetzlichen Bestimmungen, welche die in gegenwärtiger Verordnung festgestellten Verhältnisse betreffen, werden hiedurch außer Anwendung gesetzt; namentlich
a) die Verordnung vom 18. December 1795, betreffend die von den Amts= und Stadtgerichten jährlich einzureichenden Verzeichnisse der bei ihnen anhängigen Criminal=Sachen;
b) die Verordnung vom 3. Mai 1797, wegen öffentlicher Bekanntmachung der peinlichen Straf=Urtheile;
c) aus der Verordnung vom 23. December 1836 - betreffend das Verbot der Actenversendung an Juristen=Facultäten in Criminal= und Polizeisachen, und die dadurch nothwendig gewordenen Justiz=Einrichtungen - die §.§. 4. und 5., der
[ => Original lesen: 1839 Nr. 8 Seite 8]
zweite Absatz des §. 6, und der §. 7., der zweite und dritte Absatz des §. 11., die drei ersten Absätze des §. 12. und der §. 14.;
d) aus der erwähnten Verordnung vom 23. December 1836 die §.§. 9. und 10., der vierte und fünfte Absatz des §. 12. und der §. 13., in so weit, als selbige die in Criminalsachen erforderlichen Erkenntnisse betreffen.
§. 29.
            Diese Verordnung findet gleich mit der Publication ihre Anwendung; hinsichtlich der bereits anhängigen Untersuchungen unbedingt, wenn darin noch kein erstes Urtheil erfolgt ist, auch die Acten dazu noch nicht versandt sind, sonst in so weit es nach dem jedesmaligen Stande der Sache ausführbar ist.
            Urkundlich haben wir diese Verordnung, welche durch die officielle Beilage zu den Mecklenburg=Strelitzischen Anzeigen zur öffentlichen Kunde gebracht und auch auf Unser Fürstenthum Ratzeburg extendirt werden soll, eigenhändig unterschrieben und mit Unserm Großherzoglichen Regierungs=Insiegel bekräftigen lassen. Datum Neustrelitz den 8. Januar 1839.
Georg, G. H. v. M.                  
        (L. S.) v. Dewitz.              


Vorladungen.

Extract.

        In dem Debitwesen der Erben der wailand Schneider Kösterschen Eheleute, ist nach dem in die Schweriner Intelligenz=Blätter eingerückten Proclama,

1) zum Versuche eines Vergleiches und
2) zur Prioritäts Deduction,
ein Termin auf

den 18. März 1839

sub praejudiciis pro omni angesetzt.
    Rehna den 12. Januar 1839.

Großherzogliches Stadt=Gericht.      


        Zur Beschlußnahme in Angelegenheiten Holzhändler Jacob Marcusscher Creditoren, wider den Holländereipächter Peters zu Vehlböcken, Beklagten, pro. editionis etc., ist ein Termin auf

den 7. März h. a. Morgens 11 Uhr

angesetzt, zu welchem alle Interessenten, sub praejudicio pro omni, geladen sind.
    Rehna den 5. Februar 1839.

Großherzogliches Stadt=Gericht.      


Verkaufs=Anzeigen.

        Nach Masgabe heutiger terminlicher Verhandlungen soll die bis Johannis 1844 zu 1000 Mark (Lübeck) N 2/3 jährlicher Pacht verpachtete Rahesche Erbmühle zu Manhagen, bei welcher die Vogtey Manhagen zwangspflichtig ist, mit den dazu gehörigen Gebäuden und Ländereien (34 Scheffel Aussaat Ackerland und etwas Wiesewerk),

am 14. März dieses Jahres

Morgens 10 Uhr vor dem unterzeichneten Gerichte öffentlich meistbietend verkauft werden; weshalb Kaufliebhaber Sodann ihren Bot und Ueberbot, in Gemäsheit der zu regulirenden Bedingungen, zu Protocoll zu geben und wegen des Zuschlages das Weitere zu gewärtigen haben werden.
    Das Grundstück ist, nach vorheriger Meldung beim Förster Solvie zu Manhagen, jederzeit in Augenschein zu nehmen, bei welchem auch die Bedingungen, zu erfahren sind, aus welchen vorläufig bemerkt wird, daß beim Zuschlag sofort 500 Taler (Mecklenburg). N 2/3 baar zu erlegen seyn werden.
    Decretum Schönberg den 31. Januar 1838.

                                                 Justiz=Amt der Landvogtey des Für=
(L. S.) stenthums Ratzeburg.
Karsten.   Reinhold.  


Vermischte Anzeigen.

        Auf dem Wege von Lübeck über Selmstorf nach Schönberg sind am 15. d. M. Abends, zwei Stück Messing in einem Sack vom Wagen verloren. Der ehrliche Finder wird gebeten, solche gegen eine Belohnung an den Klempner Hülsemann in Schönberg abzuliefern.


Berichtigungen.

In der Landesh. Verordnung wegen Bestrafung des Diebstahls, im vorigen Stück d. A. lese man:
§. 8. Zeile 1, statt ein bis zweijähriger, ein bis zehnjähriger.
§. 11, Z. 2 v. u. statt begründeten, begründenden.
§. 15, Z. 5 v. u. statt Strafmaaß zunächstfolgenden, Strafmaaß der zunächstfolgenden.


Gedruckt und verlegt von L. Bicker.


<< Ausgabe vorher>> Ausgabe danach
ZVDD